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Wie willst du später mal deinem Kind erklären, wie es zur Welt kam, und dir eingestehen müssen, dass die Geschichte, die die Wahrheit erzählt, es nicht begeisternd umher hüpfen lassen wird?

Du wirst ihm erklären müssen, dass es nicht auf herkömmlichem Weg zur Welt kam. Und du wirst ihm erklären müssen, warum das so war.

Man sollte nicht in das Handwerk eines anderen reinpfuschen.
Das sollte man nicht tun.

Natürlich ist es schrecklich, wenn man als Frau keine Kinder kriegen kann, und es ist noch viel schlimmer, wenn das an der Frau selbst liegt und nicht, wie man erst gehofft hat, an dem Partner. Und natürlich hat der Partner genau Gegenteiliges gehofft.
Natürlich ist es verständlich, wenn man alles ausprobiert, wenn man denkt, man könne dem Leben einen Streich spielen.
Doch so läuft das nicht.
So läuft das nie!

Ihr beiden habt alles versucht. Alles menschenmögliche in Bewegung gesetzt. Hebel und Schalter betätigt. Es hätte einfach nie sein dürfen.

Du würdest ihm sagen müssen, dass es gezüchtet wurde um einen Wunsch zu erfüllen, der in der ganzen Prozedur, die du auf dich genommen hast, irgendwann nebensächlich wurde. Kinder sollten aus Liebe entstehen und nicht aus Trotz!
Sie sollten kein Mittel zum Zweck werden, weil du dir und anderen beweisen wolltest wie schön das Leben sein kann, wenn man alles zu perfektionieren versucht. Wenn man anderen Dinge überlässt, die es ohne sie nicht gäbe. Wenn man es zulässt, Dinge zu tun, die es nicht geben sollte.

Du würdest ihm sagen müssen, dass es gezüchtet wurde, in einem Reagenzglas unter abnormen Bedingungen. Und es nur die Chance hatte zu überleben, weil es euren Ansprüchen und dem, was davon übrig geblieben ist, genügt hatte. Doch es kam anders, als es geplant war.

Du würdest ihm zum 18ten sein Reagenzglas schenken, wie andere Menschen ihren Kindern ein Auto schenken.
Du würdest sagen, das ist der Ort, an dem es gezeugt wurde. Oder vielmehr, an dem man es hergestellt hatte.
Für dich und deine Perfektion.
Du würdest ihm irgendwann auch erklären müssen, warum ihr einen Brutkasten auf dem Dachboden stehen habt.
Als Andenken an die schwere Zeit. Nach der Frühgeburt, weil es nach sechs Monaten keine Lust mehr hatte auf die künstlich erzeugte Idylle in dir und die Hormone und den ekligen Beigeschmack, den es hat, wenn man nur einer Machtbefriedigung gedient hat.
Vielleicht hast du auch nachgeholfen, aber das würde ich dir nie unterstellen.
Ich verstehe, dass du es nicht mehr abwarten konntest.

Du wolltest deine Eltern zu stolzen Großeltern machen. Weil dein Vater neue Bandscheiben hat, hätte er dann auch mehr Elan und könnte mit dem Kleinen spielen.
Du hast ihn schon gesehen, mit dem Kleine, wie er die Schaukel anstößt.
Nur leider lässt sich nüchtern sagen, es wird sicher nie mit deinem Kleinen spielen können. Im Alter ist man einfach nicht mehr so fit. Aber ich schweife ab....

Mit deiner Generation stürbe euer Familienname aus. Darum würdest du auch nie heiraten wollen. Du bist die rettende Instanz zum Erhalt eurer Familienehre. Auf dir lastet eine ziemlich große Verantwortung. Ich seh das schon ein. Es wäre eine Schande, wenn du so enden würdest. Da sei es dahin gestellt, wie dein Nachkomme zur Welt kommt.
Ja, du hast es nicht leicht gehabt im Leben. Als Einzelkind aufgewachsen, als Einzelkind unter zu gehen. Das musst du aufs Dringlichste verhindern. Es muss ja nicht gesagt sein, dass es auch bei einem Bleibt. Die Methode bietet ja mannigfaltige Vielfalt und Wucherpotential.


Es soll dir alles egal sein, wie es aussehen würde, wie es zurecht kommen würde. Hauptsache es entspräche den Angaben des Katalogs, der aus deinen Genen und denen deines Partners zusammengestellt wurde. Extra für euch und eure eigens angefertigte Idylle. Hauptsache du könntest deinem Glück noch eins oben drauf setzen.
Hauptsache es wäre blond und hätte blaue Augen.
Keiner von euch beiden ist blond, geschweige denn blauäugig. Aber das zählt nicht als Argument. Aber das macht nichts. Technik macht’s möglich. Und der Wunsch, der dich geritten hat, einem Fünkchen Hoffnung zu schenken, ist längst erloschen, als dass der Trieb der Selbsterhaltung begonnen hat sich in dir einzunisten. Und weil die Geduld dir das Herz zerfetzt, weil du längst aufgegeben hast. Weil alles, was von deiner Instanz ausgegangen ist, getan wurde, sitzt du da und wartest auf den zukunftsbringenden Bauchansatz.
Es wird ausbleiben.
Genauso wie die Freude und das Leid.
Du warst nicht dafür vorgesehen, eine Familie zu gründen. Und auch nicht, dafür einen Partner zu haben, der Häuser baut und Bäume pflanzt.

Kapier das doch endlich!


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.04.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die die richtige Entscheidung irgendwann bereuen werden...

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