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Was ist Ayurveda?

 

Ayurveda kommt aus dem Indischen und heißt Wissenschaft über das Leben. In mehreren tausend Jahren hat sich eine Heilslehre herausgebildet, um gesund zu werden und zu bleiben. Die Ratschläge zur Lebensführung sind unseren Hinweisen für ein gesundes Leben ähnlich.

Im Krankheitsfall weichen aber die Vorstellungen oft stark von dem ab, was bei uns üblich ist.

Durch eine Ernährungsweise, die an die eigene Konstitution angepasst ist, soll die Gesundheit gefördert werden. Diese kann sich je nach Konstitutionstyp stark unterscheiden.

Ist die Gesundheit erst einmal angeschlagen, kann man sie mit Hilfe einer Panchakarma-Kur wiederherstellen. Dabei wird der ganze Körper gründlich gereinigt und von allen Schlacken befreit. Spätestens jetzt rollt der medizinisch vorgebildete Mensch entnervt mit den Augen, da es keine Schlacken gibt! Diese werden vom Körper neutralisiert und ausgeschieden. Das wiederum ist eine Definitionsfrage. Für Ayurvedakundige sind Gefäß- und Kalkablagerungen, Gichtkristalle, eingelagerte Giftstoffe, ja, sogar zu viel Zucker im Blut Schlacken, die mittels geeigneter Maßnahmen aus dem Körper entfernt werden müssen. Üblicherweise macht man das mit einer klassischen Panchakarma-Kur. Sie beinhaltet Massagen, Stirngüsse, Einläufe, eingeleitetes Erbrechen, Nasenreinigung und gegebenenfalls Aderlässe. Sie sollte nicht weniger als drei und nicht länger als sieben Wochen dauern.

Inzwischen gibt es auf dem Markt reichlich abgespeckte Versionen, die nur ein- bis zwei Wochen dauern und sich auf die angenehmen Aspekte von Ayurveda konzentrieren, aber natürlich auch nicht den gesundheitlichen Effekt einer umfassenden Panchakarma-Kur haben.

Wie alles begann


Schon vor zwölf Jahren machte ich eine Ayurvedakur, die ich ungeschminkt in meinem Buch „Butterschmalz zum Frühstück” beschrieben habe. Die Reaktion der meisten Leserinnen war: Nie im Leben!

Aber keine Regel ohne Ausnahme, und die Ausnahme ist Meral Emir. Sie hat einen wunderbaren Schönheitssalon, sehr viel Arbeit und noch mehr Verantwortung. Sie sagte: „Wenn du wieder so was machst, komme ich mit. Ehrlich!”


Es ist wahrscheinlich eine fixe Idee. Meine Haare. Wer mich so sieht, denkt sich nichts. Meine Haare sind auffällig unauffällig. Früher waren sie auffällig und haben mir Kummer ohne Ende gemacht. Bis ich eines Tages fast weinend in Merals Salon saß. Sie hat mich getröstet, mir einen Cappuccino hingestellt und gemeint, sie hätte schon viel schlimmere Fälle gesehen. Und dass sie meine Haare so drechseln könne, dass keiner was von den von mir empfundenen Problemen ahnt. Das hatte mir schon mal eine Friseurin versprochen und eine Schreckschraube aus mir gemacht, die jeden Tag heulte, bis die Haare einigermaßen nachgewachsen waren.


Ich nahm meine Brille ab, was so ein bisschen wie Licht ausknipsen ist und begab mich in Merals Hände. Nach der Haarwäsche bekam ich eine grandiose Kopfmassage verpasst. Dann trat die Schere in Aktion. Und der Rasierer. Als ich meine Brille wieder aufsetzte, sah ich stinknormal aus. Einfach hundsgewöhnlich. Kein Mensch würde auch nur im Entferntesten von meinen Haarproblemen ahnen. Das war mehr, als ich erwartet hatte. Ich schloss Meral auf der Stelle in mein Herz und erzählte ihr von meinem Kummer, meinen Sorgen und meinen Freuden. Friseurinnen sind Psychotherapeutinnen und gleichzeitig so tröstlich wie eine liebe Oma. Deshalb wusste Meral auch von meiner ersten Ayurvedakur. Von der heilsamen Folter, die ich damals erlebt habe und die meine Freundinnen und Bekannten mit gruseligem Schauer zur Kenntnis nahmen und mir mitteilten, dass sie gewiss niemals so eine Behandlung machen würden. Meral hingegen fand das interessant und sagte, dass sie mitwolle, wenn ich je wieder so eine Kur mache.


Irgendwann fühlen wir beide uns ausgelaugt und reden über eine neue Kur. Geplänkel, das ich nicht ernst nehme. Gerne, ja, ja, irgendwann. Meral nennt konkrete Daten. Als ich das nächste Mal wiederkomme, um mir eine straßenköterfarbene Normalfrisur machen zu lassen, die alles Anormale fantastisch kaschiert, will Meral wissen, wie weit ich mit der Suche nach einer Kur bin. Ich bekomme einen Schock. Sie meint es wirklich ernst!


Ich stehe also da, mit dem Rücken zur Wand. Wo zaubere ich auf die Schnelle eine Ayurvedakur her? Ich finde im Internet ein hinreißendes Resort am Meer und melde uns an. Nach Tagen stellt sich aber heraus, dass das Angebot doch nicht existiert! Und jetzt? Es gibt spezialisierte Reiseveranstalter. Dort melden wir uns und erfahren sogleich, dass es am Meer nichts mehr gibt, es sei denn, frau ist sehr reich. Sind wir nicht. Eine andere, weniger attraktive Möglichkeit wäre das Landesinnere. Aber bei einer Ayurvedakur soll man strenggenommen sowieso nicht im Meer baden, und Meral möchte eine authentische Kur. Ich will nur weg. Weg vom Alltag, rein in die Sonne, Ruhe genießen.

Ja, da gibt es was. In Kerala, Südindien, in der Nähe des Städtchens Kottayam. Das Athreya Ayurvedic Centre. Das Angebot sagt uns zu. Eine echte und professionelle Kur, wie man sie nur noch selten findet. Genau das Richtige!


Die Homepage überrascht mich. Auf den Bildern sieht das Resort ganz idyllisch aus. Dort werden, im Gegensatz zu den meisten anderen Kliniken, alle Behandlungsmethoden ohne Beschönigung beschrieben, nirgendwo wird ein Blatt vor den Mund genommen. Nach unserer Anmeldung müssen wir einen langen und detaillierten Fragebogen ausfüllen, der dem Arzt vorab zugemailt wird. Nicht nur die eigene Krankengeschichte ist interessant, sondern auch die aller Vor- und Nachfahren in direkter Linie. Die Arbeit, die Lebens- und Ernährungsweise, eingenommene Medikamente, Größe, Gewicht. Eben alles. Bis hin zum Verhalten des Stuhls. Schwimmt er oder sinkt er? (Schwimmen ist besser).

Der Erhalt des Fragebogens wird vom Arzt prompt quittiert.


Der nächste Fragebogen trudelt ein, diesmal von der Botschaft. Früher musste man seinen Pass dort hinschicken, um ein Visum zu erhalten. Nun lässt sich das Ganze aber online erledigen. Angeblich innerhalb einer Woche. Ich hoffe sehr, dass dies stimmt, denn sonst haben wir ein echtes Problem.

Es wird viel abgefragt: persönliche Daten, Beruf, Ziel der Reise, bis hin zu Geburtsdatum und -ort der Eltern und Großeltern. Oder militärische Dienstgrade. Die Frage ist für uns praktischerweise durch ein „nicht zutreffend” sehr leicht zu beantworten, genauso wie die Familienbande nach Pakistan. Zahlen tut man das Ganze per PayPal, und dann heißt es abwarten.

Doch schon am übernächsten Tag erhalten wir unser Visum.


Jetzt geht alles sehr schnell. Die Reiseunterlagen kommen. Eilig noch ein paar neue T-Shirts und luftige Teile gekauft, alles gepackt und los!




  1. 26.02.17

Flugobjekte: vom Flugzeug zum Moskito


Morgens um halb sechs kommt Meral mich mit ihrem Mann abholen. Wir fahren zum Münchner Flughafen. Es ist auf der Autobahn sehr ruhig und gesittet, sodass wir nicht mal zwei Stunden brauchen und eine ganze Stunde zu früh ankommen. Umso gemütlicher können wir frühstücken. Dann schlendern wir zur Sicherheitskontrolle. Die Länge der Schlangen versetzt uns in Panik! Während wir uns nervös hibbelnd langsam und zäh vorarbeiten, überlegen wir uns, ob es nicht eine weit bessere Idee gewesen wäre, hinter der Sicherheitskontrolle zu frühstücken. Der weitere Verlauf der Kontrolle überzeugt uns definitiv davon. Als wir endlich gefilzt sind, geht es im Sauseschritt ins Flugzeug. Und dann befinden wir uns über den Wolken.


Es ist schon dunkel, als wir in Abu Dhabi zwischenlanden. Der Druck der letzten Zeit fällt von uns ab und plötzlich sind wir sehr, sehr müde. Der nächste Flieger ist riesig und knallvoll. Das mit dem Schlafen will nicht so richtig klappen. Meine Beine werden dick. Eigentlich würde ich sehr gern ein wenig aufstehen, aber der Herr, der den Gangplatz hat, schläft fest und laut.


Kurz nach drei Uhr morgens kommen wir in Kochi an. Dieser Flughafen wird komplett mit Solarstrom betrieben und ist der erste seiner Art. Er ist sehr modern und sauber. Alles funktioniert reibungslos. Am Ausgang hält ein Mann ein Schild mit unseren Namen hoch.


Indien hat eine eigene Autoindustrie, Tata und Ambassador. Beide Autotypen hatten ein ganz charakteristisches, eigenes Design. Der Ambassador ist mittlerweile wohl ausgestorben, während der Tata zu einem Japan-Verschnitt mutiert ist. Wir nehmen also in einem sehr japanisch aussehenden, indischen Wagen Platz. Unser Fahrer kann nicht viel Englisch. Er spielt beim Fahren mit seinem Handy herum, was mir nicht gefällt. Dann reicht er es mir. Ich soll mir was anhören. Auf dem Bildschirm erscheint eine WhatsApp-Sprachnachricht. Sie ist vom Arzt. Er heißt uns in Indien herzlich willkommen. Wir sollen uns im Auto sicher fühlen, und wenn der Fahrer zu schnell fährt, sollen wir mit ihm schimpfen.


Die Straßen sind gut ausgebaut und in einem einwandfreien Zustand. Tiere und Menschen findet man dort nicht mehr, sondern stattdessen japanische Autos, japanische Klone, Motorradrikschas, die hier lautmalerisch absolut passend Tuktuk genannt werden, und jede Menge Zweiräder. Der Verkehr ist mörderisch. Zumindest für unsere Verhältnisse. Wenn ein Fahrzeug im Weg ist, wird es überholt. Egal, ob Gegenverkehr kommt oder nicht. Doch jetzt ist es noch einigermaßen ruhig, es ist ja erst fünf Uhr morgens. Bald darauf klingelt wieder das Handy des Fahrers. Der Arzt ist dran, diesmal in echt, um nun ein persönliches Willkommen nachzuschieben. Außerdem will er sicher sein, dass es uns an nichts fehlt.


Als der Tag langsam erwacht, sind wir da. Inmitten von Reisfeldern am Rande des Städtchens Kottayam hält sich das Resort versteckt. Gleich wenn man reinkommt, stößt man auf die riesige Statue des Affengottes Hanuman. Er steht für (übermenschliche) Kraft. Der Swimmingpool ist …. nicht da. Es gibt keinen! Deswegen gab es im Prospekt auch kein Bild davon. Ich schlucke. Es war uns zwar bekannt, aber trotzdem schlimm, dass es hier kein Meer gibt, Ayurveda hin oder her. Dass es aber auch keinen Pool gibt, ist eine herbe Überraschung. Genauso wenig wie eine Liegewiese. Das Restaurant besteht aus Tischen, die so verteilt sind, dass man zu seinen Mitmenschen wenig Kontakt hat. Überhaupt ist die ganze Anlage ziemlich schlicht und nicht übermäßig gepflegt. Gehobene Jugendherberge, darüber täuscht auch die kräftig wuchernde und üppig blühende Vegetation nicht hinweg. Ich bin ernüchtert.


Wir beziehen unsere Zimmer, denn wir schlafen getrennt. Ich weiß ja von früher, dass es einem während der Kur öfters nicht gut geht und man einen Rückzugsort braucht, denn auch eine gute Freundin kann einem in dieser Situation auf die Nerven gehen. Von zwei Bekannten weiß ich, dass sie als Freundinnen die Kur antraten und als Feindinnen zurückkamen. Das will ich unbedingt vermeiden.

Die Umstände unserer Unterbringung sind ideal. Wir haben zwei nebeneinanderliegende Zimmer und eine gemeinsame Terrasse. Die Zimmer sind einfach. Mein Zimmer hat Linoleumboden, aber dafür hängt ein Flachbildschirm an der Wand. Meral hingegen hat schöne Bodenfliesen, muss sich aber mit einem Röhrenfernseher abfinden. Das ist allerdings halb so wild, da keine von uns den Fernseher oder die Klimaanlage je eingeschaltet hat, da das nicht zur Ayurvedakur passt. Die Wärme lieben wir beide sowieso, und ein Deckenventilator sorgt für genügend Luftbewegung. Im Bad gibt es keine Dusche, sondern Wasserhähne auf halber Höhe, unter denen ein großer Eimer steht. An seinem Rand hängt ein kleiner Schöpfkrug. Man überschüttet sich also mit dem Wasser aus dem Eimer. Diese Art des Bades heißt Mandi und ist in Asien sehr beliebt.


Ein paar Meter von der Terrasse entfernt befindet

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 05.08.2022
ISBN: 978-3-7554-1861-0

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