Über das Buch:
Warum trägt Buddha eine Brille? Wie schmeckt Butterschmalz? Was ist ein Nachtigallenboden? Warum sitzen Puppen auf Balkonen? Auf ihren Streifzügen durch Indien, Japan, Indonesien und Burma hat die Autorin eine Vielzahl interessanter und kurioser Begebenheiten und Tatsachen festgehalten, die sie hier als unterhaltsame Lektüre präsentiert.
Über die Autorin:
Helga Jursch wurde 1960 in Hamburg geboren und lebte schon als Kind im Ausland. Dies führte zu einem bislang unstillbaren Drang in die Ferne, der in regelmäßigen Abständen ausbricht. Wenn sie nicht auf Reisen ist, lebt sie mit ihrer Familie und einer Katze in der Nähe von Stuttgart.
Das moderne Leben ist aufregend, anregend und anstrengend. Atempausen sind nicht wirklich vorgesehen. Das hinterlässt Spuren. Bei mir äußern sie sich in Form von tief sitzender Unlust, leichter Reizbarkeit, Rückenschmerzen und chronischer Bronchitis. Von allen Methoden, die einen ins Gleichgewicht bringen sollen, spricht Ayurveda mich am meisten an. Ich beschließe, die Probe aufs Exempel zu machen. Da ich ohnehin eine Schwäche für Meeres- und Palmenrauschen habe, entscheide ich mich für eine Kur in der Wiege des Ayurveda. Und so breche ich im März 2005 zur Ayurvedaklinik Coconut Bay Beach Resort in der Nähe von Trivandrum, in Kerala, am Südzipfel Indiens auf.
Was mich in Kerala erwartet, meine ich durch die schönen, bunten Beschreibungen aus dem Prospekt und die Lektüre von „Des Mauren letzter Seufzer“ von Salman Rushdie und „Der Gott der kleinen Dinge“ von Arundhati Roy zu wissen. Beide Bücher stehen in Indien auf dem Index, weil das Land nicht übermäßig gut darin wegkommt. Doch genau das hat mir gefallen. Ich gucke gerne hinter die Kulissen. Nun ist es soweit. Indien, ich komme!
Vor den Tropenstrand hat die moderne Welt das Flugzeug gesetzt. Doch ich hasse Fliegen! Zu den üblichen Unannehmlichkeiten kommt noch die feste Überzeugung, dass ausgerechnet mein Flieger abstürzen wird. Richtig stressig wird es, als ich feststelle, dass wir genau über den Irak fliegen, wo gerade der Krieg tobt. Bagdad, Falludscha, Nadschab, die ganzen grässlichen Namen aus der Tagesschau direkt unter uns. Dann Landung in Kuwait mit einer Stunde Verspätung. Mir schwant schon das Schlimmste, aber mein nächster Flieger hat ebenfalls eine komfortable Verspätung. Kaum angeschnallt versuche ich zu schlafen, doch ich wache auf, weil ein Krankenwagen mit Tatütata durch meinen Kopf fährt. Das nächste Schläfchen wird durch das Klingeln meines ausgeschalteten Handys unterbrochen, das Dritte durch den Ruf meines abwesenden Sohnes nach mir. Mir steht noch ein hartes Stück Arbeit bevor, um den Alltag mental hinter mir zu lassen.
Da ich keinen Flug mehr zum nächsten Flughafen Trivandrum bekommen habe, weiche ich ins 250 Kilometer entfernte Cochin aus. Dort werde ich vom Hotelfahrer abgeholt. Er sagt, wir bräuchten fünf Stunden bis zum Ziel. Fünf Stunden! Das erschüttert mich ein wenig. Dann fährt er los. Die Verkehrsregeln sind einfach: Es gibt keine, es gilt das Recht der lauteren Hupe. Auf der Straße bewegen sich nicht nur alle möglichen und unmöglichen Fahrzeuge, sondern alles, was sich irgendwie fortbewegen kann: Menschen, Elefanten, Ochsen, Ziegen. Es ist wie eine Achterbahnfahrt, nur dass es hier ums wirkliche Leben geht. Ich merke, dass mein Fahrer nicht mehr richtig fit ist. Seine Reaktionen sind etwas zu träge und schreckhaft. Kein Wunder, er muss mitten in der Nacht aufgestanden und schon fünf Stunden durch den mörderischen Verkehr hierher gefahren sein, um mich abzuholen. Ich schlage deswegen öfter ein Teepäuschen vor, was er gerne annimmt. Während er ein anregendes Getränk nach Art des Hauses zu sich nimmt, stürze ich mich mit Begeisterung auf die Kokosnüsse. Nach sechs Stunden sind wir endlich da.
Das Hotel ist wirklich so schön wie im Prospekt. Ich bin völlig groggy und übermüdet. Aber jetzt gibt's erst mal Essen. Ich nehme Sambar. Das ist Reis mit gemischtem Gemüse in Kokossoße, dazu scharfe Linsenpaste. Zu trinken gibt es Ingwertee. Dann werde ich vom Hotelarzt untersucht. Morgen kommt noch der große Guru Dr. Franklin, der mich auch ansehen wird, dann bekomme ich die endgültige Diagnose. Jetzt bekomme ich erst mal eine Entspannungsmassage und ein bisschen Reinigung.
Deepa, meine Masseurin, fragt mich, ob ich es lieber hart oder weich hätte. Ich sage „weich“ und sie legt los. Möchte nicht wissen, was dann eine harte Massage ist. Ich werde fast zwei Stunden wie ein Pizzateig durchgewalkt, wobei Deepa mir auch eine Fußmassage verpasst. Sie hält sich an einem Deckenseil fest und massiert mich druckvoll mit den Füßen. Schließlich wird mein Nasen- und Nebenhöhlensystem mit Öl gereinigt, und zum Schluss muss ich noch ein Glas Milch, auf dem oben eine Schicht Butterschmalz (Ghee) schwimmt, trinken. Ich hoffe, dass das ein Versehen ist, aber es ist Absicht und zudem noch ernst gemeint. „Yes Ma'am, you must!“ Deepa ist sehr nett, aber durchaus durchsetzungsfähig. Danach bin ich mehr tot als lebendig und falle ins Bett. Zum Glück habe ich Ohropax dabei. Normalerweise liebe ich Meeresrauschen, aber das Meer hier rauscht nicht, es tobt. Es tobt regelrecht tsunamiartig und brächte mich ohne Gehörschutz um den Schlaf.
Ich wache am nächsten Morgen gut erholt auf und mache erst mal Yoga. Der Yogi ist ein alter Inder mit Rauschebart, dennoch, im Gegensatz zu mir, ungemein beweglich. Die Yoga-Session ist richtig anstrengend. Entweder sind meine Arme zu kurz oder meine Beine zu lang, um die Übungen nachzumachen, die der Lehrer so locker-flockig vorführt. Dann gibt’s Frühstück: Ambar, Pfannkuchen aus Reismehl mit gewürztem Bananenmus. Wenn ich geahnt hätte, was Dr. Franklin sagen würde, hätte ich mehr gegessen. Dr. Franklin wettert erst mal gegen die Europäer, die nur zwei Wochen kommen und fit gemacht werden wollen. Unter drei Wochen kann man gar nichts Vernünftiges machen. Ich beschließe, die Woche, die ich für eine Rundreise geplant hatte, an die Kur anzuhängen. Er sagt streng, eine echte Kur sei kein Vergnügen und ob ich mir bewusst wäre, dass einige unangenehme Dinge auf mich zukämen. Ich sage „ja“, obwohl ich gar nicht so recht weiß, was mir bevorsteht. Ich vertraue aber darauf, dass es mir gut tun wird, und interessieren tut es mich ohnehin. Als Erstes streicht er mir das Frühstück. Stattdessen bekomme ich ein halbes Glas pures, flüssiges Butterschmalz zu trinken, das jeden Tag etwas voller sein wird. Ungerührt erklärt mir Dr. Franklin trotz meines entsetzten Blickes die außergewöhnliche Reinigungskraft von Butterschmalz und die dringende Notwendigkeit, diese Kraft auf meinen Körper wirken zu lassen.
Gegen meine chronische Bronchitis will er mir einen Tag eingeleitetes Erbrechen verordnen. Wird normalerweise bei Europäern nicht gemacht, weil das wellnessfixierte Waschlappen sind, die einen falschen Eindruck von Ayurveda haben. Das sagt er zwar nicht so, aber sein ganzes Mienenspiel lässt keinen Zweifel daran, dass er es so meint. Aber ich, ich werde das authentische Ayurveda kennenlernen.
Frühstück. Ein halb volles Glas Butterschmalz steht vor mir. Schon der erste Schluck schmeckt magenhebend. Dazu der Geruch! Es riecht an sich nicht schlecht, doch es riecht nach zu viel. Mein Körper sträubt sich, das Fett zu schlucken. Wird meine Leber nicht durchdrehen, wenn es nichts außer schierem Fett gibt? Ich quäle mich und leide bis zur Massage.
Deepa walkt mich wieder tüchtig durch, als wäre ich ein dreckiges Laken auf dem Waschbrett. Ein sehr dreckiges Laken. Sie wird mich die ganze Zeit betreuen. Am Ende der Einheit reibt sie mein Gesicht mit einer sehr wohlriechenden Salbe ein und verpasst mir eine äußerst angenehme Gesichtsmassage. Danach wieder Nasenreinigung und Milch mit Ghee.
Es gibt im Ayurveda drei Energieprinzipien, die Doshas. Sie kommen in jedem Menschen in einzigartiger und ursprünglich harmonischer Weise vor. Verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen den Doshas, wird man auf Dauer krank. Sinn einer Ayurvedakur ist es, die Doshas wieder zu harmonisieren. Diese Doshas heißen Vata, Pitta und Kapha (sprich Kappa). Bei den meisten Menschen dominiert ein Dosha. Ich habe das Glück, ein Kapha-Typ zu sein. Kapha hat nämlich den vielfältigsten Speiseplan. Dazu zählen Fisch und Lamm, Kokosnüsse sind ausgesprochen empfehlenswert. Normalerweise ist eine ayurvedische Diät streng vegetarisch, Genussgifte sind verboten. Dafür habe ich das Pech, in nächster Zeit zum Frühstück das Glas Ghee trinken zu müssen, und das ist wirklich abartig.
Zusätzlich zum üblichen Durchgewalke bekomme ich heute eine Pulvermassage. Ich werde mit einem Zeug eingerieben, das wie Currypulver aussieht, welches dann synchron von zwei Masseurinnen in meinen Körper eingearbeitet wird. Das ist richtig toll. Aber obwohl ich seitdem zweimal geduscht habe, färbt meine Haut immer noch gelb ab.
Nach der Behandlung muss ich immer ein Glas Bananenstängellimo trinken. Schmeckt fad, aber mittlerweile finde ich es großartig, wenn's nichts Schlimmeres ist. Diese Art der Behandlung wird die nächsten Tage so weiter gehen. Überhaupt ist mein Behandlungsplan sehr heftig. Möglicherweise werde ich nicht mal kurze Ausflüge machen können. Jetzt zum Beispiel wirken die Ghee-Massen sehr anregend auf meine Verdauung, und ich sollte mich immer in der Nähe einer Toilette aufhalten. Ich kann also das Hotel kaum verlassen.
Dennoch bekommt man von dieser Insel der Seligen aus etwas vom echten Indien mit. Was mich schon immer auf den Prospektbildern irritiert hat, waren die Zäune und Tore. Warum ist alles so abgeschlossen? Ganz einfach. Die Strandhändler sind furchtbar aufdringlich. Das Hotel befindet sich in der Nähe des Fischerdorfes Vizhinjam. Und kaum, dass man aus dem Hotel tritt, überrennen sie einen förmlich. Wenn kein Zaun da wäre, würden sie die Anlage stürmen. Zusätzlich steht vor dem Tor noch ein Wachmann, an dem keiner vorbei kommt. Die Anlage ist sehr verwinkelt gebaut, weil alle Felsvorsprünge am Meer ausgenutzt werden. Kleine Bungalows stehen voneinander abgesetzt auf dem ganzen Areal. Um in mein Zimmer zu gelangen, muss ich etwa zehn Meter über den Strand gehen. Und da stehen die Händler immer und lauern auf mögliche Kundschaft. Der Versuch, sie zu verjagen, kümmert sie nicht. Sie bleiben einem einfach auf den Fersen. Deshalb ist der Strand nur für Hartgesottene.
Obwohl das Hotel ein ganzes Stück vom Dorf entfernt ist, bekommen wir was vom Leben draußen mit. Im Augenblick wird das Krishna-Festival gefeiert. Das heißt, morgens ab fünf bis in die späte Nacht spielt Musik. Diese fremdartigen Klänge stoßen nicht unbedingt auf das Wohlgefallen westlicher Ohren. Doch in meinem abgelegenen Zimmer höre ich nicht allzu viel davon. Gestern war der Höhepunkt. Da kamen Priester auf einem geschmückten Elefanten und segneten alle Häuser im Ort. Ich wette, der Elefant stand unter Drogen, denn direkt neben ihm wurden Böller abgeschossen, und er hat nicht mal mit den Ohren gewackelt. Die Atmosphäre war gespenstisch und geheimnisvoll und die Trommelklänge verursachten mir Gänsehaut. Das wird noch ein wenig so weitergehen, denn das Krishna-Festival dauert insgesamt zwei Wochen. Ich versuche, herauszubekommen, was da nun gefeiert wird, aber ein Inder meint, ich würde das sowieso nicht verstehen. Das wäre auch nicht nötig. Es reiche, wenn ich mitmache.
Ich sitze neben dem Arzt auf der Terrasse, ein Diener bringt auf dem Silbertablett das Ghee und ein Glas Wasser. Ich sage dem Arzt, dass ich es nicht hier trinken möchte, sondern irgendwo, wo ich mich gut übergeben kann. Der Arzt sagt, das kommt nicht infrage. Das Ghee muss drinnen bleiben. Ich finde es aber jeden Tag ekliger und komme an meine Grenzen – und staune. Ich übergebe mich normalerweise nur, wenn ich was wirklich Schlechtes gegessen habe. Überfressen oder Nervenkrieg hält mein starker Magen gelassen aus. Deshalb habe ich mich schon gefragt, wie die bei mir das Erbrechen einleiten wollen. Aber nun weiß ich, das wird ganz einfach sein. Jetzt wird aber nicht erbrochen, und wenn ich nicht mehr kann, muss ich nicht mehr weitertrinken. Ich bin heldenhaft. Nase zu und rein mit dem Zeug. Ich schaffe ziemlich viel, aber dann bin ich drauf und dran, die so mühsam aufgenommene Flüssigkeit wieder nach draußen zu befördern.
Bei der Massage beruhige ich mich langsam wieder. Deepa erzählt mir, dass die Massage verjüngend wirkt. Sie ist nicht nur handfest, sondern zwischendrin sehr sanft, auch werden bestimmte Akupressurpunkte gedrückt. Bevor sie beginnt, macht Deepa erst mal eine rituelle Geste wie eine Bekreuzigung, dann bekomme ich einen Tupfer Öl auf die Stirn, auf die Hände und auf die Fußsohlen. Es ist ein dunkelrotes, mit Kräutern versetztes Kokosöl. Damit massiert sie auch meinen Kopf, Haare und Kopfhaut werden mit einer Inbrunst massiert, dass ich befürchten muss, am Ende meines Aufenthaltes kahl zu sein. Aber Deepa behauptet, meine Haare würden davon besser wachsen. Anschließend geht es mit dem restlichen Körper weiter. Bei der Nasenreinigung bekomme ich Öl in die Nase eingeträufelt, dann massieren zwei Frauen gleichzeitig meine Hand- und Fußflächen, bis sie vor Hitze glühen. Anschließend geht es mit der Pudermassage weiter, die von meinen Synchronmasseurinnen Jyoti und Usha gemacht wird. Auch sie werden mir für die Dauer der Therapie erhalten bleiben. Die beiden sind unglaublich: Der Druck, der Rhythmus, alles stimmt, und ich habe den Eindruck, von einem vierhändigen Wesen massiert zu werden.
Mir geht die heutige Yogastunde noch nach. Sie wird immer mit Meditation abgeschlossen und der Lehrer hält dann noch eine kleine Vorlesung über das wahrhafte spirituelle Leben. Richtig atmen kann ein um Jahre längeres Leben bringen, und gute Meditation hat unbestreitbare Vorteile. Heute ging es um den Tod. Wenn ein echter Yogi merkt, dass seine Zeit gekommen ist, entlässt er seinen Geist ins Universum, zurück bleibt die leblose Hülle. Kein Yogi quält sich mit Schläuchen und Maschinen in einem Krankenhaus. Ein echter Grund, Yoga intensiver zu praktizieren.
Nach der Behandlung gehe ich an den Strand und sehe Thomas, einen Einheimischen, der zum Ärger des Hoteldirektors immer da ist. Er ist sehr aufdringlich, hat andererseits aber ein sehr feines Gespür dafür, was die Touristen wollen. Ich habe den Eindruck, dass er sich in der Rolle des Maklers versucht. Mich nimmt er zu einer Tempelfeier mit ins Dorf. Riesige Lautsprecher sorgen für eine weiträumige Beschallung. Dazu versuchen sich mehrere Musikgruppen gegenseitig zu übertönen. Die Böller, die auch noch abgeschossen werden, gehen fast unter. In dieser Geräuschkulisse schreitet ein geschmückter Elefant mit Devotionalien um den Altar. Es werden Blumen gestreut und Kerzen angezündet.
Dann zeigt Thomas mir den neuen Arbeitselefanten, den das Dorf wegen des Krishna-Festivals bekommen hat. Sehr beeindruckend. Dennoch finde ich den Umgang mit den Einheimischen schwierig. Sie sind sehr freundlich und neugierig. Dann wieder bekomme ich den Eindruck, dass alles nur aufgesetzt ist. Das schwankt die ganze Zeit hin und her und ich weiß nicht, was nun stimmt.
Das Hotel liegt direkt an einem kleinen, gepflegten Strand. Wenn man durchs Dorf geht oder über Felsen klettert, kommt man in die nächste Bucht, wo sich der riesige und wunderschöne Dorfstrand befindet. Unendlich lang, unendlich breit, weicher Sand und jede Menge Palmen. Heute habe ich durch ein Labyrinth enger, hoher Gassen des Dorfes den Zugang zu diesem Strand gefunden. In den Ecken der Gassen muss man aufpassen, dass man nicht in Scheiße tritt. Menschenscheiße. Die Inder sind diesbezüglich ziemlich ungeniert. Gelesen habe ich das schon mehrfach. Jetzt erlebe ich es. Möglicherweise ist das der Grund dafür, dass diese paradiesartigen Strände so unberührt sind. Derartige Sitten halten die Touristen fern.
Schwimmen im Meer verträgt sich nicht sonderlich mit Ayurveda, da es den Ausscheidungsprozess der Haut unterbricht. Aber ich kann nicht auf alles Rücksicht nehmen. Morgens trinke ich erst mal artig meinen Ingwertee, dann verdaue ich, ebenfalls artig. Anschließend gehe ich ins Meer. Danach habe ich eine gute Stunde Yoga, um hinterher mein köstliches Butterschmalz-Frühstück einzunehmen. Dann brauche ich ein wenig Entspannung. Wenn es nicht zu heiß ist, mache ich einen Spaziergang am menschenleeren Dorfstrand. Ansonsten ruhe ich mich viel aus und lese, hier im Hotel gibt es nicht nur jede Menge gute Bücher, sondern eine persönliche Liege und eine Hängematte für jeden Gast.
Meistens habe ich nach dem Essen meine Anwendung, die gut zwei Stunden dauert. Danach hänge ich ölig oder pulvrig in meinem grünen Kimono herum, der aus einem ölfesten Material ist und den jeder nach der Behandlung bekommt. Also wimmelt es nur so von grünen Frauen. Die Männer gehen auch in Grün, aber von denen wimmelt's nicht. Die Behandlung soll man so lange wie möglich einwirken lassen. Richtig Freizeit hat man wenig. Zwischendrin ein Spaziergang, eine Pirschtour mit der Kamera. Durch das lockere Umfeld findet man aber immer jemanden zum Reden, und so geht ein Gutteil der Zeit mit Schwätzchen drauf.
Der Arzt ist nicht zufrieden mit mir. Heute habe ich nur fünfzig Milliliter Ghee runtergewürgt, viel zu wenig. Inzwischen weiß ich, dass die Pudermassage den Stoffwechsel ankurbelt. Von den Ärzten und dem sonstigen Personal wird man kaum aufgeklärt. Man hat dem Arzt zu vertrauen, der schon das Richtige tut, und man bekommt nur auf Umwegen heraus, weshalb man etwas machen muss. Dadurch, dass das gelbe Pulver in meine ölfeuchte Haut einmassiert wird, habe ich mittlerweile eine ungesunde Farbe, die sich auch durch Waschen nicht ändert. Gelegentlich werde ich kritisch beäugt, denn die Pulvermassage ist nicht Standard, und so sehe ich als Einzige besorgniserregend leberkrank aus. Das Gelb muss ich ausschwitzen. Da man hier immer schwitzt, hinterlasse ich überall gelbe Spuren. Das ist mir peinlich, ich kann's aber nicht ändern. Das Putzpersonal hat gut zu tun. Alles ist voller fettiger, manchmal auch abfärbender Menschen, aber es ist immer alles sauber. Wie die das machen? Zusätzlich bekomme ich Tabletten, die Fett schmelzen sollen. Wenn sie wirklich funktionieren würden, wäre Indien das reichste Land der Welt.
Gestern war so ziemlich der anstrengendste Tag meines Lebens. Dabei habe ich gar nicht viel gemacht. Nachdem ich diversen Leuten versprochen habe, bei ihnen etwas zu kaufen, ging ich auf Tour. Zuerst ging ich zum Schneider neben dem Hotel. Natürlich ist er aufdringlich, aber eigentlich doch ganz nett. Er soll mir eine Hemdbluse machen. Er gibt keine Ruhe, bis ich eine Hose dazu nehme.
„Oh Ma'am, schauen Sie doch nur, was für ein schöner Stoff! Ich mache Ihnen eine Hose zum Sonderpreis. Weil Sie es sind.“
Dann soll ich mir fast umsonst eine zweite Garnitur machen lassen. „Ma'am, wenn ich Ihre Maße übertrage, kann ich einen zweiten Stoff darunterlegen. Das kostet fast nichts. Und schauen Sie nur! Fassen Sie mal an! Sie werden so schön aussehen!“ Nicht, dass ich ihm das unbedingt glauben würde, aber total unempfänglich bin ich auch nicht für Schmeicheleien. Und einen Rock brauche ich seiner Ansicht nach auch. „Ma'am, jetzt haben Sie so schöne Blusen und keinen Rock dazu! Das geht doch nicht!“ Schließlich handle ich einen günstigen Preis aus. Ich zahle an. Er segnet mich, er segnet sich, er segnet das Geld und legt es auf den Hausaltar. Dann schenkt er mir ein Tuch, weil ich das erste Geschäft des Tages bin.
In Indien ist das Leben total öffentlich. Die anderen Verkäufer am Strand bekommen sofort mit, dass ich etwas kaufe, auch sie wollen nun verkaufen. Ich will nur noch meine Ruhe und kaufe mich frei. Der Schneider wiederum bemerkt, dass ich fast nicht gefeilscht habe, und im Nu ist ein Wortgefecht im Gange, das man im ganzen Dorf hört. Dann kommt der Schneider und sagt mir, dass er sich mit den Preisen geirrt hat und ich nachzahlen muss und dass die Strandleute Schurken sind, bei denen ich nichts kaufen soll. Er wäre der einzig ehrliche Mensch hier am Strand, weshalb mein Geld am besten bei ihm aufgehoben wäre.
Normalerweise habe ich meine Anwendungen nachmittags, diesmal aber nach einigen Diskussionen mit der Ärztin vormittags, weil ich mit meiner Tischnachbarin Monika eine Stippvisite in die Backwaters machen will und Monika bald abreist. Sie hat schon alles organisiert und freut sich auf Gesellschaft. Nach dem Besuch beim Schneider lasse ich das Mittagessen aus, weil jegliches Essen unerwünschte Verdauungsvorgänge auslösen kann.
Dann gehen wir los. Die Backwaters sind ein System von Flüssen, Seen und Kanälen, die ganz Kerala durchziehen, allerdings nicht durchgängig. Wir kommen zur Anlegestelle und besteigen ein kleines Boot mit zwei Plastikstühlen, in dem wir durchs Wasser gestakt werden.
Die Backwaters sind ein Traum! Pralle grüne Ufer, Frieden überall, die Zeit ist stehen geblieben. Unser Guide ist gut, erklärt viel, gibt uns Tipps, wo wir was kaufen sollen und wo nicht. Es wimmelt von Vögeln: Reiher, Kormorane, Seeadler, diverse unbekannte Arten und als Highlight Eisvögel. Wir sehen, wie die Fischer mit ihrem Fang an Land kommen, umgeben von Tausenden von Krähen wie bei Hitchcock. Etwas später besuchen wir eine unscheinbare Insel, auf der alles scheinbar regellos wächst, aber wahrscheinlich doch einem System gehorcht. Und was da nicht alles heranreift: Kokosnüsse, Bananen, Papayas, Mangos, Jackfrucht, Granatäpfel, Guaven, Ananas, Gewürznelken, Muskatnüsse, Pfeffer und noch einiges mehr. Sanft dahinfließendes Wasser. Ruhe. Blüten und Früchte in riesiger Fülle. In einem kleinen Handwerksbetrieb werden Kokosfasern hergestellt. Die ganze Familie arbeitet mit, einschließlich der ganz kleinen Kinder, die von allen sehr liebevoll behandelt werden. Jetzt bereue ich ein bisschen, dass ich auf die Rundreise verzichtet habe. Dann wäre ich drei Tage auf den Backwaters gewesen.
Das Taxi bringt uns wieder nach Hause. Ich bin vollkommen fertig. Auf dem Weg in mein Zimmer fängt mich der Schneider ab. Er hat alles sehr schön genäht, aber leider fällt der Stoff so, dass die Teile schlafanzugartig wirken. Na ja, für den Urlaub ist es gut genug. Der Stoff ist jedenfalls angenehm zu tragen. Nach langem Palaver einigen wir uns darauf, dass ich den zunächst ausgemachten Preis zahle, aber noch ein paar Sachen bei ihm bestelle.
Ich gehe zum Abendessen. Und dann passiert etwas, was ich nicht für möglich gehalten hätte: Ich bin so kaputt, dass ich nicht mal mehr essen kann, obwohl ich einen Bärenhunger habe. Besteck halten, kauen geht vor Anstrengung fast nicht. Nach paar Bissen strecke ich die Waffen und falle ermattet ins Bett. Ich schlafe wunderbar und träume sogar toll.
Ich muss unheimlich tief geschlafen haben. Am Morgen entdecke ich die Spuren eines Palmhörnchens, das ich im Schlaf nicht bemerkt habe. Als ich aufstehe, rast irgendwas durch mein Zimmer, und mir bleibt das Herz stehen. Ein Palmhörnchen flitzt durch das vergitterte Fenster nach draußen und ich staune, dass es durch die kleine Öffnung passt. Diese Tiere sind sehr verspielt und neugierig. Das Tier war in meinem Toilettenbeutel und hat alles Mögliche ausgepackt, aber nichts beschädigt. Manche nennen diese Tiere auch Palmratten. Aber ich möchte bitte Hörnchen! Der Gedanke, possierliche Hörnchen rumhüpfen zu haben ist nett. Der Gedanke, in einer rattenverseuchten Gegend zu leben, einfach widerlich. Diese Tiere sehen aus wie Streifenhörnchen, haben aber keinen so schönen Schwanz. Doch, sie sind eindeutig mehr Hörnchen als Ratten.
Heute habe ich gottseidank mein letztes Ghee-Frühstück. Trotzdem schaffe ich nichts anderes als ein unwürdiges Gewürge.
Wir haben einen neuen Yogalehrer, einen jungen Mann. Schade, der Alte war ein außergewöhnlicher Typ, mit dem hätte ich mich noch gerne unterhalten. Er schien mit einem Fuß in einer anderen Welt zu stehen und wirkte überhaupt ein bisschen wie ein Geist. Er war immer plötzlich da und plötzlich weg, als hätte ihn jemand hin- und hergebeamt. Das hat er mit vielen Indern gemeinsam: Sie wirken, als würden sie wie aus dem Nichts auftauchen. Zum Teil liegt das daran, dass sie barfuß laufen und man sie nicht hört, aber es muss noch ein anderes Geheimnis dahinter stecken. Vielleicht doch irgendwelche spirituellen Dimensionen, von denen wir nichts ahnen?
Kerala ist Indiens Vorzeigestaat. Das Leben ist einfach, aber echtes Elend findet man kaum, und Bettler gibt es auch nicht viel mehr als bei uns. Die Besiedlung ist extrem dicht. Dabei gibt es aber praktisch keine Ballungsgebiete. Aus der Luft sieht das Ganze wie ein dichter Kokoswald aus, aber wenn man näherkommt, sieht man, dass unter jeder Palme eine Hütte steht. Ganz Kerala ist wie ein Riesendorf. Diese vielen, vielen Menschen, die schlicht und ergreifend überall sind, finde ich irritierend.
Was ich ein bisschen vermisse, ist die Möglichkeit zum Spazierengehen. Aber das geht nicht, denn das ganze Hotel ist von einem Kordon aus Scheiße umgeben. Ganz egal wo man entlangläuft, irgendwann kommt der Punkt, wo es stinkt und man über Häufchen stolpert. Die einzige Möglichkeit, dem zu entgehen, ist die Straße, und da stinkt es nach defekten Dieselfahrzeugen, außerdem ist es lebensgefährlich. Indien ist in jeder Beziehung gleichzeitig ein Angriff auf und ein Fest für die Sinne. Immer wieder stolpert man auch über Szenen von ergreifender, überwältigender Schönheit, bei denen alles stimmt und die das Bild vermitteln, die Erde wäre ein friedlicher, paradiesischer Ort.
Gestern war ich wieder am Dorfstrand. Natürlich kamen sofort Einheimische. Die Händler wimmelte ich ab, indem ich gleich laut und deutlich „no shopping“ sagte, aber andererseits geht es ohne die Einheimischen nicht. Sie zeigen mir, wo die Krabben wohnen und wo man die Felsen entlangklettern kann, ohne in Scheiße zu treten. Sie erklären mir interessante Dinge. Aber dann fing ein Mann davon zu reden an, dass er gesehen hätte, dass ich mir bei „Shiva“ hätte Kleidung machen lassen. Er wäre auch Schneider und bräuchte Business. Ich täuschte Bauchschmerzen vor und ließ mich ins Hotel begleiten. Allein hätte ich den Weg nicht mehr gefunden und mich in den kleinen Gassen verirrt.
In den Palmenhainen am Strand sieht man Männer, die nur einen Mundu tragen, die traditionelle Männerkleidung, die aus einem kurzen, doppelt gefalteten Tuch um die Hüften besteht, und dazu ihren Turban. Sie sprechen niemanden an und werden auch von niemandem angesprochen. Sie sind Underdogs, die aus der allgemeinen Wahrnehmung verschwinden und alle fiesen Arbeiten machen müssen. Man sieht sie oft auf Baustellen arbeiten. Wir haben einen solchen Mann im Hotel. Seine Aufgabe ist es, Kokosnüsse zu pflücken. Er ist ein kleines, zartes Männchen, das außerordentlich geschickt die Palmen hochklettert und oben mit seiner Riesenmachete auf die Nüsse einhackt. Er wirft nur die kranken Nüsse runter, weil sie beim Fallenlassen kaputt gehen. Ansonsten schneidet er eine Traube mit bis zu zehn Kokosnüssen ab und klettert damit runter. Unglaublich! Die Nüsse dürften fast so viel wiegen wie der ganze Mann. Diese an eine Palme geklammert zu balancieren ist heftig und sieht auch sehr gefährlich aus. Die Typen tun mir echt leid.
Ich werde von meiner Reisegenossin Sonja gefragt, wann ich nach Trivandrum gehe. Das ist die nächste Großstadt, oder vielmehr ein riesiges Dorf mit städtischem Kern. Dort gibt es ein paar Sehenswürdigkeiten, die ich mir nicht entgehen lassen soll, auch wenn der Ausflug dorthin extrem anstrengend ist. Die Luft steht dort. Bald wird die Vierziggradmarke erreicht. Tausende defekter Dieselmotoren, offene Abwasserkanäle, Moskitoschwärme. In dieser übervölkerten Stadt steht ein riesiger Maharadscha-Palast, der völlig verkommen ist, weil dem Maharadscha das Geld ausgegangen ist. Prall voll mit Schätzen, die wegen Geldmangel schlecht präsentiert werden. Ein höchst interessanter Markt. Ein toller Tempel, den Nichthindus aber nicht betreten dürfen. Ich werde mich schon sehr fit fühlen müssen, um da hinzugehen.
Am Strand gibt es Hunde. Die wollen mit einem spielen und sind genauso aufdringlich wie die Händler. Aber auch wenn man Tiere liebt: Sie sind nicht geimpft, und Tollwut ist durchaus ein Thema – auch bei Kühen. Heute war ich im Morgengrauen am Strand spazieren. Es sah so friedlich aus. Kein Mensch da. Dafür kamen aber die Hunde und wollten mit mir spielen. Ich konnte mich nur durch eine Flucht ins Meer retten.
Im Dorf liegt ziemlich viel Dreck herum. Und es gibt sehr viele Krähen, eine natürliche Müllabfuhr. Aber irgendwas ist trotzdem anders als anderswo, und heute Morgen ist mir aufgegangen, was es ist: Hier gibt es so gut wie keinen Plastikmüll. Ich hoffe, dass das noch möglichst lange so bleibt. Denn der jetzige Müll ist organisch. Irgendein Lebewesen empfindet ihn als Festschmaus. Aber das Plastik, das wird für immer liegen bleiben. Doch Wohlstand ohne Plastik, geht das? Noch funktioniert es. Vieles ist hier vorbildlich: die Schulbildung, die Familienplanung, die Teilhabe der Frau an der Gesellschaft. Doch derlei kulturelle Errungenschaften gingen bisher immer mit erhöhtem Konsum einher. Bis die Leute hier aber merken, dass weder Krähen Plastik fressen noch dass dieses sich zersetzt, könnte es zu spät sein.
Meiner Ansicht nach ist das qualvoll aufgenommene Ghee schon längst wieder aus dem Körper ausgeschieden und mit Donnern in der Kanalisation verschwunden, aber nach Ansicht des Arztes wirkt es weiterhin als (viel zu niedrig dosiertes) Vollwaschmittel im Körper. Es trennt verklebte Zellen voneinander, fördert den Lymphfluss und löst den Dreck. Und diese dreckstarrende Waschlauge muss dann auf das Radikalste eliminiert werden. Die Vorbereitungen dafür werden bei mir nun eingeleitet. Heute bekomme ich Spezialdiät, aber immerhin richtiges Essen. Außerdem muss ich den ganzen Tag Milch trinken. Das wiederum macht mich zunächst total unglücklich, weil ich Milch von ganzem Herzen hasse. Aber dann fällt mir ein, dass ich ja Kokos und Honig zu mir nehmen darf. Jetzt würze ich meine Milch mit Kokosflocken und Honig, und so schmeckt sie sogar halbwegs.
Das Restaurant hier ist klasse. Es ist von sieben Uhr morgens bis halb zehn abends geöffnet, und jeder kann jederzeit jegliche Mahlzeit verlangen. Es gibt eine Karte mit kostenpflichtigen Gerichten. Die bekommen wir Deutschen aber erst gar nicht vorgelegt, denn Deutsche sind diszipliniert, sagt der Oberkellner. Die essen sowieso nichts, was der Arzt nicht erlaubt. Und dann gibt es die Karten mit den ayurvedischen Gerichten für die verschiedenen Dosha-Typen. Die hingegen legt der Kellner den Italienern erst gar nicht vor, weil die genau das essen wollen, was der Arzt verbietet. Plus Wein. Als Deutscher bekommt man also die Karte seines Doshas und hat eine nette Auswahl. Ich zumindest. Die Leute mit Vata-Konstitution behaupten, sie dürften nur Kartoffeln und Auberginen essen. Wenn man zwischendurch Hunger hat, kann man Obst haben. Das Personal ist sehr nett und versucht, jeden Wunsch zu erfüllen, so auch den Wunsch meiner Tischgenossin nach Omelett mit Honig und Wassermelone. Jede einzelne Portion wird frisch zubereitet. Die Ernährungsvorschriften sind streng, aber es ist kein Problem, sie einzuhalten, weil es keine Versuchung gibt. Hier gibt es traditionelle Küche aus Kerala und sonst nichts, wobei diese Küche lecker ist. Alle Zutaten sind sehr frisch, es riecht allenthalben verlockend nach tollen Gewürzen, doch der charakteristischste Geruch für die hiesige Küche ist Kreuzkümmel. Es gibt alles, was aus Reis und Linsen irgendwie herstellbar ist und dazu jedes denkbare Gemüse. Kaum ein Gericht ist ohne Kokos in irgendeiner Form denkbar. Scharfe Chilis stehen immer auf dem Tisch, aber das Essen selber ist mild. Erstaunlich viele Gerichte werden mit Joghurtsoße serviert.
Gestern war Deepa krank, und darum hat Usha sowohl die Öl- als auch die Pudermassage vorgenommen. Dazu hat sie mich knapp zweieinhalb Stunden intensiv bearbeitet. Wer schon einmal zwei Stunden einen schweren Brotteig geknetet hat, weiß, was diese Frau leistet! Die Frauen arbeiten acht Stunden am Tag, in der Hochsaison manchmal mehr. Ich frage Usha, ob sie gern massiert. Na ja, so gern nicht, aber eine andere Arbeit gibt es nicht. Nun, die Abneigung merkt man ihr wirklich nicht an, obwohl das Massieren bei dem feuchtheißen Klima eine echte Schinderei ist.
Hier sind irgendwie alle Farben gedämpfter. Das liegt nicht nur am kaum existierenden Plastik, sondern auch an der werbefreien Welt. Keine Cola-Reklame, keine Eistafeln, keine Wimpelchen. Das finde ich ungeheuer wohltuend. Der Aufenthalt im Hotel ist Balsam für meine Nerven. Der Freigang hingegen bleibt strapaziös. Gestern Nachmittag war ich beim Schneider, um meine Bestellungen abzuholen. Ich habe beim Umrechnen einen Fehler gemacht und einen falschen Preis akzeptiert und trage nun die teuersten Shorts meines Lebens. Und der Schneider feiert ein Fest.
Danach will ich über die Felsen zum schönen Strand gelangen, weil ich Auslauf brauche und nicht durch die stinkenden Gässchen gehen mag. Irgendwann weiß ich nicht mehr, wo ich entlangklettern soll. Plötzlich taucht Schneider Nummer zwei neben mir auf als hätte ihn jemand dort hingebeamt und zeigt mir den Weg. Er begleitet mich auf meinem Spaziergang im herrlichen Sonnenuntergang, den ich nur zu gern allein gemacht hätte. Aber er weicht
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 24.01.2016
ISBN: 978-3-7396-3358-9
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