Kapitel 5
„Hi“, machte Dean schwach durch all den Dampf hindurch.
„Du ziehst dir jetzt sofort einen Bademantel oder sonst was an“, befahl ich ihm. „Und nachher kommst du da raus und erklärst mir, wie du in dieses Haus gekommen bist und weshalb du ausgerechnet hier eine Dusche genommen hast. Verstanden?“
„Ja, gib mir eine Minute“, klang es kleinlaut hinter dem Vorhang hervor.
Keine zehn Minuten später sass Dean an meinem Küchentisch; seine vom Wasser dunkelbraunen Haare hingen ihm in Strähnen ins Gesicht. Ich bemühte mich, mich davon nicht allzu sehr ablenken zu lassen, aber dieser Schimmer war einzigartig, und die vielen Schattierungen darin…
Stopp! Mein Gott, ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich mich nur schon von den Haaren eines Typs ablenken liess? Ich fragte mich, wie weit ich noch sinken konnte und konzentrierte mich wieder auf das Wesentliche.
„Also, ich stelle dir jetzt einige Fragen, und du wirst mir jede beantworten. Erstens: Wie bist du in dieses Haus gekommen?“ Ich sah ihm an, dass er sich überlegte, ob er mir die Wahrheit sagen sollte oder mich mitten ins Gesicht anlügen konnte.
„Durch die Tür“, antwortete er galant.
„Und wie hast du das geschafft, ohne sie zu beschädigen? Das Schloss war nicht aufgebrochen oder sonst beschädigt“, sagte ich. Ich konnte dasselbe Spielchen spielen wie er.
„Ich bin in Begleitung einer Person, die einen Schlüssel besitzt, hier herein gekommen.“ Seine Augen blitzten belustigt auf. Okay, ich wollte doch keine Spielchen mehr spielen.
Wollte er mich verarschen?
„Hör mir zu“, sagte ich und beugte mich vor, bis mein Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt war, „Spiel keine Spielchen mit mir. Ich will die Wahrheit, nichts anderes. Verstanden?“ Ich sah ihm tief in die Augen… Diese Augen… !!
„Greeneye?!!“ Ich sah ihn verblüfft an und liess mich ziemlich unelegant auf meinen Stuhl plumpsen. Mittlerweile hatte ich keinen blassen Schimmer mehr, wieso meine Katze sich in Dean verwandelt hatte. Einerseits machte es Sinn, denn schliesslich hatte ich Greeneye hereingebracht, und Dean hatte sich seit diesem Tag nicht in der Schule blicken lassen… Aber an dem Punkt, an dem Kater zu Mensch oder umgekehrt werden musste, scheiterte mein Gedankengang.
„Aber du… Du kannst doch nicht… Ich verlange eine Erklärung! Sofort“, rief ich aus. Ich war nahe daran, hysterisch zu werden, aber ich glaube, das ist erlaubt, wenn der eigene Kater – falls es denn so war – plötzlich eine Dusche nehmen wollte.
„Willst du eine Erklärung oder die Wahrheit?“, fragte er und sah mich mit diesem einen „Seelenblick“ an, den ich bisher immer bei Greeneye angetroffen hatte.
„Wo liegt denn der Unterschied?“, wollte ich misstrauisch wissen. Oder ich glaubte, dass ich es wissen wollte.
„Hm.. Naja, lass es mich so erklären: Die Erklärung ist für Menschen gedacht, die Wahrheit ist… Die Wahrheit eben.“
Ich schluckte. „Für Menschen? So wie du das gesagt hast, klingt das so, wie wenn du…“ Ich brachte den Satz nicht fertig, es war mir zu unrealistisch.
„.. keiner bist?“, beendete er den Satz amüsiert. „Ja, das gehört auch zur Wahrheit, aber bislang hast du dich immer noch nicht entschieden… Also: Erklärung oder Wahrheit?“
Ich schluckte nochmals und fühle mich wie bei Wahrheit oder Pflicht. Vielleicht war es das ja auch auf eine verrückte Art und Weise.
„Wahrheit“, flüsterte ich so leise, dass ich es selbst schon fast nicht mehr hörte.
„Hast du schon Harry Potter und der Gefangene von Askaban gelesen?“, fragte er. Spätestens jetzt hatte ich endgültig den Durchblick verloren. Was hatte Harry Potter damit zu tun, dass Dean sich in mein Haus geschlichen hatte?
„Kennst du das Buch?“, fragte er erneut, diesmal eindringlicher. „Ähm ja, ich habe es gelesen, aber es ist schon ziemlich lange her… Und ich erinnere mich nicht mehr an jedes Detail“, gestand ich ihm. Anscheinend genügte ihm das, denn schon stellte er mir die nächste Frage.
„Erinnerst du dich daran, was der Unterschied zwischen einem Werwolf und einem Animagus ist?“ Mein Hirn ratterte wie wild, und irgendwo schob sich eine vage Ahnung in meine Gedanken. „Weisst du es noch?“ Plötzlich war es wieder da: Ein Werwolf verwandelte sich nur bei Vollmond, aber nicht in einen echten Wolf, sondern in eine schreckliche Bestie, die weder Freund noch Feind kannte. Ein Animagus aber konnte nach Belieben die Gestalt wechseln, und er behielt sein Denken zum grössten Teil bei.
Plötzlich wurde mir schwindelig, und obwohl ich sass, hatte ich das Gefühl zu schwanken. „Du bist ein Katzen-Animagus? Aber wie ist das möglich?“, flüsterte ich vor mich hin. „Magie? Oder eine genetische Mutation? Oder bist du von irgendetwas gebissen worden?“
Er lachte. „Ich habe keine Ahnung, ob ich etwas Magisches bin, oder ob jemand an den Genen meiner Vorfahren herum hantiert hat, aber ich bin, wie ich bin.“
Plötzlich veränderten sich seine Züge, seine ganze Gestalt verlor ihre Form, als sich um ihn herum Nebel bildete. Bevor ich einmal blinzeln konnte, sass vor mir auf dem Stuhl Greeneye/Dean auf dem Bademantel und sah mich an. „Miau“, machte er und sprang vom Stuhl, um mir um die Beine zu streichen.
Ich wurde traurig, als mir bewusst wurde, dass ich ihm blind vertraut hatte, und dass ich vor ihm meine gesamte Seele blossgelegt hatte, und er hatte es schamlos ausgenutzt. Ich schob ihn beiseite und ging die Treppe hinauf in mein Zimmer. Als er mir folgen wollte, schickte ich ihn wieder hinaus. „Ich brauche ein wenig Zeit für mich“, sagte ich leise und schloss die Tür.
Gott, er hatte es gewusst. Alles war in einer Katastrophe geendet: Sie wusste über ihn Bescheid, war verwirrt und wollte nichts mehr von ihm wissen. Dass sie ihn nicht einmal mehr in seiner Katzengestalt annehmen wollte, schmerzte ihn nur noch mehr. Okay, er verstand, dass sie verletzt war; schliesslich hatte sie ihm blind vertraut und vor ihm ihr Innerstes ausgebreitet. Auch, dass sie ihn eigentlich ziemlich mochte. Mist. Irgendwie musste er das wieder geradebiegen, koste es, was es wolle.
Ich hatte mein Gesicht in meinem Kissen vergraben und schluchzte vor mich hin. Nicht einmal meiner Katze konnte ich etwas erzählen! Bah. In welchem Mist ich da wieder gelandet war. Ich wusste, dass ich mich noch mit Dean auseinandersetzen musste, bevor Dad heim kam, aber wie? Ich meine, ich war erstens geschockt darüber, dass sich mein Haustier in einen Menschen verwandeln konnte. Zweitens, ich hatte ihn in der Dusche erwischt. Drittens wusste er, dass ich ihn als Mensch ziemlich süss fand. Alles keine sehr guten Voraussetzungen für ein normales Gespräch unter zwei vernünftigen Teenager… Falls er überhaupt einer war und nicht schon sein siebtes Leben als Katze lebte.
Wie aus reinem Protest klopfte es in dem Moment an der Tür. „Ich habe Kopfschmerzen, nicht reinkommen!“, murrte ich. Offenbar nicht laut genug, denn Dean hatte schon die Tür geöffnet und sich neben mich aufs Bett gesetzt. Anscheinend hatte er den Bademantel mit hochgenommen, als er sich ein zweites Mal verwandelt haben musste.
„Hei“, sagte er. „Geh weg!“, brummte ich zurück und vergrub den Kopf nur noch tiefer im Kissen. Doch er bewegte sich keinen Millimeter, und so rutschte ich unweigerlich auf die Vertiefung in der Matratze zu. Also drehte ich mich um und sah ihn an. „Was willst du?“, fragte ich.
„Keine Angst, ich will nur reden“, antwortete er sanft. Als ob ich nicht schon genug geredet hätte die letzten Tage. „Dann leg mal los!“ Ich setzte mich auf und sah ihn mit verschränkten Armen an.
„Du wirst ganz müde“, sagte er plötzlich mit schläfriger Stimme und intensivem Blick. „Du wirst vergessen, was du die letzte Stunde lang gesehen hast. Du wirst vergessen, dass…“
„Was soll das geben, wenn es fertig ist?“ Ich hatte die Augenbraue hochgezogen und starrte ihn unverwandt an. Wollte er mich etwa hypnotisieren?! Verwirrt blinzelte er mich an.
„Bist du nicht plötzlich seeeehr müde?“, fragte er mich irritiert.
„Nee. Überhaupt nicht“, stellte ich fest. „Sollte ich etwa? Bist du ein Hypnotiseur oder so was in der Art?“ Überrascht hätte es mich nicht. Schliesslich war er im Prinzip ja ein Kater.
„Mist! Verdammter Mist!“, fluchte er. Und plötzlich machte es bei mir klick.
„Du wolltest die letzten zwei oder drei Stunden aus meinem Gedächtnis löschen, nicht wahr? Damit ich mich nicht an deinen kleinen Trick erinnere und du dich nicht blamieren musstest! Du Drecksack!“ Was lief hier gerade ab?! Ich erwischte ihn in meiner Dusche, aber statt sich zu blamieren und irgendeine peinliche Ausrede zu geben, musste er sich verwandeln und dann darum in meinem Kopf herum pfuschen? Hallooo?
„Raus aus meinem Zimmer!“, knurrte ich ihn wütend an. „Aber lass es mich doch erklären…“, wehrte er schwach ab. „Es ist alles ein Missverständnis!“
„Schön für dich. Aber welchen Teil von raus aus meinem Zimmer hast du nicht verstanden?“ Mittlerweile war ich echt stinksauer. Ich hatte genug und wollte ihm die Türe vor der Nase zuschlagen, als ich ihn schon fast aus dem Türrahmen geschoben hatte, aber plötzlich drückte er die Türe wieder auf, als würde mein Gewicht gar nicht dagegen lehnen.
„Ich gehe nicht, bevor ich dir alles gesagt habe“; erklärte er störrisch und stellte sich in den Türrahmen. So wie er dastand, nicht bereit, auch nur einen Zentimeter zu weichen, erkannte ich, dass er wirklich nicht gehen würde, bis er alles geklärt hätte. Ich stemmte die Hände in die Hüften und baute mich breitbeinig vor ihm auf. Als ich ihn böse anfunkelte, schien ihn das nur darin zu bestätigen, seinen ‘Auftrag‘ zu erfüllen.
„Dann beeil dich und sag, was du zu sagen hast“, forderte ich ihn mit kalter Stimme auf. „Also. Es ist nicht so, dass ich mich nicht vor dir blamieren würde. Es ging dabei, die letzten Stunden zu löschen, nur darum, dich zu beschützen. Denn jetzt haben wir ein ernsthaftes Problem, weil du weisst, was ich bin und ich es nicht rückgängig machen kann“, erklärte er.
„Und wo bitte liegt da mein Problem? Ich meine, du hast mir gezeigt, was du bist. Also kriegst du auch den Ärger“, stellte ich fest.
Dean wand sich unter meinem kritischen Blick. „Die Sache ist die… Du weisst jetzt, dass ich kein normaler Mensch bin. Das führt in den Augen der B.M.A. dazu, dass du jetzt genauestens über die magische Welt Bescheid weisst und somit entweder zu einem Teil davon wirst oder dich davon abwendest. Der Teil mit dem Abwenden sieht vor, dass ich dein Gedächtnis so zurücklasse, wie ich es vorgefunden habe in dem ich es von magischen Spuren reinige. Aber…“, er breitete hilflos die Arme aus, „… irgendwie bist du dagegen immun.“
„B.M.A.?“ In meinem Kopf rannte ich bereits gegen eine Wand, um diesen Wahnsinn endlich zu beenden. „Die Behörde für Magische Anliegen“, erklärte Dean.
In Gedanken rannte ich noch immer gegen diese Mauer. Leider konnte ich in der Realität nicht dasselbe tun, denn Dean hatte sich immer noch keinen Millimeter bewegt.
„Und was bedeutet das jetzt konkret für mich?“, wollte ich wissen. „Irgendwie muss ich eine Möglichkeit finden, dein Gedächtnis doch zu löschen, oder…“ Er zögerte und wich meinem Blick aus. „Oder?“, bohrte ich nach.
„Oder du musst zwangsläufig ein Teil der magischen Gemeinschaft werden“, sprudelte es aus ihm heraus.
Im selben Moment fing sich bei mir alles an zu drehen. In meinem Kopf schwirrten Gedankenfetzen wie Animagus, Magie oder auch Dean umher, als mir schwarz vor Augen wurde. Der Tag kann nur noch besser werden…, dachte ich noch, bevor ich endgültig in der Dunkelheit versank.
Eine Weile später war mir das genaue Gegenteil bewiesen worden.
„Also noch mal ganz langsam zum Mitschreiben: Du bist ein Gestaltwandler.“ Er nickte.
„So sieht’s aus.“ Ich holte tief Luft und bemühte mich, mich nicht allzu sehr aufzuregen. „Und weil ich das jetzt weiss, muss ich auch etwas Magisches werden, weil mir diese Leute von der B.M.A. sonst die Hölle heiss machen.“ Wieder nickte er. „Stimmt.“
„Aber wieso? Ich habe doch nichts getan“, sagte ich unglücklich. „Weil sie sonst nicht die Sicherheit haben, dass du nicht bei irgendeinem Boulevardblatt alles davon erzählst. Denn wenn du selbst etwas Magisches bist, wirst du mit grösster Wahrscheinlichkeit nichts davon in der Öffentlichkeit enthüllen, aus Angst, dann als Attraktion zu enden“, erklärte er.
„Und wenn ich nichts mit dieser Magie zu tun haben will?“, fragte ich trotzig. „Ich meine, schliesslich können sie mich ja nicht dazu zwingen, mich in einen Vampir oder so verwandeln zu lassen. Oder?“ In der darauf folgenden Stille lief mir ein Schauder über den Rücken. „Oder?“, flüsterte ich.
„Das ist das Problem. Wenn du nicht kooperierst…“, er schluckte und spannte sich an. Ich wollte diesen Satz gar nicht zu Ende hören, aber ich war wie gebannt und konnte mich nicht losreissen. „.. dann werden sie dich töten.“, schloss er beinahe unhörbar. „Oder Schlimmeres“, fügte er noch leiser hinzu.
Und zum zweiten Mal in meinem Leben wurde mir schwarz vor Augen. Na toll, dachte ich. Das konnte ja noch ein heiterer Abend werden.
Scheisse! Er fühlte sich absolut mies. Cassie war jetzt schon zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde ohnmächtig geworden!! Das konnte doch nicht gesund sein bei einem Menschen. Sanft hob er sie vom Teppich auf und trug sie zum Bett, wo er sie vorsichtig hinlegte und das Kissen unter ihren Kopf schob.
In diesem Moment schwor er sich, dass er sie heil wieder aus diesem riesigen Schlamassel rausbekommen würde, koste es, was es wolle. Schliesslich war er schuld, dass sie nun über ihn Bescheid wusste. Naja, auf die Schnelle war ihm eben keine passende Ausrede eingefallen, so unter der Dusche. Aber seine Dummheit ging auf das Konto von Cassie, und das schmerzte ihn ziemlich. Wieso also funktionierte die Reinigung bei ihr nicht wie bei jedem Menschen auch?!
Er seufzte und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Sein armer Mensch.
Ich rieb mir den Kopf, als ich mich aufsetzte. Wie war ich auf mein Bett gekommen? Verwirrt blickte ich mich um und entdeckte Dean, der es sich neben mir bequem gemacht hatte. Und dabei auch noch unverschämt gut aussah.
„Geht es dir wieder besser?“, fragte er besorgt und sah mich an, als ob ich gerade aus einem 10-jährigen Koma erwacht wäre.
„Danke der Nachfrage“, murmelte ich. Mein Kopf brummte zwar noch ein wenig, aber ich nahm an, dass das normal ist bei einer Ohnmacht. Plötzlich fiel mir glühend heiss ein, dass Dad jeden Moment nach Hause kommen konnte.
„Dean, du musst ganz schnell wieder verschwinden!“, plapperte ich aufgeregt. Er seufzte. „Cassie“, sagte er unglücklich, „du kannst nicht vor mir davon laufen, bis wir dieses Problem gelöst haben. Aber wir…“ – „Ja ja, das weiss ich auch selber. Aber Dad! Wenn er heraus findet, dass du gar kein echter Kater bist, wird er auch da hineingezogen!“, erklärte ich ihm ungeduldig. „Also! Verwandel dich zurück in eine Katze! Schnell!“. Daraufhin fing er schallend an zu Lachen. „Was ist denn so lustig?! Pst!! Sei doch etwas leiser!“, versuchte ich ihn zu beruhigen, als ich den Schlüssel im Schloss unten hörte.
Sein Lachen hatte er dann wenigstens auf ein stetes Beben seiner Brust reduziert und musste es sich aber immer noch verkneifen, nicht laut los zu prusten. „Cassie, dass dein Vater hier ist, ist kein Problem“; erklärte er mir, nachdem er sich einigermassen von seinem Lachanfall erholt hatte. „Und wieso nicht?“, zischte ich ihm zu und begann damit, im Zimmer umher zu tigern. Ich setzte gerade zu einer Moralpredigt über Dad’s Sicherheit an, als Dean plötzlich so nahe vor mir stand, dass ich ihn beinahe umgerannt hätte.
„Wie hast du das gerade gemacht?“, fragte ich verwirrt. „Ich meine… Vor einer Sekunde hast du noch da auf dem Bett gesessen, und plötzlich…“. Er grinste mich breit an. „Siehst du, das habe ich gemeint mit ‚es ist kein Problem‘. Ich bin schnell und kann mich im Notfall auch am Fenstersims festklammern oder unters Bett verschwinden“; erklärte er. „Und falls dein Vater nicht dasselbe Problem mit der Reinigung hat wie du, kann ich ihm im alleräussersten Notfall seine Erinnerung an mich auch löschen.“.
Entnervt fuhr ich mir mit der Hand über das Gesicht. „Gut, Speedy, du bleibst bis auf Weiteres im Zimmer. Ausser du wirst wieder zu Greeneye. Haben wir uns verstanden?“ Er salutierte zum Spass. „Aye aye, Käpt‘n!“
Ich warf ihm einen finsteren Blick zu und lief die Treppe hinunter. In der Zeit versuchte ich, eine möglichst normale Miene aufzusetzen und begrüsste Dad.
„Hi Dad! Und, wie war dein Tag?“, strahlte ich ihn an. „Grossartig, wirklich grossartig!“, brummte er. „Noch mehr Grippepatienten, und diese Kuh Johnson…“ – „Ich dachte, du hättest dir heute frei genommen und auf Dylan aufgepasst?“, unterbrach ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. Klar, er hatte mich informiert, aber den Grund hatte er mir nicht genannt. „Ja, aber…“, erklärte er verlegen, „Carry hat die Weiterbildung verschoben, weil sie mitbekommen hat, wie viele Leute krank sind… Und da hat es sich so angeboten…“ „Ja ja, schon gut“, winkte ich ab.
„Jedenfalls, die Johnson war wieder da, zur Nachkontrolle. Drei Mal darfst du raten, was sie wieder mitgeschleppt hat.“ Ich machte ein mitfühlendes Gesicht. „Diese Ratte, die sie einen Hund nennt?“
Dad seufzte nur; das war Antwort genug. „Und bei dir? Alles gut gelaufen in der Schule?“
In der Schule? Klar, dachte ich. Vermutlich wäre es besser, wenn ich ihm nichts davon sagte, dass unser Kater eigentlich ein Mensch war und ich nun von einer paranoiden magischen Behörde verfolgt wurde.
„Ja, ganz gut. Englisch fiel aus; Mrs Aster war krank“, bemerkte ich beiläufig und setzte mich ihm gegenüber auf den Stuhl. „Wirklich? Ich bin mir sicher, dass sie auch die Grippe hat und morgen in der Praxis steht“, sagte er und grinste schief. Plötzlich runzelte er die Stirn.
„Wo ist Dylan?“, fragte er. „Was siehst du mich so an?“, fragte ich und zog die Augenbrauen hoch. „Erstens bist du heute dran mit abholen, und zweitens bin ich gerade erst nach Hause gekommen“, erinnerte ich ihn. Also, mir jedenfalls kam es so vor, als sei ich gerade erst angekommen.
Dad seufzte wieder, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und machte einen ziemlich abgekämpften Eindruck dafür, dass es erst Mittag war. „Cassie…“, setzte er an, „Würdest du nicht mal eine Ausnahme machen? Ich bin todmüde, und ich will mich nicht nochmals ans Steuer setzen… Gehst du Dylan holen?“
Ich musste zugeben, dass er eindeutig nicht mehr in der Verfassung war, heute noch irgendetwas anderes zu tun, als die Fernbedienung in die Hand zu nehmen und es sich auf dem Sofa bequem zu machen, und willigte ein.
„Aber ich muss noch kurz was erledigen! Dauert nur eine Minute!“, rief ich ihm noch zu, als ich schon wieder die Treppe hinaufrannte. Als ich meine Zimmertür öffnete, stand Dean vor meinem Pult und betrachtete die wenigen Bilder, die an dem Magnetstreifen darüber befestigt waren. Die meisten davon zeigten entweder Kate, Dad oder Dylan. Auf einzelnen war auch Mom zu sehen.
Ich stellte mich hinter ihn und tippte ihm auf die Schulter. „Hast du nicht mal was gesagt von: Ich kann mich ziemlich schnell verstecken, wenn jemand ins Zimmer kommt?“ – „Habe ich“, antwortete er, obwohl er sich immer noch den Fotos widmete. „Und wieso stehst du dann so offensichtlich hier herum?“, wollte ich wissen. Ich konnte zwar nicht sehen, dass er lächelte, aber ich konnte es schon beinahe fühlen. „Weil ich wusste, dass du es bist und nicht dein Dad“, erklärte er, „er trampelt nicht so wie du.“
Ich verdrehte die Augen und schnappte mir mein Handy. Dean Aston, charmant wie immer. „Eigentlich wollte ich dich noch fragen, ob ich dir etwas aus deiner Wohnung bringen sollte, etwas zum Anziehen, nur so zum Beispiel… Aber wie ich sehe, bist du ja ausreichend mit meinem Zimmer beschäftigt“, bemerkte ich. Endlich drehte er sich um und grinste mich breit an. „Falls es dir nichts ausmachen würde, wäre ich dir dankbar, wenn du mir meine Notfalltasche bringen würdest. Ausser du bevorzugst es, wenn ich noch weiter nur mit deinem Bademantel bekleidet herumlaufe“, antwortete er spöttisch und grinste noch breiter. „Auch wenn ich finde, dass dir rosa perfekt steht“, erwiderte ich ebenso spöttisch, „werde ich dir deine Tasche holen. Ich bräuchte dann nur noch den Schlüssel.“
„Den brauchst du nicht.“
„Und wie bitte schön soll ich dann rein kommen? Durch das Fenster?“
„Nein, die Türe wird dich erkennen.“
„Die Türe?“, fragte ich skeptisch. „Ja, die Türe. Klopf einfach dreimal und sag ihr, dass ich dich geschickt habe“, erklärte Dean. „Und sag meinen ganzen Namen“, fügte er hinzu. Ich zuckte mit den Schultern. Wenn sich mein Kater in einen Menschen verwandeln konnte, wieso sollten dann Türen nicht auch sprechen können?
„Na gut. Und wo finde ich deine Tasche? Muss ich den Toaster danach fragen?“, fragte ich trocken. „Nein, es reicht, wenn du im Eingang nach links gehst. Die blaue Tasche wirst du nicht übersehen können“, gab er zur Antwort.
„Na gut, wie du meinst.“ Ich wollte schon zur Tür hinausgehen, als mir noch eine Frage einfiel. „Und was mache ich, wenn mich die Tür nicht rein lässt?“, wollte ich wissen. „Ach, Melinda wir dich schon nicht draussen stehen lassen“, winkte er ab. Ich schüttelte den Kopf. Deans Haustür konnte nicht nur sprechen, sondern hatte auch noch einen Namen? Es konnte nur noch besser werden.
Also liess ich Dean stehen und machte mich auf den Weg zum Wagen. Als ich unten schon beinahe zur Tür hinaus gesaust war, rief ich Dad noch zu, dass es etwas länger dauern könnte, weil ich noch bei einer Freundin vorbei schauen würde. Ich hätte ihm ja schlecht sagen können, dass ich Kleider für unseren Kater holen wollte.
Lies weiter in Plursha -6-!
Tag der Veröffentlichung: 31.01.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Migih, ohne Dich und Oli gäbe es dieses Buch nicht. Danke