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Kapitel 1




Cornelius befand sich auf den Straßen Limeas. Es war eine große Stadt, am Rande eines noch größeren Waldes.
Es war 22 Uhr und Cornelius hatte gerade seine Arbeit beendet. Er war auf dem Weg nach Hause, welcher durch die dunklen Gassen des kriminellsten Viertels ging. Die Häuser hier sahen alle zerstört aus, was daran lag, dass in die meisten nicht nur einmal eingebrochen wurde. Hier wohnte auch niemand mehr, obwohl es früher eine sehr beliebte Straße gewesen war. Die meisten Häuser waren von Teenagern und jungen Erwachsenen die auf der Straße lebten, besetzt. Und auf den Gehwegen saßen massenweise Bettler. Auch Jugendliche mit ‚leichtem‘ Alkoholkonsum waren hier sehr oft anzutreffen. Clubs, in denen der Mann alles bekam was er sich wünschte, an jeder Ecke und überdimensional viele Kneipen. Man traf nicht nur Jugendlich mit Alkohol im Blut. Zigaretten-Automaten neben jedem Haus und Prostituierte gleich daneben.
Sobald die Sonne untergegangen war, war dieses Viertel der reinste Horror. Cornelius hatte so etwas nicht nötig. Er war ein gebildeter, guter Mann und keiner der es drauf anlegte mit der Polizei schlecht in Kontakt zu treten. Mit 15 hatte er angefangen zu rauchen und es mit 19 auch schon wieder sein gelassen. Auch der Alkohol hatte ihn nie wirklich angesprochen. Auf Feiern und Festen war er zwar immer dabei gewesen, war aber nie groß aufgefallen, durch hohen Alkoholspiegel oder hübsche Frauen, die er darum kutschierte. Auch Geld besaß er nicht viel. Beneidete aber die Reichen nicht. Er führte ein stink normales Leben eines Professors.
Plötzlich hörte er einen lauten Schrei und dann einen Hilferuf. Eigentlich wollte er nicht helfen, nicht in diesem Viertel. Es war einfach zu gefährlich. Die Chancen bei der Tageszeit einem Kriminellen oder Betrunkenen in die Arme zu laufen, waren recht hoch, doch die Stimme war so jung und einem Kind konnte Cornelius seine Hilfe nicht unterschlagen. Er folgte den Schreien in eine kleine Seitengasse. Ihm war mulmig zumute und sein Bauch fing an zu kribbeln und komische Geräusche von sich zu geben, doch er ließ sich nicht abbringen. Neben ihm große Häuser, die ihren Schatten in die Gasse warfen. Die Sonne war noch nicht komplett untergegangen und solange das so blieb, hielt sich seine Angst in Grenzen.
Plötzlich tauchte ein Mann vor ihm auf. Er hielt das Mädchen in seinem Arm. Es schrie und weinte. Als Cornelius genauer hinsah, bemerkte er das Messer am Gürtel des Mannes. Es war mehr grau als Silber und die Spitze war dunkelrot, daraus schloss er, dass es schon öfters zum Einsatzgekommen war. Nur mit viel Mut konnte Cornelius sich überwinden ihn zu ermahnen. „Was machen sie denn da?“, fragte Cornelius und schaute auf das Mädchen. Der Mann antwortete ihm nicht, sondern formte seine Augen zu kleinen Schlitzen, als sah er schlecht. Dann ließ er das Mädchen los und es rannte schnell und wimmernd davon. Auf Cornelius Gesicht ließ sich ein verwirrter Ausdruck nieder und mit etwas Angst wollte er wieder verschwinden. Doch der Mann stellte sich breitbeinig vor ihn und versperrte ihm somit den Ausgang. Schwarze, kalte, große Augen blickten Cornelius entgegen. In ihnen stand der pure Hass. Kein Wort glitt ihm über die Lippen. Stressperlen rollten seine Wange hinunter und die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Drei Jahre lang war er nun Professor und Wissenschaftler auf einer der berühmtesten Universitäten im Land. ‚Elward‘ nannte sie sich und er war froh darauf angenommen worden zu sein. Bereits als junger Mann hatte er dort studiert, auch wenn er anfangs dagegen gewesen war. Doch mit der Zeit war ihm klar geworden, dass es die beste Entscheidung gewesen war, die er je getroffen hatte.
Ein kleiner Stich in seinem Brustkorb holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Cornelius wusste, dass es sein Herz war, was ihm diesen Schmerz verpasste. Es hämmerte gegen seinen Brustkorb und es fühlte sich an, als würde es jeden Moment herausspringen. Dieser eigenartige Mann stand immer noch groß und breit vor ihm und starrte ihn an. Die schwarzen Augen schienen immer größer zu werden. Ein silberner Hauch lag darin. Ein eigenartiger Geruch drang ihm in die Nase. Eine Mischung aus metallenem Blut, Schweiß und Männerparfüm. Kein schöner Duft. Er achtet wohl nicht auf seine Hygiene. Wenn man den ganzen Tag hier unterwegs war und vielleicht sogar Menschen tötete, brauchte man sich nicht darum zu kümmern, wie man aussah und roch.
Cornelius war erst 35 und das war noch lange kein Alter um zu sterben. Er wusste, um zu überleben musste er schnell handeln. Der Mann versperrte ihm den kompletten Gang, der aus der Gasse herausführte und dazu war es eine Sackgasse, daher war an weglaufen überhaupt nicht zu denken. Und als er Sprechen wollte, setzte seine Stimme aus.
Plötzlich fing der Mann an zu sprechen: „Guten Tag, Herr Sainfeld!“ Seine tiefe, raue Stimme passte perfekt zum Gesamtbild und vervollständigte den Gangster - Look. „Was wollen sie von mir?“ fragte Cornelius und erwartete eine Antwort, doch der Mann gab sie ihm nicht. Stattdessen stellte er ihm eine unpassende Frage. „Warten sie auf jemanden?“, der Mann wurde ihm immer unheimlicher. Er wartete eigentlich auf jemanden, doch nur unbewusst in seinem Inneren und, dass dieser mysteriöse Typ das wusste, ließ ihn kurz zusammenzucken. Er legte seine Hand in seinen Nacken und versuchte zu lächeln und keine Angst zu zeigen. Dies Misslang ihm! Er stieß einen leisen Fluch aus.
Immer weniger glaubte er, dass alles hier könne real sein.
„Warten sie auf jemanden?“, wiederholte der Fremde aggressiver. „Wenn sie so fragen?!“ Verwirrt darüber, welche Worte gerade aus seinem Mund gekommen waren, zwinkerte Cornelius nur und setzte einen Fuß nach hinten.
Ein böses Zähnefletschen, bekam er als Antwort. Seine Augen weiteten sich und der nächste Schritt zurück, wurde beinahe zu einem kleinen Sprung.
Selbst Saw VI war nichts gegen den Horrorfilm, der gerade hier gedreht wurde. Er wünschte sich wirklich, dass hier sei alles nur ein Film und dieser Mann, vor ihm, ein Schauspieler, der seine Rolle als böser Menschenkiller wirklich perfekt spielen konnte.
Er wirkte bedrohlich, gegenüber Cornelius, der schmal gebaut und nicht besonders groß war. „Warten sie auf jemanden?“, erneut wurde sein Tonfall aggressiver. „Ja... eigentlich schon...“, meinte Cornelius schüchtern. Immer noch nicht so, wie er es sich das vorgestellt hatte. Er wollte tapfer auftreten, doch was er hier machte erinnerte eher an eine Maus, die sich in ihrem Loch vor der Katze versteckte. Immer wieder fiel sein Blick auf das Messer. Sobald der Mann das zückte war alles vorbei.
„Gut!“ Der fremde Mann hob die Hände in die Luft. Cornelius zuckte zusammen. Sie waren gewaltig. Der Schatten war eine lange Spur, der die ganze Gasse füllte. „Wieso...ist das...ähm...gut?“, stotterte Cornelius leise vor sich hin. „Das werden sie schon früh genug merken.“ Auch wenn dieser Satz eigentlich nicht besonders bedrohlich wirken konnte, war er aus dem Mund dieses Monsters sehr angsteinflößend. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust und er atmete immer tiefer ein und aus. Wie war er nur in solch eine bescheuerte Situation gelangt? Mist... Der Mond war bereits am Himmel zu sehen und die bröselige, von Müll versaute Straße sah nur noch aus, wie ein dunkles, schwarzes Loch. Auch deswegen mieden Autofahrer nachts diese Straße. Es war als würde sie einen verschlingen. Langsam merkte Cornelius, dass der geheimnisvolle Mann stärker, größer und breiter war, als sein erster Eindruck gewesen war. Der Mond leuchtete ihn an und er sah noch viel gruseliger aus.
Kurz blickte er an ihm hoch, dann schloss er die Augen. Es war vorbei! Cornelius konnte nichts mehr dagegen tun. Wenn dieser Typ, die Absichten hatte ihn zu töten, konnte er das mit Leichtigkeit einfach tun.
Der Unbekannt wirkte plötzlich stärker als zuvor, als ob die Dunkelheit ihm Kraft gegeben hätte.
„Was wollen sie von mir?“, fragte Cornelius nun sicher und selbstbewusst. Er wusste selbst nicht, woher er diese Kraft plötzlich hatte. „Ich will, dass sie mit mir kommen!“ Der Befehl war klar und deutlich zu verstehen. Und im nächsten Moment, packte der Fremde Cornelius an den Beinen und warf ihn sich über die Schulter, als wäre er ein Sack voller Kartoffeln. „Was machen sie mit mir?“ – „Halten sie die Klappe!“, schrie der Mann ihn an und festigte seinen Griff. Die Schmerzensschreie konnte Cornelius unterdrücken, doch es war schwer auszuhalten. Die Angst die in seinem Körper hauste wurde immer größer und doch befand sich auch eine gewisse Neugierde in ihm.
Sie liefen langsam aus der Stadt heraus. Da es bereits Nacht war, kamen keine doofen Blicke oder Fragen, von den Einwohnern.
Auf einem steinigen, hauptsächlich mit Moos bewachsenen Pfad ging es in Richtung des großen Waldes. Große Steine und Pfützen überwand dieser Gigant einfach.
Seine großen, klumpigen Füße stampften auf dem Boden, hinterließen einen dumpfen Ton und schleuderten eine Menge Dreck auf.
Als der Wald vor ihnen langsam auftauchte und der Mond immer mehr Licht auf die Welt brachte, wurde dieser Mann immer langsamer und Cornelius fühlte sich immer schwerer, auch wenn das eigentlich gar nicht sein konnte.
Er fragte sich, wo dieses Monster ihn nun hinbringen würde. Zu deren Anführer vielleicht oder einem Kollegen, der auch sinnlos Menschen entführte und ihnen eine Höllenangst einjagte. Vielleicht wollte er ihn ja auch zu der Person bringen, auf die er innerlich schon mehrere Jahre wartete. Das würde die komische Frage erklären.
Der Wald war lang und groß, doch dieser Mann war ziemlich schnell unterwegs und hatte den Wald bereits in weniger als 10 Minuten hinter sich gelassen. Vor ihnen befand sich eine Stadt...nein... eher ein Land. Es war grau und hauptsächlich dunkel. Nur aus einem kleinen Viertel kam etwas Licht. Und genau dorthin steuerte der Entführer.


Mary hatte sich gerade zu einer der Versammlungen auf gemacht, zu der sie regelmäßig gehen musste.
Fuga, die Stadt in der Mary und ihre Mutter lebten, war eine recht schöne Stadt, wenn man bedachte, dass dieses Land sonst überaus hässlich war.
Die Versammlung um die es ging, war ein Treffen der Juniorwächter. In einem großen Hauptgebäude wurden neue Wächter ausgebildet und Mary wollte eine von ihnen werden. Sie war erst 79 und das war ein perfektes Alter, um Wächterin zu werden und für Vampire noch ziemlich jung.
Im Lamia patriae, Vampirland, wurden neue Vampire zu Wächtern ausgebildet. Diese Wachen hatten die Aufgabe Kriminelle zu fangen und wegzusperren. Wobei die meisten Verbrecher nicht mehr weggesperrt werden konnten, weil sie im Kampf vorher verstarben. Auch wurde nicht jeder Juniorwächter zu einem Wächter ausgebildet. Nur die besten bekamen die Chance.
Kurz vor dem großen, alten, grauen, nicht gerade schönen Gebäude, fing sie einer der Wachen ab. „Na, Mary! Bist du bereit für die Versammlung?“ Sie nickte nur lässig und betrat das Gebäude, durch eine graue Metalltür. In ihm tummelten sich massenweise Vampire. Mädchen und Jungen, hauptsächlich in Marys Alter. Die große Vorhalle war total überfüllt. Kein Platz war mehr frei. Die Vorhalle war aber auch keine Augenweide. Die alten Wände, von denen bereits der Putz herunter bröselte und der von Dreck grau gewordene, rote Teppich, der das ganze eigentlich aufwerten sollte. Hier hatten sie eindeutig zu viel gespart und es an den oberen Räumen, in denen der Anführer hockte, verbrasselt. So erzählte man sich. Niemand war bis jetzt dort oben gewesen.
„Hey, Mary!“, begrüßte Lamia sie. Lamia war eine junge, hübsche Vampirin mit langen, braunen Locken und einem schmalen Gesicht und Körper. Sie war das hübscheste Mädchen in Vampirland, was vielleicht auch ein wenig daran lag, dass sie die Tochter des Anführers war. Oder wie sie ihn hier nannten Capo, auf Deutsch Chef! Die Kriegerklamotten, die hier jeder trug waren viel zu schade für ihre hübsche Gestalt. Ein braunes T-Shirt, mit dem Zeichen des Landes, ein weißer Zahn mit einem roten Kreis drum herum, und falls einem kalt war konnte man sich auch noch eine braune Jacke mit demselben Zeichen drüberziehen. Eine olivfarbene Hose, die einem bis zu den Schuhsohlen herunterhing und schwarze Klumpschuhe. Diese Klamotten ließen hier alles gleich aussehen. Jeder war wie der andere. Etwas gruselig fanden die beiden Mädchen es schon. Und Lamia mochte es normalerweise überhaupt nicht, wenn jemand dasselbe trug wie sie selbst.
Mary mochte Lamia. Sie waren seit einer geringen Zeit Freunde, doch fühlten sich wie Seelenverwandte. Sie hatten die gleichen Hobbies, die gleichen Vorlieben und sogar den gleichen Kleidergeschmack.
„Hey, Lamia! Du weißt doch bestimmt was wir heute hier machen werden oder?“ Lamia nickte freundlich. „Mein Vater möchte hier etwas wie eine Rede halten, die den Ansporn zu trainieren beinhalten soll. Ich selbst habe sie auch noch nicht gehört.“ Kurz nachdem sie dies ausgesprochen hatte fingen die Lautsprecher an zu quietschen. Der schrille Ton verursachte, dass sich alle Vampire kurz die Ohren zuhielten.
„Guten Morgen liebe Wächterschüler.“ Die kalte, tiefe Männerstimme kam aus den Boxen. Sie ließ allen Schülern einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Dieses nette Getue von Capo war nie ernst gemeint. Er war kaltherzig, wenn er überhaupt ein Herz besaß. Niemand glaubte daran, dass er jemals irgendetwas Nettes sagen und auch ernst meinen konnte.
„Ich hoffe ihr hattet alle ein schönes Wochenende?!“ Mehrere Schüler verdrehten die Augen. Selbst diese wussten, Capo war einfach nicht sozial genug, um diese Frage nun wirklich gestellt zu haben. Ein Schreiberling den er sich selbst gekauft hatte, musste ihm geraten haben so etwas zu sagen.
„Ich habe eine kleine Rede vorbereitet, die ich euch nun gerne vortragen möchte.“ Das Schnaufen der Schüler war nicht zu überhören und alle hätten am liebsten das Gebäude verlassen, wenn nicht die Wächter vor der Tür gewesen wären. Die Reden von Capo waren immer zum Einschlafen, auch wenn er eigentlich das genaue Gegenteil damit erreichen wollte.
„Schüler, Wächter, Freunde und Kameraden, es ist an der Zeit etwas für das Land zu tun. Noch nie gab es so viele Schüler in diesem Land, wie dieses Jahr. Schüler, die gerne die Wächterpositionen einnehmen würden. Ich weiß, dass es schwer für euch ist zu trainieren und zu arbeiten. Ihr seid immerhin noch sehr jung, dafür aber auch gelenkig, stabil und ihr besitzt eine große Aufmerksamkeit. Ihr alle habt eine Gabe dafür und das erwähne ich nicht besonders oft. Ich möchte euch heute auch nicht lange auf die Folter spannen und versuchen so wenig zu reden wie es mir nur möglich ist. Ich habe für fünf von euch jeweils einen Wächtern hier her bestellt, denen ihr die nächste Zeit folgen werdet. Ihr werdet es müssen!“ Der aggressive Klang in seiner Stimme, wurde mächtig hervorgehoben und nicht nur Mary machte es Angst. Selbst Lamia zuckte zusammen und fürchtete sich vor ihrem eigenen Vater. Er war für sie nicht mehr wirklich ein Vater, nur noch der Erziehungsberechtigte, der eben einfach da war und ihr Befehle geben durfte. Die Vaterpflichten hatte er längst an andere Vampire abgegeben. Er fühlte sich einfach nicht mehr verpflichtet. Lamia hatte sich längst damit abgefunden. Georg, ein Wächter und guter Freund von ihr, kümmerte sich ein wenig um ihre Sicherheit und hatte doch schon ein wenig Vatergefühle für sie entwickelt.
Die Tür wurde mit einem lauten Knall aufgedrückt und fünf sehr stabil gebaute Männer schritten herein. Ganz plötzlich wurde es totenstill in dem mit Schülern gefüllten Raum.
Unter den fünf Wächtern war Mors, der schrecklichste Wächter, der je gelebt hatte. „Ich dachte er sei getötet worden?“, fragte Mary sich. „Dieser Typ ist unsterblich.“, meinte Lamia leise und starrte mit offenem Mund und großen Augen auf die fünf Männer.
„Diese fünf Wächter, werden nun fünf Schüler aussuchen, denen sie ihre Fähigkeiten zeigen werden. Glaubt mir, dass wird kein Spaß.“
Wieder zuckten einige zusammen. Dieser Typ hatte einfach etwas unheimlich Kaltes in der Stimme.
Mit stiller Miene und demselben Gesichtsausdruck liefen die Männer durch die Reihen. Die Schüler drängten sich zur Seite, um für sie Platz zu machen. Es war das reinste Gequetsche in dem vollen Raum. Die Angst konnte man jedem Gesicht ansehen. Schweißtropfen sammelten sich auf dem Boden zu kleinen Pfützen.
Der erste den sie sich raussuchten, war Tobias. Er war ein sehr netter, junger Vampir und immer für einen Scherz offen. Doch das hier war lange mehr als nur ein billiger Scherz. Sie rissen ihn aus der Menge und der zuständige Wächter zog ihn zur Tür. Er regte sich nicht und machte keinen Mucks. Das einzige was er tat, er schloss die Augen und schnaufte tief ein und aus. Er hatte hoffentlich noch genug Hoffnung, um alles zu überstehen.
Die nächsten beiden waren die einzigen Zwillinge im Land. Lena und Luna! Sie wurden auseinandergerissen und voneinander fern gehalten. Auch die beiden blieben still, anstatt zu schreien und zu weinen. Capo hatte die Kontrolle über jeden hier im Land, auch wenn Dea die Göttin der Vampire eigentlich die stärkste Macht hatte. Mary mochte beide, daher hoffte sie es würde glimpflich für sie enden.
Die letzten zwei Wächter kämpfen sich den Weg durch die Masse. Darunter Mors! Der nächste war Julian. Mary kannte ihn nicht besonders. Nur vom Hören – Sagen. Er sah nicht schlecht aus und er sollte auch ein recht guter Liebhaber sein, soweit sie es von Ex- Freundinnen von ihm mitbekommen hatte. Er war der erste der einen lauten Fluch ausstieß, doch weiter nichts. Er ließ sich von dem Wächter einfach mitziehen, ohne Gegenwehr.
Mors blieb alleine und stampfte wild durch die Menge. Irgendwie schien er jemanden ganz besonderen zu suchen. Er schaute sich immer wieder um! Alle Schüler an denen er vorbeischritt schlossen die Augen. Wenn er sie als Schüler wollte, war das Leben vorbei.
Schließlich kam er in Lamia und Marys Richtung. Beide dachten sich zuerst nichts, doch als er plötzlich vor den ihnen stehen blieb, waren alle Hoffnungen verloren. Mary fürchtete sich und ihr wurde plötzlich total heiß.
Sie spürte Mors warmen Atem an ihrer Wange. Bis er sich umdrehte und zum Lautsprecher starrte.
„Nimm dir beide!“, schallte es aus dem Lautsprecher. Mors lächelte zufrieden, drehte sich herum und schnappte sie sich die Mädchen am Arm. Sein Lächeln war unheimlich und seine Augen schwarz, mit kleinen roten Stellen im linken Auge. Man erzählte sich Blut sei ihm ins linke Auge getropft, seit dem hätte er diese Kennzeichen. Bei dem Gedanken an diese Erzählung, schüttelte Mary sich. Angst war kein Wort dafür, was sie gerade empfand. Er nahm die Freundinnen unsanft mit zur Tür.
Mary fürchtete sich sehr, da sie nicht wusste was auf sie zukommen würde. Lamia hingegen fürchtete sich überhaupt nicht. Sie war nur enttäuscht von ihrem Vater, der sie einfach mit ihm mitgehen lassen hatte und das Ganze auch noch anfeuerte.
„Okay, das wäre es dann fürs erste. In der nächsten Versammlung werden wir uns, um die nächsten fünf Schüler kümmern. Bis dahin wird fleißig trainiert. Denn wer diese nicht tut, muss mit einer harten Bestrafung rechnen.“ Als wäre nichts passiert, fügte er noch hinzu: „Habt alle noch einen schönen Nachmittag.“
Lautes Gemurmel brach aus und es wurde mächtig Getuschelt.
Mary mochte es nicht, wenn die Leute über sie sprachen. Sie war ein Vampir mit vielen Ecken und Kanten! Sie war viel zu schwach in manchen Situationen, obwohl sie sonst immer taff und mutig wirkte. Sie hatte einen gestörten Humor und ragte zu Wutausbrüchen.
Alle Dinge, die normal waren für einen Vampir, doch ihre Gefühle waren stärker und sie hatte sich selbst noch nicht wirklich unter Kontrolle. Ihre Mutter hatte ihr immer wieder Tricks gezeigt, wie sie ihre innere Mitte fand, doch Mary fand es Blödsinn. Yoga, Akkupunktur etc.

Kapitel 2




Cornelius befand sich immer noch auf dem Rücken dieses Monsters, Ja so konnte man den Mann mittlerweile nennen und egal wie viel er sich wehrte, es gab nicht auf. Nein... es griff noch fester zu, sodass er es noch weniger schaffen konnte. Irgendwann ließ er es bleiben. Es mussten sich schwere Abdrücke auf seinen Oberschenkeln befinden, von dem festen Griff dieses eigenartigen Mannes.
„Was wollen sie denn von mir?“, schrie er den Mann an, doch dieser erwiderte ihm nur einen fiesen Blick. Okay, kein Wort mehr. Die Schmerzen wurden schlimmer und die Angst überwuchs die Neugierde. Als der nächste große, grüne Hügel überwunden war konnte man in der Ferne schon einige Häuser erkennen. Sie sahen recht altmodisch aus. Der Putz schien nicht besonders gut verputzt worden zu sein und die Fenster wirkten von weitem recht alt und dunkel.
Eine eigenartige Stadt und noch nie war er hier gewesen. Cornelius dachte kurz an eine Geisterstadt, doch schnell vergrub er den Gedanken wieder. Geisterstadt! Pah!
Der Unbekannte lief immer weiter in Richtung dieser Stadt und nach wenigen Minuten konnte man ein dunkles Schild erkennen, welches am Eingang hing.
Lamia Patriae! Vielleicht war das der Name der Stadt? Daneben stand ein weiteres Schild. In Großbuchstaben konnte man FUGA darauf lesen.
Der Gigant betrat die Stadt und wurde sogleich von einem weiteren seiner Art angesprochen. Er war muskulös und groß. Seine Haare leuchteten in einem dunklen schwarz auf und seine Augen glitzerten, dunkel. „R, hast du...“, er stoppte und schaute Cornelius an, „Wen hast du uns denn hier mitgebracht?“ Er lächelte und Cornelius lief ein kalter Schauer über den Rücken. In diesem Lächeln steckte so viel Bosheit, dass er sich erneut fragte, wo der Mann ihn hingebracht hatte.
„Dr. Cornelius Sainfeld. Er ist ein Professor und auch Wissenschaftler, daher dachte ich Capo wird sich freuen.“ Er redete über ihn, als könnte Cornelius nicht besonders gut hören. Doch er mischte sich nicht in das Gespräch ein. Einer war schon genug und zwei von dieser Sorte, das konnte er vergessen.
Seine Vermutung, dass alles hier alt war bestätigte sich jedoch. Als er sich umschaute, sah er nur alte Holzhäuser. Manche von ihnen sahen aus, als hätte ein Brand den Großteil vernichtet. Ein paar wenige waren aus Stein und noch vollständig. Wie es in Innen aussah konnte er ja nicht beurteilen, obwohl er glaubte, dass es nicht viel besser war, als von außen.
„Dann bringe ihn gleich zu Capo. Er wird sich sicher freuen!“ Cornelius fragte sich, wer dieser Capo war? Er hatte die Vermutung, dass es ihr Chef, ihr Anführer sein konnte, was nicht besonders gut für ihn war. Wenn diese Typen schon drei Köpfe größer waren als er, wie würde wohl ihr Chef aussehen. Kalter Schweiß tropfte von seiner Stirn und er fürchtete sich.
„Ich hoffe auf eine Beförderung.“ Dann grinsten sie sich an und gingen ohne etwas hinzuzufügen aneinander vorbei.
Anscheinend waren sie nicht die besten Freunde. Vielleicht gute Bekannte!
Eine lange Zeit gingen sie gerade aus, um schließlich aus dem hellen Teil des Landes in einen düsteren Ort zu gelangen. So weit wie Cornelius es erkennen konnte, sahen die Häuser hier nicht besser aus. Alt und verdreckt. Vielleicht waren sie überhaupt nicht mehr bewohnt. Vielleicht war das alles hier wirklich eine Geisterstadt? Er schüttelte den Kopf. Wie konnte er so etwas denken? Eine halbe Stunde in diesem Land und er wurde verrückt? Das konnte doch nicht möglich sein. Wie würde er jemals wieder hier herauskommen? Sein größtes Bedauern war, das niemand ihn vermissen würde, wenn er hier gefangen genommen werden würde. Er hatte keine Familie, keine Freunde und so wirklich auch kein Leben. Sein einziger Trost war immer seine Arbeit gewesen. Sobald er zurück in sein kleines, armseliges Häuschen musste, in dem die Leere regierte, wurde ihm ganz anders. Öfters konnte er nachts nicht schlafen, da er fürchtete jemand könne ihn angreifen. Nachts, wenn er schlief und unvorbereitet war. Er hatte sich einen Baseballschläger neben sein Bett gelegt, zur Sicherheit. Schlaftabletten waren meistens die Lösung, doch er wurde immer mehr Immun dagegen, sodass er nicht besonders lang schlief. Seit einer Woche hatte er jede Nacht nur noch drei Stunden Schlaf, wenn er lange schlief und er hatte sich morgens schwer zur Arbeit geschleppt. Sie machte ihm seit einiger Zeit auch nicht mehr viel Spaß. Kurz hatte er darüber nachgedacht zu kündigen, doch den ganzen Tag in seinem Haus zu bleiben, hatte den Gedanken überspielt.
Cornelius schloss die Augen und versuchte nicht mehr daran zu denken, doch es klappte nicht so wie er es wollte. Sein Wunschdenken: Er wollte eine nette, liebevolle Frau, die er auch verwöhnen konnte,
vielleicht auch Kinder. Aber eigentlich wollte er nur geliebt werden.
Als er plötzlich wieder Boden unter den Füßen spürte, fühlte er sich, trotz des unbekannten Ortes und den mysteriösen Typen, sicher.
„Was wollen sie von mir?“, schrie Cornelius. Er fühlte sich wie eine kaputte Platte, die immer wieder einen Satz wiederholte, es nichts brachte und als nervig angesehen wurde.
„Klappe und mitkommen!“, schnauzte der Mann ihn, in seiner tiefen Stimme, an und zog ihn unsanft mit sich.
Cornelius hatte keine Ahnung, welchen Weg er gehen musste, um wieder nach Hause zu kommen, daher hatte er keine andere Wahl, als mit ihm mitzugehen. Sie traten vor ein Haus, was zwischen den anderen, durch die Schönheit hervorstach. Neben der einfach gestalteten Holztür hingen zwei rote Banner herunter auf denen schwarz Ultionem und Pugna stand. Eine große schwarz, rote Fahne flatterte darüber im Wind auf ihr war das Wort Dea mit weißem Garn draufgestickt.
Er merkte, dass es eindeutig nicht seine Sprache war, die sie hier normalerweise Sprachen. ‚Pugna‘ bedeutete Kampf und ‚Dea‘ war das lateinische Wort für Göttin. Da hatten sich die fünf Jahre Latein, doch ein wenig gelohnt. Von wegen, dass braucht man im späteren Leben eh nicht mehr. Er musste sich ein Grinsen verkneifen. Er hatte zwar auch in der Medizin mit anderen Sprachen zu tun, aber nie hatte er viele Wörter, die er im Unterricht gelernt hatte, gebraucht.
Die Wände waren aus Pflasterschein und ließen das Gebäude anmutig wirken. Edel und Förmlich! Es war wunderschön!
Die Fenster waren mit Rollladen abgedeckt, aber schon allein der Rahmen ließ Cornelius Staunen. Ein einfacher Holzrahmen, der mit Einkerbungen ein wahrhaft schickes Ambiente darstellte. Eine Wellenlinie aus Silber, zierte sich in den Kerbungen über die gesamten Rahmen. Kleine und doch ausschlaggebende, goldene Punkte, waren zwischen die einzelnen Wellen gepinselt.
Auch aus dem Pflasterstein blitze, wenn man genauer hinsah, ab und zu etwas Goldenes heraus.
Märchenhaft! So etwas hatte Cornelius noch nie gesehen und er war schon viel gereist.
Die Beiden Männer betraten das Gebäude, durch die geschnitzte Holztür. Cornelius kam aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus. Innen sah alles noch zauberhafter aus.
Links und rechts von ihm führten lange Gänge zu vielen Türen. Der Boden war mit einem edlen, blau, goldenen Teppich fast bedeckt und es hingen Bilder von atemberaubenden Künstlern an den Wänden.
‘di Caprio oder Rubens, auch da Vinci hatte sich in diesem Gebäude verewigt.
Wie alt würde dieses Gebäude wohl sein? Vor ihnen ragte eine riesen Treppe mit goldenen Stufen und einem roten Teppich darüber, aus dem Boden. In das Geländer, aus kostbarem Palisander, waren Schriftzeichen eingraviert.
Cornelius stand mit offenem Mund davor und staunte. Hier war es so anders, als in dem ersten Viertel in dem er gewesen war. So luxuriös und adelig. Vielleicht wohnte hier auch ein König oder eine Königin. Er hoffte ein bisschen, dass es eine Königin war. Diese konnte man meistens leichter um den Finger wickeln.
Plötzlich schritt eine junge Frau, um die 20 die Treppe herunter. Ihr hellrosa Kleid aus feinster Seide schmiegte sich so traumhaft an ihren schlanken Körper an, dass Cornelius sie für eine Fata Morgana hielt. Ihre langen, braunen Locken hatte sie hochgesteckt und ihr Gesicht war anmutig und schön. Ihr Make up fiel kaum auf und war nur so dezent aufgetragen worden, dass es natürlich wirkte.
„Wer ist sie?“, fragte Cornelius, doch er bekam keine Antwort. Wieso hatte er sich gedacht, diesmal würde er ihm eine Antwort geben. Der Mann war wahrscheinlich genauso erstaunt und hatte ihm gar nicht zugehört.
Graziös schritt sie die Treppen hinunter. Ihre Highheels klackerten auf der Holztreppe. Sie waren an ihr Bein angepasst und schlängelten sich bis zu ihren Knien, silber und rosa verziert. Sie passte perfekt in dieses Gebäude. So attraktiv und begehrenswert.
Langsam kam sie auf Cornelius zu und streckte ihm ihre Hand entgegen.
„Guten Tag, wen darf ich in meinem Schloss willkommen heißen?“ Er nahm ihre Hand und küsste sie, während er einen Knicks machte.
„Cornelius Sainfeld! Gnädige Frau, dürfte ich auch ihren Namen wissen. „Lamia von Sanguinem! Ich bin erfreut sie kennen zu lernen Herr Sainfeld.“ Ihm gefiel es nicht, dass sie sich nicht duzten. Er wünschte sich, er hätte eine bessere Beziehung zu ihr. „Nein, mir ist es eine Ehre, eine so hübsche Frau kennen zu lernen.“ Er merkte wie sich ihre Wangen etwas rot färbten.
„Frau?!“, sie grinste, „Das bin ich noch nicht, auch wenn ich vielleicht so aussehe. Ich bin erst 17.“
Er hätte sie viel älter eingeschätzt. So 25!
„Oh, es tut mir leid. Sie beleidigt zu haben.“
„Das haben sie doch überhaupt nicht.“ Sie kicherte leicht. Ihre Stimme ging in ihn hinein und versetzte ihn kurz in einen Schockzustand. Er merkte nicht, dass er immer noch ihre Hand hielt.
Sie nahm sie aus seiner Gewalt und begrüßte den Mann neben ihm.
„Guten Tag, Raptor! Wie geht es ihnen heute?“ Der Mann nickte nur. „Ich fragte, wie geht es ihnen heute?“ – „Gut meine Hoheit. Ich kann nicht meckern.“
Cornelius war erstaunt, wie sehr die Prinzessin den Mann unter Kontrolle hatte. Raptor hieß er also, der geheimnisvolle Fremde.
„Wieso bin ich hier?“, fragte Cornelius Lamia von Sanguinem. „Sie haben hier etwas zu erledigen. Mein Vater, bat Raptor sie hier her zu bringen. Wieso genau, müssen sie mit meinem Vater klären.“ Dann wandte sie sich wieder Raptor zu. „Sie sind ein toller Wächter und ihr Name hat sich ihn alle Situationen bis jetzt bewahrt.“... Raptor?... Cornelius überlegte vielleicht war es auch lateinisch? ... Raptor?... Er wusste er hatte dieses Wort schon einmal gehört. Vielleicht auch in der Schule? Dass er sich daran noch erinnern konnte, verwirrte ihn. ... Raptor... , natürlich. Raptor war lateinisch und hieß Entführer.
Dieser Name passte wie die Faust aufs Auge zu ihm.
„Herr Sainfeld. Bleiben wir beim du. In Ordnung?“ Er nickte und sie lächelte. „Also Lamia, wo kann ich ihren... ich meine deinen Vater finden?“ – „Du wirst ihn nicht zu Gesicht bekommen. Er zeigt sich nicht. Selbst ich kenne ihn nur unter einer Maske. Du musst ins Turmzimmer nach oben und dort wird er mit Lautsprechern zu dir Sprechen.“ – „Und wie komme ich nach oben ins Turmzimmer?“ Er verfolgte ihre Hand, welche die Treppe hinauf zeigte, mit den Augen. „Du musst diese Treppe nach oben. Dann links in eine Metalltür. Du wirst sie erkennen. Dort alle Treppen hoch und dann bist du im Turmzimmer. Ich werde meinem Vater bescheid sagen, dass ihr eingetroffen seid und Raptor auf sie wartet eine Beförderung...“
Cornelius hörte nicht mehr hin und machte sich auf den Weg ins Turmzimmer.


Sebastian hatte, hinter einem Busch versteckt, zwei Männer in das Gebäude laufen sehen. Er wäre ihnen hinter her gelaufen, doch er war nicht besonders beliebt in Fuga. Die Wächter suchten ihn schon lange. Öfters war er vor ihnen geflüchtet, doch immer wieder zog ihn etwas zu diesem Gebäude. Was es genau war, wusste er nicht. Es sah so nobel und hochwertig aus.
Selbst die Banner konnte er deuten. Ultionem bedeutete Rache, Pugna, Kampf und Dea war die Göttin. Vampire waren ihrer Göttin ausgesetzt. Was sie befahl wurde getan. Auch wenn Sebastian glaubte, es war alles nur Einbildung.
Sein Stamm hatte seit Jahrhunderten keine Göttin bzw. keinen Gott mehr gehabt. Sie brauchten ihn einfach nicht. Jeder war sein eigener Gott. Jeder bestimmte selbst was er zu tun und zu lassen hatte und es klappte bis jetzt eigentlich immer recht gut. Natürlich gab es auch Vorgesetzte, wie z.B. Eltern die ihren Kindern schon Dinge befehlen durften, aber es gab keinen Chef, der über das ganze Land bestimmte.
Sebastian hörte Schritte und machte sich kleiner. Der Wächter der eben das Gebäude betreten hatte, verließ es gerade wieder und schaute sich genau um.
Sebastian wusste, dass das was er hier gerade machte lebensgefährlich war, doch er konnte nicht anders. Er musste wissen was in diesem Gebäude war. Die magische Kraft die es auf ihn ausstrahlte war zu schön, um es einfach links liegen zu lassen.
Da er nicht besonders beliebt bei den Vampiren war, hatte seine beste Freundi¬n ihm immer verboten ins Vampirland einzutreten. Aber er provozierte nun mal einfach gerne!
Vampire waren aber sowieso nicht gut auf Engel zu sprechen. Lange hatte ein Krieg zwischen den beiden Stämmen geherrscht, aber die Engel konnten triumphieren. Seit dem hatte es keine Schwierigkeiten zwischen den Stämmen mehr gegeben. Bis auf Kleinigkeiten. Engel wurden im Vampirland festgenommen und anders herum.
„Es wurde ein Eindringling gesichtet!“, meinte der Wächter und ein anderer gut gebauter Mann kam zu ihm. „Wo?“, fragte dieser. „Im Pflichtenviertel, aber die Chance, dass er nun noch da ist, beträgt circa 0.1%. Eine Nachricht wurde an die Wächter überbracht, nach ihm zu suchen.“
„Sind alle Wächter benachrichtigt worden?“
„Ja! Jede Gruppe soll Ausschau halten, aber den Platz nicht verlassen. Wir werden uns hier also genauer umschauen müssen.“
Nun wurde es brenzlig für ihn. Die Wächter würden ihn finden, wenn er am selben Platz blieb. So versuchte er, im Schutz der Büsche, sich davon zu schleichen. Seine Hände drückten sich tief in den Weichen Erdboden, der unter ihm nachgab. Durch die Dornen an den Büschen, wurden große Löcher und Risse in seine Kleidung geritzt und er würde Zuhause einiges erklären müssen.
Plötzlich blieb er abrupt stehen. Ein Wächter bewegte sich direkt auf ihn zu. Durch ein kleines Loch in den Büschen, konnte er die Beine des großen Mannes leicht erkennen. Wieder einmal hatte er es geschafft!
Bevor die Füße weiter zu ihm kommen konnten hörte er auf einmal ein lautes Rufen. „Hey!“ Es war eine weibliche Stimme. Sebastian erkannte sie sofort.
Seine Freundin! Was hatte sie hier zu suchen? Sie würde sich nur in Schwierigkeiten bringen! Er hätte es hier irgendwie schon wieder heraus geschafft. Immerhin war er geübt in solchen Sachen.
Leider siegte sein Herz in einer Schlacht gegen seine Vernunft!
Er wollte gerade aus den Büschen herausstürmen und schreien, als ihm etwas von hinten den Mund zuhielt. Ein brummen kam nur heraus und er wurde nach hinten gezogen.
„Na, du kleiner Ausreißer.“

Kapitel 3




Nachdem Mary noch einige Übungen mit Mors gemacht und er sie ganz schön in die Mangel genommen hatte, machte sie sich auf den Weg nach Hause. Lamia war schon vorher ins Schloss zurückgekehrt. Raptor hatte sie während dem Training gerufen. Er hätte einen Menschen für ihren Vater gefangen.
Und nach schließlich 10 Stunden ausführlichem Training schlenderte Mary den Weg zu ihrem Elternhaus zurück. Ihre Beine und Füße schmerzten und der Schweiß tropfte ihr von der Stirn.
Sie freute sich auf Zuhause. Der Gedanke sich mit etwas Essen in ihr Bett zu werfen, gab ihr die Kraft, um die letzten Meter bis zu ihrem Haus zu schaffen. Mors hatte sie ganz schön fertig gemacht. Er hatte immer wiederholt, dass sie stark werden müssten und dass bald ein großer Krieg geführt werden müsse. Mary hatte große Angst gehabt. Er hatte sie beide angeschrien und ihnen immer wieder befohlen zu tun was er sagte. Sie schüttelte sich, als sie daran denken musste. Ihre Hoffnungen, dass es in den nächsten Tagen besser werden würde verließen sie schnell. Die kleine Teerstraße die vor ihrem Haus vorbeilief war ihr Recht. Dort fuhren nicht besonders viele Autos, wodurch nicht viel Krach zu ihrem kleinen Haus kam.
Als sie ihr kleines Fachwerkhaus vor sich erkannte, konnte man ein großes Lächeln erkennen. Es war nicht groß und auch nicht Einzigartig. Alle Häuser in der Nachbarschaft sahen genauso aus. Doch Mary spürte etwas in diesem Haus, was es besonders und einzigartig machte.
Lamias Schloss war ein Prachtexemplar eines Hauses. Mary war nicht oft dagewesen. Meistens hatte es Lamias Vater verboten oder Lamia wollte selbst nicht, dass sie es betrat. Aber schon allein die Außenfassade machte einiges her.
Mary befand sich trotzdem lieber in ihrem Haus und nicht in dem von Lamia. Sie hatte hier immerhin ihr ganzes Leben gelebt und in Vampirjahren war sie schon 79. In zwei Tagen hatte sie ihren 80sten Geburtstag und sie wollte ihn ausnahmslos feiern, wenn Capo es erlauben würde, aber sie hatte gute Chancen.
Vor der Haustür klopfte sie ihre Schuhe ab und schnürte sie sich auf. Ihre Mutter bestand immer auf Sauberkeit. Sie schloss die Tür auf und öffnete sie. Mary zog sich ihre Turnschuhe aus und die Hausschlappen an.
„Hey, mum! Ich bin wieder zu Hause. Was kann ich essen? Der Wächter hat mich heute ganz schön in die Mangel genommen.“
Ihre Mutter erschien im Türrahmen des Wohnzimmers. Sie war blass und ihre Augen trieften und waren vollkommen rot. . „Was ist los?“, fragte Mary besorgt und schaute sich ihre Mutter genauer an. „Hast du geweint?“ Es kam keine Antwort, doch Mary machte sich zu große Sorgen um es einfach zu vergessen.
„Es ist alles in Ordnung. In der Tüte auf dem Ofen sind noch Brötchen und wir haben auch noch ein bisschen Wurst im Kühlschrank.“ Dann knallte sie die Wohnzimmertür zu.
Mary war verwirrt, doch konnte nun nichts weiter tun. Daher machte sie sich ein Brötchen und verschwand nach oben in ihr Zimmer. Im oberen Stockwerk befanden sich nur ihr Zimmer und ein Bad. Unten waren alle anderen Zimmer und ein weiteres Badezimmer. Das Schlafzimmer ihrer Mutter grenzte an das Wohnzimmer und das Bad und die Küche konnte man vom Flur aus betreten.
Die Einrichtung war schlicht und einfach gehalten. In den Zimmern stand nur das Nötigste. Dekorationen? Fehlanzeige!
Keine Blumen oder Pflanzen!
Keine Bilder oder Poster!
Keine Kerzen!
Nichts!
Mary fläzte sich in ihr Bett und kramte eines ihrer Bücher aus der Schublade.
Ihr Leben war ziemlich einfach gewesen, bevor sie als Wächter aufgenommen worden war. Sie hatte keinen besonderen Tagesablauf gehabt. Meistens hatte sie ihrer Mutter geholfen. Nachdem sie aufgenommen worden war, hatte sich alles geändert. Die Beziehung zu ihrer Mutter hatte sich um einiges verschlechtert und der Kontakt zu Lamia war gestiegen. Sie fühlte sich besser und endlich hatte sie das Gefühl, ihr Leben hätte einen Sinn. Wächterin zu werden war schon immer ihr Traum gewesen. Nachdem sie drei Kapitel gelesen hatte legte sie das Buch wieder zurück und entspannte sich. Mors hatte ihren Körper ganz schön auf die Probe gestellt, aber so schlimm wie sie sich ihn vorgestellt hatte war er nicht.
„Mary. Lamia ist hier! Möchtest du das ich sie hochschicke?“, schrie ihre Mutter von unten. „Ja!“, schrie Mary zurück und im nächsten Moment klopfte es auch schon gegen ihre Zimmertür. Die beiden Mädchen fielen sich in den Arm und Mary fragte gleich, was der Wächter von Lamia genau gewollt hatte. „Raptor hat den Wissenschaftler gefangen, den mein Vater schon lange sucht Dieser Typ schien echt nett zu sein, außerdem schmeichelte er mir. Ich habe mich in ein Kleid geworfen und sie begrüßt. Mehr war da nicht, dann bin ich gleich wieder hier her zu dir.“
„Was den für ein Wissenschaftler? Wozu braucht dein Vater ihn?“ – „Ich weiß es nicht genau, nur das es etwas mit dem Bluttrinken von uns zu tun hat. Irgendwann werden wir es schon erfahren.“ Die beiden grinsten sich an und verließen das Haus.
Bis in die späte Nacht gingen sie spazieren und redeten über Jungs, Kleidung und andere typische Mädchen-Themen. Die Schmerzen in Arm und Bein waren vergessen, doch als Mary alleine wieder nach Hause kam, spürte sie es wieder.
Ihr Bett war ihr recht. Eigentlich hatte sie geplant noch nach ihrer Mutter zu schauen und zu fragen was denn los sei. Doch ihre Mutter hatte sie nirgendwo im Haus auffinden können.

Sebastian wusste, er hatte richtig Mist gebaut. Er versuchte sich aus den Griffen, der Person hinter ihm zu befreien, aber vergebens. Sie war ihm einfach überlegen, was Muskelkraft anging, daraus schloss er, dass es ein Mann sein musste. Auch der Stimme nach zu urteilen. Sie gingen auf das Gebäude zu, doch statt hineinzugehen, bogen sie nach rechts ab. Dort befand sich eine Tür die in den Keller führte. Der Mann öffnete diese, mit einem DNA-Check und einem Codewort.
Vor ihnen befand sich ein Gefängnis. Sebastian schloss die Augen. Er würde nie wieder das Tageslicht zu sehen bekommen. Außer er schaffte es irgendwie hier heraus, was sehr zweifelhaft war. Der Mann packte ihn am Nacken und warf ihn in einen mit Gitterstäben verschlossenen Käfig. „Wenn du nicht brav bist, wird dir schlimmeres Wiederfahren. Also mach keine Dummheiten!“ Sebastian nickte nur. Mehr blieb ihm auch nicht übrig. Er hätte von Anfang an auf seine Freundin hören und das Vampirland nie betreten sollen. Nun hatte er das Schlamassel. Sie war doch noch irgendwo?! Vielleicht konnte sie ihm hier heraus helfen? Wieso war er eigentlich nicht erst zu Capo gebracht und dann in den Käfig geworfen worden? Er schaute sich um. Ein paar alte Schüsseln, mit verschimmelten Kartoffelstückchen lagen herum und neben ihm erwachte gerade ein weiterer Gefangener. Sebastian kannte ihn. Er war auch ein Engel und hieß Leo.
„Na, haben sie dich auch erwischt?“, fragte Sebastian und Leo nickte. „Wieso bist du hier?“
„Ich wollte nur Ausschau nach meiner Schwester halten, die sich hier irgendwo herumtreibt. Aber frag mich nicht wieso sie hier ist.“ Er grinste. „Warst du schon einmal hier?“, fragte Sebastian, doch Leo schüttelte den Kopf. „Nein! Wie auch? Wenn du hier einmal bist, kommst du hier nicht mehr weg. Du musst die ganzen Gefängnisse abklappern und in jedem eine bestimmte Zeit bleiben, dann bringen sie dich um.“
„Woher weißt du das, wenn nie jemand hier heraus gekommen ist?!“
„Mein Großvater hat es geschafft und hat mir dann ganz detailliert davon erzählt. Es wird nicht schöner für uns, glaub mir.“
„Dann ist es halt soweit. Ich treibe mich sowieso viel zu viel hier herum. Jetzt kommt die Abreibung.“
„Ich hoffe wir bekommen hier wenigstens ein bisschen was zu essen?!“
„Ja! Hoffe ich auch!“
Das Gespräch endete und die beiden Schwiegen sich nur an. Mit der Erkenntnis, dass man bald sterben würde, lebte es sich in diesem Gefängnis besser. Man musste sich keine Hoffnungen machen und an diesen verzweifeln. Die getrockneten Blutflecke auf dem Boden sagten schon einiges aus.
Plötzlich konnte man leise Tritte hören. Jemand kam zu ihnen. Vielleicht ein weiterer Gefangener? Vielleicht war es Capo ja persönlich? Oder einfach nur ein Kontrollbesuch. Als die Schritte immer lauter wurden und es immer mehr schallte, wurde Sebastian richtig übel. Sein Bauch schmerzte und auch wenn er es nicht zugeben wollte, er hatte Angst, vor dem was ihn in den nächsten Wochen vielleicht auch Monaten erwarten würde. Große Angst!
Ein großer Mann kam zu Sebastians Käfig, öffnete die Tür und zerrte ihn heraus. Sebastian machte keinen Mucks. Er konzentrierte sich darauf, dass seine Freundin ihn vielleicht noch befreien konnte. Er wurde nicht weit gebracht. Ein paar Meter weiter, wurde er in einen anderen Käfig geworfen. Dieser jedoch, war ganz abgeschirmt von der Außenwelt. Die Wände waren aus dickem, hartem, grauem Stahl und dadurch undurchdringbar für Ton und Auge. Der Boden wirkte aus demselben Material gemacht. Doch oberhalb der doppelt gesicherten Stahltür befand sich eine Kamera. Ein winzig kleiner schwarzer Punkt, der nicht besonders auffiel, doch Sebastian bemerkte ihn gleich. Wurde er nun beobachtet? Der Mann warf ihn mit dem Rücken gegen die gegenüber liegende Wand. Sein Schulterblatt knackste laut und sein Rücken verdrehte sich. Die Schmerzen waren unerträglich, doch er wusste, das war noch Kinderkram. Die Tür fiel laut krachend ins Schloss und der kleine schwarze Punkt fing an rot zu leuchten. Es war stockdunkel und Sebastian konnte nichts mehr sehen, bis auf diesen kleinen roten Punkt über der Tür.
Im Gefängnis der Engel, ging es viel ruhiger und gewaltloser zu. Engel und Vampire waren einfach viel zu verschieden. Sebastian konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, weswegen der Krieg eigentlich geführt worden war. Wahrscheinlich nur eine Kleinigkeit, die zwischen einem Engel und einem Vampir stattfand und dann hatten sich alle eingemischt. Es war immer so und ihn regte es total auf, dass die beiden Länder keinen richtigen Frieden mit einander fanden. Vampirmädchen waren meistens auch viel hübscher als Engel. Er grinste kurz, doch plötzlich fing das Licht grün zu leuchten. Eine kalte, tiefe Männerstimme fing an mit ihm zu reden: „Guten Tag! Du hast es also in den Beobachtungsraum geschafft. Gute Arbeit!“ Ein böses Lachen erklang. „Willkommen Sebastian!“ Einen kurzen Moment fragte er sich, woher er seinen Namen kannte, aber er war hier schon so oft gewesen und so oft vor den Wächtern weggerannt, dass sie seinen Namen bestimmt irgendwo herausbekommen hatten.
„Ich weiß, du fürchtest dich vor mir und vor dem was dir passieren wird. Aber ganz so schlimm wird es nicht, denke ich!“ Wieder ein Böses Lachen, diesmal aber mehr in Richtung eines Kicherns. Schrecklich! „Vielleicht ein paar Peitschenschläge und kaum etwas zu essen. Du wirst wahrscheinlich früher sterben, als du das für möglich hältst. Daher denke ich, wird alles sehr milde für dich ausfallen. Schwächlinge bekommen nicht die Höchststrafe!“ Er ließ sich normalerweise nicht so runtermachen, aber nun musste er es über sich ergehen lassen. Soweit er es erkannt hatte, war es Capo der zu ihm sprach und dieser hatte eindeutig die größeren Chancen, wenn es zu einem Kampf kommen würde. Außerdem war er kein Schwächling... naja... vielleicht hatte er kaum Muskeln und war nicht groß und auch nicht breit, doch sein Kopf gab einiges her, was man nicht von ihm dachte. Er war nicht stark aber schlau und deswegen war er den Wächtern bis jetzt auch immer entkommen. Sie waren groß, breit und muskelbepackt, aber ohne viel Hirn. Er hatte immer darin seinen Vorteil gesehen.
„Wir werden gleich damit anfangen! Vielleicht siehst du ein, dass es ein Fehler war sich im Lamia patriae herumzutreiben.“ Diesen Triumph wollte er Capo nicht auch noch geben, auch wenn er es schon ein wenig bereute.
Ein Wächter öffnete die Tür mit einem Knarren und stellte sich vor Sebastian. Er hatte vier Ketten in der Hand und mit diesen ging er nun auf Sebastian zu. „Du gehst so schnell nirgendwo hin!“ Dann legte er ihm die Ketten an Hand- und Fußgelenke und band sie an zwei Hacken an der Wand. Sebastian hatte keine Chance. Seine Gelenke schmerzten und er fühlte sich schrecklich. Mit diesen Teilen, kam er sich noch mehr vor wie ein Schwerverbrecher. Er wehrte sich nicht dagegen, weil er wusste, er würde nichts ändern können und seine Kraft wollte er noch nicht ganz verbraten.
Seine einzige Hoffnung war, dass seine Freundin ihn finden und befreien würde.


Cornelius ging mit ein wenig Angst die Treppen hinauf. Diese Frau von eben, hatte ihn einfach umgehauen. Weswegen er das hier alles eigentlich tat. Oder nicht?
Als er die erste Treppe hinaufgetreten war, schaute er sich nach einer Metalltür um. Doch keine war zu sehen, so ging er ein paar Schritte in den rechten Gang hinein. Auch wenn er nicht auf die Tür stieß, entdeckte er eine Menge anderer Türen. Diese Villa war riesig!
Der rote Teppich auf dem Boden zog sich über den gesamten Flur. Er war so prachtvoll. Ihm war es eine Freude und Ehre hier in diesem Haus herumzustolzieren. Er fühlte sich königlich bei jedem Schritt. Diese Bilder die herumhingen und das Mosaik, das sich an vielen Wänden und Türen abzeichnete, faszinierten ihn. Er hatte so etwas, in seinem ganzen Leben, noch nie gesehen. Als er schließlich die Metalltür gefunden hatte, wollte er sie gar nicht erst betreten, doch die Neugier und der Gedanke von diesem Gebäude vielleicht überrascht zu werden, trieben ihn schließlich doch dazu, sie zu öffnen. Sie quietschte und knarrte, als wäre sie lange nicht mehr benutzt worden. Und wie er es sich gedacht hatte, befand er sich nun in einem alten Turm. Die Steintreppe mit den vielen Stufen nach oben und die Wände, aus hartem, grauem Stein waren wunderschön. Die kleinen Fenster, durch die man nicht besonders viel sah, ließen ein wenig Licht hindurch und dadurch war es warm hier. Die Luftfeuchtigkeit lag sehr hoch und er fing jetzt schon an zu schwitzen. Cornelius legte den Kopf in den Nacken. Der Blick nach oben!
Als er sich fertig umgeschaut und alles inspiziert hatte, machte er sich an die elend lange Treppe. Die ersten Stufen nahm er mit Leichtigkeit, doch dann ging ihm die Kraft aus. Er schleppte sich nur noch nach oben, indem er sich am Treppengeländer, ebenfalls aus Stein, immer wieder hoch zerrte. Seine Arme hielten seinem Körper nicht mehr stand und schon viel er mit den Knien auf eine Kante der Steintreppenstufe. Es schmerzte! Blutete schon so stark, dass seine Hose sich rot färbte. Was hatte er nur angestellt? So hatte er sich die Überraschung nicht vorgestellt. Das Blut tropfte auf den warmen Stein und verdunste ein wenig. Eine lange Blutspur, die sich bis nach unten ziehen würde, wollte er nicht verursachen. Daher zog er ein Taschentuch aus seiner linken Hosentasche und hielt es an sein Knie. Doch auch dieses war schnell von seinem Blut verschmutzt. Der Schweiß tropfte auf sein Knie und er ließ einen Schrei los. Es brannte wie verrückt und wurde nicht besser. Der Blutfluss ließ sich einfach nicht stoppen.
Plötzlich hörte er ein leises Rascheln, doch er konzentrierte sich nur auf sein offenes Knie. Das Rascheln wurde immer lauter und er hoffte, niemand würde ihn hier sehen. Er machte dieses schöne Gebäude total schmutzig und das mit Blut. Mit seinem Blut! Cornelius schrie auf. Ein Mann stand vor ihm. Er hatte total weiße Augen, keine Pupille und starrte ihn an. An seinen Lippen hing Blut und seine Zähne waren ebenfalls rot. Seine Eckzähne waren lang und Cornelius fürchtete sich. Der Augenlose atmete tief ein und aus und kam Cornelius bedrohlich näher. Sollte er Angst haben? War das seine heiß ersehnte Überraschung? Der Mann drehte den Kopf ein wenig nach links, doch Cornelius ließ er nicht aus seinem Blickfeld, wenn er mit diesem Augen überhaupt etwas sehen konnte. Als Cornelius bemerkte, dass er Mann nicht blinzelte und er ihm immer näher kam, beschloss er, trotz des schmerzenden Knies, wegzurennen. Und das tat er. Er rannte! Rannte so schnell er konnte die Treppen hinauf. Er hoffte, der Mann würde ihn nicht einholen, doch seine Hoffnungen blieben nicht lange. Die Treppe war lang, viel zu lang. Der Mann stand wieder vor ihm und starrte ihn genauso an wie vorher. Cornelius blieb still stehen. Starr vor Angst. Was war das hier nur für ein komisches Land? Erst der Bodybilder-Typ und nun dieser hier, der nicht aufhörte ihn mit seinen weißen Augen anzustarren. Die außerdem noch weit geöffnet waren. „Was wollen sie von mir?“, fragte Cornelius, doch der Mann drückte sein Gesicht immer weiter an das von ihm heran. Seine Haare waren schwarz, aber kein normales. Es war schwarz wie die Nacht, vielleicht mit einem kleinen Blauschimmer und es glänzte. Ganz eigenartig.
Was machte er nur hier? Wieso schubste er ihn nicht einfach weg und rannte weiter die Treppe hinauf? Vielleicht war das Ziel doch nicht mehr so weit entfernt, wie er dachte?!
Sein Herz pochte. Er fühlte sich ähnlich, wie bei dem Mann der ihn hier her verschleppt hatte, doch diesmal war seine Angst viel größer. Der Bodybilder hatte normal ausgesehen, doch das hier, war nicht mehr real. Er musste schlafen. Schnell rieb er sich die Augen und zwickte sich in die Seite. Mit erschrockener Miene bemerkte er. Alles hier war Real! Er schlief nicht!
Schließlich hörte er auf seine Vernunft und drückte den Mann mit einem harten Schubs gegen das Treppengeländer. Schnell rannte er weiter. Immer mit der Angst!
Als er die eiserne Tür erkennen konnte, entspannte sich sein Körper ein wenig und er spürte sein Knie wieder schmerzen. Jetzt ging es nicht mehr darum, das er sich um sein Knie kümmerte, sondern darum seinen verdammten Arsch zu retten. Er fluchte laut und stolperte die letzten Stufen nach oben. Seine Hand konnte gerade noch so den Türgriff erreichen und drückte ihn mit wenig Kraft herunter. Er stürzte zu Boden und robbte sich mit den Armen in den Raum. Sein Knie schliff am Boden entlang und eine weitere Blutspur entstand. Dann warf er sich mit dem Rücken gegen die Tür, die laut ins Schloss fiel. Er hoffte, er hatte den Mann abgehängt und dieser schaffte es nicht hier herein zu gelangen. Ein lautes Brummen war zu hören und dann klopfte jemand gegen die Tür. Cornelius stemmte sich mit aller Kraft, mit dem Rücken, gegen die Tür. Sie öffnete sich immer einen kleinen Spalt und der Mann klemmte seine Hände zwischen Tür und Rahmen. Schnell drückte Cornelius und die Hand wurde zerquetscht. Knochen knacksten laut und es folgte ein schmervoller Aufschrei. Das Blut floss in den Raum und widerte Cornelius an, doch um sein Überleben ging es und da musste er nun durch. Sein Herz rutschte ihm in die Hose und er musste plötzlich dringend zur Toilette.
Ein lautes Quietschen und eine männliche Stimme ertönten. „Lass ihn in Ruhe, Psych!“ , schrie sie und der Druck gegen die Tür verschwand. Cornelius Körper entspannte sich und er ließ die Schultern hängen. Nun konnte er sich um sein Knie kümmern. Nur was sollte er tun? Es blutete immer noch heftig und er wusste, wenn es das weiter so tat würde er verbluten. Er versuchte mit der Stimme Kontakt aufzunehmen. „Danke!“, meinte er freundlich. Immerhin hatte sie sein Leben gerettet. „Nichts zu danken. Ich muss mich herzlichst für Psych entschuldigen. Er mag nun mal keine Fremden und er ist ein treuer Diener. Ich sagte ihm niemand soll in den Turm und daran versuchte er sich zu halten. Nun ja. Seine Hand wird wieder, keine Sorge. Sie haben ihm nicht wehgetan. Er übersteht das.“ Er wollte nicht zugeben, dass er höllische Angst hatte. „Hat er immer so weiße Augen und keine Pupille?“ Die Männerstimme räusperte sich und meinte schließlich: „Nein, nur wenn er Blut riecht!“ Cornelius erstarrte. Wenn er Blut riecht? Was war das hier für ein Land? Süchtig nach Blut? Er schüttelte sich. Eine schreckliche Vorstellung war das. Ein Glück, dass er es bis hier rechtzeitig geschafft hatte. „Kann ich irgendwo mein Bein behandeln lassen? Es blutet ziemlich stark und ich denke lange halte ich das nicht mehr aus, ohne das Bewusstsein zu verlieren.“ Ein Pieps Ton ertönte und der Mann fing wieder an zu sprechen: „Keine Sorge, ich werde gleich jemanden hoch schicken, der sich darum kümmert. Oh ja, wie ich sehe werde ich das wohl schnell tun müssen. Wir wollen sie am Leben behalten.“ Der Mann schien recht nett zu sein, so wie er sich gab. Außer diese leichte Kälte in seiner Stimme. Die beunruhigte Cornelius ein wenig, doch ihm zu vertrauen war besser, als hier zu verbluten.

Kapitel 4




Die nächsten beiden Tage zogen sich in die Länge. Mary war jeden Morgen dabei aus ihrer Mutter etwas herauszuquetschen, doch diese sprach einfach nicht mehr. Dann um die Mittagszeit trainierte sie mit Lamia und Mors und war am späten Abend wieder Zuhause. Sie konnte ihren Geburtstag einfach nicht erwarten. In den beiden Nächten schlief sie nicht viel und ihre Aufregung stieg mit jeder Sekunde. 80 war ein heiliges Alter. Nach diesem Geburtstag galt man als Volljährig, im Vampirland, und konnte sich als 18 ausgeben. Lamia und sie würden diesen Tag gewaltig feiern.
Als es dann endlich soweit war. Der morgen ihres Geburtstags war da.
Marys Wecker klingelte und sie sprang mit einem Satz aus ihrem Bett. Noch nie war sie so schnell aufgestanden und gleich so hellwach gewesen. Sie zog sich etwas ordentlich an. Heute war es eine lange schwarze Jeans und ein hellblaues T-Shirt mit U-Ausschnitt und Paietten. Sie wollte sich nicht zu sehr aufmotzen, da es gleich noch zum Training ging. Passende Ohrringe legte sie sich bereit, um sie später noch anzustecken. Es war ein tolles Gefühl endlich 18 bzw. 80 zu sein. Ein Jahr der Menschen waren in Vampirjahren ca. zehn Jahre. Der Alterungsprozess stoppte nicht, wie in Büchern und Sagen, die man so las. Vampire führten ein normales Leben, bis auf eine Sache. Das Bluttrinken!
Es war eine schreckliche Sache, erst Recht für diejenigen die Gewalt verabscheuten. Einmal im Monat mussten Vampire sich nähren und das von Menschen. Viele hatten auf Vampirblut umgeschaltet und nährten sich vom Partner, doch es hielt nicht besonders lange und gab auch nicht viel Kraft und die brauchte Mary in ihrem Leben. So ging sie jeden ersten Montag im Monat in die Stadt zum Jagen. Sie mochte es ganz und gar nicht, auch wenn sie die Erinnerungen des Menschen danach wieder löschte. Die Wunde verschwand, sobald der Vampir am Ende mit der Hand darüber strich. Das darüber Streichen musste nur sofort danach passieren, sonst blieb die Wunde eine stink normale Verletzungswunde. Außerdem durfte nur nachts gejagt werden. Bis auf die Vampire die Halbmenschen waren, wo Mary zugehörte. Diese konnte auch Tagsüber das Menschenland betreten. Ein Problem gab es dann doch noch. Männliche Vampire mussten sich vom weiblichen Geschlecht ernähren und anders herum. So einfach es schien, so war es nicht. Ihre Mutter hatte ihr immer erzählt, dass sie es gehasst hatte. Ihr Vater war ein Mensch gewesen und ihre Mutter hatte es gehasst ihm wehzutun. Doch von einem anderen hatte sie es nicht nehmen wollen. Das wäre in Richtung Betrug und Verrat gegangen. Bluttrinken war hier nicht die Lieblingsbeschäftigung eines Vampirs, auch wenn es immer so erzählt wurde. Wie viele Bücher hatte Mary über ihre Spezies bereits gelesen?! Und in allen hatten die Vampire unterschiedliche Kräfte, doch galten irgendwie nie als richtige Menschen. Untot wurden sie genannt und Kreaturen der Hölle. Auch wenn Mary schmunzelte ihr war nicht wohl dabei, wenn sie solche Sachen las. Sie waren nicht untot, sie lebten wie stink normale Menschen. Auch konnte man nicht einfach ein Vampir werden. Entweder man wurde so geboren oder man war keiner und konnte auch kein Vampir werden. Viele Schwierigkeiten hatten sie den Menschen bis jetzt auch nicht gemacht. Sie wussten nicht, dass es sie gab und darüber waren Vampire sehr froh. Sie lebten in einem eigenen Land und kümmerten sich einen Scheiß um die Probleme der anderen Welten. Welten...? Ja, es gab noch eine andere Welt, welche nicht besonders geschätzt wurde in Lamia Patriae. Die Welt der Engel! Es hatte einen langen Krieg zwischen den Welten gegeben und Mary hatte dadurch ihren Vater verloren. Soweit sie es von ihrer Mutter erfahren hatte. Sie hasste die Engel und würde sie nie auch nur ansatzweise mögen können.
Schnell rannte sie die Treppen hinunter und legte sich fast noch hin. Ihre Mutter stand im Flur und weinte. Ihr Gesicht war aufgedunsen und ihr Haar nass und verklebt. „Mum, was ist los?“, fragte Mary. Es musste etwas sein! Und an ihrem Geburtstag wollte sie nur Freude und keine Traurigkeit, in ihrer Familie und in ihrem Freundeskreis, welcher nicht groß war. „Es ist nichts! Ich bin nur so stolz auf dich. Du bist nun schon 80! Es ist so schön, wenn ein Kind erwachsen wird.“, ihre weiche, weinerlich Stimme war nun schon so leise, dass Mary es kaum verstehen konnte. „Aber...“, bevor sie zu Ende gesprochen hatte, nahm ihre Mutter sie in den Arm. „Herzlichen Glückwunsch Mary! Mein Kind!“ Mary erwiderte die Umarmung, doch verwirrt. Etwas war hier gewaltig faul. „Mein Kind! Ich werde dich für immer festhalten und wenn ich dich nur einmal loslasse, werde ich mich selbst bestrafen!“ Ihre Stimme wurde mit einem leichten aggressiven Klang zu etwas eigenartigem. „Mum, irgendetwas stimmt nicht und ich will nun genau erfahren was es ist. Wenn du es mir nicht sagst, werde ich dich loslassen, dann ist es mir egal was du machst. Ich rieche eine gewaltige Lüge!“ Ihre Mutter klappte vor ihren Augen zusammen. Warum hatte sie das nur gesagt? War sie noch ganz dicht im Schädel?!
„Es tut mir leid!“, meinte sie und half ihrer Mutter wieder auf die Beine. Sie setzten sich ins Wohnzimmer, auf ein blaues Ledersofa und nach einer kurzen Pause fing ihre Mutter an zu Sprechen. „Mein Kind.... Ich habe so Angst um dich. Du darfst mir nicht weggenommen werden.“ Mary hatte kurz den Gedanken, ihre Mutter hätte zu Drogen und Alkohol gegriffen, so wie sie plötzlich sprach. „Du nimmst mir nicht mein Kind!“, schrie sie und legte die Arme wieder um Mary. „Mum, was ist los? Hast du getrunken oder irgendwelche Drogen genommen?“ Mary Stimme versagte ein wenig, bei dieser Frage. „Nein, mein Kind! Ich bin bei klarem Verstand, aber ich will dich nicht hergeben. Du bist mein Kind!“ Mary verstand die Welt nicht mehr. Wieso redete ihre Mutter so einen Schwachsinn. Ihr würde sie doch nicht weggenommen werden?! Außerdem, wieso nannte sie sie ständig mein Kind, so wurde Mary noch nie genannt. „Mum, was ist los? Ich will es wissen? Es geht mich vielleicht auch etwas an!“, nun wurde sie wütend. Wenn ihre Mutter ihr etwas verschwiegen hatte, sollte sie jetzt rausrücken. Die letzten Wochen war sie schon so komisch gewesen. „Ich bin nun Volljährig, ich werde es schon verkraften.“
„Nein, dass wirst du nicht mein Kind!“ Jetzt fing sie wieder an zu weinen. Na super... So würden sie hier noch Jahre sitzen... „Jetzt erklär mir doch mal was los ist!“ Es war keine Frage mehr, sondern ein Befehl. Mary hatte es lange genug ruhig versucht. Wenn es nicht anders aus ihrer Mutter herauszubekommen war, dann musste sie es mit Wut versuchen.
„Mein Kind... Es tut mir so schrecklich leid...“, sie stoppte und schnäuzte sich die Nase in eines der Taschentücher, die auf dem Tisch lagen. „Mein Leben hat ohne dich einfach keinen Sinn mehr. Sobald du Tot bist, werde ich mich auch umbringen, um zu dir zu kommen.“ Vielleicht war sie doch auf Drogen? „Wieso sollte ich sterben?“, fragte Mary geschockt. Ihre Mutter erzählte bestimmt nur Unsinn. Sie konnte es nicht glauben. Auch wenn sie versuchte ernst zu bleiben, dass hier war alles wahrscheinlich nur ein Schauspiel oder so etwas? Eine Verarsche?
„Es tut mir leid. Mein Kind!“ Wieder drückte ihre Mutter sich fest an sie, doch diesmal schob Mary sie wieder von sich weg. „Bevor du mir nicht erzählt hast, was los ist, werde ich das nicht mehr zulassen.“
„Aber mein Kind!“ Mein Kind, mein Kind... sie soll zum Punkt kommen. „Du wirst sterben!“ Dann brach es aus ihrer Mutter heraus, wie die Tränen aus ihren Augen. „Als ich dich bekommen habe, gab es viele Schwierigkeiten. Es werden nicht oft Halbvampire geboren und darum hatten die Ärzte noch nicht so die Ahnung davon. Du solltest wenn du überhaupt das Licht erblicken würdest, sofort sterben und das wollte ich so sehr verhindern.“ Wieder schnäuzte sie sich ihre Nase. „Ich liebte dich, schon bevor du überhaupt auf der Welt warst. Außer dir hatte ich ja niemanden. Seit dein Vater im Krieg gestorben war. Ich war so alleine und verzweifelt, dass ich Dea zur Hilfe rief. Der Pakt war nicht gerecht, aber ich wusste um dich zu gebären und in meinen Armen zu halten, musste ich ihn eingehen. Dea bat mir an, dich 80 Jahre lang zu behalten. An deinem 80sten Geburtstag solltest du dann von Wächtern abgeholt und ihr als Opfer dargeboten werden.“ Sie stoppte wieder. Mary musste es erst einmal verkraften. „Du hast mich nicht sterben lassen. Weißt du eigentlich was du mir hier gerade antust. Du zerstörst mein Leben! Mein ganzes schönes Leben, was in der Vergangenheit liegt zerbricht, durch einen bescheuerten Pakt.“ Mary hatte sich nicht unter Kontrolle und schrie. Sie war so wütend auf ihre Mutter, dass sie das zugelassen hatte.
Als ihr jedoch bewusst wurde, dass ihr 80ster Geburtstag heute war wurde sie wieder ruhiger. „Am Anfang dachte ich, es ist ja lange hin bis du 80 wirst. Doch mit der Zeit merkte ich, dass die Jahre schneller vergingen als ich dachte. Vor einer Woche ca. hat die liebe Dea mir einen Besuch gestattet und mich, nett wie sie ist, darauf hingewiesen, dass es in einer Woche schon soweit ist. Mary ich hatte es vollkommen vergessen.“
„Ausreden! Du wolltest mein Leben unbedingt zerstören und hast dir gedacht, sage ich meinem Kind erst an ihrem letzten Tag, dass sie sterben wird. Auf so eine Mutter scheiß ich. Wirklich!“
„Aber ich wollte es nicht! Alles habe ich doch nur gemacht, weil ich dich liebe!“
„Weil du mich liebst?! Hättest du mich geliebt wärst du gar nicht erst auf den Pakt eingegangen!“ Die Tonlage beider wurde immer lauter und schrecklicher. „Mary, ich habe dich so sehr geliebt. Ich war blind vor Liebe. Dumm und egoistisch, aber was soll ich denn jetzt daran ändern? Ich habe eingesehen, dass es ein Fehler war. Was glaubst du, weswegen ich mir jeden Tag die Augen aus dem Kopf geheult habe.“
„Das macht es jetzt auch nicht besser. Willst du jetzt, dass ich Mitleid mit dir habe? Das habe ich aber nicht. Du hast es eindeutig verschissen! Bei mir und auch bei meinem Vater. Wenn er noch dagewesen wäre, hätte er dich nie so etwas tun lassen.“
„Fang jetzt nicht mit deinem Vater an. Er hat hiermit nichts zu tun!“
„Ja und da bin ich auch froh drüber.“
Der heftige Streit wurde durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. Marys Mutter fing wieder in Strömen an zu weinen und Mary öffnete vorsichtig die Tür.
„Ja...“, fragte sie leise. Ein stabil gebauter Mann stand vor der Tür. Musste ein Wächter sein. Ein Wächter der sie abholen wollte! Im Hintergrund standen noch viele weitere. In ihrem Kopf schwirrte alles durcheinander. Sobald der Wächter sie anfasste, war es vorbei. Eine einzige Chance gab es noch! Flucht, bevor sie sie erwischten!
„Mum, ich kann das hier nicht zulassen und dich kann ich nicht mehr ertragen. Vielleicht wirst du noch einmal von mir hören, vielleicht aber auch nicht.“ Mehr sagte sie zum Abschied nicht mehr. Sie nahm sie auch nicht in den Arm. Dafür war sie viel zu wütend.
Dann schmiedete sie den Fluchtplan. Die Vordertür war umstellt. Die Hintertür? Ein Versuch war es wert. „Sie müssen nun mit uns kommen!“, forderte der Wächter. Mary schaute ihn grimmig an und meinte frech: „Wenn sie mich erwischen komme ich mit.“ Dann rannte sie zur Hintertür. Vielleicht hatte sie ja Glück. Der Flur schien viel länger als sonst zu sein?! Sie betete, doch was brachte es. Dea war sowieso gegen sie. Die Hintertür schwang auf, bevor sie sie erreicht hatte. Ein weiterer Wächter stand davor. Scheiße! Mary fluchte so laut sie konnte und drehte sich um. Der Mann war nicht schnell, da er viel Gewicht mit sich herum tragen musste. Und schlau waren die Wächter sowieso nicht. Um sich schnell etwas zu überlegen blieb keine Zeit mehr und Mary hatte ihren Kopf nicht sortiert, daher funktionierte ihr Hirn nicht. Die Treppe war ihr einziger Ausweg, doch wohin dann? Das Zimmer ihrer Eltern hatte einen Balkon! Schnell rannte sie dorthin, doch auch dort war ein Wächter positioniert. Ihre Angst stieg, ihr Herz hämmerte und ihr Puls raste. Schneller und schlauer als sie durfte heute niemand sein. Nächste Möglichkeit. Übers Dach! Auch wenn es riskant war, vom Dach zu springen. Sterben würde sie sowieso und ein Versuch war es wert. Die Treppe zum Dachboden war offen, was ein großes Glück war. Es war doch gut, dass Mary dieses Haus ausgesucht hatte. Nun bewahrte es sich. Hinter sich hörte sie immer wieder Schritte und Ketten rasseln. Schleppen diese Deppen die Ketten mit? Sie grinste und fing an ein wenig zu lachen. Was für Idioten! Null Grips!
Der Dachboden war erreicht. Ohne sich umzuschauen, rannte Mary in Richtung des kleinen Fensters.
Sie öffnete es schnell und zwängte sich hindurch. Mitten drin blieb sie kurz stecken, doch das hielt sie nicht auf. Als sie auf dem Dach stand trat sie mit voller Kraft den Fenstergriff von innen ab und knallte es zu, bevor die Wächter sie erwischen konnten. Die schleppen wahrscheinlich immer noch die Ketten, die Dachgeschosstreppe hinauf. Wieder grinste Mary. Eine Verfolgungsjagt mit den Wächtern konnte auch Spaß machen. Das Fenster würde von Innen nicht mehr aufgehen und sie machte es bestimmt nicht freiwillig auf. Als sie an die Spitze des Daches balancierte spürte sie den Wind durch ihr Haar fahren. Sie fühlte sich... frei! Das war es. Einfach gut!
Sie schaute nach unten und bemerkte, dass mehr Wächter als nur drei ums Haus positioniert waren. Mindestens zwanzig Stück begutachteten ihr Haus, mit Messer und Ketten in den Händen und Taschen. Wie kam sie nun lebendig hier herunter und lebendig unten wieder an? Sie schloss die Augen und ging kurz in sich. Dann suchte sie sich eine Stelle aus, an der die wenigsten Wächter standen. Sie schauten noch nicht einmal hoch zu ihr. Stattdessen drehten sie ihre Messer in der Hand umher und spielten damit. Mary verdrehte die Augen. Die sollen unser Land beschützen?! Nein, danke! Sie stellte sich an die äußerste Kante und schloss erneut die Augen. Nun würde sie springen und wenn es gut ausgehen würde, würde sie wieder heil auf dem Boden landen. Kratzer waren ihr egal, sie wollte die Sache nur überleben. Danach musste sie sich sofort wieder aufraffen und weiter rennen. Sie war dann nur aus dem Haus entkommen. Massenweise weitere Wächter, würden sich ihr in den Weg stellen. Aber sie hätte eine größere Ausweichchance als hier.
Sie machte sich bereit und ... sprang! Das Herz rutschte ihr in die Hose. Doch der Sprung dauerte nicht lange. Schnell plumpste sie wieder auf die Erde. Wächter starrten sie an. Sie jedoch nahm keine Rücksicht auf sie. Ohne nachzudenken sprang sie auf und machte einen Freudensprung. Dazu musste etwas Zeit bleiben. Dann rannte sie davon. So wie sie es vernahm, rannten alle Wächter hinter ihr her. Es war ein schreckliches Geräusch. Stampfende Füße, raschelnde Ketten und brüllende Männer. Alle schrien nach ihr und Aufmunterungsrufe zur Mannschaft. Sie ließ sich nicht abbringen. Rannte einfach weiter. Der Wald war ganz in der Nähe und sobald sie über die Grenze war, war es vorbei und sie hatte gewonnen. Außer unter den Wächtern waren Halbvampire dabei, wobei sie das eigentlich ausschloss. Wie viele Menschen hatten versucht Dea auszuweichen und keiner hatte es geschafft. Wenn sie die erste wäre, würden sie viele im Lamia Patriae und hauptsächlich in Fuga vergöttern. Sie hatte sich gegen den Willen Deas gestellt und gesiegt. Ein wenig Freude kam in ihr hoch.
Doch zuerst musste sie es bis zur Grenze schaffen.
Der große Wald tat sich vor ihr auf und sie erstaunte bei dem Anblick. Er war so riesig. Mary hatte ihn sich nicht mal ansatzweise so groß vorgestellt. Mit offenem Mund rannte sie in Richtung des Waldes. Dort musste sie durch. Vorher war sie nicht sicher. Die Grenze lag mitten im Wald und war dadurch nicht zu sehen. Doch Vampire spürten es sofort. Sobald sie bei Tagesanbruch über die Grenze schritten, wurde ihnen sofort die Luft abgeschnürt. Selbst Halbvampire spürten den Druck auf ihren Lungen. Doch sie konnten sich in der anderen Welt aufhalten. Nicht lange, aber sobald es wieder dunkel wurde war alles in Ordnung und es war wie im Lamia Patriae. Deshalb musste sie aber nachts am meisten aufpassen. Sie fürchtete eines Nachts dann schließlich doch erwischt zu werden.
Sie redete schon von Wiedereinfang, doch sie war noch nicht einmal richtig abgehauen. Die Wächter hinter ihr wurden immer leiser, das hieß sie hatte sie etwas abgehängt. Doch ihr ging auch irgendwann die Puste aus. Sie war noch nicht im Wald! „Komm schon! Du kannst jetzt nicht schlapp machen Mary! Tu es für dich und...“ Sie hatte niemanden für den sie es noch tuen konnte. Lamia war zwar ihre beste Freundin, aber für sie würde sie auch hier nicht überleben. Und ihre Mutter konnte sie gleich abhaken. Wegen ihr hatte sie das ganze Schlamassel hier ja erst. Die Wut machte sie schneller und pumpte ihre Ausdauer nach oben. Sie atmete stark ein und aus und fühlte sich, als würde sie alles vor sich wegpusten. „Nur noch wenige Meter!“ Immer wieder versuchte sie sich selbst anzuspornen, um das Tempo das sie stark vorlegte bei zu behalten. Das hier war kein Ausdauerlauf der Juniorwächter, dass hier war der volle Ernst und es ging um ihr Überleben. Als ihre Seite schrecklich anfing zu stechen und zu schmerzen wollte sie anhalten, doch im Hintergrund waren die Stimmen der Wächter zu hören und sie rannte einfach weiter. Seitenstechen war das schlimmste was man bekommen konnte, auf einer Flucht oder einem Ausdauer –Wettkampf. Stiche durchzogen ihren Körper und sie krümmte sich ständig, doch es hörte nicht auf. Vorsichtig versuchte sie ihre Atmung zu kontrollieren. „Langsam und ruhig!“ Sie musste es einfach schaffen.
Wie lange war sie eigentlich schon unterwegs? Gefühlte Stunden, doch als sie einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr warf, merkte sie, dass sie erst seit fünf Minuten rannte. Das Stechen in ihrer Seite hörte langsam auf und sie erreichte den dunklen Wald. Es war gruselig hindurch zu laufen, doch ihr blieb keine andere Wahl. Es war schon lange zu spät zum Umdrehen, obwohl eine höhere Strafe als den Tod gab es nicht. Vielleicht? Nein! Was redete sie sich denn nun schon wieder ein. Ihr Kopf war eindeutig noch nicht bereit zu denken. Wie konnte sie an so etwas denken? Ihre Flucht war vollkommen richtig und es gab keinen Grund sich umzudrehen.
Die Bäume schienen sie anzustarren. Mary hoffte sie waren auf ihrer Seite. Ein Grinsen konnte sie sich nicht verkneifen. Der Gedanke die Bäume würden an der Seite stehen und sie mit Fähnchen und Riesenfingern anfeuern war einfach zu komisch.
Plötzlich wurde sie nach hinten gezogen. Der Druck von vorne war ganz eigenartig. Ihre Lunge setzte aus und sie konnte nicht mehr Atmen. Hastig schnappte sie nach Luft, doch vergebens. Sie trat noch einmal einen Schritt nach hinten. Ihre Lunge war wieder in Ordnung und sie atmete tief und kräftig ein und aus. Hier musste also die Grenze sein. Langsam atmete sie auf der Vampirseite aus und ein. Es würde sie eine Menge Luft kosten die Grenze zu überschreiten.
Schon hörte sie wieder die Wächter hinter sich herumschreien. Wie in der Steinzeit. Riesige Typen kamen mit lautem Gebrüll auf einen zu. Das Beste wäre, wenn sie auch noch Knüppel und Steinschilder in den Händen gehabt hätten. Schnell huschte Mary auf die andere Seite. Ihre Luft wurde ihr wieder abgeschnitten, doch lange nicht so schlimm wie eben. Sie atmete ein paarmal ein und aus und es ging ihr wieder super. Sie wusste auch schon genau was ihr nächstes Ziel war.
Nicht weit vom Wald entfernt stand eine kleine Villa oder ein großes Haus, wie auch immer man es bezeichnen mochte. Ihre Schwester hatte dort eine große Unterkunft gefunden und dorthin war sie nun unterwegs!

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Tag der Veröffentlichung: 07.06.2012

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