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Chinara saß in der Patsche, sie war in dem kleinen vier mal sechs Meter großen Haus aus gebrannten Lehmziegeln gefangen. Chinara war wie erstarrt, was war das für weißes Pulver rund um ihr Haus, warum war es kalt, warum war es nass, warum konnte sie die Behausung nicht verlassen?

Gestern Abend versammelten sie sich alle auf dem Dorfplatz um den seltsamen Geschichten der alten Neta zu lauschen. Neta kam alle paar Monate in das Dorf und erzählte Geschichten. Geschichten, aus einer anderen, unbekannten Welt. Sie berichtete von Menschen, die in Zigarren zum Mond flögen, zum Mond, wo doch jedes Kind weiß, dass man nicht höher als auf den Kasteel in den Himmel steigen kann. Von Menschen, die in Karren ohne Esel fuhren, dass ganze Dorf lachte. Wozu hat der Schöpfer den Menschen Beine und Füße gegeben, wenn sie mit Karren fuhren? Wozu sollte es gut sein, schneller als der Wind zu fahren? Wäre dann der Wind nicht böse?
Neta erzählte von Hütten, in denen so viele Menschen lebten wie Vögel zur Wanderzeit am Himmel flogen. Gibt es überhaupt so viele Menschen, fragte Amaru, der Dorfälteste? Amaru war so alt, er hatte schon alles gesehen und alles gehört. Amaru schalt Neta eine Lügnerin. Man solle sie aus dem Dorf jagen mahnte er, sie sei verhext vom Geist der Sonne. Die ersten Männer standen auf, um die Weisung des Alten auszuführen aber die meisten der Frauen und vor allem die Kinder verliehen ihrem Unmut darüber wortstarken Ausdruck. Chukwuebuka machte von seiner Autorität als Clanchef gebrauch, seine Stimme wies alle Parteien in ihre Schranken. „Neta, sprich weiter“ befahl er, die Stille die darauf folgte, bewies, dass sich dem niemand zu widersetzen wagte. „Es gibt ein Land“, begann Neta ängstlich. „Weit, weit im Norden, jenseits des »Großen Wassers« und noch darüber hinaus. Dort gibt es eine Zeit, die sich Winter nennt, dunkel und kalt. Die Menschen, die dort wohnen, haben weiße Haut.“ Ein ungläubiges Gemurmel raunte auf. „Diese Menschen schmückten Ihre Häuser mit einen Baum, der die Form des Wirbelsturms hat.“ Mit ihren Händen deutete sie an, oben spitz unten breit. Jenes Volk spricht von einem Mann, der für sie gestorben sei, einem Mann jenseits des »Großen Flusses«, unzählige Tagesmärsche vom Nordland entfernt. Ein Mann, der ihnen beigebracht hat, freundlich und hilfsbereit zu sein, der ihnen gesagt hat, sie sollen die Dinge, die sie geerntet haben, mit den anderen Ihres Volkes, brüderlich teilen.“, ein grunzen war hier und da zu hören, das war doch normal, ohne das Gesetz der Gastfreundschaft und der gegenseitigen Hilfe im Clan und gegenüber Fremden, konnte keiner überleben, wozu braucht es im Nordland einen Mann, der das lehren musste? Unmut machte sich breit. Neta war inzwischen in Fahrt gekommen. „Jedes Jahr um die selbe Zeit, packt ein alter Mann aus dem Norden, einen Karren ohne Räder und spannt Hirsche davor, den Karren belädt er mit Geschenken für alle Völker des Nordens. In einer bestimmten Nacht, fährt er los und bringt in jedes Haus seine Geschenke.“ Die Männer sprangen auf, so etwas unverschämtes hatten sie ja noch nie gehört, Karren ohne Räder und welcher Mann ist so reich, dass er in einer Nacht ganze Völker beschenkt. Einige stampften wütend mit den Füßen, andere schimpften, „jagt sie davon“, Chinara schmiegte sich ängstlich an ihre Mutter. Chukwuebuka brachte alle mit eine Handbewegung zur Räson. Mit einem Kopfnicken in Richtung Neta, fragte er, „wie kann ein Karren ohne Räder fahren?“. „Im Nordland gibt es weißes Pulver, dass auf den Boden fällt, diese Pulver besteht aus Wasser, es ist kalt, es ist nass und ganz rutschig, so dass der Karren wie auf Wolken darüber hinweg gleitet“. Das war zu viel, die Männer des Dorfes nahmen Ihre Hirtenstäbe und schlugen auf Neta ein, die mit lautem heulen in der Nacht verschwand.

Chinara wurde unsanft aus dem Schlaf gerissen, als erstes sprang sie ans Fenster und schaute hinaus. Sie sah den Sand, die Steine und die Sonne die jeden Tag das Land verdorrte, sie sah was sie jeden Tag sah. Schade, dachte Sie, ich hätte gerne den Mann aus dem Norden kennen gelernt, der den Völkern Geschenke bringt, aber wie soll er ohne das weiße Pulver hierher finden.

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Tag der Veröffentlichung: 13.03.2009

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