"Das geht so nicht mit uns weiter."
Ziemlich heuchlerisch, so etwas zu sagen, wenn man sich schon längst von dem Gedanken an ein "wir" verabschiedet hat. Wenn das Gegenüber so etwas sagt, denkt es sowieso schon in den Maßeinheiten/Dimensionen "du" und "ich". Das und dazwischen ist dann auch keine echte Konjunktion mehr, eher ein Komma, das die beiden Begriffe voneinander trennt.
Darum reagiere ich auch nicht. Ich lese einfach in meiner Zeitschrift weiter. Ist das zu glauben? All die Kochrezepte interessieren mich mehr als das, was er sagt. Vielleicht sollte ich heute Abend etwas kochen, wenn ich nicht auf die Straße gesetzt werde.
"Hörst du mir zu?"
"Ja, ich antworte nur nicht."
Er sieht die Antwort als einen Beweis dafür an, dass es mir besser geht als ihm, dass ich das schon verkrafte, ich bin ja so ein vitaler Mensch, ja, ich- bin- Buddha.
Ich höre mir seine Rechtfertigungen usw. nicht richtig an, ich habe ja immer noch meine Kochrezepte. Er wird wütend und fragt, ob ich jemals...
Es klingelt. Aber nicht an der Tür, denn es ist ein Song von Lady Gaga. "Judas".
Ich schnappe mir mein Handy, bevor er aufs Display linsen und die Nummer erspähen kann.
"Hallo."
"Abend, wie geht's? Hast du jetzt Zeit heute oder nicht?"
Mein Herz klopft in meinem Magen. Der Anrufer, Mr X oder von mir aus auch Mr Y, ist cholerisch, ungeduldig, eifersüchtig und notorischer Fremdgänger, das weiß ich von seiner Ex, mit der ich mal auf ein Käffchen verabredet war. Kontrollsüchtig soll er auch sein, bedacht auf sein Aussehen, aber kein pingeliger Schönling. Man sieht ihn nie mit Drei-Tage-Bart, genauso wenig wie man ihn joggen sieht. Hat regelmäßig Tobsuchtsanfälle. Ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der Tobsuchtsanfälle hat.
Ein Experiment. Ja. Einen Versuch war es wert. Er war zurzeit solo.
"Ja, ich hab Zeit. Geht's in einer Stunde?"
Verärgertes Brummen.
"Geht's noch später?"
"Dann in einer halben?"
"Ich geb dir zwanzig Minuten."
"OK. Bis gleich."
Erfreut lege ich auf und renne zur Garderobe, um meinen Burberry-Mantel zu holen. Er fragt, mit wem zum Teufel ich telefoniert habe. Ich sage es ihm, höre lautstarken Protest, werfe meinen Mantel in nude über und renne hinaus, ohne die Tür zu schließen.
Das nennt man Triumph.
Tag der Veröffentlichung: 08.09.2011
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