Die kleine Molly behauptete neuerdings eine Katzenprinzessin zu sein und nennt sich seither Molly le Chat.
Das ist Französisch und wird „scha“ ausgesprochen.
Seit sie ein Gespräch ihrer Mutter mit deren bester Freundin belauscht hat, weiß sie nämlich, dass ihr Vater nicht irgendein räudiger Straßenkater war, sondern ein echter König.
„Weißt du, Lilo“, sagte ihre Mutter, „von allen Katern, die um mich geworben haben, war mir Baron Münchhausen der Liebste.“
Lilo kicherte: „Ich kann mich erinnern. Er hatte soooo gute Manieren und Geschichten hatte der zu erzählen …“
„Ja“, erwiderte Bessy, „und keine einzige war wahr.“
Aber das hörte Molly schon nicht mehr.
Molly stöberte in einem Baumhaus ein kleines Krönchen auf, ein Kind hatte das dort wohl liegen lassen.
Das trug sie nun auf ihrem Kopf wie ein Diadem.
Und am Wochenende stieg sie durch ein offenes Fenster im Kindergarten ein um aus der Spielkiste einen wunderschönen Umhang, ganz in Rosa mitzunehmen.
Jetzt saß sie auf einem alten, abgewetzten Hocker und hielt Hof.
Alle ihre Freunde waren um sie herum versammelt. Sie standen und saßen ehrfürchtig vor ihr und warteten darauf, dass Molly wieder etwas Lustiges einfiel, das sie miteinander anstellen konnten. Denn Molly war bekannt für die witzigsten und besten Streiche.
Mancher Gastwirt fürchtete sich schon, wenn er sie nur von weitem sah, weil er wusste, dass Molly jeden Trick beherrschte, um für sich und ihre Freunde die leckersten Köstlichkeiten aus seiner Küche zu organisieren.
Aber Molly war nicht zu Streichen aufgelegt. Nein, Molly saß auf ihrem Thron und hatte die Augen, ganz gelangweilt, nur halb geöffnet. So beobachtete sie ihre Freunde, die mit der Zeit immer unruhiger wurden.
„Mensch Molly, was ist denn heute mit dir los“, wollte Micky wissen.
„Schschsch, mein Name ist Molly le Chat, Prinzessin Molly, wenn ich bitten darf“, fuhr sie ihn an.
„O.K. Prinzessin Molly, wenn es sein muss“, mischte sich Kater Simon ein, „egal, sag uns einfach was wir heute unternehmen wollen!“
„Nichts“, erwiderte Molly, „ich bin jetzt eine Prinzessin und halte Hof.“
„Was ist das, Hof halten“, fragte die kleine Tonny.
„Das bedeutet“, antwortete Molly, „dass ich hier auf meinem Thron sitze und ihr wartet, bis ich etwas von euch will. Aber das verstehst du noch nicht.“
„Quatsch“, rief Tonny aus, „das ist doch kein Thron, das ist der alte Hocker von Oma Paula.“
„Hab ich’s doch gesagt, dass du davon nichts verstehst“, fauchte Molly und schloss die Augen.
Betreten schauten die Freunde sich an. Sie wussten jetzt auch nicht, wie sie sich am besten verhalten sollten. Also machten sie es sich auch erst einmal gemütlich. Ein paar von ihnen dösten sogar ein.
Molly öffnete hin und wieder die Augen einen Spalt, um zu überprüfen, ob ihre Freunde auch alle noch da wären.
Und als hätte sie es geahnt, erhoben sich Simon und Micky als Erstes.
„Halt, ihr beiden“, schrie sie auf, „wo wollt ihr denn hin?“
„Uns ist so langweilig. Wir machen uns vom Acker und schauen mal, ob wir woanders mehr Spaß haben können“, antwortete Simon ganz ruhig und zog mit Micky davon.
Die anderen Katzenkinder rekelten und putzten sich noch eine Weile und machten sich dann auch alle schleunigst aus dem Staub.
Molly blieb alleine zurück: „Verflixt und zugenäht. Was soll denn das? Die können mich doch nicht einfach so zurücklassen. Ich bin schließlich eine Prinzessin!“
Beleidigt ging sie nach Hause und verzog sich in die hinterste Ecke.
Am nächsten Morgen machte sie sich auf die Suche nach ihren Freunden.
Alle erzählten noch von ihren lustigen Abenteuern, die sie am Vortag zusammen erlebt hatten. Molly konnte nicht mitreden. Sie fühlte sich ausgeschlossen.
„He Leute“, fragte sie, „wollen wir heute nach dem Mittagessen etwas zusammen unternehmen?“
Die anderen stimmten gerne zu, denn keiner trug Molly nach, dass sie sich am Tag zuvor so doof benommen hatte.
Und so verabredeten sie sich für den Nachmittag am alten Schuttplatz.
Aber oh weh, als sie dort ankamen, thronte schon Molly wieder, bekleidet mit Krone und Umhang, auf dem alten Hocker.
„Was soll das, Molly?“, wollte Tonny wissen, „ich dachte, wir wollten etwas unternehmen und nun sitzt du wieder auf dem Hocker und spielst Prinzessin.“
„Ich spiele nicht Prinzessin, ich bin schließlich eine. Und ich halte jetzt Hof. Und wenn ich damit fertig bin und ihr alle schön artig wart, dann können wir vielleicht was zusammen spielen.“
„Ne, ne, ne“, machte Addis seinem Unmut Luft. „Wenn du wieder so ne Show abziehst, dann gehen wir eben alleine Abenteuer erleben.“
Molly drehte ihm beleidigt den Rücken zu. Und als sie sich nach ein paar Minuten immer noch nicht wieder den anderen zugewandt hatte, machte sich einer nach dem anderen aus dem Staub.
Molly blieb alleine zurück und schlich bald darauf traurig nach Hause.
Am nächsten Tag wollte Molly das Haus nicht verlassen. Ihre Mama machte sich große Sorgen. So kannte sie Molly gar nicht. Eilig holte sie das Fieberthermometer und schaute auch nach, ob Mollys Rachen gerötet wäre oder ob ihr vielleicht Petersilie aus den Ohren wachsen würde.
Aber nichts von alldem.
Molly war kerngesund.
„Jetzt aber ab mit dir, raus in die Sonne“, sagte die Mutter und tätschelte ihr das Köpfchen.
Aber Molly schluchzte: „Ich will nicht. Ich habe keine Freunde mehr.“ Und dann begann sie bitterlich zu weinen.
„Um Himmels willen, was ist denn passiert? So kenne ich dich ja gar nicht“, erschrak Bessy.
Und Molly erzählte ihr die ganze Geschichte.
Mama Bessy wusste nicht recht, ob sie schmunzeln oder mit Molly zusammen traurig sein sollte. Doch zu guter Letzt wusste sie, wie sie Molly helfen konnte. Denn dazu sind Mütter ja schließlich auch da.
„Weißt du, mein Kind“, sagte die Mutter, „ dein Vater war kein französischer Prinz und mit Sicherheit auch kein Baron.
Und den Baron von Münchhausen, in den ich als ganz junges Kätzchen verliebt war, nannten wir so, weil er so wunderbare Lügengeschichten erfinden konnte.
Aber dein Vater, das ist Paneton. Er ist ein Zigeuner und kommt nur alle Schaltjahre mal hier vorbei. Das Umherziehen in der Welt ist schon immer das Größte für ihn gewesen, das liegt ihm im Blut. Ich habe mal geglaubt, dass ich ihn dazu bringen kann, hier zu bleiben und das Reisen sein zu lassen. Aber, noch bevor ich wusste, dass ich Katzenbabys erwarte, hat er sich aus dem Staub gemacht.“
„Oh“, unterbrach sie Molly und schnippte eine Träne weg, „da musst du ja auch schrecklich traurig sein.“
„Geht so, nur manchmal bin ich ein wenig schwermütig, aber ich weiß, dass er sicher noch vor dem nächsten Winter hier sein wird.
Aber nun zu dir mein Schatz, du hast dich deinen Freunden gegenüber nicht sehr nett benommen. Du warst hochmütig und eitel. Und diese beiden
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 13.12.2013
ISBN: 978-3-7309-6909-0
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
für Molly - le chat