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Kapitel 13
„Glaubst du, sie kommt noch zu sich?“ Ich stöhnte auf, als ich weitere Stimmen durch die weiche Dunkelheit wahrnahm. „Hey, sieh mal, ihre Augen!“
Ich keuchte, als sich die Schwärze in meinem Kopf in Luft auflöste und mir ein glühender Schmerz durch die Schläfen schoss. Aus Reflex riss ich die Augen weit auf, doch dass es rund um mich herum hell sein könnte hatte ich nicht bedacht. Obwohl ich die Augen sofort wieder zusammenpresste, bohrte sich das Licht in meinen Schädel und vermischte sich mit den Schmerzen an der Schläfe.
Eine angenehm warme Hand legte sich auf meine Stirn, wodurch ich mich sofort ein wenig wohler fühlte. Ein kleines Bisschen zumindest.
Langsam kehrten auch meine anderen Sinne zurück – und auf einmal roch ich Rauch. Ich fühlte, wie ich hochgehoben wurde, worauf der Schmerz in meinem Kopf wieder explodierte und ihn zu sprengen drohte. Doch der Gedanke, dass irgendetwas brannte, liess mich nicht mehr los. Ich zwang mich, meine Augen zu öffnen und war einen Moment lang so geblendet, dass ich nichts erkennen konnte.
Als sich der Nebel vor meinen Augen lichtete, traf mich eine eiskalte Schockwelle. Alles verschwamm in meiner Sicht und ich fühlte mich wie betäubt – sogar meine Kopfschmerzen waren in den Hintergrund getreten.
Das Haus brannte. Mein Zuhause… Meine Erinnerungen… Mein gesamtes Leben lag vor mir und ich musste zusehen, wie alles zu Asche verbrannte und nur Leere in mir hinterliess.
Dylan!
Adrenalin brannte in meinen Adern und löste die Starre, die sich in mir ausgebreitet hatte. Ich mobilisierte meine letzten Kräfte, um mich aus der sanften Umklammerung zu befreien.
Dylan ist da drin! Ich stemmte mich gegen die Arme, die mich immer noch festhielten, ohne auch nur das kleinste Bisschen nachzugeben. „Scht, Cassie, es ist alles in Ordnung, Dylan ist in Sicherheit“, flüsterte eine Stimme direkt neben meinem Ohr. Deans Stimme, die die Leere in meinem Innern zwar nicht füllte, aber immerhin ein wenig Trost spendete.
„Ich will.. ihn.. sehen“, presste ich hervor und hustete krampfartig; mein Hals fühlte sich an, als ob man ihn mit einem Reibeisen bearbeitet hätte. „Er schläft gerade“, antwortete er, doch es interessierte mich nicht.
„Jetzt!“, brachte ich noch heraus, bevor ich von einem neuerlichen Hustenanfall geschüttelt wurde. Die Erschütterungen, die dabei entstanden, liessen den Schmerz in meinem Kopf wieder auflodern. Ich bekam noch mit, wie Dean resigniert seufzte, bevor mich der nächste Anfall mich heimsuchte und ich mich einzig und allein auf meine Atmung konzentrierte. Eins, zwei, einatmen, eins, zwei, ausatmen. Wie Dad es Dylan und mir beigebracht hatte, wenn wir Panik hatten. Eins, zwei. Eins, zwei.
Irgendwann hatte ich mich wieder so weit im Griff, dass ich mich wieder bewegen konnte, ohne einen neuen Hustenanfall auszulösen.
Wieder stemmte ich mich gegen Deans Griff, dieses Mal mit Erfolg. Ich wurde auf einen weichen Autositz gebettet und ignorierte die Schmerzen in meinem Kopf so gut es eben ging. Plötzlich Spürte ich, wie sich eine kleine Hand in meine schob und sich etwas Kleines, Warmes an mich schmiegte.
„Cassie?“ Dylan! Ich öffnete meine Augen und sah auf meinen Bruder hinunter. „Ja, Dylan?“
„Wieso brennt unser Zuhause?“, fragte er mit grossen Augen. Er klang eher interessiert und hatte es noch nicht verstanden, noch nicht begriffen, was passiert war. Dass wir nicht zurückkehren konnten. Dass alles für immer zerstört war.
„Weil ein paar böse Männer es angezündet haben“, krächzte ich und hoffte, dass er sich mit dieser Antwort zufrieden gab. Zu früh gefreut.
„Wieso haben sie es angezündet?“
„Weil sie uns nicht mögen.“
„Und warum mögen sie uns nicht? Haben wir denn etwas Böses gemacht?“
Nein, hatten wir nicht. Wir hatten einfach das Pech, eine Hexe zur Mutter zu haben, die dachte sie könnte uns verstecken, und jetzt hatten die fiesen Vampire unser Geheimnis gelüftet.
„Nein, haben wir nicht, Dylan“, beruhigte ich ihn, „Aber... Diese Leute denken, dass wir etwas haben, was sie auch wollen... Und jetzt mögen sie uns eben nicht mehr und wollen uns weh tun“, erklärte ich ihm. Etwas Vernünftigeres brachte ich im Moment einfach nicht zustande; mein Kopf fühlte sich immer noch explosionsgefährdet an, ich hatte das Gefühl, ein einziger blauer Fleck zu sein und war hundemüde. Abgesehen davon verdrängte ich im Moment noch erfolgreich, dass wir kein Zuhause mehr hatten.
Der Motor sprang an, vorne hörte man Melinda mit Dean sprechen. Sie klang ernsthaft besorgt und aufgelöst.
„Was machen wir jetzt? Wo sollen wir hin?“, stammelte sie schon fast hysterisch. Ich war wohl nicht die Einzige, die unter Schock stand.
Dean dagegen hatte sich voll unter Kontrolle (oder wusste seine Aufregung zumindest zu verbergen) und kam nicht aus der Ruhe, als er antwortete: „Ich denke, ich werde jemandem einen Besuch abstatten. Wir fahren die Nacht durch; wir werden wahrscheinlich morgen gegen 11 Uhr ankommen.“
„Wo gehen wir denn hin?“, wollte Melinda wissen. Dean antwortete ihr irgendetwas, doch ich verstand nicht, was er gesagt hatte. Ich schlief mit Dylan an meiner Seite ein und vertraute darauf, dass er schon wusste, was er tat.

Ich wurde davon geweckt, das das Auto ruckartig anhielt. Im ersten Moment wusste ich nicht, w ich war oder wieso ich mit Dylan in diesem Auto sass, aber dann kehrte alles auf einen Schlag zurück. Manuel. Dean. Das Feuer.
Ich musste mich zusammenreissen um nicht die Beherrschung zu verlieren wie ein komplett hysterischer Teenager, stattdessen schob ich vorsichtig Dylan zur Seite damit er nicht aufwachte. Ich blickte mich um, doch ausser uns zwei war weder Dean noch Melinda im Wagen. Wir befanden uns irgendwo in einem Wald; hohe Kiefern und Tannen versperrten mir den Blick auf den Himmel.
Ich stieg aus und wollte auf der einen Seite meine neue Umgebung erkunden, ich wollte wissen, wo Dean war, doch auf der anderen Seite konnte ich Dylan unmöglich hier allein und schutzlos zurücklassen. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, ihn aufzuwecken und mitzunehmen, aber mir gefiel die Vorstellung nicht, dass ich mich allein mit ihm hier verlaufen könnte. Abgesehen davon brachte ich es auch nicht übers Herz, ihn zu wecken und aus seinen Träumen zu reissen, in denen unser Zuhause noch nicht abgebrannt war.
Mir stiegen die Tränen in die Augen, als in meinen Gedanken das Bild von gestern aufstieg. Lodernde Flammen, die alles verzehrten, was mir jemals etwas bedeutet hatte. Ich biss mir auf die Lippen und unterdrückte meine Schluchzer. Ich musste da sein für Dylan, falls er aufwachte, ich wollte nicht, dass er mich so aufgelöst sah.
Für ihn lohnte es sich, stark zu sein.
Ich atmete einmal tief ein und überlegte, was ich als nächstes tun sollte. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war, geschweige wo Dean oder Melinda waren. Ich schloss die Augen und wechselte die Sicht. Als ich sie wieder öffnete, war ich erst einmal überwältigt von meiner Sicht. Es war ja nicht so, als ob ich so was nicht schon einmal gesehen hätte. Der Wald in Springfield hatte schliesslich auch gelebt, aber das hier war einfach... Anders.
Die Auren und Nebel in Springfield waren leicht, neu, und blass im Vergleich zu dem hier. Zwischen den Bäumen pulsierten grosse Ströme in kräftigen, dunklen Farben. Sie strahlten Macht aus, ja, Macht und Würde. Ich spürte, dass dieser Wald hier sehr alt war, und anscheinend war hier sehr viel geschehen. Die Energie sauste förmlich um mich herum und lockte mich, mich ihr anzuschliessen und ein Teil des Grossen und Ganzen zu werden. Irgendwo dazwischen konnte ich schwach Deans und Melindas Ströme ausmachen, aber ein grosser, schnell fliessender Strom hatte meine Aufmerksamkeit erregt. Wie hypnotisiert dirigierte ich meinen eigenen Nebel zu diesem dunkelgrünen Etwas hin und klinkte mich in den schon fast schwarzen Strom ein. Es fühlte sich an wie im Traum, ich sah plötzlich Bilder und Erinnerungen, die ich nicht kannte. Je länger und je mehr Bilder an mir vorbeiflitzten, umso mehr verstand ich das System. Es waren nicht irgendwelche Dinge, sondern eine Art Aufzeichnungen, was sich an diesem Ort zugetragen hat. Zwar nicht in chronologischer Reihenfolge, denn die Jahreszeiten in den Ereignisse waren willkürlich angeordnet, es folgte Winter auf Frühling, Herbst auf Winter, Sommer auf Herbst.
Kurz gesagt herrschte ein heilloses Durcheinander. Es machte mich verrückt, unterschiedliche und für mich komplett zusammenhangslose Bilder flogen an mir vorbei und verblassten wieder, sobald ich eines davon berührte. Ich bemerkte, dass ich irgendwie nicht ganz normal aus Fleisch und Blut bestand, irgendwie war meine Hand durchscheinend und blass. Ich drohte schon in Panik auszubrechen, als ich hinter mir einen klaren, blausilbernen Faden entdeckte, der zurück zu meinem Körper führte. Fasziniert betrachtete ich mich, so wie ich zusammengesunken auf der Lichtung lag. Ich hoffte, dass es nicht so unbequem war wie es aussah, sonst würde mir nachher alles weh tun. Nachdem ich verstanden hatte, dass ich damit jederzeit zurückkehren konnte, und widmete mich wieder den vorbeiziehenden Erinnerungen.
Ein Hase, der über die Lichtung hoppelte, wurde wieder zu einem Energiewirbel, sobald ich ihn anfasste. So funktionierte es also doch nicht.
Ich versuchte mich, irgendwie in diesem Chaos zurechtzufinden, als mir eine Idee kam.
Hallo?,schickte ich in Gedanken durch den Strom. Ich wartete, eine Minute, zwei Minuten, doch ich bekam keine Antwort.
Hallo?!?, versuchte ich zu brüllen und löste dadurch einen wahren Ansturm an Antworten aus.
Ist sie es?
Kann sie es denn sein?
Was will das Menschenmädchen hier?
Sie gehört nicht hier hin!
Um mich herum erklangen auf einmal tausende von Stimmen, und jede schien etwas anderes zu sagen, und das alles im selben Moment.
Aber sie ist wie wir! Sie ist es!
Wollen wir sie behalten? Sie zur unseren machen?
Der Lärm in meinem Kopf wollte kein Ende nehmen, ich hatte schon jetzt rasende Kopfschmerzen und es fühlte sich an, als ob er nächstens platzen wollte.
Seid doch bitte still!, flehte ich, und im nächsten Moment verstummten die Stimmen. Also so hatte ich es ja auch nicht gemeint. Ich wollte mit jemandem sprechen, einfach nicht mit allen auf einmal.
Gibt es bei euch jemanden, der für euch alle spricht?, fragte ich vorsichtig und hoffte, damit nicht wieder eine Flut von Stimmen hervorzurufen.
Wer verlangt, mit mir zu sprechen? Wer wagt es, meine ewig währende Ruhe zu stören?, erklang darauf eine einzelne, donnernde Stimme. Oh-oh. Wen auch immer ich gerade angerufen hatte, er klang nicht sonderlich gut gelaunt. Ich hoffte, es durch Förmlichkeit wieder gut zu machen.
Cassandra Mirianne Julie Hope, Mister. Es herrschte einen Augenblick Stille, bis sich die Stimme wieder meldete.
Die Scheibe hat nicht gelogen, murmelte sie leise.
Nun, Cassandra Mirianne Julie Hope, was ist dein Begehr? Welche Erinnerungen wünschst du zu sehen? Die Stimme klang immer noch beeindruckend, aber nicht mehr so mürrisch wie vorhin. Was hatte mein Name nur ausgelöst? Nun, ich würde später wahrscheinlich noch genug Zeit darüber haben, darüber nachzudenken.
Ehrwürdiger... Ähm, würden Sie mir Ihren Namen verraten? Es fällt mir schwer, mich mit Ihnen zu unterhalten, ohne zu wissen wie ich Sie ansprechen sollte. Ich verspürte ein Beben, als ob die Person ein Lachen unterdrücken wollte.
Cassandra Mirianne Julie Hope, ich bin ein Wesen so alt wie die Zeit, ich habe keinen Namen. Namen tragen zu viel Bedeutung, und wenn je jemand über den meinen Bescheid gewusst hätte, wäre das zu schlimm gewesen und hätte demjenigen zu viel Macht verliehen, als gut für diese Welt ist. Vielleicht, nur vielleicht, hatte ich früher einen Namen, aber ich habe ihn vergessen über die Jahrtausende hinweg. Nun bin ich namenlos, aber wenn du mich unbedingt mit einem ansprechen willst, so nenne mich Ariadyn. Also, welche Erinnerung willst du sehen?

Danke vielmals, Ariadyn, aber ich bin nicht auf der Suche nach Erinnerungen, ich bin vielmehr auf der Suche nach meinen beiden Freunden. Habt Ihr sie vielleicht irgendwo gesehen?

Schicke mir eine Beschreibung der Beiden, vielleicht sind sie irgendwo irgendwann auf dieser Lichtung vorbeigekommen.
Ich versuchte, ein Bild vom Dean durch den blauen Strom zu schicken, denn von Melinda wusste ich ja nicht einmal, wie sie im Moment aussah.
Oh, ich sehe, du hegst grosse Gefühle für deinen Begleiter. Ja, ich schicke dir die passende Erinnerung, du brauchst einfach in sie einzutauchen.
Sogar als halb durchsichtiger Geist spürte ich, wie ich einen roten Kopf bekam. Es war mir peinlich, dass ich Ariadyn gemeinsam mit dem Bild meine Gefühle für Dean übermittelt hatte... Ich musste das unbedingt noch in den Griff kriegen. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, erschien ein Bild vor mir. Es zeigte den Wagen, der gerade auf der Lichtung hielt. Ich überlegte kurz, was Ariadyn mit eintauchen gemeint hatte, und sprang dann einfach hinein.

Ich kam irgendwo neben dem Auto auf dem Boden auf. Irgendwie was ich auf einer Wurzel gelandet, weshalb mein Hintern ziemlich schmerzte. So ein Mist aber auch! Sogar als Geist fiel ich ständig hin. Ich war noch damit beschäftigt, wieder auf die Beine zu kommen, als ich zwei bekannte Stimmen hinter mir hörte. Allerdings konnte ich keine Energien feststellen, als ich mich umsah. Wahrscheinlich konnte ich sie nur „live“ wahrnehmen.
„Was meinst du, ob sie immer noch hier leben?“, hörte ich Melinda hinter mir besorgt fragen. Ich drehte mich um und erblickte Dean mit einer Kiste in den Händen.
„Glaubst du nicht, dass die Frage eher lauten müsste, ob sie mich hier immer noch dulden?“, fragte er zurück und lächelte schief. Mein Herz schlug schneller, als ich seine Stimme vernahm, und ich wollte auf ihn zurennen und ihn umarmen, bis mir einfiel, dass er mich gar nicht sehen konnte. Schliesslich war das hier nur eine Aufzeichnung, eine unverrückbares Ereignis. Also wandte ich mich ab und wollte unbedingt einen Blick in den Wagen werfen. Ob ich mich selbst in der Vergangenheit sehen konnte? Dean hielt Melinda weiterhin in den Händen (anscheinend hatte sie den Wechsel in die Legokiste vollzogen), während ich neugierig einen Blick auf den Rücksicht warf.
Das war mit Abstand der wohl schrägste Moment in meinem Leben. Dylan sass da und schnarchte leise vor sich hin, und seine schwarzen Locken standen in allen möglichen Richtungen vom Kopf ab. Und neben ihm sass... ich selbst. Auch meine Haare waren völlig zerzaust, und ich hatte ein russverschmiertes Gesicht. Auf jeden Fall hatte mein anderes Ich auch schon bessere Tage gesehen.
Ich drehte mich noch schnell genug um, um mitzukriegen dass sich Dean in Bewegung gesetzt hatte und kurz davor war, irgendwo zwischen den hohen Bäumen zu verschwinden. Ich liess Dylan und Mich zurück und heftete mich an Deans Fersen. Er hatte ein hohes Tempo drauf, und ich musste mich anstrengen, nicht hinter ihm und Mel zurückzufallen. Schweigsam marschierte er zielstrebig durch den Wald, und ich war heilfroh, als er vor einer Felswand anhielt. Viel länger hätte ich nicht in diesem Tempo durchgehalten, und ich nahm mir vor, meine Ausdauer zu verbessern. Sicherheitshalber verbarg ich mich hinter dem Stamm einer dicken Tanne und spähte hervor.
Vor mir hatte Dean den Kopf in den Nacken gelegt und... stiess ein langgezogenes Heulen aus. Wow. Ein heulender Puma war mir noch nie begegnet.
Er nahm eine abwartende Haltung ein, immer noch mit der Kiste fest in beiden Händen.
Ich fuhr erschrocken herum, als es hinter mir knisterte. Zwei glühende gelbe Augen blickten mich aus der Dunkelheit des Waldes an. Doch irgendwie schienen sie mich nicht wahrzunehmen... Gott sei dank. Ich wollte mir nicht vorstellen, was passiert wäre wenn sie mich gesehen hätten. Mit pochendem Herzen presste ich mich an den Stamm, während sich meine Augen an die düstere Umgebung anpassten. Allmählich konnte ich den zu den Augen gehörenden Körper ausmachen; ein riesiger, braunschwarzer Wolf pirschte an mir vorbei und direkt auf Dean zu. Mir stockte der Atem.
Was, wenn das Ding ihn anfiel? Je länger ich in den Wald hineinstarrte, umso mehr Wölfe konnte ich ausmachen. Es waren bestimmt zwanzig oder mehr – Dean hatte keine Chance.
Ich biss mir auf die Lippen und wusste nicht, was zu tun war. Ich konnte ihn doch nicht einfach so diesen Tieren ausliefern! Aber einfach so aus meiner Deckung herauszubrechen war nicht wirklich klug.
Schreiend und mit den Armen winkend rannte ich auf die kleine Lichtung vor der Felswand zu und versuchte, Dean auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen.
„Dean, das ist eine Falle! Sie kommen von allen Seiten!“, brüllte ich quer über die Lichtung hinweg. Doch Dean stand immer noch unbewegt mit der Kiste in den Händen da und machte nicht den leisesten Mucks. Endlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Auch wenn ich es wollte, niemand konnte mich wahrnehmen. Niemand. Was hiess, dass ich auch niemanden vor den Wölfen warnen konnte.
Mist! Da könnte ich nun ein einziges Mal nützlich sein und Dean helfen, aber nein, ich muss so etwas Bescheuertes wie ein Geist sein, der von niemandem beachtet wird. Panik durchfuhr mich. Was sollte ich nun tun?
Mit zusammengebissenen Zähnen und grimmigen Blick zog ich Kreise um Dean, als die Wölfe näher kamen. Ich spiesste jeden einzelnen mit meinen Blicken auf, doch da sie mich ohnehin nicht sehen konnte, beeindruckte es sie nicht sonderlich. Ich verkleinerte meine Kreise ständig, als sie sich immer dichter um Dean scharten. Doch er selbst blieb gelassen und stand ohne zu zucken da, bis schliesslich auch die Wölfe stoppten. Die einzige, die immer noch rastlos umherstapfte, war ich. Meine Nerven lagen blank, als sich plötzlich etwas zwischen den Bäumen regte und ein grosser Mann mit rabenschwarzen Haaren und kurzen, zerschlissenen Jeans hervortrat. Er kam auf unseren Kreis zu, und die anderen Wölfe machten ihm Platz und neigten ehrfurchtsvoll den Kopf.
Der Fremde beachtete mich gar nicht und wäre beinahe in mich hineingelaufen, wenn ich nicht im letzten Moment ausgewichen wäre. Direkt vor Dean hielt er an und musterte ihn.
„Weshalb bist du hier, Aston?“ Feindselig starrte er ihn an. Aber nicht so feindselig, wie ich IHN anstarrte.
„Ich brauche eure Hilfe. Es geht um...“, setzte Dean an, doch der Dunkelhaarige liess ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
„Es ist mir herzlich egal, worum es geht“, schnitt er ihm das Wort ab. „Glaubst du, du kannst hier einfach wieder auftauchen, nach über 200 Jahren, als wäre nicht geschehen? Da täuschst du dich gewaltig Aston, das kann ich dir sagen. Zumindest bei uns hat sich einiges geändert. Weisst du, nicht nur du hast deine mickrigen Probleme, und wir kümmern uns seit langem um nichts mehr, was uns nichts angeht. Und DU gehst uns nichts mehr an, Aston. Du gehörst schon lange nicht mehr zu uns. Wir wollen dich nicht mehr.“
Ich sah, wie in Deans Augen bei jedem einzelnen Wort alte Wunden aufgerissen wurden. Doch als er sprach, war seiner Stimme nichts von seiner innerlichen Qual anzumerken.
„Das ist mir durchaus bewusst, Sam.“ Sam?! Hatte er mir nicht erzählt, sie seien beste Freunde gewesen?! Falls es wirklich so gewesen war, hatte einer der beiden gewaltigen Mist gebaut, so wie sie sich jetzt gegenüberstanden.
„Aber diesmal geht es nicht nur um mich, sonst wäre ich kaum zurückgekehrt. Diesmal betrifft es uns alle. Manuel ist zurückgekehrt.“ Diese Worte lösten bei den Wölfen sichtliches Unbehagen aus, einige zogen den Schwanz ein, andere scharrten unwohl mit den Pfoten und wünschten sich wohl, sie wären irgendwo anders. Nur Sam stand immer noch ruhig und selbstsicher da.
„Und wieso glaubst du, dass er es nicht nur auf dich abgesehen hat? Dass wir auch von ihm und seinen Blutsaugern bedroht sind?“, verlangte er kühl zu wissen.
„Sie sind zurückgekehrt. Die Plurshas sind wieder da.“

Kapitel 14 ist noch in Bearbeitung, aber meine Schreibblockade hat sich gelöst!

Impressum

Texte: Copyright by Fabienne H.
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Danke an alle, die ihren Teil zu dieser Geschichte beigetragen haben.

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