Die Betriebsversammlung im Himmel
Ein blasphemisches Weihnacht- bzw. Osterspiel
von Alexander Benra
Personen 2m, 1w, 4mw und Statisten
Josef, ein Gewerkschaftsfunktionär
Betriebsratsvorsitzender der Weihnachtsmänner
Jesus Christus, JC, jesusmäßig gewandet
Maria Magdalena, aufreizend gekleidet
B. Eltsebub, smarter Unternehmensberater
Weihnachtsmänner und –frauen
Osterhasen
Prolog
Auf der Bühne ist eine Art Konferenzraum aufgebaut.
Josef und Weihnachtsmann Betriebsratsvorsitzender am Eingang des Zuschauerraums.
BRVorsitzender: Kommt hier herein, Josef...
Josef (laut): Hier ?
BRVorsitzener: Psst ! Nicht so laut ! Ja, wir müssen sehr aufpassen. Keiner weiß, dass jemand von der Gewerkschaft hier ist. Man sagt, dass der Seniorchef seine Augen und Ohren überall hat. Ich muss sehr vorsichtig sein. Den letzten Abtrünnigen ...
Josef: Luzifer...
BRVorsitzender: Genau, Luzifer, hat er ganz brutal vor die Tür gesetzt.
Josef: Er hatte auch keine starke Organisation im Rücken, wie unserer GEWEHI, der „Gewerkschaft der Werktätigen im Himmel“.(hebt kämpferisch die linke Faust)
BRVorsitzender : Könntest Du vielleicht diese Mütze anziehen (hält eine Weihnachtsmann-Mütze in der Hand) ? Ich will nicht, dass du so auffällst, Josef.
Josef: Ganz ruhig mein Freund. JC, von dem ich schon damals geahnt habe, dass er nicht mein Sohn ist, wird mich bestimmt nicht erkennen. Er ist berühmt geworden mit Himmelfahrt und so, da kennt man nicht mehr den Ballast aus der Jugend. Wir haben uns Jahrhunderte nicht gesehen. Ich hatte meine Gründe, mich auf die Seite der Werktätigen zu stellen. Die Nummer mit der Speisung der Tausend hat viele Arbeitnehmer in der Back- und Fischereibranche in den Ruin getrieben. Die Chefs haben damals gesagt:
Schaut euch diesen Jesus an. Der hat Zimmermann gelernt und doch ist in der Lebensmittelbranche so erfolgreich. An seiner Produktivität sollten sich alle ein Beispiel nehmen.. .
BRVorsitzender: Steht das JC wirklich noch für etwas anderes als Juniorchef, Josef ?
Josef: Wir haben ihn damals, als ich noch ein bißchen mitzubestimmen hatte, Jesus Christus genannt, aber das ist halt schon lange her. Kinder entwickeln sich nicht immer so, wie sich Eltern das wünschen. Er wäre vielleicht ein geschickter Zimmermann geworden ...
BRVorsitzender: Bei uns denken alle, dass JC. einfach nur Junior Chef heißt. Aber meistens trauen wir uns überhaupt nicht über die Führungsriege zu sprechen.
Josef: Du als Betriebsratsvorsitzender wirst sicher feststellen: Die Unzufriedenen werden immer mehr und dann wird eine Gewerkschaft der Werktätigen im Himmel gebraucht. Stell dir mal vor ein: Streik im Himmel, JC, sein Bruder, dieser Mohammed und der Seniorchef müssten ihr Manna selber backen. Der Chor der Engel bliebe stumm. Wir blockieren die Einfahrt zur Himmelspforte ! Lange Schlangen davor und er Fürst der Finsternis wird sicher versuchen einige abzuwerben... So ein Streik, ..
BRVorsitzender: Nein ! Sag dieses schlimme Wort nicht noch einmal ! (hält sich die Ohren zu, sieht sich ängstlich um)
Josef: Streik ?
BRVorsitzender nickt.
BRVorsitzender: Versprich dir davon einmal nicht zu viel Beteiligung. Auf die Engel können wir nicht zählen. Die schleimen sich immer nur ein und sind uns Werktätigen ziemlich entfremdet, sitzen auf ihren Wolken und singen... Hallelujah !
Die kommen auch nicht zur heutigen Betriebsversammlung, weil sie sich ungern unter uns mischen. Ich muss außerdem feststellen, dass unsere moslemischen Brüder und Schwestern fehlen. Nicht nur auf der Erde versuchen sie die Moslems und Christen zu spalten. Auch hier oben soll ein Keil zwischen uns getrieben werden. Es sol rationalisiert werden . Im Rahmen dieser Umstrukturierung wird auch von Entlassungen gemunkelt.
BRVorsitzender fängt an zu flüstern. Nach und nach betreten, Weihnachtsmänner, -frauen, Osterhäsinnen und Osterhasen die Bühne, Josef und der Betriebsratsvorsitzende halten sich etwas im Hintergrund, JC im Jesusgewand, B. Eltsebub und Maria betreten die Szene und treten an ein Sprechpult. JC gebietet zu schweigen.
Erster und einziger Akt
Josef entdeckt M. Magdalena
Josef: Wer ist die da ?
BRVorsitzender: Das ist Maria Magdalena.
Josef: Von der habe ich schon gehört. Ist ein steiler Zahn ! Aber wohl auch eine Frau mit Geschichte...
BRVorsitzender: Schlag dir die aus dem Kopf. Die ist unsere Frauenbeauftragte. Die gehört damit zur Innersten Führungsriege.
Josef: Wie sie da hin gekommen ist, kann man sich gut vorstellen.
JC: Shalom ! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, es fällt mir nicht leicht heute vor sie zu treten, gerade, wo doch mein Geburtstag (Ostern) unmittelbar bevorsteht. Aber sie haben ein Recht darauf frühzeitig zu erfahren, wie schlecht es um die Firma steht. Die Kunden laufen uns davon. Die Kosten, insbesondere die Personalkosten, steigen. Alle wollen hier in den Himmel. Auf der Erde stellen sie sich das wie einen kollektiven Freizeitpark vor. Aber alles, was wir hier oben haben, muss erst einmal verdient werden. Die Konkurrenz schläft nicht ! An allen Ecken und Enden der Welt tauchen neue Religionen auf. Alte Religionen, die wir schon überwunden geglaubt haben, kommen wieder zurück. Auf einmal beten die Menschen wieder Steine an, Pendeln ihr Schicksal aus oder lassen sich von Druiden beraten.
Wir müssen nun Schritte einleiten, um die Arbeitsplätze der überwiegenden Mehrheit von ihnen zu erhalten und das Unternehmen insgesamt zu sanieren.
Ich darf Ihnen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Herrn Eltsebub vorstellen. Er kommt von der Unternehmensberatung bekannten Unternehmensberatung „B. Eltsebub und Partner“.
B. Eltsebub: Danke für die freundlichen Worte, JC. Ich will die Situation nicht schönreden. Die Durchleuchtung des Unternehmens hat erhebliche Einsparpotentiale gebracht, die wir nützen müssen, um auch in Zukunft auf dem Markt der Religionen konkurrenzfähig zu bleiben. Wir investieren in die Mitarbeitermotivation. Jeder von ihnen muss sein persönliches Potential voll ausschöpfen. Was wir an Sachkosten einsparen konnten, haben wir bereits eingespart. Unsere Special-Effects sind auf einen historischen Tiefststand.
Joseph (zu BRVorsitzenden): Was meint der denn mit Special Effects ?
BRVorsitzender: Das nennen die auf der Erde dann „Wunder“ oder so ähnlich. Aber das ist alles schon so lange her, dass die kaum einer mehr vermisst... Ich muss aber sagen, dass die früher ein ganz guter Marketingag waren. Es gab immer haufenweise Taufen nach so ein paar Wundern. Das hat sogar besser funktioniert, als die Menschen umzubringen, wenn sie sich nicht taufen lassen.
B. Eltsebub: Die himmlischen Dienstleistungen müssen in Zukunft nach marktfähigen Preisen abgerechnet werden, damit wir erkennen können, wo wir nicht genug Rendite erwirtschaften. Ziel all unseres Strebens muss die Beachtung des Pray-Holder-Values sein.
Weihnachtsmann zu BRVorsitzenden: Was ist Pray-Holder Value ?
BRVorsitzender: Wieviel kriegt man als Gegenwert für seine Gebete.
B. Eltsebub: Deshalb haben wir von B. Eltsebub und Partners nach umfassender Durchleuchtung der wirklich veralteten Struktur im Himmel ein umfassendes Sanierungskonzept entwickelt.
Unruhiges Gemurmel. Stimmen wie, den könnte man schon mal einsparen etc. werden laut. JC schaltet sich ein.
JC: Liebe Freunde. Wir müssen im Zuge der Umstrukturierung alle Opfer bringen. Auch ich werde mich von liebgewonnenen Sachen trennen müssen.
B. Eltsebub: Danke JC für das Stichwort. Zur Steigerung der Produktivität haben wir eine neue Corporate Identity entwickelt. Das äußere Erscheinungsbild wird sich ändern müssen. Das ist etwas, was gerade JC betreffen wird. Das Kreuz also Symbol ist einfach zu negativ besetzt. Es hatte zwar eine gewisse Berechtigung in der Vergangenheit. Besonders war es als Marke auch mit einfachsten Mitteln herzustellen. Zur Not genügten da zwei gekreuzte Äste. Aber der technische Fortschritt ermöglicht auch moderne Symbole zur Vermarktung einzusetzen. Dem Kreuz fehlt das Positive, das Optimistische, das Aufstrebende...
Osterhase( zu anderem Osterhasen): Für das Optimistische stehen wir dann...Frühling, Fruchtbarkeit, Auferstehung und so ...
JC: Ruhe bei den Osterhasen, freut euch nicht zu früh.
M. Magdalena: Und Osterhäsinnen.
JC: Danke, Maria. Osterhäsinnen und Osterhasen.
M. Magdalena: Osterrammler.
JC: Wie bitte ?
M.Magdalena: Osterhäsinnen und Osterrammler. Ein männlicher Osterhase ist ein Osterrammler.
B. Eltsebub: Ein großes Problem ist, dass weder die Weihnachtsmänner...
M.Magdalena: oder ...frauen
B. Eltsebub:.... noch die Osterhasen
M.Magdalena: Osterhasen und Osterrammler
B. Eltsebub (genervt): Also die Weihnachtsbeschäftigten und Osterbeschäftigten zwar ganzjährig Geld kosten, aber nur wenige Wochen im Jahr effektiv Arbeitsleistung erbringen. Das kann sich auf Dauer keine Religion leisten.
JC nickt zustimmend
BRVorsitzender: Und was ist mit den Heiligen ? Die haben einen Tag im Jahr, da könnte man ja erst einmal bei denen sparen.
Zustimmendes Gemurmel
B. Eltsebub: Das ist ein Armutszeugnis. Sie haben wohl die grundlegenden Strukturen hier nicht verstanden. Von einem Betriebsratsvorsitzenden hätte ich mehr Kenntnisse erwartet. Die Heiligen, haben einen Tag, den die Menschen ihnen zuordnen. Aber ihre Aufgaben haben sie das ganze Jahr über. Christopherus muss vor Unfällen schützen, St. Florian vor Feuer...
Josef (leise zu BRVorsitzender): Ich habe ja gehört, dass Florian ein lukratives Angebot vom Fürst der Finsternis erhalten hat. Dafür, dass er ab und zu einmal ein Auge zudrückt.
BRVorsitzender: Soweit sind wir schon gekommen. Ich muss zugeben. Ich habe auch schon über einen Wechsel nach unten nachgedacht.
Josef: So ? Ich glaube, da ist aber auch nicht alles optimal. Die Luftqualität ist ganz miserabel, haufenweise Schwefel und so. Sicher sind die Menschen mit den Leistungen des Himmels manchmal unzufrieden. Aber die Insassen der Hölle, die sind meistens ziemlich stinkig auf die Beschäftigten dort.
BRVorsitzender: Ich habe aber gehört, dass man da aber sehr interessante Menschen trifft, viele Politiker und so...
B. Eltsebub: Was wir brauchen ist ein Leistungsverdichtung. Die soll für unsere Kunden aber ohne Qualitätsverlust vor sich gehen, sonst geraten wir als Religion noch weiter ins Hintertreffen. Ich werde einmal demonstrieren, wie das aussehen könnte.
Er winkt einen Weihnachtsmann herbei. Er kramt ein paar aufsteckbare Osterhasenohren heraus.
B. Eltsebub: Nehmen Sie die Mütze ab.
Weihnachtsmann gehorcht. B. Eltsebub setzt ihm die Osterhasenohren auf.
B. Eltsebub (klatscht in die Hände): Perfekt ! Das fällt doch fast nicht auf.
Osterhase: Heißt das, dass wir nun überflüssig sind ?
B. Eltsebub: Das ist vielleicht etwas krass ausgedrückt. Ich würde eher sagen: Sie können sich bald verstärkt neuen Herausforderungen außerhalb unseres Unternehmens zuwenden.
Osterhase 1: Ich habe schon ein Angebot von den Druiden bekommen, aber die sind noch im Aufbau. Ich glaube kaum, dass die uns alle übernehmen.
Osterhase 2: Wo ist denn da die soziale Auswahl. Wie sich unser Juniorchef vielleicht nicht mehr erinnern wird, sind wir Osterhasen schon verehrt worden, als er noch in einer Krippe in Bethlehem lag. Wir haben die älteren Rechte als diese Weihnachtsmänner.
B. Eltsebub: Das ist ein guter Einwand. Natürlich haben wir uns auch über die soziale Komponente
Gedanken gemacht. Aber diese Fragestellung führt hier nicht weiter, denn es ist einfach einen ....
B. Eltsebub schaut M. Magdalena an.
B. Eltsebub:Es ist einfacher, einen Weihnachtsbeschäftigten in einen Osterbeschäftigen zu verwandeln als einen Osterbeschäftigten in einen Weihnachtsbeschäftigten. Ohren draufsetzen geht, Ohren abschneiden, ist möglich, aber (wendet sich den Osterhasen zu) wollt ihr das ?
Heftiges Kopfschütteln bei den Osterhasen.
BRVorsitzender: Ein bißchen tun mir die Osterhasen ja doch leid.
Josef: Aber denke auch einmal an dich. Denke daran, dass du bald mit aufgesteckten Ohren durch die Frühlingsblumen hüpfen darfst !
BRVorsitzender: Da hast du recht. Ich habe jetzt schon immer Schmerzen im Kreuz von den schweren Säcken, die ich schleppen muss. Hüpfen kriege ich nicht hin.
Josef: Dann ist die krankheitsbedingte Kündigung schon vorprogrammiert. Apropos Kreuz, das habe ich nicht verstanden... (meldet sich): Was war das nun mit der Abschaffung des Kreuzes ?
B. Eltsebub: Gut dass Sie mich daran erinnern. Wir haben ein neues optimistisches, den Marktverhältnissen angebrachtes Emblem entwickelt. Beim Religionszapping entscheidet sich in wenigen Sekunden, ob jemand gläubig bleibt oder zu nächsten Religion wechselt..
Eine kurze Zeitspanne, vielleicht so ein- bis zweihundert Jahre können wir noch das olle Kreuz und das neue Emblem nebeneinander benutzen. Es wäre unwirtschaftlich die alten Briefbögen jetzt einfach wegzuwerfen.
Das Telefon des B. Eltsebub klingelt.
Alternative: Der Götterbote Hermes kommt auf Rollschuhen und überbringt eine Nachricht, die B.Eltsebub liest.
B. Eltsebub: Sie entschuldigen mich (ins Telefon) Das ist natürlich eine ganz neue Situation .... ab wann ... ab sofort ?... wer bezahlt meine Dienste ?.... da bin ich ja erleichtert... sicher ... damit habe ich natürlich auch schon gerechnet ... aber so schnell ... kann ich die Mitteilung gleich verkünden ?...Gut ! ... Alles klar ... Chef ... auf gute Zusammenarbeit !
(zu JC) mein neues Emblem hat sich jetzt wohl erledigt.
(laut) Ich habe gerade einen Anruf erhalten, in dem sich der neue Übernehmer des Himmels kurz vorgestellt hat.
M. Magdalena: Wer denn ?
JC: Wer denn ?
B. Eltsebub: Tja, JC, du hast jetzt nicht mehr viel zu melden. (an alle)
JC: Das sag ich meinem Papa.
M.Magdalena rückt deutlich von JC ab.
B. Eltsebub: Es werden jetzt noch umfassendere Veränderungen auf Sie zukommen.
JC: Wer ist der neue Inhaber ? Wir sind doch immer noch die Nummer eins unter den Religionen. Wenn wir noch die moslemische Tochterfirma dazurechnen sind wir das sogar mit großem Abstand.
Die Umstehenden nicken. B. Eltsebub holt ein großes Blatt Papier heraus.
B. Eltsebub: Ich zeichne Ihnen das neue Emblem auf, damit Sie sich gleich daran gewöhnen können.
B. Eltsebub malt - noch ist das Ergebnis nicht zu sehen.
B. Eltsebub: Woran die Menschen auf allen Kontinenten der Erde glauben.
Kommet zu Hauf und huldigt dem Gott, der als Sieger aus dem Jahrtausende alten Kampf um die Herzen und Köpfe der Menschen hervorgegangen ist ! Religionskriege gehören der Vergangenheit an. Die Menschen sind vereinigt im Glauben an ...
Er dreht seine Zeichnung um. Darauf ist ein Dollar- oder Eurozeichen.
Alle: GELD !
Vorhang.
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2008
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