ssedSilvia ging zu ihrem Wagen, den sie auf dem Parkplatz der Kölner Uni abgestellt hatte. Dieser war fast leergefegt. Die Weihnachtsferien an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät hatten begonnen und die meisten der Studenten Fuhre nach Hause. Endlich Feierabend, dachte sie. Ihre Arbeit als Assistentin des Professors für Didaktik und Erziehungswissenschaft machte ihr Spaß. Nachdem sie aus finanziellen Gründen ihr Studium aufgeben musste, bot der Professor ihr die Stelle an und begeistert sagte sie zu. Heute wollte sie nach Hause zu ihrem Vater fahren, um mit ihm Weihnachten zu feiern. Fast 600 Kilometer Weg lagen vor ihr, mitten hinein ins schöne Sachsen. Gepackt hatte sie schon und die Reisetasche stand auf dem Rücksitz. Einfach mal ausspannen und die Zeit genießen stand auf ihrem Plan. Das Lenkrad war kalt und sie hoffte, dass die Heizung schnell für Wärme sorgen würde. Zwar fuhr sie nicht gerne in der Dunkelheit, doch sie wollte keine Zeit verschwenden, dazu kam sie selten dazu, ihren Vater zu besuchen.
Die Innenstadt war voll, da alle noch die letzten Weihnachtseinkäufe erledigen wollten. Entnervt trommelte Silvi mit den Fingern auf ihr Lenkrad und drehte schließlich das Radio lauter. Bis zu Severins Brücke stand sie mehrmals im Stau. Um diese Zeit war es gang und gäbe, doch heute störte es sie.
Zu ihrem Glück war die Autobahn um diese Zeit nicht zu voll, sodass sie gut durchkam. Die Strecke kannte sie im Schlaf. Sie war in einem Dorf bei Schneeberg aufgewachsen und hatte für sich beschlossen, ihr Studium im »Westen« zu absolvieren. Ihre Wahl fiel ihr leicht, da Pascal ja schon Köln BWL studierte, schrieb sie sich ebenfalls dort ein. Kurz vor seinem Abitur kamen sie zusammen, und als er nach dem Abitur zur Uni ging, weinte sie bittere Tränen, doch die Liebe hielt, oder schien zu halten, dachte sie verbittert. Der Gedanke an Pascal brannte immer noch in ihrem Herzen, doch so langsam fand sie sich mit den Gegebenheiten ab, den was sie nicht wusste, Pascal hatte ein Problem mit der Treue. Schon auf der Schule musste er sie betrogen haben. Und als sie eines Tages früher aus der Uni heimkam, erwischte sie ihn, mit einer anderen. Aus dem Radio tönte gerad eins ihrer Lieblingslieder und sie drehte es noch lauter und begann mitzusingen. Laute Musik und Autofahren gehörten ihrer Meinung nach unzertrennlich zusammen. Außerdem wurde die Fahrt so nicht zu eintönig. Weitere zwei Stunden später meldete sich ihr Magen und Silvia beschloss, an der nächsten Raststätte haltzumachen. Zwar hatte sie ein Brötchen in der Mensa gegessen, doch nun machte sich der Hunger breit. In Kirchheim auf der A7 fuhr sie die Raststätte an. Als sie ausgestiegen war, reckte sie sich und bemerkte nicht den Mann, der sie beobachtete.
Sie hatte etwas abseits parken müssen, da einiges los war. Reisende auf dem Weg in die Berge oder wie sie zu Verwandten. Doch so konnte sie sich die Beine ein wenig vertreten. In dem Autobahnrestaurant gönnte sie sich ein Schnitzel mit Pommes und Salat und eine weitere Tasse Kaffee. Während des Essens sah sie immer wieder aus dem Fenster. Beobachtet ankommende und wegfahrende Fahrzeuge, LKW Fahrer, die sich einfach nur die Beine vertraten. Familien, die ihr Kinder eilig zu den Toiletten brachten, und den Verkehr, der auf der Autobahn vorbeirauschte. Nachdem sie gegessen hatte, brachte sie ihr Tablett fort, holte sich einen Coffee to go und verließ die Raststätte.
Sie hatte nicht einmal die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, doch nun war sie zumindest satt. An ihrem Wagen angekommen, stellte sie den Becher auf das Wagendach und suchte verzweifelt nach ihrem Autoschlüssel. Pascal hatte immer gesagt, ihre Handtasche gleiche, einem eigenen Universum, das dringend erforscht werden müsste. Ganz sicher hatte sie ihn in ihre Handtasche gesteckt, denn der Wagen war verschlossen. Endlich ertasteten ihre Finger das kühle Metall ihres Schlüssels. Triumphierend zog Silvia ihn hervor und wollte ihn gerade in das Schlüsselloch stecken, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. Bevor sie sich umdrehen konnte, fühlte sie wie ihr etwas auf den Mund gepresst wurde. Ein beißender Geruch drang in ihre Nase und dann wurde um sie herum alles schwarz. Der Mann hinter ihr fing sie auf und legte ihren Arm um seinen Hals, dann schliff er sie weg von ihrem Wagen. Auf dem Dach dampfte der Kaffeebecher einsam vor sich hin.
Ganz in der Nähe ging ein kleines Mädchen an der Hand seiner Mutter Richtung Restaurant.
»Mamma ist die Frau betrunken?«
»Ja Schatz! Nun komm und guck da nicht hin, sowas ist ekelhaft.«
Als Silvia erwachte, wusste sie nicht, wo sich befand. Ihre Position war unbequem und sie fror. In ihrem Kopf pochte ein dumpfer Schmerz, der ihr das Denken erschwerte. Mehrmals atmete sie tief ein und aus. Doch das machte es auch nicht besser. Im Gegenteil ihr Magen rebellierte und sie hatte das dringende Bedürfnis sich zu übergeben. Und endlich wurde Silvia klarer und merkte mit Entsetzen, dass sie angekettet war. Um ihre Hand und Fußgelenke schlossen sich Ledermanschetten, Arme und Beine waren gespreizt. Silvia stand an einer Art Andreas Kreuz. Panik erfasst sie und sie bewegte mühsam den Kopf, um ihre Umgebung zu studieren. Der Raum, in dem sie sich befand, hatte keine Fenster. Bis auf eine Lampe, die in der einen Ecke stand, war er in trübes Dämmerlicht getaucht. Langsam gewöhnte sie sich an die Dunkelheit und sie konnte mehr erkennen. Vor ihr stand ein einfacher Küchenstuhl, und zwar so weit, dass sie ihn nicht erreichen konnte. Mühsam versuchte sie ihren Oberkörper zu drehen, um noch mehr ausmachen zu können.
Viel gab es nicht zu sehen, dazu spendete die Lampe einfach zu wenig Licht. Entsetzt stellte sie fest, dass sie nur ihre Unterwäsche trug, vom Rest ihrer Kleidung war nichts zu sehen. Beklemmende Panik ergriff sie. Horrorszenarien spielten sich in ihren Gedanken ab. Es wurde so viel erzählt und ihr fielen gerade nur die schlimmsten Geschichten ein. Menschenhandel, Vergewaltigung und Mord. Und alle endeten ohne Happy End.
Ein knarrendes Geräusch riss sie aus ihren Gedanken und sie blickte in dessen Richtung. Ein zusätzlicher Lichtschein fiel in den Raum und sie vermutete, dass es sich um eine Türe handeln musste, die geöffnet wurde. Verzweifelt versuchte sie, ihre Hände zu befreien.
Eine dunkle Gestalt betrat den Raum und plötzlich wurde es hell. Silvia kniff geblendet die Augen zusammen. Doch die Angst zwang sie, die Augen zu öffnen. Blinzelnd versuchte sie, ihre Augen an das grelle Licht zu gewöhnen. Ein Mann trat in den Raum, sie schätze ihn auf ungefähr 1,85 und er wirkte leicht untersetzt. Seine Kleidung bestand aus einem ausgeleierten Jogginganzug und sein dunkelblondes Haar war etwas zerzaust. Seine Gesamterscheinung wirkte nicht bedrohlich, eher jungenhaft. Silvia konnte sich vorstellen, dass er auf andere sympathisch wirkte, doch in ihrer Lage löste er Misstrauen aus. Vor sich schob er einen Tisch, fast so etwas wie ein Servierwagen. Darauf angeordnet waren verschiedene Werkzeuge, Zangen Sägen und eine Bohrmaschine. Ihr lief es kalt den Rücken runter. Leise wimmerte sie. Ihre Vorahnung schien sich zu bestätigen.
»Bitte tun sie mir nichts.«
Amüsiert blickte er in ihre Richtung. Wohlwollend lächelte er sie an.
»Ach was, dir passiert doch nichts. Du bist nur mein Publikum.«
Fragend runzelte sie die Stirn.
»Wie meinen Sie das?«
»Nun werde nicht ungeduldig, warte es einfach ab. In der Zwischenzeit stelle ich mich mal vor. Mein Name ist Konstantin. Und solange du das tust, was ich sage, passiert dir nichts.«
»Was muss ich denn tun?« Silvia kaute nervös an ihrer Unterlippe. Durst plagte sie und sie gäbe alles für einen Schluck Wasser.
»Du musst mir einfach nur zusehen, mehr nicht.«
Mit einem Zwinkern stellte er den Tisch neben dem Stuhl ab und verließ den Raum.
Silvia dachte, zusehen, bei was? Ist er ein Exhibitionist? Angeekelt schüttelte sie sich, soweit es in ihrer Position möglich war.
Als er zurückkam, hatte er ein Stativ mit einer Videokamera dabei. Diese stellte er seitlich von Silvia auf und schaltete sie ein. Prüfend fuchtelte er mit einer Hand vor dem Objektiv herum, und sah dabei gelichzeitig auf den winzigen Monitor der Kamera.
»Tag eins! Titel: Silvia und das weiße Kaninchen.«
Woher wusste er ihren Namen? Silvia brauchte nicht lange um die Antwort herauszufinden. Er musste ihre Handtasche durchsucht haben und dabei ihren Ausweis überprüft haben.
»Bereit für deinen ersten großen Auftritt?« Fragte er mit einem Strahlen auf dem Gesicht.
»Was bedeutet das?« Silvia bebte innerlich vor Angst. Was hatte der Kerl mit ihr vor? Und was meinte er mit weißem Kaninchen?
»Nun sei doch nicht so ungeduldig Silvi. Ich darf doch Silvi zu dir sagen?«
»Mir wäre Silvia lieber, Silvi klingt mir zu vertraut. Woher kennen sie eigentlich meinen Namen?«
»Ich habe mir erlaubt, deine Handtasche auszuleeren. Und lass das Sie, wir werden noch viel Spaß miteinander haben. So und nun hole ich den Hauptdarsteller unseres kleinen Filmchens.« wieder zwinkerte er ihr zu und Silvia hätte ihm am liebsten das Auge ausgestochen.
Damit verließ Konstantin den Raum, um kurze Zeit später mit einem weißen Kaninchen auf dem Arm wieder zu kommen. Zärtlich streichelte er das Tier und setzte sich auf den Stuhl.
»Sieh mal das ist Silvia und sie wird dich nun genauer kennenlernen. Sozusagen bis in dein Innerstes.« Seine Mine hatte plötzlich etwas Verschlagenes. Und Silvia lief es kalt den Rücken runter.
Das Kaninchen zappelte und Konstantin setzte es auf seine Beine. Mit einer Hand hielt er das Tier im Nacken fest und mit der anderen griff er zu einer Geflügelschere. Mit dieser fuhr er dem Tier fast schon zärtlich durchs Fell.
Silvia ahnte, was nun passieren würde und erbebte.
»Jetzt Silvia kommt dein großer Auftritt, sorge dafür, dass deine Zuschauer dich lieben werden.«
Mit diesen Worten setzte er die Schere an und trennte ein Ohr des Kaninchens ab. Das Tier stieß einen jämmerlichen Schrei aus. Seine Augen rollten in den Höhlen, bis man nur noch das Weiße sah. Silvia keuchte auf. Was ein kranker Arsch, dachte sie Konstantin nahm die Schere und schnitt dem zappelnden Kaninchen auch das zweite Ohr ab. Lächelnd sah er Silvia ins Gesicht. Das Blut lief ihm Konstantin auf seine ausgebeulte Jogginghose, doch er schien es nicht zu bemerken. Verzweifelt versuchte das Kaninchen sich aus seinem Griff zu befreien, doch er drückte es nur noch fester auf seine Schenkel. Silvia merkte, wie ihr Magen rebellierte. Doch sie bemühte sich, ihren Mageninhalt nicht hochzuwürgen. Stattdessen drehten sich ihre Gedanken nur um eins: Flucht!
Konstantin legte die Schere zurück auf den Tisch. Und bevor Silvia erleichtert aufatmen konnte, hatte er ein Skalpell in der Hand. Er drehte es zwischen seine Fingern hin und her und senkte es fast zeitlupenartig auf dem Rücken des Kaninchens an. Mit einer fließenden Bewegung schnitt er einmal längs über den Rücken. Sofort färbte das Fell sich blutrot. Nun versuchte das Tier, aus lauter Verzweiflung zu beißen. Doch Konstantin ließ nicht locker, setzte erneut an und zog das Skalpell immer wieder durch das nun blutrote Fell. Dann löste er einen Streifen, trat mit dem nun nicht mehr zappelnden Kaninchen zu Silvia und legte ihr den Fellstreifen auf die Schulter.
»Hier meine Schöne, Frauen sollten Pelz direkt auf der Haut tragen.«
Wimmernd versuchte Silvia den Streifen abzuschütteln. Etwas Warmes lief ihren Oberschenkel hinab. Ihre Blase war dem Stress nicht mehr gewachsen gewesen. Ekel schnürte ihr die Kehle zu, doch wie sollte sie dem hier entkommen? Sehr langsam glitt das Fell von ihrer Schulter und fiel zu Boden. Mit einem Seufzer hob Konstantin es auf und drapierte es an seinem vorherigen Platz.
»Aber nicht doch, er kleidet dich so gut, passt perfekt zu deinem blonden Haar. Ich möchte, dass er da liegen bleibt.« seine Stimme klang fast herrisch und Silvia biss die Zähne zusammen.
Konstantin ging wieder zum Stuhl und setzte sich. Er setzte sein grausames Werk fort. Entfernte Streifen für Streifen das Fell und legte es immer auf Silvias Haut. Das Kaninchen zuckte nur noch ab und zu, dann war es ruhig und Silvia vermutete, dass es gestorben war. Doch als Konstantin zu einem Bolzenschneider griff und das erste Bein des Tieres abtrennte, zuckte es noch einmal heftig und stieß einen markerschütternden Schrei aus.
Silvia fiel gar nicht auf, dass unaufhörlich Tränen über ihre Wangen liefen. Immer wieder fragte sie sich, wie ein Mensch so grausam sein konnte. Wäre Konstantin ihr auf der Straße begegnet, hätte sie ihn vielleicht sympathisch gefunden.
Immer mehr Grausamkeiten musste Silvia mit ansehen, bevor das Tier nur noch einem Klumpen rohen Fleisches glich. Konstantins Hände waren blutverschmiert und am Boden lagen Teile des Tieres.
Achtlos warf Konstantin den Kadaver auf den Tisch und trat zu Silvia. Fast zärtlich drapierte er die Fellstreifen auf ihren Schultern neu. Sie zitterte nun unaufhörlich und spürte, wie Blut ihre Haut zum Bauch herunterlief.
»So meine Liebe, nun ist der erste Teil abgedreht. Mal sehen, was ich dir morgen für ein einzigartiges Erlebnis schenke. Und ich bin sehr auf die Reaktionen unserer Zuschauer gespannt. Du bist der Star in diesem Kunstwerk«
Silvia hätte ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt, doch sie war unfähig genug Speichel im Mund zu sammeln. Zudem rebellierte ihr Magen immer stärker. Und immer wieder wanderte ihr Blick auf den Klumpen Fleisch, der einst ein Kaninchen war.
Den Tisch vor sich herschiebend verließ Konstantin den Raum. Silvia wünschte sich, in Ohnmacht zu fallen. Einfach nichts mehr fühlen. Oder dem Anblick der Blutflecken vor dem Stuhl nicht mehr ausgesetzt sein zu müssen.
Verzweifelt schloss sie die Augen. Warum nur, passierte ihr das gerade jetzt? Reichte es nicht, dass Pascal sie betrogen hatte? Musste sie nun auch noch eine Hölle durchleben? Was geschah als Nächstes? Und was am wichtigsten war, wie kam sie hier raus? Sie brauchte einen Plan schnellstens.
Wieder öffnete sich die Tür und Konstantin betrat den Raum, ging zu der Kamera und schaltete sie aus.
»Ich denke, ich werde den Film gleich online stellen. Ich habe eine ziemlich große Fangemeinde, die meine Dokumentationen lieben. Vor allem lieben sie es, das meine Filme so realitätsnah sind. Man feiert mich als großen Künstler.« Seine Stimme troff vor Selbstüberschätzung.
»Du bist pervers. Was bringt es dir, deine Perversionen an armen Lebewesen auszulassen?«
»Ruhm, meine Liebe und Geld, du glaubst gar nicht, was sie bezahlen, um sowas zu sehen. Endlich ernst genommen zu werden. Meine Filme wollte keiner sehen, bis ich anfing, die Realität zu zeigen. Mein Traum war es immer, ein Filmemacher und Produzent zu sein. Und ich denke, nun ist es Zeit für dich zu duschen, dir ist da ein kleines Malheur passiert.« Er deutete auf die Pfütze auf dem Boden.
»Keine Angst du hast dich nicht blamiert, es gibt einige Fans, die auf genau das stehen.«
Langsam trat Konstantin auf sie zu und zog hinter ihr eine Stange hervor. Und Silvia konnte ihn zum ersten Mal aus der Nähe betrachten. Er war mittelmäßig attraktiv. Sein Gesicht wirkte leicht aufgedunsen, doch seine Augen faszinierten sie. Grünblau und von einem Kranz dichter Wimpern umgeben. Bist du blöd, schalt sie sich in Gedanken, der Kerl ist ein krankes Arschloch und du findest seine Augen toll. Am Ende der Stange war eine Art Halsband, welches Konstantin ihr nun um den Hals legte. Akribisch darauf bedacht, sie nicht zu oft zu berühren, schloss er die Schnalle, dann löste er ihre Arm- und Fußfesseln.
Silvias Arme fingen sofort an, zu kribbeln. Wie lange harrte sie nun schon in dieser Lage aus? Sie rieb sich die Handgelenke und bemerkte die wunden Stellen, die die Fesseln hinterlassen haben.
Konstantin hatte die Stange am äußersten Ende ergriffen und dirigierte Silvia Richtung Türe. Mehr stolpernd als gehend bewegte sie sich mit ihm in einen Kellerflur. Es musste sich um ein Einfamilienhaus handeln, denn die typischen Keller eines Mietshauses sahen anders aus. Die Wände waren sauber verputzt und der Boden war mit hellen Fliesen versehen. Gegenüber der Tür, aus der sie gekommen waren, betraten sie einen Raum. Neben einer Sauna waren hier ein Waschbecken und eine Dusche. Mit der Stange dirigierte er sie hinein.
Als sie genau unter dem Duschkopf stand, drehte Konstantin das Wasser auf. Silvia japste, kaltes Wasser ergoss sich auf ihre Haut. Doch zum Glück wurde es schnell wärmer.
»Duschgel und Shampoo findest du hinter dir. Du musst dich nur ein wenig anstrengen, um dran zu kommen.«
Mit einem miesen Grinsen sah er sie an. Umdrehen konnte sie sich nicht, also griff sie hinter sich und tastete nach einer der Flaschen. Endlich ertasteten ihre Finger etwas, sie schloss die Hand darum und stellte erleichtert fest, dass es sich tatsächlich um das Duschgel handelte. Konstantin war so pervers, dass sie ihm alles zutraute, was sie weiter quälen würde.
Nachdem sie fertig geduscht hatte, führte Konstantin sie tropfnass in ihr Gefängnis zurück. Ihre Unterwäsche klebte an ihrem Körper und Silvia war sich sicher, eine Erkältung zu bekommen. Sie zitterte als er ihre Arme und Beine wieder fesselte.
»Nun halt doch mal still. Ich kann dich gar nicht in Position bringen.« Kommandierte er barsch.
»Kannst du nicht darauf verzichten, mich anzuketten? Weg komme ich doch eh nicht.« Flehend blickte sie ihn an.
»Damit du dir einen Fluchtplan ausdenken kannst? Ich bin nicht dumm Silvia, also befolgst du nun, was ich gesagt habe, oder willst du, dass ich Gewalt anwende? Es wäre ein leichtes, dich in die Rolle des Kaninchens zu stecken.«
Erschauernd tat Silvia, was er verlangte und hielt so gut es ging still. Sicher wäre es eine Chance gewesen die Flucht zu ergreifen, und sie musste weiter daran arbeiten, nur sollte sie mit etwas mehr Bedacht vorgehen.
Diesmal zog er ihre Gliedmaßen so fest, dass ihr keine Chance blieb, sich zu bewegen. Wenn er sie das nächste Mal losmachen würde, wäre es sicher noch schmerzhafter. Irgendwann übermannte Silvia die Müdigkeit und ihr Kopf fiel nach vorne. Endlich Schlaf, war das Letzte, was sie dachte.
Konstantin verließ den Keller und ging in sein Bad. Er wollte duschen und dann brauchte er Schlaf. Morgen im Krankenhaus musste er voll konzentriert sein. Nach der Dusche machte er sich eine Kleinigkeit zu essen und ging in sein Wohnzimmer. Müde zappte er durch die Fernsehprogramme. Es war schon spät und gähnend schaltete er schließlich den Fernseher ab und ging ins Bett.
AM nächsten Morgen verließ er das Haus wie immer, grüßte die beiden Nachbarstöchter, die auf dem Weg in die Schule waren, und stieg in seinen Wagen. Für heute stand ein geplanter Kaiserschnitt an. Mehrlinge wollten auf die Welt geholt werden. Die Mutter hatte sich einer In-vitro-Fertilisation unterzogen und nun war kein Platz mehr für vier Babys in ihrem Bauch.
Nachdem er sich OP fertiggemacht hatte, betrat er den Saal.
»Guten morgen die Damen und Herren, alles bereit?«
»Guten morgen Dr. Schneider, ja alles in bester Ordnung. PDA sitzt und es kann sofort losgehen.«
Er trat an das Kopfende und streichelte der jungen Frau über die Wange.
»Na Frau Meyer, schon aufgeregt?«
»Ja doch ich habe auch Angst, Herr Dr.«
»Das ist völlig normal. Und ehrlich bei vier Babys auf einmal wären sie unnormal, wenn sie keine hätten. So dann legen wir mal los. Sie werden die Babys nur kurz sehen, da wir sie ja acht Wochen früher holen. Und sie noch etwas zu klein sind. Doch keine Angst das wird. Wenn sie nach ihnen kommen, sind es kleine Powerpakete.«
Aufmunternd lächelte er ihr zu und trat an den unteren Teil des OP Tisches.
Der Bauch war bereits mit Desinfektionsmittel eingerieben worden.
»Skalpell bitte.« Er hielt die ausgestreckte Hand in Richtung OP Schwester und bekam das Gewünschte. Mit einer fließenden Bewegung schnitt er durch die Bauchdecke und musste lächeln. Das Kaninchen fiel ihm wieder ein. Oh heute würde er Silvia mit etwas Besonderem überraschen.
Er griff durch die Bauchdecke in den Uterus seiner Patientin und ertastete das erste Baby. Geübt zog er es heraus und die Schwester schnitt die Nabelschnur durch. Es war winzig, doch es würde es schaffen, dessen war sich Konstantin sicher.
»Ein Mädchen, willkommen auf der Welt kleine Maus.« Er reichte die Kleine weiter und man brachte sie zum Kopfende, damit die Mutter einen Blick auf ihre Tochter werfen konnte. Konstantin zog das Zweite schon heraus. Ein Junge dann folgte wieder ein Mädchen und zum Schluss noch eins. Nachdem er die Wunde verschlossen hatte, trat er an das Kopfende und reichte der jungen Mutter die Hand.
»Herzlichen Glückwunsch Frau Meyer. Drei Mädchen und ein Junge, starke Leistung. Und alle vier gesund. Wollen wir nun ihrem Mann bescheid geben. Der Arme wartet sicher sehnsüchtig. Und da er kein Blut sehen konnte, durfte er die Babys noch nicht sehen.«
»Oh gern Herr Doktor. Er wird sich freuen, dass alles so gut verlaufen ist. Und vielen, vielen Dank für alles. Es war unser größter Wunsch endlich Kinder zu haben.«
»Und sehen sie, dank der Medizin, haben sie es wahr gemacht. Sie können stolz auf sich sein. Ich wünsche ihnen und ihrer Familie weiterhin alles Gute.«
Konstantin winkte der OP-Schwester und verließ den Raum. Sie würde nun dem frischgebackenen Vater bescheid geben. Doch Konstantin musste in den Kreißsaal, dort wartet wieder ein Erdenbürger, der auf die Welt wollte. Nach seinem Dienst fuhr er noch etwas durch die Gegend, denn schließlich wollte er eine Überraschung für Silvia besorgen. Er wurde auf einem Bauernhof fündig und brachte sein Fundstück in einem Karton zu seinem Wagen. *
Gefühlte Stunden später öffnete Silvia wieder ihre Augen. Im Schlaf waren ihre Beine etwas eingeknickt und der Schmerz in ihren Schultern hatte sie geweckt. Mühsam stellte sie sich aufrecht. Brennender Schmerz durchzog ihre Schultern und Arme. Letztendlich stand Silvia wieder aufrecht. Es war still um sie herum. Hunger und beißender Durst quälten sie.
»Hallo«, rief sie, doch sie erhielt keine Antwort.
»Hallo, Konstantin. Ich habe Hunger und Durst.« Wieder nichts.
Silvia gab es auf. Immer wieder drohten ihre Beine zu versagen. Stunden später übermannte sie erneut der Schlaf. Als sie erwachte, saß Konstantin auf dem Stuhl und kraulte eine kleine schwarze Katze.
Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen.
»Na ich hoffe du hast ausgeschlafen. Ich habe dir Jasper mitgebracht. Ist er nicht bezaubernd?«
»Ja er ist wirklich niedlich, ist er deine Katze? Doch kann ich bitte etwas zu essen und zu trinken haben?«
»Nein er ist nicht meine Katze, ich mag Tiere nicht. Und hab ein wenig Geduld. Nach der nächsten Vorstellung bekommst du alles, was du benötigst. Jasper soll der Nebendarsteller in Teil zwei unseres kleinen Films werden.«
Silvia stöhnte auf. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass die Kamera wieder eingeschaltet war. Neben Konstantin stand auch wieder der fahrbare Tisch, auf dem wieder Werkzeuge und Instrumente lagen.
»Nein bitte Konstantin nicht das Kätzchen. Tu ihm nichts. Bitte ich flehe dich an.«
Eine Träne rollte über ihre Wange. Plötzlich waren Hunger und Durst vergessen.
»Ach Silvia deine schauspielerischen Talente sind so vielfältig. Ich bin so froh, dass meine Fans sehen können, wie gut du hier mitspielst.« Er nickte ihr wohlwollend zu und Silvia erfasst Wut.
»Ich spiele nicht, das meine ich Ernst. Lass das Kätzchen in Ruhe. Das Tier hat dir doch nichts getan.« Sie sprach in die Kamera in der Hoffnung, dass es jemand mitbekam.
»Silvia, nun muss ich den Teil rausschneiden. Du verdirbst den Film. Kannst du bitte ein wenig in die Kamera lächeln. Damit unsere Zuschauer einen guten Eindruck von dir bekommen?«
Demonstrativ drehte Silvia den Kopf auf die andere Seite. Den Gefallen würde sie Konstantin nicht tun, sollte er doch seine perversen Filmchen drehen. Doch sie würde weder in die Kamera sehn, noch wie er dem armen Tier etwas antat. Sie schaltete ab und versuchte auch ihre Gedanken von dem, was bevorstand abzuschirmen.
»Sieh hin Silvia, sieh genau hin. Das ist etwas, das du für Jasper tun kannst.«
Widerwillig drehte sie den Kopf in seine Richtung und erschauerte. Konstantin hielt einen kleinen Metallhaken in der Hand. Er schloss die andere um den kleinen Kopf von Jasper und hebelte mit dem Haken eins der Augen aus den Höhlen. Es hing nur noch am Sehnerv fest und Silvias Magen drehte eine Runde. Silvia stieß einen Schrei aus. Das Kätzchen fauchte und schrie, versuchte sich gegen die Hand seines Peinigers zu wehren, doch Konstantin war eisern. Mit einer einzigen Bewegung hebelte er auch das zweite Auge heraus. Dann schnitt er die Sehnerven mit einer Schere durch. Er nahm die Augäpfel, trat zu Silvia und hielt sie vor ihr Gesicht. In der anderen baumelte der Körper von Jasper, leise wimmernd und sich windend.
»Sehen sie nicht aus wie seltene Juwelen? Ich würde sie dir gern als Ohrschmuck anhängen, doch leider würden sie so nicht halten. Deswegen streck deine Finger nach vorne.«
Doch sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Jasper versuchte sich aus dem Nackengriff von Konstantin zu befreien und mauzte fürchterlich.
»Silvia ich würde an deiner Stelle tun, was ich dir sage. Es gibt Wege, wie ich dich dazu bringen kann, das zu tun.« Seine Stimme klang ungeduldig.
Gehorsam streckte sie ihre Finger aus. Auf jeden ihrer Ringfinger legte er einen Augapfel. Das Gefühl ekelte sie an und sie würgte. Warm und feucht lagen sie auf ihren Fingern. Sie dachte nur, rauskommen kann nichts, ich habe ewig nichts gegessen.
Konstantin setzte sich wieder hin und presste das Tier in seinen Schoß. Sein Blick wanderte zum Tisch und er fand, was er suchte, einen Korkenzieher. Angewidert schloss Silvia die Augen. Nicht hinsehen, dachte sie.
»Öffne deine Augen. Und halte sie offen, denn ich weiß Mittel und Wege, wie ich es schaffe, dass du sie nie wieder schließt. Als Arzt kann ich sehr präzise mit dem Skalpell umgehen.«
Entsetzt riss sie die Augen auf. Konstantin war Arzt, jemand der eigentlich Leben bewahren und es nicht so grausam vernichten sollte. Was faselte er dann von Filmen, die er hatte drehen wollen?
Befriedigt lächelnd setzte Konstantin den Korkenzieher am Hinterlauf an und bohrte ihn langsam drehend hinein. Blut quoll hervor und das Kätzchen schrie jämmerlich. Plötzlich fluchte Konstantin und bohrte den Korkenzieher in eine der Augenhöhlen des Tieres. Sofort erschlaffte das Tier. Silvia wusste, dass er das Gehirn durchbohrt haben musste.
Wütend schleuderte Konstantin den Kadaver in Silvias Richtung und traf sie damit an der Brust. Reglos fiel das Kätzchen zu Boden. Silvia starrte gebannt auf den Blutfleck auf ihrer Haut. Irrwitzigerweise registrierte sie, dass Jaspers Körper warm war, als er sie traf.
»Das Vieh hat mich gekratzt. Da kannst du mal sehen, wie Tiere sind, beißen in die Hand, die sie füttert.« Wütend blickte Konstantin auf den Kadaver.
»Das geschieht dir recht. Er hätte dir die Finger abbeißen sollen. Würdest du dich nicht wehren, wenn man dir so etwas antun würde?.« Ihre Stimme klang fast hysterisch und Silvia starrte immer noch auf den Blutfleck auf ihrer Haut.
Konstantin versetzte dem Stuhl einen Tritt und kam auf sie zu.
»Vergleich mich nie wieder mit einem Tier. Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das ein Recht hat zu leben. Ich verstehe nicht, warum alle so viel Aufheben wegen des Lebens von diesen Kreaturen machen. Tierschützer das ich nicht lache. Alle eine Horde Spinner, die den Menschen als Krönung nicht zu würdigen wissen. Schon meine Mutter hatte ihre Köter ihrem Sohn, also mir, vorgezogen. Niemand sonst war ihr wichtig. Egal was ich tat, ich musste immer hinter den Tölen anstehen.«
Damit wandte er sich um und rannte aus dem Keller.
»Hey warte, du kannst mich doch mit dem toten Kätzchen nicht einfach so alleine lassen. Komm zurück, bitte.« Der Gedanke, die ganze Zeit mit dem Kadaver zu ihren Füßen hier stehen zu müssen, verursachte erneut Übelkeit bei ihr.
Verzweifelt starrte sie auf das Tier zu ihren Füßen. Die Blutlache wurde immer größer und erreichte die Zehen des linken Fußes. Ihr wurde schlecht, wenn sie jetzt etwas essen müsste, käme es sicher wieder hoch. Das Blut war noch warm und Silvia traute sich nicht, ihren Fuß zu bewegen. Stattdessen versuchte sie ihre Zehen aus der Blutlache zu bekommen, erfolglos. Sie schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet in den Himmel. Gläubig war sie nicht, doch in diesem Augenblick wollte sie, dass sie erhört wurde und man ihr half. Verzweifelt versuchte sie den Blick abzuwenden, doch immer wieder starrte sie gebannt hin. Die leeren Höhlen starrten blicklos zu ihr auf. Plötzlich fielen Silvia die Augäpfel ein, die immer noch auf ihren Fingern lagen. Angewidert ballte sie ihre Hände und schüttelte sie. Leise klatschten die Augen auf den Boden. Ein Geräusch, was noch mehr Ekel hervorrief.
Irgendetwas in ihrem Kopf machte »klick« und sie schrie, schrie, bis ihre Stimme versagte, bis nur noch Tränen haltlos über ihr Gesicht rollten. Sie fühlte sich hilflos und ausgeliefert. Egal wie sehr sie überlegte, ihr fiel kein Ausweg aus dieser Situation ein.
Und immer wieder fiel ihr Blick auf den Kadaver des Kätzchens.Sie musste hier weg, dringend, doch wie?
Einmal mehr wünschte sie sich, einfach ohnmächtig werden zu können, aber sie war nie der schwächliche Typ gewesen. Hatte sich oft durchbeißen müssen.
Wie lange sie mit dem Kadaver des Kätzchens in dem Raum alleine war, konnte sie nicht sagen. Doch es kam ihr vor wie Stunden, ehe die Türe sich wieder öffnete und Konstantin den Raum betrat.
Im Gegensatz zu seinem Abgang wirkte er gut gelaunt.
»Oh Silvia unser kleiner Gast liegt dir ja immer noch zu Füßen. Warte ich beseitige ihn und dann denke ich, dass du mal etwas essen solltest, nachdem du eine Dusche genommen hast.« Sein Tonfall war sanft und er schenkte ihr ein bezauberndes Lächeln. Nichts war übrig von der Wut. Es war, als stünde ein anderer Mann vor ihr. Silvia jedoch konnte ihre Abscheu nicht unterdrücken. Sie sollte was essen. Nein das konnte sie nicht. Schon bei dem Gedanken an Nahrung drehte sich ihr der Magen um. Sie würde eher verhungern. Der Gedanke löste eine Welle der Erheiterung in ihr aus. Sie sollte sich keine Sorgen um ihre körperliche Unversehrtheit machen, eher um ihren Energiebedarf.
Während Konstantin den Raum säuberte, pfiff er leise vor sich hin. Angewidert beobachtet Silvia ihn dabei und fragte sich, was sie mehr ekelte das tote Kätzchen oder Konstantin.
Mit der gleichen Stange wie zuvor wurde Silvia in die Dusche geführt. Diesmal griff Konstantin jedoch um sie herum und reichte ihr das Shampoo und dann das Duschgel. Nachdem Silvia fertig war, überreichte er ihr ein flauschiges Badetuch. Dankbar wickelte sich Silvia darin ein. Lungenentzündung stand auch als mögliche Todesfolge bei ihr auf der Liste. Ironischerweise führte sie eine Liste der Todesmöglichkeiten. Darüber konnte sie Konstantin ausblenden.
Erstaunt stellte sie fest, dass sie nicht in ihren Raum geführt wurde. Eine Tür weiter war wohl der Partykeller und in der Mitte stand ein gedeckter Tisch. Zwei Gedecke waren hier und Silvia wurde zu einem Stuhl dirigiert. Mühsam setzt sie sich und Konstantin fesselte ihre Fußknöchel an den Stuhlbeinen. Er entfernte die Stange von dem Hals Reif und befestigte diesen an der Stuhllehne. So war es Silvia kaum möglich, den Kopf zu bewegen, geschweige denn an eine Flucht zu denken.
So fixiert beobachtete sie, wie Konstantin ihr Suppe in einen Teller füllte.
»Ich mag nichts essen. Ich kann das jetzt nicht.« Das Bild des Blutes und die Schreie hallten immer noch in ihrem Inneren nach. Der Geruch der Suppe stieg ihr in die Nase und sie unterdrückte ein Würgen. Kleine Fleischbröckchen schwammen darin und ihre Fantasie schlug Purzelbäume.
»Doch Liebes du isst, oder denkst du ich koche umsonst?« Konstantins Stimme war gereizt.
Ängstlich ergriff sie den Löffel und senkte ihn auf den Teller. Mühsam führte sie ihn zum Mund. Da sie den Kopf nicht sehr weit nach vorne beugen konnte, tropfte ein wenig auf ihre Beine. Die Suppe war heiß und Silvia bemühte sich, den Löffel trotz des Schmerzes ruhig zu halten. Die Suppe schmeckte gut, doch der Appetit wollte sich nicht einstellen. Mühsam schluckte sie.
»Aber Liebes wer wird denn da kleckern? Du bist doch gerade frisch geduscht. Nun muss ich dich wieder saubermachen.« Er griff nach seiner Serviette und trat zu ihr.
Dass Konstantin sie an ihren Oberschenkeln berühren würde, erfüllte sie erneut mit Grauen. Fest presste sie ihre Lippen aufeinander, um nicht zu schreien. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und merkte, wie Konstantin sanft über ihre Oberschenkel fuhr. Am liebsten hätte sie ihm den Suppenteller über seinem Kopf entleert, doch aufgrund ihrer misslichen Lage ließ sie es. Es hätte vielleicht seine Wut provoziert und was er dann mit ihr machen würde, wollte sie sich nicht ausmalen.
»Na ja zum Glück war es nicht viel, doch pass besser auf. Es ist eine Sache der Übung. Aber du bist doch ein schlaues Mädchen.« Sanft tätschelte er ihr Haar. Silvia zuckte bei der Berührung zusammen, doch Konstantin bemerkte es nicht.
Mit jedem Löffel wurde es besser, sie gewöhnte sich an die ungewohnte Haltung und schaffte es jeden Löffel ohne zu kleckern zum Mund zu führen. Mit Erstaunen registrierte sie, dass sie den kompletten Teller leer gemacht hatte. Danach brachte Konstantin Fleisch, Kartoffeln und Gemüse. Der Duft ließ ihr nun auch das Wasser im Mund zusammenlaufen. Scheinbar hatte sie die Quälereien der Tiere verdrängt. Doch nun forderte ihr Körper Nahrung. Wenn ihre Rechnung stimmte, hatte sie seit mehr als einem Tag nichts mehr zu sich genommen. Er tat ihr von allem etwas auf den Teller und auch das aß Silvia ohne Murren. Sie hatte den letzten Bissen noch nicht ganz heruntergeschluckt, da räumte Konstantin schon dem Tisch ab. Schließlich löste er ihre Fesseln und führte sie zurück in den Raum. Erstaunt stellte sie fest, dass von den Gräueltaten an dem Kätzchen nichts mehr zu sehen war. Wann er das erledigt hatte, war ihr ein Rätsel. Silvia wurde wieder an das Kreuz gefesselt und Konstantin streichelte ihr zart über die Wange.
„Du solltest nun etwas schlafen. Ich denke, nach dem Essen wirst du genauso müde wie ich.“
»Kann ich mich nicht hinlegen? Es ist unbequem so und es schmerzt.«
»Na du wirst doch nicht etwa schon wieder Ansprüche stellen? Nicht nachdem wir das leckere Kaninchen gegessen haben.« Seine Augen waren zu Schlitzen verengt und Silvi begriff seine Worte. Entsetzt riss sie die Augen auf. Sie hatte das Bedürfnis ihren Mageninhalt loszuwerden.
»Oh, ich sehe, du verstehst. Und lass dir gesagt sein, Fleisch von einem Tier, das unter Qualen gestorben ist, ist etwas ganz besonderes. Es ist zarter und wird nicht so schnell trocken. Auch hat es ein besonderes Aroma.«
Ihr war nur noch schlecht, und eine Frage drängte sich ihr auf.
»Wird das Kätzchen auch auf unseren Tellern landen?« Ihre Stimme klang dünn und zittrig, sie fürchtete sich vor der Antwort.
»Wo denkst du hin? Katzenfleisch gibt es nur bei schlechten asiatischen Restaurants. Dass du so abfällig von mir denkst, enttäuscht mich. Ich dachte, du erkennst mein Genie und mein Niveau.«
Mühsam unterdrückte Silvia ein Lachen. Genie und Niveau, das klang abstrus im Zusammenhang mit den Taten, die sie mit ansehen musste. Stattdessen bemühte sie sich, ihn so ausdruckslos wie möglich anzusehen.
„So und nun werde ich das Filmmaterial zurechtschneiden und den Cineasten schon mal die ersten Szenen präsentieren.“
Damit ließ er sie alleine. Ein Umstand, der sie mit Erleichterung erfüllte. Noch länger hätte sie ihn nicht ertragen. Sie schwor sich, sollte sie je hier raus kommen, nie wieder Fleisch zu essen.
Versuchsweise zerrte sie an ihren Fesseln. Doch die saßen fest. Ihr war klar, dass sie so schnell es geht, fliehen musste, aber wie sollte sie das? Immer wieder sackte ihr Kopf nach vorne und sie schlief und immer wieder wurde sie von Schmerzen in den Gliedmaßen geweckt.
Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Silvi hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Ehe Konstantin wieder den Raum betrat, vergingen für sie gefühlte Tage. Wenn sie doch wenigstens Tageslicht sehen würde. Doch die Lampe war die einzige Lichtquelle.
Und endlich kam er zurück, schob den Tisch vor sich her und löste ihre Fesseln. Der Schmerz, der nun folgte, ließ Silvia aufkeuchen. Ihre Schultern brannten wie Feuer und die Handgelenke wiesen rote Stellen auf, wo die Fesseln sich ins Fleisch gegraben hatten. Er platzierte sie auf dem Stuhl und ihr Kopf war dieses Mal nicht fixiert, wofür sie ihm fast schon dankbar war.
»Das Essen ist fertig und es gibt etwas sehr besonderes. Ich hab uns ein Festmahl bereitet.«
Silvia war auf alles gefasst, sogar darauf, dass Konstantin wirklich die Katze zubereitet hatte. Als sie skeptisch auf ihren Teller sah, auf dem ein Stück Fleisch lag, das einem Steak nicht unähnlich sah, musste sie ein Würgen unterdrücken. Blut quoll daraus hervor.
»Ich hoffe, du magst dein Steak englisch. Ich liebe es so, es schmeckt so natürlich und rein.«
»Englisch«, schoss es ihr durch den Kopf. Das bedeutet, das Fleisch ist innen roh. Ekel packte sie. Silvia schob mit der Gabel das Steak auf die Seite und aß nur die Beilagen. Als sie den Kopf hob, sah sie, wie Konstantin sich ein blutiges Stück in den Mund schob. Genüsslich verdrehte er die Augen.
»Du weißt gar nicht, was du verpasst. Das Fleisch ist zart und saftig, mit einem Hauch von grünem Pfeffer. Probiere es doch mal, bitte nur für mich.«
»Nein danke, ich denke, ich bin satt.« Sie bemühte sich, einen höfflichen Tonfall anzuschlagen.
Plötzlich schwenkte Konstantin Stimmung um. Wutentbrannt sah er zu ihr hinüber.
»Ich habe mir Mühe gegeben und so dankst du es mir. Wer hat dich erzogen? Hast du keine Anstand? Das Fleisch ist das Beste, was der Metzger da hatte. Du probierst es, sofort.«
Silvia schüttelte den Kopf, sie würde dieses Mal nicht nachgeben. Doch Konstantin sprang auf, eilte zu ihr hinüber und schnitt ein Stück vom Steak ab. Sie sah, wie noch mehr Blut auf das weiße Porzellan des Tellers lief, und wollte den Kopf wegdrehen. Doch Konstantin umfasste mit einer Hand ihren Hinterkopf und zwang sie den Kopf stillzuhalten. Mit den Fingern drückte er auf ihr Kiefergelenkt und zwang sie so, den Mund zu öffnen.
Die Gabel mit dem vor Blut tropfendem Fleisch näherte sich unaufhaltsam ihrem Mund. Panisch versuchte sie sich, zur Wehr zu setzen. Als die Gabel ihre Lippen berührte, tropfte das Blut des Fleisches auf ihr Kinn und der metallische Geruch raubte ihr den Atem. Konstantin schob ihr das Fleisch in den Mund und drückte ihr Kin nach oben. Hätte er das nicht getan, wäre es sicher auf dem Boden gelandet, denn Silvia hatte vor es auszuspucken.
Silvia schmeckte Blut gemischt mit den Gewürzen. Da das Fleisch fast rh war, hatte es eine merkwürdige Konsistenz, die ihr den Magen umdrehte.
»Und nun iss schön. Los mach schon, oder muss ich richtig böse werden?«
Verzweifelt versuchte sie sich, seinem Griff zu entwinden.
»Leg dich nicht mit Mr an, Liebes. Ich kann verdammt wütend werden.«
Tränen traten ihr in die Augen. Sie fühlte sich ihm hilflos ausgeliefert. Sie zwang sich zu kauen und schluckte es dann fast im Ganzen hinunter. Zu ihrem entsetzen zwang Konstantin sie so, das komplette Steak aufzuessen. Sie wehrte sich jedoch nicht mehr, sie hatte verloren.
Der Wunsch nach einer Fluchtmöglichkeit wurde übermächtig.
Die nächsten zwei Tage hatte sie Ruhe, wurde mit Nahrung versorgt und musste keine weiteren Quälereien ertragen. Er versorgte sogar die offenen Stellen an den Hand und Fußgelenken. Doch schien er mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Silvia war erleichtert. Vielleicht ließ er sie ja gehen, wenn er genug von ihr hatte. Ein Funken Hoffnung keimte in ihr auf. Sie gewöhnte sich an, die Zeit an den Malzeiten zu messen. Eine Malzeit täglich, meistens nach dem Duschen.
Am dritten Tag starb ihre Hoffnung. Konstantin betrat den Keller und führte einen Golden Retreiver an der Leine hinein, der schwanzwedelnd zu ihr wollte. Entsetzt riss Silvia ihre Augen auf. Bitte lass nicht zu, dass er dem Hund was antat.
»Nein Konstantin, das kann nicht dein Ernst sein. Nicht der Hund, bitte.« Sie hatte sich als Kind immer einen Hund gewünscht, doch wegen der Krankheit ihrer Mutter musste sie verzichten. Es hatte keiner die Zeit sich um ein Tier zu kümmern.
»Aber Liebes was hast du denn? Er merkt nicht lange was!« Seine Stimme troff vor bösartiger Ironie.
»Du bist krank und pervers, weißt du das eigentlich? Man sollte dich foltern, so wie die armen Tiere.« Silvia spie ihm die Worte entgegen.
»Nein nicht krank und pervers, sondern ein Künstler. Angst ist die beste Kunstform. Du scheinst wirklich kaum Bildung genossen zu haben.«
Wut erfasst Silvia, doch sie wollte nichts mehr sagen. Stattdessen versuchte sie, ihren Geist vor dem, was nun kommen würde, abzuschirmen. Sie dachte an ihre Arbeit, ihren Vater, der sicher außer sich vor Sorge war und an den Weihnachtsbaum, den sie immer schmückte.
Konstantin legte dem Hund einen Maulkorb an und setzte sich auf den Stuhl.
»Warum denn der Maulkorb, hast du Angst, dass er sich wehrt, um sein Leben mit dir kämpft?« Silvia wollte Konstantin provozieren. Wenn er wütend wurde, ließ er vielleicht den Hund in Ruhe.
»Ach Silvia es ist zu seiner Sicherheit und zu meiner. Wenn er mich beißen würde, müsste ich ihn bestrafen und das wollen wir beide doch nicht, oder?«
Silvia hätte fast aufgelacht. Der Hund würde von Konstantin zu Tode gequält und Konstantin sprach von Strafe.
Sanft streichelte Konstantin das Fell des Tieres und redete leise auf ihn ein. Der Hund blickte ihn mit seinen bernsteinfarbenen Augen an. Silvia wünschte sich an einen anderen Ort. Warum musste ihr das passieren? Entsetzt beobachtete sie, wie Konstantin zu einem Schraubenzieher griff. Lächelnd drehte er ihn kurz zwischen den Fingern und stieß ihn dann in das rechte Ohr des Hundes. Jaulend versuchte dieser sich in Sicherheit zu bringen und schnappte nach Konstantin. Doch durch den Maulkorb konnte er ihn nicht erreichen. Mit dem anderen Ohr verfuhr Konstantin dann genauso. Die Schraubenzieher blieben an Ort und Stelle. Das Bild wirkte sehr grotesk und Silvia wand sich an dem Andreaskreuz. Warum der Hund nicht starb, wusste sie nicht, sollte aber prompt die Erklärung bekommen.
»Ich weiß, wie tief ich stechen kann, ehe der Tod eintritt. Die beiden stecken nur so weit drin um Schmerzen zu verursachen, jedoch nicht weit genug um das Tier zu töten. Dazu ist es noch zu früh.«
»Hab ich nach einer Erklärung verlangt?«
Silvia stöhnte auf. Wie gern würde sie einfach Augen und Ohren verschließen, doch Konstantin sah das nicht gern. Und die Angst, er würde ihr wehtun können, war zu groß.
Mit seinen Augen suchte Konstantin den Tisch ab und dann lächelte er wieder hinterhältig und griff nach einer Flex. Der Golden Retreiver jaulte leise und versuchte durch ständiges Kopfschütteln den Schmerz los zu werden. Konstantin schaltete die Flex an und der Hund duckte sich bei dem Geräusch. Er schien zu ahnen, dass sein Leiden nicht vorbei war. Konstantin fuhr mit der Flex über den Rücken und durchtrennte die obere Hautschicht. Der Hund jaulte und Silvia traten die Tränen in die Augen. Schließlich galt der Hund als treuester Freund des Menschen. Konstantin metzelte immer wieder an dem Tier, bis das Blut aus zahlreichen Wunden den Boden rot färbte. Silvia schätzte, dass mittlerweile eine Stunde vergangen sein musste. Dass der Hund sich noch auf den Beinen hielt, war ein Wunder. Der Boden war bedeckt mit Fellstücken, Blut und, wie Silvia vermutete, Knochenmasse. Mittlerweile sackte der Retriever immer öfter zusammen und wurde von Konstantin gnadenlos wieder auf die Beine gezogen. Die Versuche nach seinem Peiniger zu schnappen, wurden immer träger. Der Blutverlust hatte ihn zu sehr geschwächt. Als Konstantin ansetzte, um mir der Flex die Beine abzutrennen, brach der Hund endlich zusammen. Konstantin fluchte und überprüfte die Atmung des Tieres. Achtlos schob Konstantin ihn von sich und stand auf.
Vor lauter Tränen war Silvias Sicht verschwommen. Hass braute sich in ihr zusammen, Hass auf Konstantin und auf sich selbst. Weil sie zu schwach war, um dem Hund zu helfen.
»Schade, ich dachte, er hält länger durch. Aber dir muss ich ein Kompliment machen. Du hast sauber mitgespielt. Und nicht einmal die Augen geschlossen.«
»Fick dich.« Mehr brachte sie nicht raus. Ihr Magen rebellierte und ihre Beine gaben nach. Das Nächste, was sie spürte, war kaltes Wasser, das ihr ins Gesicht gegossen wurde. Konstantin stand lächelnd vor ihr und sie schnappte erschrocken nach Luft.
»Da hast du am Ende doch schlappgemacht, aber mein nächstes Kunstwerk wird dich begeistern. Da wirst du selbst zur Akteurin.« Ein selbstzufriedenes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.
»Wie meinst du das?« Angstvoll blickte sie ihn an.
Doch er zog nur die Augenbrauen hoch.
»Neugierig? Wart es ab, es wird dir gefallen.«
Sie war sich sicher, dass es ihr nicht gefallen würde. Nur sagen würde sie es nie.
Dann wurde sie zum Duschen gebracht. Diesmal ließ er sie alleine, band sie aber fest. Die ganze Zeit prasselte das warme Wasser auf sie hernieder.
Als er sie dann holte und sie in den Keller zurückkam war von dem Kadaver des Hundes nichts mehr zu sehen. Nur die frischen Flecken seines Blutes erinnerten sie an ihn. Wieder stand der Tisch da, mit dem Abendessen. Trotz ihrem Ekel, wusste sie, wenn sie nichts aß, würde ihr Körper sich rächen, von Konstantin ganz zu schweigen.
Also aß sie und hoffte, dass er sie danach in Ruhe ließ.
Wie immer band er sie an das Andreaskreuz und ließ sie alleine.
Wieder verstrichen ein paar Tage, in denen sie nur ihre Mahlzeiten bekam. Jedoch wusste sie, dass es die Ruhe vor dem Sturm war. Sie war sich sicher, dass sein nächster Akt grausamer als alles zuvor werden würde.
Eines Morgens wurde sie von einem Geräusch geweckt, ein Stöhnen und Wimmern. Fast hoffte sie, Konstantin hätte sich verletzt. Sie schlug die Augen auf und Entsetzen erfasste sie. Auf dem Stuhl, wo Konstantin immer saß, befand sich ein junger Mann. Er trug nur seine Jeans und war festgebunden. Über seinem Mund befand sich ein breiter Streifen mit Panzertape und seine Augen blickten sie flehend an. Silvia schüttelte stumm den Kopf. Ich kann dir nicht helfen, dachte sie, ich kann mir ja nicht mal selber helfen. Ihr Hals wurde eng, Tiere waren schon hart, aber nun ein Mensch. Nein das würde sie niemals überstehen. Und plötzlich fielen ihr seine Worte ein, dass sie zur Akteurin werden sollte. Sie weigerte sich, das Begreifen der Worte zuzulassen.
Von Konstantin fehlte jede Spur. Wo er wohl war? Sie brauchte nicht lange auf eine Antwort zu warten. Er betrat den Raum und schob den Tisch mit den Instrumenten vor sich her. Silvia konnte die Panik auf dem Gesicht des Jünglings sehen. Sie schätzte ihn auf Anfang 20. Er war attraktiv und sicher wartete eine Freundin auf ihn, die ihn liebte.
»Silvia darf ich dir vorstellen, das ist Michael. Er wird heute unser Hauptdarsteller sein.«
Konstantin positionierte eine zweite Kamera so, dass diesmal nicht das Andreaskreuz gefilmt würde, sondern der Stuhl auf dem Michael saß.
»Du Schwein. Das geht zu weit. Mach mich los und lass uns beide gehen.«
»Nun hab dich nicht so. Du wirst noch Gefallen an der Sache finden. Ich bin so auf das Ergebnis gespannt. Ich überlege noch, ob ich beide Perspektiven zu einem, Film mache oder jeden für sich schneide. Hmm, das kann ich immer noch entscheiden. Doch ich bin mir sicher meine Fans werden beides lieben.«
Silvia bezweifelte das, doch wusste sie nicht, wie sie das Kommende abwenden konnte. Konstantin war zu selbstverliebt und von dem überzeugt, was er tat. Sie war sich sicher, dass er für all das würde bezahlen müssen. In Filmen war es ja auch so, dass am Ende der Täter immer gefangen wurde. Der Vergleich, den sie zog, war absurd, dessen war sie sich bewusst. Sie war nicht in einem Film, sondern in einer grausamen Realität gefangen.
Konstantin ergriff die Bohrmaschine und schaltete sie ein. Doch dann hielt er inne.
»Oh Liebes fast hätte ich es vergessen. Heute sollst du ja zum Akteur werden.«
Die Bohrmaschine landete wieder auf dem Tisch und Konstantin trat zu ihr. Er löste ihre Fesseln und zog sie zu dem Stuhl. Mit einer ausladenden Geste deutet er auf den Tisch.
»Silvi such dir was aus. Und sei kreativ.«
Silvia ergriff den Hammer, der neben einer Zange lag, und wog ihn in der Hand. Sie war weder gefesselt noch hatte er ihr das Halsband mit der Stange angelegt. Sie witterte eine Chance.
»Sehr gute Wahl meine Liebe und was gedenkst du, damit zu tun?«
»Das!« Mit diesem Wort schwang sie den Hammer und traf Konstantin seitlich am Kopf. Sofort färbte sich sein dunkelblondes Haar rot und er fiel wie ein gefällter Baum zu Boden.
Silvia drehte sich zu Michael um und sah ihn an. Ihn jetzt zu befreien, würde zu lange dauen. Sie würde die Polizei verständigen. Sie warf den Hammer von sich und hastete Richtung Tür. Offen, dachte sie erleichtert, nachdem sie die Klinke betätigt hatte. Sie rannte, bis ihr die Lungen brannten. Sie verließ das Haus durch die Kellertür und achtete nicht auf die nähere Umgebung. Doch es war eines der typischen Vorstadt Einfamilienhäuser, wie es auch ihr Vater bewohnte. Das Haus lag am Rande eines Waldes, der Silvia seltsam bekannt vorkam. Doch den Gedanken verwarf sie, da Wälder immer gleich aussahen, und hetzte zwischen den Bäumen hindurch. Dann musste sie kurz innehalten, um Luft zu schnappen und sich zu orientieren. Sie sah weder einen Weg noch eine Straße. In dem Moment wurde ihr bewusst, dass es ein Fehler gewesen war, in den Wald zu laufen. Sie wollte jedoch nicht umkehren und so änderte sie ihre Richtung. Dass sie dabei nicht sehr leise war, merkte sie nicht und auch nicht, dass sie im Kreis lief. Als sie ein zweites Mal stehen blieb, um sich einen Überblick zu verschaffen, traf etwas von hinten ihren Kopf und es wurde schwarz.
Silvia blinzelte, da ihr ein Licht direkt in die Augen schien. Sie bemerkte, dass jemand ihre Lider auseinanderzog.
»Ah du bist wach, sehr gut. Dann können wir beginnen. Schade nun hab ich den Hauptakt vorziehen müssen und auch die Personen haben gewechselt.«
Entsetzt begriff sie, dass die Stimme zu Konstantin gehörte, und schlug die Augen auf. Langsam wurde ihre Sicht klarer und das Begreifen versetzte ihr einen Schlag. Sie saß gegenüber dem Andreaskreuz, an dem Michael hing und sie wieder verzweifelt ansah. Sie versuchte zu sprechen, um Gnade zu flehen, doch ihr Mund war zugeklebt. Auch bewegen konnte sie sich nicht. Sie blickte nach unten und sah das ihre Hände an den Armlehnen des Stuhls festgebunden waren und ihre Fußknöchel an den Stuhlbeinen. Sie war nackt und sie fror. Er musste sie ausgezogen haben. Wie lange saß sie nun auf dem Stuhl? Ihre Flucht fiel ihr ein und sie fragte sich, wie Konstantin sie hatte finden können. Doch das alles wurde nebensächlich, als sie ihre Lage erneut analysierte.
Rechts neben ihr stand der vertraute Tisch mit den Instrumenten und Geräten. Panik erfasst sie und sie warf Konstantin einen flehenden Blick zu. Er lächelte sie wohlwollend an und beugte sich zu ihr.
»Das hier meine Liebe bist du selber Schuld, alles hätte so perfekt zwischen uns laufen können. Ich hätte dich zu meiner Assistentin gemacht und du wärst sehr berühmt geworden, das wirst du nun auch, doch anders als geplant.« Er war dicht an ihr Ohr herangekommen und flüsterte ihr diese Worte hinein.
Silvia schüttelte den Kopf und stieß ein paar unartikulierte Laute aus, mit denen sie ihm zu verstehen geben wollte, das er es sich doch noch einmal anders überlegen sollte. Doch Konstantin schüttelte den Kopf.
Er trat an den Tisch und Silvia hörte ein Klappern. Wie in Zeitlupe drehte sie ihren Kopf und riss entsetzt die Augen auf. In der Hand hielt Konstantin die Bohrmaschine.
Schweiß trat ihr auf die Stirn und sie versuchte, sich zu befreien. Doch die Fesseln saßen fest zu fest.
Konstantin betätigte den Schalter. Silvia fixierte den sich drehenden Bohrer und fing zu zittern an.
Die rotierende Spitze näherte sich unaufhaltsam, ihrem rechten Knie. Es gab ein seltsam schmatzendes Geräusch, dann setzte der Schmerz ein, hüllte sie ein und durchfuhr jeden Nerv. Die Bohrmaschine jaulte und ihr eigenes Schluchzen wurde übertönt. Der Schmerz wurde dumpf und sie bemerkte, wie es nass unter ihrem Po wurde. Ihre Blase hatte sich entleert. Vor lauter Tränen konnte sie kaum was erkennen, was ihre Situation nur noch schwieriger machte. Denn so konnte sie nicht sehen, welche Grausamkeit Konstantin als Nächstes plante. Das der Bohrer aus dem rechten Bein gezogen wurde, und Konstantin ihm am linken Knie erneut ansetzte bekam sie so nicht mit. Doch erneut raste der Schmerz durch ihren Körper, und sie versuchte zu schreien. Doch es war nur ein dumpfes »Umppf« zu hören.
Dann war es still und nur ihr eigener Atem dröhnte in ihren Ohren. Wieder keimte Hoffnung in ihr auf. Stille bedeutet vielleicht, dass Konstantin es nicht zu Ende bringen würde. Dass er doch Respekt vor menschlichem Leben haben könnte. Doch was dann kam zerstörte dieses aufkeimende Gefühl.
»Du Arschloch, das wirst du ihr nicht antun. Sie ist ein Mensch und du bist Arzt.« Michaels Stimme klang sympathisch, dachte Silvia ironischerweise.
Sie blinzelte die Tränen weg, um wieder was sehen zu können. Der Schmerz in ihren Beinen war zu einem Pochen geworden. Doch im nächsten Moment wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Konstantin hielt eine Fleischermesser in der Hand und näherte sich ihrer rechten Brust. Doch vorher zog er das Klebeband von ihrem Mund.
»So wirkt es authentischer.«
Und Silvia schrie, schrie, bis Ohnmacht sie umfing.
Joachim Hoffmann ging an die Haustür. Es war drei Uhr nachts und eine schlimme Vorahnung ergriff ihn. Seit er das Verschwinden seiner Tochter bei der Polizei gemeldet hatte, waren zwei Wochen vergangen, doch seine Silvia war immer noch nicht aufgetaucht. Er atmete tief ein und öffnete die Tür. Draußen standen zwei Polizeibeamte.
»Herr Hoffmann?«
»Ja der bin ich.«
»Würden sie uns bitte begleiten. Man hat die Leiche einer Frau gefunden und der Beschreibung nach, könnte es sich um ihre vermisste Tochter handeln.«
Joachim schluckte schwer. Er hatte es geahnt, doch wie sagt man so schön: Die Hoffnung stirbt zum Schluss.
»Darf ich jemanden mitnehmen? Alleine überstehe ich das nicht. Er ist mein Nachbar und ein guter Freund.«
»Doch sicher. Das verstehen wir.«
Er nickte den Beamten zu und ging ans Telefon. Mit zitternden Händen wählte er die Nummer und am anderen ende war ein Freizeichen zu hören.
»Oh entschuldige, dass ich dich geweckt habe. Nur die Polizei ist hier und ich soll eine Leiche identifizieren. Es könnte Silvia sein. Würdest du mir den Gefallen tun und mich begleiten. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft dazu habe. ... Gut danke, ich warte hier.«
»Mein Bekannter kommt gleich, er wohnt gleich nebenan. Ich werde mich in der Zwischenzeit anziehen, denn so kann ich schlecht mitkommen.« Er deutet auf seinen Pyjama. »Kommen sie doch so lange herein.«
Die Polizisten traten ins Haus. Es war nie schön solche Botschaften zu überbringen. Und Herr Hoffmann machte auf beide einen sehr labilen Eindruck. Kurze Zeit später klingelte es erneut und Joachim kam die Treppe fertig angezogen hinunter, um die Tür zu öffnen.
Ein Mann Mitte vierzig stand vor der Tür.
»Oh da bist du ja. Danke, dass du mich begleitest. Ich wusste ja, dass du urlaub hast, sonst hätte ich dich nicht angerufen.«
»Selbst wenn ich Dienst hätte, würde ich dich das nicht alleine durchstehen lassen.«
Gemeinsam mit den Beamten fuhren sie in die Gerichtsmedizin. Dort führte man sie in die Leichenhalle. Auf einem Tisch in der Mitte lag ein Körper, sorgsam mit einem weißen Tuch bedeckt. Joachim wagte nicht, einzuatmen. Er wollte es hinter sich bringen, wollte Gewissheit. Der anwesende Mediziner schlug das Tuch ein Stück nach hinten und Joachim trat heran. Da lag sie, seine über alles geliebte Tochter, und sah aus, als ob sie schliefe. Nur die Blässe verriet, dass es nicht so war.
»Das ist sie,« presste er mühsam hervor. Sein Nachbar ergriff seinen Arm, um ihn zu stützen.
»Kommen sie bitte mit, es gibt noch ein paar Formalitäten zu klären und hier ist nicht der passende Ort.« Der Polizist war zu ihnen getreten und sah Joachim regungslos an. Klar, dachte Joachim, wenn er bei sowas Emotionen zuließ, wäre er nach ein paar Jahren ein psychisches Wrack.
Joachim nickte müde und folgte dem Beamten. Im Büro setzte er sich auf einen Stuhl.
»Herr Hoffmann haben sie irgendwelche Feinde?«
»Wie kommen sie denn darauf? Meine Frau und ich lebten sehr ruhig und bescheiden. Und nach dem Tod meiner Frau änderte sich daran nichts.«
»Die Leiche ihrer Tochter wurde in dem Waldstück nahe ihrem Haus gefunden.«
»Wie kann das sein? Man hat ihren Wagen auf der Raststätte Kirchheim gefunden, das ist knapp 300 km weit weg.« Joachim sah dem Beamten erstaunt ins Gesicht. Etwas stimmte hier nicht.
»Und genau deswegen gehen wir davon aus, dass es jemand war, den sie kannten. Vielleicht sogar jemand aus ihrer Familie.«
»Nicht dass ich wüsste. Ehrlich mein einziger Bruder lebt in München und sonst haben wir keine verwandten hier. Auch habe ich mir nichts zuschulden kommen lassen, so dass irgendwer Rache nehmen müsste.«
»Ehrlich Herr Hoffmann in dem Fall stehen wir vor einem Rätsel.«
»Wenn es Neues gibt, informieren Sie mich bitte?«
»Gerne Herr Hoffmann, wenn unsere Untersuchungen an dem Leichnam abgeschlossen sind, kann ihr Bestattungsunternehmen die Leiche abholen. Darum sollten sie sich nun kümmern. Ich weiß, dass es schwer ist, doch manches lässt sich nicht umgehen. Übrigens sollten Sie besser darauf verzichten den Deckel geöffnet zu lassen. Das Gesicht ihrer Tochter ist das Einzige, was ihr Mörder nicht entstellt hat. Solch eine grausame Tat ist mir noch nie untergekommen. Doch wir finden den Mörder und dann wird der seines Lebens nicht mehr froh, das versichere ich Ihnen.«
Matt fuhr sich Joachim über die Augen. Wer war zu sowas nur fähig? Und warum machte ein Mensch sowas?
Eine Berührung an der Schulter ließ ihn aufschrecken.
»Komm mit Joachim, ich werde die notwendigen Dinge mit dir erledigen. Nur heute solltest du einfach nur abgelenkt werden. Wie wär es, ich schau nachher vorbei und wir beenden unsere Partie Schach. Ich denke, diesmal habe ich eine Chance gegen dich.«
Dankbar blickte Joachim seinen Nachbarn an, denn alleine sein wollte er nicht.
»Ja danke Konstantin, das wäre schön. Und auch danke, dass du mich begleitet hast.«
Texte: Thabita Waters
Bildmaterialien: Fotolia bearbeitet von Thabita Waters
Tag der Veröffentlichung: 05.09.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meinem EX-Freund, dessen Aussehen ich Konstantin verpasst habe.