Der Präsident und der Narr
von Alexander Benra
Theaterstück für zwei Personen und Revolutionäre
Auf der Bühne befindet sich eine Freitreppe, an deren Spitze ein Thron steht. Der Präsident sitzt mit Barett in einer Fantasieuniform auf einem Thron. Der Narr trägt eine bunte Jacke und eine Narrenkappe sowie eine Schelle. Er zunächst ist noch nicht sichtbar. Er verbirgt sich hinter der Freitreppe.
PRÄSIDENT: (seufzt)
Der Narr klappert leise mit der Schelle.
PRÄSIDENT: (entdeckt den Narren) Narr ! Komme er und unterhalte mich bis sich mein Hofstaat einfindet.
NARR: (verbeugt sich) eure Hoheit. Nie werde ich es vermögen Euch den Hofstaat zu ersetzen.
PRÄSIDENT: Du hast recht. Er ist einmalig. Wahrscheinlich kannst du ihn auch nicht an Narrheit übertreffen. Die unfreiwilligen Narren sind immer die Besten. Bei ihnen mischt sich noch die Schadenfreude unter die Gefühle des Betrachters.
NARR: Aber wer ist schon freiwillig ein Narr ?
PRÄSIDENT: Doch wer es ist, der lacht sicher mehr über die, die ihn anschauen als umgekehrt. Vielleicht ist das Los des Narren nicht so schlecht, als dass es nicht auch erstrebenswert wäre ? Ist er ein freiwilliger oder ein unfreiwilliger Narr ?
NARR: Entscheidend ist, dass ich eure Hoheit unterhalte. Und nachdem - wie ihr sagt - die unfreiwilligen Narren die besten sind, müsste ich wohl bestrebt sein, als unfreiwilligen Narren zu gelten. Aber ... ich bin doch gerne hier und mit meinem Leben bei Hofe zufrieden, so lange ich eurer Hoheit Freude bringen darf. Wisst ihr schon, was man sich von der Gräfin erzählt ... ?
PRÄSIDENT: Damit langweilt ihr mich. Den Hofklatsch fand ich einmal lustig. Doch nun nicht mehr. Es ist doch immer dasselbe. Wer mit wem wo erwischt wurde. Nur die Personen werden ausgetauscht. Mein Hofstaat ist ein Hoftheater mit austauschbaren Rollen. Erzähle er mir vom Leben außerhalb meines Palastes, wenn es dort welches gibt...
NARR: (zu sich) Das ist noch weniger lustig als der Hofklatsch. (laut) Nie werde ich es wagen eurer Hoheit Entscheidungen zu kommentieren, aber ihr selbst habt mir verboten diesen Palast zu verlassen. Das war noch, bevor eure Frau Gemahlin ihr drittes Kind gebar.
PRÄSIDENT: Die Zeit bei mir wird ihn doch nicht gereut haben ?
NARR: Selten hat mir etwas so viel Freude bereitet, wie die Zeit hier mit Euch. Von Eurer Hoheit Weisheit kann jeder Narr noch viel lernen.
PRÄSIDENT: Die Spione, mit denen ich meine Minister überwachen lasse, berichten von Spionen der Minister, mit denen die das Volk überwachen. Und dieses Spione sagen, das Volk sei unruhig. Stimmt das ? Dir erzählen die Besucher im Palast mehr und meine Berater belügen mich ohnehin. (imitiert die Berater) Eure Hoheit brauchen nicht beunruhigt zu sein. Das ist alles kein Problem. Was wir brauchen, das ist einen Feind, vor dem das Volk zittert, dann wird es auch seinen Präsidenten lieben. (normale Stimme) Ich habe gesagt: Aber wir haben keine Feinde. Die früher unsere Feinde waren, mit denen machen wir nun Geschäfte. (verstellte Stimme) Aber eure Hoheit. Wir haben für alles vorgesorgt. Wir haben doch Terroristen ! (normale Stimme) Und wenn wir die gefasst haben ? (verstellte Stimme) Wir haben sogar Selbstmordattentäter ! Die sind noch viel besser, weil sie einen unstillbaren Rachedurst hinterlassen. Es gibt nämlich keinen, der direkt zur Verantwortung gezogen werden könnte. Und ihr habt allen Grund, mit Härte durchzugreifen. Wir haben das, da wir eurer Einsicht und Zustimmung gewiss waren, bereits veranlasst. Wollt ihr heute abend Rehrücken oder doch lieber Fasan. Soll am Nachmittag ein Streichquartett oder eine Blaskapelle spielen ? Es gibt einige Bittstellerinnen, die sich sehr um ein intimes Stündchen mit euch bemühen.
NARR: Ihr seid der Präsident. Wenn ihr wissen wollt, wie es im Lande selbst aussieht, könnt ihr jeden aus dem Volk selbst fragen und er wird euch voll Ehrerbietung Antwort geben.
PRÄSIDENT: Eben. Ich will in diesem Fall aber einmal Ehrlichkeit und keine Ehrerbietung. Heuchelei erlebe ich genug. Mein Hoftheater ist voll davon.
NARR: Seid ihr auch bereit die Wahrheit zu hören ? Berater kann man entlassen, Narren hinrichten. Ein neues Volk könnt ihr euch nicht suchen.
PRÄSIDENT: Richtig, das ist nicht so einfach. Ich frage meine Berater, was die Leute wollen, die meine Standbilder umstoßen. 'Mehr Geld, weniger Arbeit, weniger Steuern, das Übliche, eure Hoheit', antworten mir die Berater.
NARR: Das Volk will Freiheit.
PRÄSIDENT: (lacht) Freiheit ! Na, das sieht er, wie er mich doch noch belustigen kann. Freiheit wovon und wofür denn ? Ich lasse ihnen die Freiheit, sich zu vermehren, was wollen sie mehr. Mehr Freiheit habe ich auch nicht. Stoße ich deshalb Denkmäler vom Sockel oder male sie bunt an ? Mache ich deshalb eine Revolution ?
NARR: Gegen wen solltet ihr die auch machen ?
PRÄSIDENT: Gegen mein Schicksal. Ich, glaube mir Narr, habe nicht mehr Freiheit als jeder andere in diesem Land.
NARR: (leise) Aber genug zu essen...
PRÄSIDENT: Spreche er laut oder er schweige.
NARR: Eure Hoheit, das Volk hungert.
PRÄSIDENT: Nach Freiheit, ich weiß.
NARR: Nein, nicht ..., nicht nur. Auch nach Nahrung.
PRÄSIDENT: Da fällt mir ein: Wo bleibt mein Essen ? Warum soll es dem Volk besser gehen als mir. (Er läutete energisch mit einer Glocke) Wo waren wir ? Auch so, beim Willen des Volkes. Soso. Wer weiß denn, was das Volk will ? Weiß es denn das Volk ? Sie schreien „Wir sind das Volk“ und ich schreie zurück „Richtig“ und füge hinzu „Na und!“.Frag sie doch, was sie wollen. Bestimmt nicht die Freiheit, sonst würden sie sich nicht sofort eine neue Unterwerfung unter Revolutionäre suchen. Wie froh sie doch sind, wenn andere die Verantwortung tragen. Und wie entsetzt, wenn diese die Macht, die ihnen gegeben wurde, nutzen.
NARR: Einer muss eben den Willen des Volkes bündeln, um ihm Gehör zu verschaffen.
PRÄSIDENT: Richtig. Warum soll das ein anderer tun, wo ich doch darin jahrelange Erfahrung habe ? Woher wollen denn die Revolutionäre wissen, dass sie die richtigen sind ?
NARR: Vielleicht, verzeiht mir die Direktheit, weil das Volk es so will.
PRÄSIDENT: Da sind wir wieder. Das Volk weiß doch gar nicht, was es will. Weiß er, der Narr, denn, was er will ?
NARR: Ich ?
PRÄSIDENT: Natürlich ! Ich frage dich als Teil meines Volkes, ob du weißt, was du
willst ?
NARR: (zögert) Eure Hoheit, ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll ?
PRÄSIDENT: Da sieht man es wieder. Ich lasse dir die Freiheit und du unterwirfst dich sofort und fragst mich, ob du deine Freiheit gebrauchen darfst. Warum soll ich für dich entscheiden ? Narren sind doch eher ein bisschen freier als andere Menschen. Ihre Schmeicheleien werden ernst genommen, ihre Unverschämtheiten meistens nicht. So hört denn jeder, was er hören will. Selbst du kannst dich bei einfachen Fragen nicht entscheiden. So lange du diese Reife nicht aufbringst, machst du mit deiner Freiheit sowieso nur Unsinn und da ist es lobenswert und fürsorglich, wenn andere für dich entscheiden.
NARR: Wenn das Volk aber jemanden braucht, der für es entscheidet, warum müsst ihr das denn gerade sein ? Warum nicht irgendein anderer ?
PRÄSIDENT: Zum Beispiel DU ?
NARR: Oder zum Beispiel: ER (zeigt auf eine Person im Publikum)
PRÄSIDENT: Ja, warum eigentlich nicht. Er sieht ganz sympathisch aus. Es gibt aber auch genauso wenig einen Grund, warum er entscheiden sollte. Ich kann ihm aus meiner Erfahrung sagen: Er wäre ein Narr, wenn er mit mir tauschen würde.
NARR: Ich weiß, warum ihr an der Spitze des Staates steht. Die Partei repräsentiert den Willen der Vernünftigen basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen gewonnen aus der Betrachtung der Geschichte. Und ihr seid an der Spitze dieser Partei. Das Ergebnis der geballten Vernunft der Wohlmeinenden....
PRÄSIDENT: Genug ! Du wirst schon so langweilig und austauschbar wie der restliche Hofstaat. Wo bleibt mein Essen !(läutet) Schaue er nach ! Was hilft mir der Lobgesang eines Narren, wenn man mich hier verhungern lässt ?
NARR: Hat er euch jemals geholfen, der Lobgesang ?
PRÄSIDENT: Kaum, aber gelegentlich denjenigen, die den Lobgesang angestimmt haben. Vielleicht bist du dabei als Narr der erste, der es wirklich ernst damit meint:
NARR: Ich meine grundsätzlich nichts ernst. Noch nicht einmal meine Grundsätze.
Der Narr verschwindet und kehrt wieder.
NARR: Die Türen sind verschlossen.
PRÄSIDENT: Was hat das zu bedeuten ? Sind wir etwa eingesperrt. Bin ich ein Gefangener in meinem eigenen Palast ?
NARR: Das seid ihr vielleicht seit Jahren schon.
PRÄSIDENT: Komme er herauf, schaue er durch das Fenster und berichte er.
Der Narr besteigt einige Stufen und schaut angestrengt in eine Richtung.
NARR: Ich sehe viele Menschen. Sie stehen vor dem Palast und rufen etwas. Ich kann sie aber nicht verstehen. Noch werden sie von Soldaten zurückgehalten. Eure Soldaten scheinen verunsichert zu sein. Es sieht eigentlich recht friedlich aus.
PRÄSIDENT: Schade. Dann kann ich schlecht den Schießbefehl geben, haben wir denn keine Provokateure mehr ?
NARR: Warum sollt ihr nicht schießen lassen ? Ihr seid doch niemandem verantwortlich.
PRÄSIDENT: Genau, niemand nimmt mir die Verantwortung ab. Ich kann weder auf die da oben, noch auf die da unten schimpfen. Was ich mir und meinem Volk antue, habe ich einzig und allein mir selbst zuzuschreiben. Jeder ist seines Glückes Schmied. Aber ich bin auch der Schmied für viele andere. Je mehr Macht ich habe, desto mehr Verantwortung habe ich auch vor mir selbst. Wenn ich Unglück bringe, werde ich gehasst. Sie gehen auf die Straßen und stoßen meine Standbilder um. Dabei liebe ich doch alle. Ich bin einsam.
Der Präsident springt auf und scheucht den Narren von der Freitreppe. Zieht sich auf seinen Thron zurück und ist zunächst still, seufzt. Der Narr klimpert leise mit seiner Schelle.
NARR: Das Volk hat Hunger. Vielleicht sollten wir die Getreidespeicher öffnen. Das wird sie besänftigen und man wird überall im Lande Dankgebete wegen eurer Großzügigkeit und Fürsorge sprechen. Ihr habt auch die Macht Gutes zu tun und dafür werdet ihr nicht gehasst werden.
PRÄSIDENT: Ich denke, das Volk will Freiheit. Dann will ich ihm die Freiheit nicht mit meiner Fürsorge einschränken, denn was ich ihnen gebe, nehme ich anderen weg und schränke damit deren Freiheit ein.. Ich habe auch Hunger und bekomme nichts zu essen.
(Greift zur Glocke, unterlässt es aber zu läutern).
PRÄSIDENT: Wie bist du hier an meinen Palast gekommen ?
NARR: Ich wurde adoptiert.
PRÄSIDENT: Sind deine Eltern gestorben ?
NARR: Für mich sind sie gestorben. Sie standen den Revolutionären nahe und ich wurde gerettet, bevor sie zu viel verderblichen Einfluss auf mich haben konnten. So wurde ich im Geiste der Partei zu einem Narren von meinen Pflegeeltern erzogen.
PRÄSIDENT: Wer sind deine Pflegeeltern ?
NARR: Sie sind Mitglieder der Sicherheit und haben mir viel beigebracht, jeden Kniff, der zum Kampf gegen die Revolution angewandt werden kann, habe ich beinahe schon mit der Muttermilch bekommen..
PRÄSIDENT: Du hast also alles gelernt ? Auch die Giftmischerei ? Wieviel Menschen hast du schon auf dem Gewissen ?
NARR: Ich muss euch wohl enttäuschen, ich habe noch niemanden vergiftet.
PRÄSIDENT: Wie langweilig. Aber ich kann das gar nicht glauben. Niemals hast du deine Kenntnisse aus der Sicherheit eingesetzt, etwa um zum Narr des Präsidenten zu werden oder eine standhafte Jungfer etwas weniger standhaft zu machen ?
NARR: Naja, letzteres habe ich zumindest versucht. Ob mein Erfolg dann schließlich darauf beruht hat oder auf anderem kann ich nicht sagen. Letztlich braucht man vielleicht vor allem schöne Worte. Nicht nur das Volk, auch die Weiber wollen belogen werden.
PRÄSIDENT: Und wie hast du das mit den Worten gemacht ?
NARR: Aber eure Hoheit. Ich glaube, ihr habt auf diesem Gebiet sicher mehr Erfahrung als ich. Allein wenn ich an die Zahl eurer nichtehelichen Nachkommen denke...
PRÄSIDENT: Das ist etwas anderes. Das wird von mir erwartet. Ich habe noch nie eine Frau erobert. Die Frauen waren ohnehin bereit.
NARR: Das ist eine Situation, um die euch mancher beneiden wird. Es mangelt bei den normalen Sterblichen nicht an Misserfolgen und die geben wenig Mut für neue Versuche.
PRÄSIDENT: Aber meine Erfolge, wenn man sie so nennen darf, geben auch nicht mehr Selbstvertrauen, weil sie so .... so normal sind. Alles ist so selbstverständlich für mich, so egal, einfach langweilig.... wenn du ein Giftmischer bist, sag mir, welches Kraut hilft gegen die Revolutionen ?
NARR: Ein Volk, dem es gutgeht, macht keine Revolution. Es ist satt und, wie eure Hoheit richtig bemerkt haben, zufrieden, wenn es sich vermehren kann. Je mehr Freiheit sie ihm dann noch geben, desto unglücklicher ist es, denn es muss sich entscheiden. Ein unglückliches Volk ist aber ein gefährliches Volk.
PRÄSIDENT: Mein Volk hat mich, wie kann es da unglücklich sein ? Es muss dann offensichtlich am Volk liegen, wenn es unglücklich ist. Aber was macht das schon ? Ich habe Soldaten, die es schlagen, bis es mich zu wieder schätzen weiß.
NARR: (Steigt wieder einige Stufen höher und schaut durch das imaginäre Fenster) Ich will euch nicht widersprechen Hoheit, aber eure Soldaten schlagen das Volk nicht. Die Menschen stehen da und sprechen mit ihnen. Einige Soldaten haben Blumen, die ihnen geschenkt wurden, in der Hand.
PRÄSIDENT: Ich werde meinen Soldaten so viele Blumen schenken, wie sie haben wollen. Aber sie müssen treu zu mir stehen. Zur Bestechung meiner Soldaten müssen sich die Revolutionäre schon etwas besseres einfallen lassen. (Er schubst den Narren wieder herunter, damit er über ihm auf der Treppe steht) Was hast du von der Welt gesehen ? Arme Menschen ?
NARR: Viele arme Menschen, die mit hungrigen Augen Schlange gestanden haben.
PRÄSIDENT: (tritt nahe vor den Narren) Hungriger als meine Augen jetzt ?
NARR: Hungriger als die Augen mancher Bittstellerin, wenn sie auf eure Lenden starrt(der Narr schaut wieder aus dem Fenster). Sie haben soeben das erste Tor geöffnet, um die Menschen herein zu lassen. Kinder reiten auf dem Rücken der Soldaten und haben deren Mützen auf den Köpfen. Die Soldaten lachen. Die Wachen am zweiten Tor halten die Menschen aber auf.
PRÄSIDENT: Der ersten Wache habe ich ohnehin nie getraut (denkt nach). Aber, wenn es schon soweit gekommen ist, dann kann ich vielleicht niemandem mehr vertrauen, außer dir, der du mit mir hier ausharrst.
NARR: Mein Platz ist an eurer Seite und ich habe - glaube ich - ohnehin keine andere Wahl.
PRÄSIDENT: Unter uns: Du bist ein lausig schlechter Narr ! Das einzige was an dir lustig ist, ist deine Unfähigkeit auch nur irgend jemanden zum Lachen zu bringen. Wenn ich trotzdem lachte, dann nur, weil mich die betretenen Gesichter des Hofstaates amüsierten. Die wussten bei deinen Auftritten nie, ob sie nun lachen oder sich ob deiner Frechheiten empören sollten. Ich beobachtete die Hofschranzen, wie sie mich beobachteten und ihre Reaktionen anpassten. Wenn ich schmunzelte, schmunzelten sie auch. Wenn ich lachte, lachten sie lauthals mit. Ich konnte ihr Lachen, wie ich wollte, ein und ausschalten. Klick! Klick! (schnippt mit den Fingern). Das war alles unabhängig davon, was du getan hast. Sie waren die besseren Narren als du. Du bist ein lausig schlechter Narr.
NARR: Du bist ja auch ein lausig schlechter Präsident.
PRÄSIDENT: Jetzt reicht es. Meine Geduld mit dir hat ein Ende. Du glaubst, weil draußen ein paar Revolutionäre Krawall machen, kannst du dir hier alles herausnehmen. Das werde ich dir noch austreiben und wenn es das letzte ist, was ich tue. (läutet) Wachen ! (läutet wieder) Wachen ! Jeder Moment, hinter dem du Schwäche vermutest, wird von dir erbarmungslos ausgenutzt. Kannst du die Wahrheit nicht ertragen, kannst du nicht ertragen, dass deine Lebensplanung als Narr an meiner Seite alt zu werden durchkreuzt wird. Vielleicht ist dein Ende mit der Revolution genauso gekommen, wie das meinige.
(Der Präsident nimmt wieder auf dem Thron Platz, rollt sich ein und schweigt. Der Narr klingelt leise mit seiner Schelle und kommt näher)
PRÄSIDENT: Hau ab ! Keiner ist da, der mir hilft. Hole die Wachen, damit sie dich verhaften können.
NARR: (sanft) Es kommen keine Wachen. Soll ich euch belustigen ?
PRÄSIDENT: Du meinst, die kurze Zeit, die mir noch bleibt, bis meine Mörder kommen. Sie werden meine Leiche öffentlich ausstellen und Eltern werden mich ihren Kindern zeigen. „Da ist der tote Präsident. Wir haben ihn verjagt, denn er war ja ein lausig schlechter Präsident. Siehst du wie seine Augen aus den Höhlen quellen. Er sieht innen nicht anders aus als ein geschlachtetes Schwein. Hätten sie ihm noch sein Barett gelassen, dann sähe er noch viel lustiger aus.(Zum Narren gewandt) Sei er eine Wache und verhafte er sich selbst.
NARR: Hoheit, ich bin ein Narr und kein Soldat.
PRÄSIDENT: Macht das einen Unterschied ? Für mich nicht.
Der Narr geht langsam die Treppe hinunter, stülpt seine Narrenkappe um, und präsentiert die Schelle wie ein Gewehr.
NARR: Die Ehrenkompanie ist angetreten.
PRÄSIDENT: Stillgestanden ! Männer ! Der Dienst in dieser Kompanie war von jeher eine besondere Ehre. Sie gibt euch die Gelegenheit seiner Hoheit ganz nahe zu sein und ihn gegen alle Angriffe der Revolutionäre zu schützen. Ihr habt damit die wichtigste Aufgabe in diesem seinem Lande überhaupt. Ich muss sagen, ich bin stolz auf euch. Es gibt Zeiten, in denen den Bürgern im Kampf gegen die Revolutionäre und Terroristen besondere Opfer abverlangt werden. Aber diese Opfer sind nicht umsonst. Am Ende dieser Opfer steht der Sieg und unser Triumph. Auch wenn nicht alle von Euch ihn miterleben werden, einige sind es sicher und sie werden bei den Siegesfeiern ihrer gefallenen Kameraden gedenken. Wenn ich in eure Gesichter sehe, dann weiß ich, dass ihr diese ehrenvolle Aufgabe erfüllen werdet. Sie wird eure eigene Erfüllung sein. Rührt euch ! Stillgestanden ! Rührt euch ! Stillgestanden !
(Er zieht seinen Uniformjacke aus und hält sie vor sich).
PRÄSIDENT: Wegen staatsfeindlicher gottloser revolutionärer unpatriotischer Umtriebe verurteile ich dich zum Tode. Hast du noch einen letzten Wunsch ? (mit verstellter Stimme) Keinen Wunsch, aber ich habe erkannt, dass ich fehlgeleitet war, dass ihr der einzige, der wahre Herrscher und Bewahrer des Volkes seid. (normale Stimme) Erschieße er den Revolutionär ! Legt an ! Gebt Feuer !
NARR: Peng !
Der Präsident lässt den Mantel zu Boden sinken.
PRÄSIDENT: Da seht ihr es: Ihr seid ein schlechter Narr, aber ein guter Soldat.
NARR: Ist da ein Unterschied ?
PRÄSIDENT: Soldaten sterben eher. Ein Narr kann sehr alt werden. Älter wahrscheinlich als der Präsident selbst. Präsidenten brauchen die Revolutionäre nicht mehr. Aber Narren brauchen sie. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Du wirst ein lebendiger Narr und ich werde ein toter Präsident sein. Du spielst deine Rolle als Soldat gut... Vielleicht bist du gar kein Narr, sondern ein Spion ? Vielleicht steht die Meute da draußen unter deinem Kommando und du treibst hier nur ein letztes großes Narrenspiel, bevor ich liquidiert werde ?
NARR: Ich bin alles, was eure Hoheit wollen, dass ich sein soll. Aber letztlich bleibe ich doch immer der Narr.
PRÄSIDENT:(müde) Dann sein mein Diener und bringe mir endlich etwas zu essen !
Der Narr verschwindet und kehrt mit leeren Händen zurück.
NARR: Die Türen sind verschlossen. Ich konnte nichts finden.
PRÄSIDENT: Was macht man mit Dienern, die nicht gehorchen und ihrem Herrn nichts zu essen geben ?
NARR: (leise) Wahrscheinlich das Gleiche wie mit Präsidenten, die dem Volk nichts zu essen geben.
PRÄSIDENT: Man erzählt dem Diener eine Geschichte.
Der Präsident nimmt auf einer der Stufen Platz.
PRÄSIDENT: Du hast bei all deinen närrischen Spitzen mir gegenüber doch eine große Ergebenheit gezeigt und daher wird dich das, was ich dir jetzt erzähle, vielleicht erschrecken.
NARR: Ich habe schon so viel erlebt. Mich erschreckt nichts mehr.
PRÄSIDENT: Das vielleicht doch. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich nicht der richtige auf meinem Platz bin. Ich fühle mich manchmal ziemlich unwohl.
NARR: Das geht uns doch allen manchmal so.
PRÄSIDENT: Wirklich ? Nun, manchmal habe ich gar nicht das Gefühl, dass ich wirklich der Auserwählte für diesen Posten bin. Dabei wurde ich doch durch den Willen des Volkes, geformt und geäußert in der Partei, dazu bestimmt. Manchmal...
Der Präsident beugt sich vor und schaut sich um.
PRÄSIDENT: Manchmal habe ich sogar Zweifel, ob den Weg, den die Partei uns vorgibt überhaupt der richtige ist.
NARR: Das ist wirklich schlimm.
PRÄSIDENT: Das ist es wirklich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie beschissen man sich dann fühlt. Meint du denn, die Menschen vor den Toren, können mich vielleicht ein wenig verstehen und haben Mitleid mit mir ?
Der Narr zuckt mit den Schultern.
PRÄSIDENT: Hast nicht wenigstens du ein bisschen Mitleid mit mir ?
NARR: Mein Mitleid habe ich abgegeben, als ich diesen Palast betrat. Kennt ihr denn ein anderes Mitleid als das Selbstmitleid über euer ach so schweres Schicksal ?
PRÄSIDENT: Wollen wir tauschen ?
NARR: Ihr macht Scherze. Ich mache eure Arbeit noch schlechter, als ihr die meinige tun könntet.
PRÄSIDENT: Du würdest merken, dass auch ich nur ein Werkzeug des Schicksals bin.
NARR: Aber auch das kleinste Werkzeug ist verantwortlich für den Weg, den das Schicksal nimmt.
PRÄSIDENT: Welches Werkzeug bist du im Weltgefüge ?
NARR: Wir Narren erleichtern es den anderen Werkzeugen zu funktionieren. Wir sind sozusagen das Schmiermittel des Schicksals.
PRÄSIDENT: Eine schöne Aufgabe. Wie fühlt man sich als Narr, wenn man ausgelacht wird.
NARR: Besser als ein Präsident, der vom Volk gehasst wird.
PRÄSIDENT: Ich kann mir das nicht so richtig vorstellen.
Der Präsident steigt die Treppe hinauf zum Thron. Der Narr folgt ihm. Sie stehen vor dem Thron.
PRÄSIDENT: Lass mich doch mal fühlen.
Er nimmt dem Narren die Kappe ab und zieht ihm die bunte Jacke aus und legt sie auf den Thron. Dann nimmt er seine Barett und seine Uniformjacke und gibt sie dem Narren in die Hand. Er zieht sich die Narrenkappe auf und die bunte Jacke an. Der Präsident deutet auf die Barett und seine Uniformjacke.
PRÄSIDENT: Du willst sicher auch einmal probieren. Setzt dich ruhig drauf.
Der Narr tut wie ihm geheißen. Kaum sitzt er, setzt sich der Präsident ihm auf den Schoß.
PRÄSIDENT: Wie fühlst du dich ?
NARR: Ihr seid sehr schwer, eure Hoheit. Ich würde gerne wieder vom Thron herunter.
PRÄSIDENT: Bleib' doch noch ein bisschen, ich sitze da schon jahrelang drauf.
Es ist ein Tumult zu hören.
NARR: Das Volk stürmt den Palast. Es ist an der Zeit, das Possenspiel zu beenden.
Er will die Barett ausziehen. Der Präsident hält mit beiden Händen die Barett auf dem Kopf des Narren fest.
PRÄSIDENT: Jetzt fängt es erst an mir Spaß zu machen.
Die Türen werden aufgerissen und Bewaffnete stürmen herein. Der Präsident springt auf und zeigt auf den Narren.
PRÄSIDENT: Da ist der verhasste Diktator ! Es lebe die Revolution !
Der Präsident rennt die Treppe herunter. Die Revolutionäre stürmen auf den Narren zu und schlagen auf ihn ein.
Der Präsident schaut dem Treiben vom Fuß der Treppe ungerührt zu.
PRÄSIDENT: (zum Publikum) Ja, er war ein lausig schlechter Narr und ein noch schlechterer Präsident.
Präsident geht ab.
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2008
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