Cover

Part 1 - Overtüre


Christoph ging durch die wie leergefegten Straßen. Das alte Theater war nicht weit. Es sah schon ziemlich brüchig aus, hatte eine antike Drehtür und der Schalter war so altmodisch, dass er schon wieder In war. Innen sah es auch nicht besser aus. Die alten Samtsessel hatten auch schon bessere Tage gesehen, waren abgenutzt und stumpf. Doch Christoph konnte es sich nicht leisten wählerisch zu sein. Sein Aussehen und sein Geldbestand, wenn man das Geldbestand nennen kann, ließen dies nicht zu. Seine Eltern hatten ihn nicht außer dieses alte Theater hinterlassen und nun musste er hier wohnen. Sie waren Varietekünstler gewesen und sind bei einen Bühnenzusammensturz umgekommen. Ironischerweise war dies das einzigste Spiel außerhalb dieses Theaters gewesen...
Doch schon bald hatte er auch das nicht mehr. Er entdeckte das Plakat gleich als er um die Ecke kam. ,Abrissbescheinigung' stand darauf. Ungläubig sah der blonde Junge auf diese riesige Schrift vor ihm. Er konnte es nicht glauben, durften die das überhaupt? Es war sein Heim, er war sein Besitzer und... Ach, was sich darüber aufregen? Er war ja nur ein 17 jähriger Junge. Dreckig, verwahrlost und ohne jede Bedeutung. Er ging hinein. Er würde wirklich seine Sachen packen müssen... Und dann?? Wohin? Warum lebte er dann noch??? Nein, er würde sich nicht der Schmach hingeben auf der Straße zu wohnen. Wieso... Wieso lebte er noch? Er entschied, dass dies eine gute Frage sei. Er hatte seine Sachen in die Ecke geworfen, sich auf einen alten Theatersessel gepflanzt. Er döste vor sich hin. Christoph war gerade von seiner Arbeit gekommen, doch auch die wollten ihn dort auch nicht mehr sehen. Sie hatten ihn heute fristlos gekündigt. Kein Geld, kein Wohnort... Wozu noch leben? Und da war sie wieder, diese bestimmte Frage. Warum noch leben? Und... wie gesagt... eine sehr gute Frage... Christoph hob träge seinen Kopf. Wo war denn hier was scharfes? Er sah sich müde um. Seine Augen, die sonst die Farbe von Smaragden hatten, schienen jetzt abgenutzt und stumpf. Er stand mühselig auf und suchte sich etwas für seine Pulsschlagadern. Endlich hatte er gefunden, was er gesucht hatte. Das Messer war stumpf, vielleicht auch etwas ,zu' rostig. Also, wenn er nicht an Blutverlust sterben würde, dann an Blutvergiftung. Vielleicht doch keine so gute Idee. Er zweifelte für einen Moment, ließ das Messer sinken. Mit einen stumpfen Knall fiel es auf den Boden. Nein, das war nicht effektiv genug. Wie dann? Wieder versank er in dieses grüblerische Schweigen. Christopf hörte gedämpft die Geräusche von draußen. Die Passanten, wie sie sich abfällig über dieses alte Gemäuer unterhielten. Die Autos, die laut an diesen Theater vorbeifuhren. Autos... Er war erst siebzehn, hatte selber noch nie eins gefahren... Aber... Aber... Überfahren lassen? Währe das nicht ne Idee? Langsam torkelte er nach draußen. Er entschied, dass er keinen Grund mehr zum Leben hatte. Einfach vor das nächstbeste Auto springen? Oder ein bestimmtes abwarten? Er sah sich die vorbeirasenden Autos an. Ein roter Opel, blauer Volvo... Nein, das war alles nichts für ihn. Doch da... ein, ein metallicfarbener Benz. Christoph schloss die Augen. Das einzige was er noch wahrnahm, war sein rasender Atem und das schnelle Herz. Dann ließ er sich fallen. Reifen quietschten, man konnte sogar den Geruch von verbrannten Gummi ausmachen. Und dann kam es ihn so vor, als ob 10 Vorschlaghammer auch einmal auf seine Seite schlugen. Er wurde meterweit davon geschleudert, gerollt und blieb halb bewusstlos liegen. In seinen Mund konnte er Blut schmecken, auch seine Haare klebten an seine Stirn fest. Wahrscheinlich auch blutverschmiert. Aber das, was er am meisten bedauerte war, nicht tot zu sein. Er hörte Schreie, die entsetzliche Nadelstiche in sein Hirn bohrten. Er spürte seine Beine nicht mehr, aber sein Rumpf schmerzte höllisch. Hätte er es gekonnt, hätte er aufgeschrieen. Dann versank alles in Dunkelheit.

Das nächste was er bemerkte war, dass er quälende Schmerzen hatte überall. Doch nicht in den Beinen. Er bekam Panik, er lebte noch!!!! Sein ganzer Körper litt höllische Schmerzen außer seinen Beinen. SEINEN BEINEN??? Nein, nein, nein, nein, nein... Er kniff die Augen zu. Wieso war er nicht tot? Er wollte tot sein, wollte nicht mehr leben in dieser Welt, die ihn nicht wollte. Doch jemand rüttelte ihn an der Schulter und so gern er noch schlafend gespielt hätte, dieses Rütteln tat brutalst weh und riss ihn aus seinen Gedanken. Wütend starrte er die Person an, die ihn störte, erntete aber einen noch zornigeren Blick, als er hatte. "Ah, der Lebensmüde ist wach, ist schön dich mal kennen zulernen." Christoph erwiderte nichts, sein Blick haftete auf der Gestalt die ihn fast schon schmerzhaft an der Schulter festhielt. Die Augen... Das war das erste was ihn aufgefallen war, die metallgrauen Augen, die ihn aufgebracht ansahen. Hohe Wangenknochen, lange braune Haare, die hinten zu einen Schwanz zusammengebunden waren. Doch immer noch waren die Augen an außergewöhnlichsten. Diese Metallfarbe schien in den Augen zu schwimmen, immer wieder neue Muster zu bilden... Christoph war zu sehr in diese Augen versunken, als das er gemerkt hätte, dass der Kerl ihn schon längst losgelassen hatte. Er wedelte mit der Hand, die er vorher dazu benutzt hatte ihn zu wecken, dem Blonden vor der Nase rum. "Hallo??? Bist du doof oder stehst du nur unter Schock?! Hey, sprich mit mir Freundchen!!" Christoph fing sich wieder. Er rieb seine Augen, als wenn er gerade aus einen fesselnden Traum erwacht war. Fesselnd war das richtige Wort für diese Augen und schon wieder drohte er in ihnen versinken, schloss kurz seine eigenen, atmete tief ein und aus und öffnete sie wieder gefasst. "So, da du nun endlich wach bist, könntest du mir mal bitte sagen, was das den sollte!!!!" Der Typ war wütend. Doch jetzt erst erkannte Christoph die Umgebung, sie waren in einen Krankenhaus. Er fragte sich nicht wie er hier her kam, es könnte ein Krankenwagen gewesen sein... "Sich einfach vor MEIN Auto zu werfen!!!!! Und keinen Dank für die Fahrt in den teuren Wagen, aber Leute deines Standes können sich so was nicht mal vorstellen oder?" Die heiße Wut des Kerls, denn Christoph wusste noch immer nicht dessen Namen, hatte sich in kalten Zynismus verwandelt. Der Braunhaarige fuhr sich ungeduldig durch die Haare und wandte sich dann wieder Christoph zu. Er war die ganze Zeit im Raum herumgelaufen vor überschüssiger Energie. "Ähm..." "Ach, es lebt!!!! - und kann sprechen!!!!" "Halt doch mal den Mund, ich...." "Was ich, rede nur weiter!!!!!!!!!" Sofort war der Typ mit den wunderschönen Augen herumgefahren, hatte sich nach vorne gebeugt, die Hände in die Taschen vergraben und sah ihn stechend in die Augen. Beide funkelten sich gegenseitig an.
Auf einmal kam die Schwester rein mit dem Arzt. Abrupt drehte sich dieser Typ wieder weg und blickte den Arzt lässig entgegen. "Und? Was is' nun?" Der Arzt blickte auf von seinen Protokoll, sah erst Christoph an, dann ihn. "Sind sie von seiner Familie?" "Nein, aber..." "Dann darf ich ihnen nichts sagen und sie müssen bitte draußen warten...", meinte der Arzt nüchtern. Der junge Mann wollte eben auffahren, als er gereizt mit den Schultern zuckte und absichtlich langsam zur Tür schlenderte.
Nachdem er dann endlich draußen war und der Arzt ihn auch noch aufgefordert hatte die Tür zu schließen, fing der Arzt an, sein Urteil zu fällen. "Sie haben Glück gehabt, dass sie noch leben und eigentlich nur ein paar Prellungen, eine Schürfwunde an den Beinen hast... - Die Beine... Können sie sie spüren?" Der Doktor sah ihn aufmerksam an. Christoph versuchte sie zu bewegen, ging nicht. Langsam schlich Panik in ihm hinauf. Doch er versuchte sie zu unterdrücken. Apathisch konnte er nur den Kopf schütteln, doch das schien den Arzt die letzte Gewissheit zu sein. "Das muss nichts bedeuten, nach ein paar Wochen müssen wir weitersehen. Aber bis dahin, werden sie wohl einen Rollstuhl brauchen." Der Arzt sagte das alles voller Routine, keine Emotion lag in seiner Stimme. "Wie heißt ihre Krankenkasse, ihre Eltern?" "Habe keine," presste Christoph nur kalkweiß zwischen seinen Lippen hervor. Er kann nicht gehen, vielleicht nie wieder... Brauchte einen Rollstuhl, war hilflos... Konnte sich nicht mal mehr das Leben nehmen... Er spürte, wie sein Herz aussetzte und dann nur stockend seine Arbeit weiterverrichtete. Voll Schmerzen griff er sich ans Herz und krümmte sich nach vorne zusammen. Doch das schien den Arzt nicht mehr zu interessieren. "Du hast keine Krankenkasse? Schwester, geben sie ihm eine halbe Paracetamol und verlegen sie ihn in ein Mehrfachzimmer." "Ja, Dr. Jacobi." Dann ging der Arzt. Tja, keine Krankenkasse, keine, fast keine ärztliche Versorgung. "Vielleicht kann ich dann doch noch sterben...", murmelte Christoph ganz, ganz leise zu sich selbst, selbst die Schwester, die neben ihn stand hatte es nicht gehört.

Der Typ kam wieder hinein, blickte nicht auf die Schwester und fragte ungehalten: "Was ist nun?" Christoph sah ihn nur stumpf an. Der sonst so harte Blick erweichte etwas, er war ja auch kein Unmensch. Christoph hatte ihm noch nicht geantwortet, aber nun drehte sich die Schwester zu ihm um und maß ihn mit einen scharfen Blick. "Wer sind SIE eigentlich?" "Ich bin derjenige, der ihn herbrachte!", fauchte er sie halb an, er hatte es satt zu warten, wollte endlich wissen was los war. "So?", es klang sehr zweiflerisch, "dann kümmern sie sich mal um ihn, er hat einen schweren Schock erlitten und das mit den Rollstuhl..." "ROLLSTUHL?!", erschüttert hatte Christoph jetzt wieder zum erstenmal gesprochen. Seine Augen blickten starr vor sich hin. Der Kerl sah ihn nur mitleidig an. Dann straffte er sich wieder, er fühlte sich schuldig. "Wann wird er aus den Krankenhaus kommen?" Er hatte sich dabei an die Schwester gewandt, die einen Moment zögerte, als wisse sie nicht, ob sie es ihm sagen durfte, dann aber meinte sie doch: "Wahrscheinlich heute oder morgen, weil er keine Krankenkasse und keine Eltern hat. So habe ICH das jedenfalls aufgenommen." Dann ging sie schnellen Schrittes hinaus, sie hatte offensichtlich schon zuviel verraten. Der Kerl sah ihn nur an. Christoph sah nur in die Decke vor sich, hatte seine Hände in diese gekrallt. Seine Augen schwammen in Tränen, die leise auf die Decke tropften. Der Kerl kam näher, setzte sich an den Bettrand. Zum ersten Mal bereute er es, immer so grob zu sein, aber es war doch wahr, ER hat sich vor sein Auto geworfen!! Er steckte diese Gedanken zurück, jetzt brauchte der Kleine erst mal Hilfe... Sanft strich er ihm an der Wange entlang um ihn zu trösten, bemerkte dann aber, dass er dies bei einen Fremden tat und dieser das vielleicht gar nicht wollte. Doch als er die Hand zurückziehen wollte, griff dieser ihm vollkommen fremde Mensch nach ihr und hielt sie fest. Er zitterte. Als wenn dies sein Rettungsboot wäre... Der Typ sah ihn an. "Ich... Du hast keine Krankenkasse?", war das einzige was ihn über die Lippen kam, dieser Junge sah so gebrochen, so hilflos aus hier im Bett, so unter vielem Weiß begraben... Der junge Mann konnte nur schwach ein Andeuten eines Nickens sehen. "Dann werde ich es bezahlen... Deine Behandlung ... - ... Und dein Rollstuhl." Bei diesen Wort zuckte der Junge nur wieder zusammen. Wieder rannen Tränen seinen Gesicht hinab. "Aber... Aber ich bin nur ein Fremder...", schluchzte der Junge. "Dann tu was dagegen, dass es nicht mehr so ist!!!!!", der Fremde hob die Hand und fuchtelte mit ihr in der Luft herum. "Ich habe mich entschieden. Ich habe das Geld, mach dir da mal keine Sorgen." "ICH WILL ABER NICHT ABHÄNIG SEIN!!!!!! LIEBER TOT!!!!!" Christoph sah ihn wütend an. Seine Augen funkelten wild, gaben seine Entschlossenheit wieder. Er hatte die Hand weggeschlagen, die er zuvor noch so hilflos gehalten hatte. "Jetzt erst recht!", zischte der fremde junge Mann nur und erhob sich. "Ich gebe nur meine Krankenkasse und Adresse an. Auf welchen Namen?" Doch Christoph schwieg verstockt und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. "Na, dann eben nicht, dann gebe ich dafür auch noch meinen Namen an. Ach ja," mit dem Ach ja, wandte er sich noch mal zu den Blonden um. "Denn weißt du ja auch noch nicht, ich heiße Steffen, Steffen Rainless." Dann verließ er das Zimmer. Christoph sah ihn wütend nach. Dieses Arschloch! Er schmiedete Fluchtpläne, doch was nutzte das? Er... er würde nie wieder richtig flüchten können. Wieder liefen ihn Tränen an den Wangen hinab, aber diesmal waren es Tränen ohnmächtiger Wut. Er konnte nichts tun, war hilflos!!!!!!

Da kam dieser Steffen wieder hinein. Das Grinsen auf seinen Gesicht bedeutete, dass er angenommen wurde. Shit. "So... Wo waren wir stehen geblieben? Dein Name, aber plötzlich!" Er knackte fies grinsend mit den Knöcheln. Doch immer noch schwieg Christoph. "Los, vergreif dich doch an einen Wehrlosen. Wir sind sowieso schon im Krankenhaus!", meinte Christoph sarkastisch. Steffen hob die Arme ein wenig. "Darf ich euern geschätzten Namen wissen, eure Hoheit?" Diese Worte trieften nur so vor Zynismus. "Nein." Hart wurde ihn dieses Wort entgegengeschleudert. In Steffens Augen blitzte es auf. Langsam kam er gefährlich näher. Christoph bekam es mit der Angst zu tun. Er sah eine Kälte in Steffens Augen, die er den jungen Mann nie zugetraut hätte. Ängstlich wich er soweit im Bett zurück, wie es ihm möglich war. Doch trotzdem kam der Typ mit den kalten Augen immer näher. Als er das Bett erreicht hatte, beugte er sich über es, stürzte sich mit beiden Händen zu den Seiten des jungen Blonden ab und hauchte eisig, ohne einen Ton Farbe in der Stimme: "Deinen Namen." Er sah ihn dabei stechend in die Augen. "Chrisssss.... Christoph Reeves." "Na also, geht doch." Steffen richtete sich wieder auf und rieb seine Handgelenke. Mit einen Seitenblick meinte er: "Morgen kommst du mit zu mir. Heute will dich der Arzt noch nicht gehen lassen." Dann wendete er sich ab und ging hinaus.

Christoph gefiel es ganz und gar nicht im Rollstuhl zu sitzen. Noch weniger gefiel es ihm, das Steffen ihn schob. Vor einer halben Stunde hatten sie ihn gezwungen sich in dieses Gefährt zu setzen. Nein, Selbstmord konnte er jetzt nicht mehr machen. JETZT nicht... Er blickte sich um, der Park war noch halbwegs grün, verriet aber schon den nahen Herbst. Ein wenig sah er schon golden und rot durch einige Bäume schimmern. Der Altweibersommer hatte ange-fangen. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Weg der vor ihm lag. Warum zum Teufel schob Steffen ihn durch diesen Park? Und als ob er seine Gedanken gelesen hätte, meinte dieser: "Die frische Luft tut dir gut. Atme sie noch mal tief ein, in einer Stunde kommt unser Wagen." Irgendwas in diesen Satz, in diesen Unterton beunruhigte Christoph. Wie sehr wünschte er sich jetzt, davonzurennen - oder tot zu sein. Da war eine Bank, kurzum wurde er daneben abgestellt und Steffen setzte sich darauf. Er verschränkte die Arme hinter den Kopf und sah in den blauen Himmel. Seine metallgrauen Augen funkelten eher belustigt als ehrfürchtig. "So, mein Butler war zwar nicht so begeistert darüber, dass ich einen Fremden aufnehme, aber was soll's. Er kennt meine Launen." "Ach so, dann bin ich nur 'ne Laune für dich?!" Steffen sah ihn überrascht an. "Das kann man jetzt auch falsch verstehen," meinte er hämisch grinsend. Christoph sah ihn wütend an. "Du weißt genau, wie ich es meine!", zischte er zurück. Plötzlich stand der Typ mit diesen unergründlichen Augen genau vor ihn. "Ach, wirklich?" Fies grinsend strich er ihn sanft durch das Gesicht. Entgeistert blickte Christoph ihn entgegen. "Nur ein Scherz, nur ein Scherz. Reg dich doch nicht gleich so auf." "ICH REG MICH NICHT AUF!!!!" "Ach ne?" Wieder troff seine Stimme vor Zynismus. Doch die metallenen Augen schienen belustigt auf. Wieder konnte sich der Junge nicht von ihnen losreißen. "Was denn? Soll ich dich jetzt küssen, oder was?" Die Belustigung hatte sich in Spott verwandelt. Christoph war echt wütend, er sah ihn nur funkelnd an. "JA." Er glaubte nicht, dass sich der junge Mann dies trauen würde und dann hätte er ihn endlich in seine Schranken verwiesen. Doch Steffen beugte sich hinab, schloss langsam die Augen und küsste ihn sacht. So weich lagen seine Lippen auf die von Christoph. Der Junge war verloren, das wusste er schon jetzt... Dann trennten sich ihre Lippen wieder voneinander. Die blauen Augen von Christoph schlossen sich langsam. Was war das eben gewesen? Was hatten sie da getan? Er ließ dieses weiche Gefühl in sich einwirken, bevor dieser Trampel von reichen Schnösel es wieder mit einer seiner geistreichen Reden zerstörte. Doch es kam nichts und als er seine Augen wieder öffnete sah er, dass sich Steffen wieder der Sonne zugewandt hatte, seine Arme ein wenig ausstreckte und auch die Augen geschlossen hatte, so als wollte er alle Strahlen vollkommen auskosten, bevor sie wieder am Horizont verschwand, denn es neigte sich den Abend zu und der rote Schein der untergehenden Sonne schien wunderschön wieder auf Steffens weicher Haut. Doch dann öffnete er wieder die Augen. Der Zauber des Moments war verschwunden, obwohl Christoph ihn doch so gerne ausgekostet hätte. Er fragte sich, warum Steffen dies tat. Sich bei ihm aufnehmen. Er war doch wirklich ein Fremder, der sich nur vor sein Auto geworfen hatte. Steffen drehte sich wieder zu ihm um. Die roten Strahlen schienen ihn über die Schulter und ließen ihn fast wie ein Schatten werden, eine Silhouette eines jungen Mannes doch immer noch stachen die Augen dort hinaus. Sie schienen immer noch so tief, so unergründlich zu sein.

Plötzlich hörten sie ein lautes Hupen. Gekünstelt seufzte Steffen auf und warf die Hände in die Luft. "Unser Taxi." "Perfektes Timing," knurrte Christoph. Dann wurde er einfach geschoben. Sie gingen einen älteren Mann entgegen. Er hatte zwar keinen Bart, aber sein Haar war ein wenig schüttern und er machte einen sehr biederen Eindruck. Seine Augen sahen streng aber gerecht aus. "Anthony, dies ist der Junge von den ich euch erzählt habe." Kurz fragte sich Christoph, WAS er wohl erzählt habe. Der Butler nickte nur. Ein kurzes Grinsen huschte über Steffens Gesicht. Er nahm Christoph einfach auf seine Arme, während Anthony den Rollstuhl einpackte. "Steffen, ich...", weiter kam er nicht. Er wurde ein wenig rot. Steffen sah auf den Jungen in seinen Armen hinunter. Irgendwie berührte es ihn, den hilflosen Jungen auf den Armen zu haben.
Was hatte ihm nur dazu gebracht, sich selbst töten zu wollen? Denn so hatte das ausgesehen. Er war ja nur froh, noch diese elende Gestalt aus den Augenwinkeln bemerkt zu haben. War das etwa Röte auf Christophs Gesicht? Wieso? Es war doch klar, dass er ihn tragen würde, wenn er mit seinen Rollstuhl nicht weiter kam, wenigstens dachte Steffen das. Oder... war es wegen des Kusses? Nur eine Kurzschlussreaktion, nur eine Kurzschlussreaktion!!! Steffen schüttelt den Kopf um die Gedanken aus ihn zu vertreiben. Endlich hatte Anthony diesen Rollstuhl untergebracht und er konnte sich wieder von Christoph trennen. Er setzte ihn ziemlich gefühllos auf den Platz ab. Erst jetzt merkte er, das der blonde Junge seine Arme um ihn gelegt hatte. Christophs Augen funkelten ihn unergründlich an. Schon wieder schwieg der Junge, doch diese, seine Augen sprachen Bände. Er sah weg, wollte sie nicht sehen, wie sie ihn anklagend ansahen. Sie klagten ihn dafür an, dass er ihn nicht getötet hatte.
Er stieg vorne zu Anthony, aber Christoph musste hinten sitzen. Was konnte er auch schon dagegen tun? Er war doch nur ein behinderter Junge... Und das sollte jetzt für den Rest seines kümmerlichen Lebens so bleiben... ? Ihm kamen schon wieder die Tränen. Er hoffte wenigstens, dass Steffen sie nicht bemerken würde. Er wollte nicht auch noch so schwach scheinen. Er drehte sich zum Fenster und sah hinaus. So war es weniger wahrscheinlich, dass der Reiche sie sah. Reich, ja das war er wohl. Hatte einen Butler, eine Limousine, ein... ein RIESIGES Haus.

Erstaut sah der Blonde dem gigantischen Anliegen entgegen, auf den sie zufuhren. Eine große Grünanlage und ein altes Herrenhaus dahinter. Just in diesen Moment fragte sich Christoph, ob Steffen eigentlich noch Eltern hatte und was die sich dabei denken mussten. Seine Tränen hatte er vergessen. "Steffen..." "Sir Steffen, wenn ich bitten darf," sprang der Butler ihn ins Wort. "Nein, sie dürfen nicht Anthony. Er kann mich so nennen!!" Steffen blickte nach hinten und lächelte ihn an, als er die Fassungslosigkeit auf Christophs Gesicht sah. "Was ist denn?" "Hast du noch Eltern?" Anthony wollte wieder etwas sagen, öffnete sogar schon den Mund dafür, ließ es dann aber doch sein. Er konzentrierte sich aufs Steuern. Als ob ihn dies ablenken würde. "Ja, habe ich noch. Aber nur meinen Vater. Meine Mutter, - Gott sei ihrer Seele gnädig -," meinte Steffen noch dazu mit einen kleinen Seitenblick auf den Butler, "starb als ich geboren wurde." "Und... und was sagt dein Vater dazu, dass du so einfach einen Fremden aufnimmst?" Christoph schluckte. Er hatte Angst vor der Antwort. Steffen wandte sich bewusst wieder nach vorne, atmete tief ein und meinte dann: "Er sagte nichts dazu." Sie fuhren nun den langen Weg zum Herrenhaus hinauf. Für einen winzigen Moment fragte sich Christopf, ob sie hier auch behindertengerechte Rollgänge die Treppen hinauf hatten. Dann erschrak er wieder. Ein älterer Herr stand vor dem Tor des Hauses. Er hörte wie Steffen die Luft zwischen den Zähnen ausstieß und leise ihm zuzischte: "Das ist mein Vater, Duke Rainless, der Earl of Highground." "Oh shit." Christoph ahnte nichts gutes. Steffen presste sich fest in den Sitz.
Anthony hielt neben dem Earl an, stieg als Erster aus und hielt dem braunhaarigen jungen Mann die Tür auf. Steffen musste gezwungenermaßen so aussteigen, dass er vor seinen Vater stand. Doch er sah ihn nicht an, sah auf den Boden, drehte sich dann um und nahm Christoph wieder auf den Arm. Anthony holte auf einen kleinen Wink schweigend den Rollstuhl heraus. Es herrschte eine ungemütliche Stille, nur die Geräusche und das Schnaufen von Anthony waren zu hören. Steffen setzte Christoph schweigend in den Rollstuhl und wollte ihn hineinschieben, als endlich die dunkle, melodische Stimme seines Vaters über den Platz schallte: "Steffen, kommst du mal hierher?! - Mit dem Jungen." Steffen zuckte unmerklich zusammen, befolgte aber sofort den Befehl seines Vaters. So standen sie nun vor dem Mann. Christoph besah ihn sich heimlich. Seine schwarzen Haare, die streng nach hinten gekämmt waren, hatten schon hier und dort silberne Strähnen. Sein Gesicht war wettergegerbt, aber seine Augen strahlten genauso hell, wie die seines Sohnes. Auch sie hatten die Farbe geschmolzenen Metalls. Seine Kleidung war etwas altmodisch doch sie stand ihn. Eine rote Weste, schwarze Faltenhose und eine schwarze Krawatte. Das Hemd unter der Weste war blendendweiß. Dann sah Duke auf Christoph hinab. Auch er musterte den Knaben, der vor ihm saß. Steffen wagte es nicht zu sprechen zu beginnen. Sein Vater hatte das Vorrecht als Erster zu sprechen. Er hoffte nur, Christoph würde jetzt keinen Fehler machen. Normalerweise war sein Vater sehr umgänglich, dass ließ ihn hoffen. "Wieso hast du ihn mitgebracht, Sohn?" Augen bohrten sich in Augen. Er wusste, sein Vater verlangte eine Antwort und die würde er auch bekommen. "Er tat mir leid, Vater. Ihr seht bestimmt, dass er nicht gehen -" "Natürlich sehe ich es, ich bin ja nicht blind. Ich habe dich nur gefragt, warum er hier ist. Warum nicht in ein Rehabilitationszentrum, oder bei seinen Eltern?" Bei der Erwähnung seiner Eltern musste Christoph schlucken. Aber er weinte nicht, nein, dass wäre hier total falsch. "Er hat keine mehr Vater, keine Eltern, kein Geld, keine Zukunft ohne-" "Und du willst jetzt seine Zukunft sein? Immer für ihn sorgen, aufpassen, dass er nicht irgendwo stecken bleibt und so weiter?!" Christoph schloss die Augen. Er hatte Angst vor der Antwort, mehr noch als vor den Vater von Steffen.


Part 2 - Melodie


Steffen sah sein Vater herausfordernd an. Dann bemerkte er das Zittern des Jungen vor ihm. Er hatte ihn eine Hand auf die Schulter gelegt zur Beruhigung. Er musste sich ins Gedächtnis rufen, wie er sich dabei fühlen würde. So vor einen fremden Mann zu stehen, sich nicht verteidigen zu dürfen und auf Gnade zu hoffen. Sein Vater sah ihn immer noch stechend in die Augen. "Ja, will ich." Sein Vater sah ihn überrascht an. Er erblickte ein seltsames Funkeln in den Augen seines Sohnes, etwas, was er noch nie bei ihm bemerkt hatte. Ehrliche Sorge. Er hatte sich noch nie um andere gesorgt, was sein Vater auf die mutterlose Kindheit schob. "Wirklich?" Er sprach dieses Wort mit soviel Zweifel aus, dass es ihm fast schon wieder zu hart erschien. "Wirklich, Vater. Würdet ihr uns dann entschuldigen?" Er wollte nicht aufmüpfig sein, aber er wollte Christoph erst mal Zeit geben. Der Earl brummte etwas Unverständliches und ließ sie erst mal ziehen. Erst mal. Er würde ein Wörtchen mit den Jungen reden, wenn sie alleine waren. Langsam wurde es dunkel, bald würde das Abendessen serviert werden.

Steffen fuhr ihn in das riesige Herrenhaus. Die große Eingangshalle war mit roten Teppich ausgelegt. Doch überall führten Treppen hinauf. Christoph sah zweifelnd auf Steffen, der hinter ihn stand und seine Hand auf die Lehne des Rollstuhls gelegt hatte. Ein plötzliches Glitzern durchfuhr die metallgrauen Augen. "Du, Christoph..." "Ja...", antwortete der Junge ängstlich. "Wie findest du meinen Vater? Er ist zwar streng, aber umgänglich." "Wirklich? Mir kam es so vor, als ob er mich hassen würde." "Er hasst dich doch nicht." Christophs Hand verkrampfte sich um die Armlehne. "Glaubst du das wirklich?" Seicht legte sich Steffens Hand auf seine. Er beugte sich zu Christoph hinunter und sah ihn fest in die Augen. "Ja, das glaube ich." Etwas strich Christophs Wange und wischte die einzige Träne hinweg, die sich ihren Weg nach draußen gebahnt hat. Eine einzige von so vielen... Es war Steffens warme, wohltuende Hand gewesen. Er wusste selbst nicht so genau, warum er dies alles tat. Doch Christoph sah so verloren aus... Ein warmes Lächeln huschte über sein Gesicht und er beugte sich hinab und küsste kurz Christophs Stirn. Obwohl er ihn noch fast überhaupt nicht kannte, fand er verband die Beiden etwas. "So, ich werde dir erst mal dein Zimmer zeigen." Er hob ihn einfach wieder aus den Stuhl und sofort schlang der Junge seine Arme um ihn und schmiegte sich angstvoll an die Brust des Älteren. Christoph plagten Zweifel. War es denn recht, sich so Fremden aufzudrängen? Er wollte nicht abhängig sein. Von niemanden! Das ganze Leben hieß abhängig sein und das wollte er nicht. Auf keinen Fall. Doch jetzt... Was wurde jetzt aus ihn? Er durfte sich nicht einfach mehr so umbringen, wusste er doch, dass Steffen um ihn trauern würde. Ein Fremder würde trauern, um ihn... Doch würde er das Leben aushalten? So als... als... KRÜPPEL!!! Nein, dass wollte er nicht... Wollte er nicht...
So versank er immer tiefer in seine Gedankenwelt, nahm nichts mehr wahr was außerhalb von ihr passierte. Nicht die gesäuselten Beruhigungen die Steffen in sein Ohr sprach. "Ruhig, ganz ruhig... Keine Angst..."
Mit den Fuß stieß Steffen eine große Tür auf. Sie führte in einen Zimmer mit einen großen Himmelbett, daneben stand ein kleiner Nachtisch auf den ein Engelskerzenständer war. Das Bett war blau. Es hatte einen nachtblauen Baldachin und auch seine Decke und das Bettzeug waren in der gleichen Farbe. Im Zimmer stand außerdem noch ein großen Eichenschrank. Dieses Zimmer hatte sogar ein riesiges Badezimmer. "Für den Rollstuhl", meinte der junge Hausherr. Er setzte den gehbehinderten Jungen sacht auf das Bett, seine Hände immer noch auf seine Schultern lassend um ihn zu stützen. "Kannst du alleine sitzen?" Christoph sah zwar zu ihn auf, aber Steffen schien es, als würde der Junge durch ihn hindurchsehen. "Hey Christoph, was ist?" Doch dieser antwortete nicht. Seine blauen Augen schienen seltsam leer, als ob er in Apathie gefallen wäre. Steffen sank auf die Knie und war nun Aug in Aug den Blonden gegenüber. Verzweifelt versuchten seine Augen sich in Christophs zu bohren, ihn eine Reaktion zu entlocken. Doch dieser sah ihn nur phlegmatisch an. Er schüttelte ihn an der Schulter und nur langsam fand Christoph seinen Weg zurück in die Wirklichkeit. Erschüttert sah er ihn an. "Steffen... Was...?" "Man ich hatte Angst um dich, tu das nie wieder!!", fauchte der junge Mann ihn an. Doch die metallenen Augen sahen ihn strahlend an. Verzweifelt schlang Christopf seine Arme um Steffen und schluchzte laut in sein Hemd. "Jag mir bitte nie wieder so einen Schrecken ein," hauchte der Ältere ergriffen. Dieses haltsuchende weinende Bündel in seinen Armen berührte etwas in seinen Herzen, etwas er noch nie gespürt hatte. Einen Moment wollte er nur davonrennen, davonrennen von dem was er vielleicht fühlen könnte. Doch das durfte er nicht tun. Der Kleine braucht ihn jetzt. Aber... Langsam löste er sich von Christoph, der ihn nur wiederwillig losließ und zur Seite blickte. Es war ja schon peinlich so zu weinen, aber sich dann auch noch in die Arme eines Fremden zu stürzen... Er war nichts wert. Seine blauen Augen schwammen in den Tränen, die weiter an die Oberfläche drängten, all die Jahre, die er alleine gelebt hatte. Diese Einsamkeit kam ihn jetzt wie eine schrecklich lange Zeit der Lethargie vor. Er hätte hinausgehen sollen, sich nicht in diesem Theater verstecken sollen. Doch jetzt... Doch jetzt konnte er es nicht mehr... Seine Stimme versagte ihn, er wollte schreien. Alle Verzweiflung und alle Einsamkeit davon schreien, doch nicht mal das konnte er. Steffen sah ihn traurig an. "Geht es wieder?", fragte er immer noch besorgt. Christopf nickte langsam und es sah ganz und gar nicht so aus, als ob alles in Ordnung wäre. Aber Steffen wollte ihn nicht bedrängen, er wollte ihn Zeit lassen und unter den Vorwand, er müsse noch einiges für den Blonden holen, verließ er das Zimmer.
Christoph war nun wieder allein. Er hätte so gerne noch nach ihn gerufen, doch seine Stimmbänder versagten immer noch ihren Dienst. Seine Arme weit nach Steffen ausgebreitet saß er da. Wieder wollten sich Tränen ihren Weg in die Freiheit erkämpfen, doch diesmal wehrte er sich dagegen und besiegte sie. Langsam ließ er die Arme wieder sinken, da sie zu schwer wurden. Es hatte ja doch alle keinen Sinn. Wieso lebte er überhaupt noch? War es den sein einziger Lebenszweck zu leiden? Ja, er hatte schon immer gelitten. Er hatte es sich nur nicht eingestehen wollen. Hatte sich nicht sagen wollen, dass er es nicht schaffte sich selbst und andere glücklich zumachen. Andere? Deswegen hatte er sich in diesen Theater verschanzt, er wollte nicht sehen, wie er bei anderen versagte. ... Er würde auch wieder bei Steffen versagen, bei Anthony, dem Earl. Nein, das wollte er nicht. Er wollte sie nicht leiden sehen. Vor allen nicht Steffen. Er musste hier weg. Bevor er noch irgendetwas anrichten konnte. Seine Hände krallten sich hilflos wütend in das seidige Lacken unter ihn. Er konnte hier nicht weg. Seine Beine wollten ja nicht. Ein bitteres Lächeln legte sich auf seinen Mund. Ja, sie ließen ihn ja nicht gehen. Was für eine Ironie. Als ob sie sich rächen wollen, das er sie dazu benutzt hat, sich umbringen zu wollen. Oder das er sie so wenig benutzt hatte, vorher... Bevor er SO wurde!!!!!!! Er wusste nicht, wie lange er so nachgedacht hatte, da kam Steffen wieder hinein. Er trug seinen Rollstuhl unter den Arm und schnaufte ganz schön, aber er setzte ihn stolz vor Christoph ab, als wollte er sagen, dass er sich extra für den Jungen so angestrengt hatte. Ein freches Grinsen glitt über sein Gesicht. "Da hast du dein Ferrari." "Na toll, dann fehlt ja nur noch der Motor und die Gangschaltung," erwiderte der Junge zynisch. Er konnte sich immer noch nicht damit abfinden. Steffen sah ihn strafend an. Urplötzlich taten
Christoph seine groben Worte leid, aber es war zu spät sie zurückzunehmen. Es hätte sowieso nur gekünstelt geklungen. Er sah heimlich auf Steffen, da er seinen Kopf gesenkt hatte. Die metallgrauen Augen waren zusammengezogen und der junge Mann atmete tief ein und aus. Dann sah er wieder auf den Blonden und grinste. Doch man merkte fast, das es aufgesetzt war. Die Ankunft hatte ihn ziemlich geschlaucht und er würde sich liebend gerne etwas hinlegen, doch alles in allen war sie eigentlich reibungslos verlaufen. Sogar sein Vater hatte es einigermaßen gut aufgefasst... Aber, sie sollten jetzt vielleicht erst mal etwas zu sich nehmen. "Hast du Hunger?" Zögernd nickte der blauäugige Junge. Er hoffte, dass Steffen ihn diesen Ausfall verziehen hatte. Schüchtern versuchte er zu lächeln. Steffen sah ihn funkelnd an und in diesen Augenblick hatte er in diese Augen versinken können. Sie strahlten so herrlich für ihn wie die Sonne selber, die so wenig scheint in dieser Zeit, wie er empfindet. Empfinden? Da war irgendwas... Nein, dass konnte überhaupt nicht sein. Er war doch nur ein Fremder!!!! Oder nicht? Christoph sah zur Seite. Wie konnte er schon so empfinden? Er hatte ihn erst gestern getroffen, ALS ER SICH VOR DESSEN AUTO GEWORFEN HATTE!!!!! Wahrscheinlich hatte Steffen nur Mitleid mit ihm. So wie er es vor seinen Vater gesagt hatte. Mitleid, pah, darauf pfiff er. Er wollte kein Mitleid. - Er wollte den Tod. Schnell sah er hinaus zum Fenster, dichte Wogen aus grauen Wolken hingen unheilverkündend über den sonst so blauen Himmel. Es war Herbst, heute Vormittag hatte alles noch so klar ausgesehen. Heute Nachmittag, ... wo... wo er ihn geküsst hat. Jetzt ist es später Abend, er hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war... Es war dunkel, die Sonne war soeben untergegangen und breitete in Christoph ein Gefühl des Unwohlseins aus... Für einen kurzen Moment erinnerte er sich als Trost an diese wunderbare Wärme und Weichheit Steffens Lippen. Moment mal, Wärme und Weichheit? Was geschah nur hier mit ihm? "Los, komm schon." Wieder nahm Steffen ihn einfach auf die Arme und setzte ihn auf den Rollstuhl. Dann ging er zur Tür und blickte zurück. "Na?" Er sollte früh genug lernen mit diesen Hilfsapparat umzugehen. Langsam kam Christoph angerollt und sah Steffen schon fast flehend an. Doch dieser schüttelte nur den Kopf. Der Blonde sollte aus eigener Kraft lernen mit dieser Situation umzugehen. Er hielt ihn nur immer wieder die Türen auf und geleitete ihn damit ins große Esszimmer. Der Esssaal war groß, eine lange einsame Tafel auf der drei Gedecke aufgetragen waren, stand in seiner Mitte. Und auf der einen Seite war kein Stuhl. "Is wohl mein Platz." Ein wenig missmutig rollte Christoph zu seinen Platz, Steffen setzte sich ihn gegenüber und sein Vater würde an dem Tischende neben den Beiden sitzen.

Da kam auch schon der Earl. Schweigend setzte er sich und seinen Blick nur einmal um die Beiden anzusehen. Doch es war kein demütiges Verhalten, eher ein zu arrogantes. Schweigend servierte der Butler das Essen und schweigend nahmen sie es auch ein. Christoph fiel es schwer die drückende Stille nicht zu durchbrechen, aber er hütete sich etwas zu sagen. Er wusste, dass nur er ganz allein dafür verantwortlich war. Was hatte sich Steffen dabei gedacht, ihn einfach so hier einziehen zu lassen. Er war doch nur ein Störenfried!!! Und der kurze Frieden, der sich auf ihn gelegt hatte, dass ihn doch jemand gernhaben, ihn lieben könnte, zerbrach und zurück blieb nichts als Scherben. Nein, wer sich auf Menschern verlässt ist verlassen... Traurig, trostlos blickte Christoph zu Boden. Er aß zwar, was ihm vorgesetzt wurde, doch er schmeckte nichts. Steffen sah ihn besorgt an, er hatte gemerkt, dass etwas in den Jungen vorgegangen war. Doch er konnte nichts tun. Sein Vater saß hier und aß mit... Er wünschte er könnte einfach zu den blonden Jungen hinübergehen und ihn in die Arme schließen. Der Earl sah auf. "Was ist? Warum siehst du ihn so an?" Im gleichen Moment fiel sein Blick auch auf Christoph, doch er konnte nichts ausmachen. Steffen wunderte sich, wie konnte man den nicht merken, dass es dem Jungen schlecht ging, dass er sich verändert hatte. Und dann plötzlich wusste er warum. Er wusste, warum nur er es bemerkt hatte, was ihn so beunruhigt hatte... Er liebte ihn... Liebte diese emotionalen Augen, dieses wunderschöne weiche Gesicht, das goldene Haar... Aber... Nur nach einen Tag? Konnte das den sein? Ein Schaudern ergriff den jungen Mann und bestätigte seinen Verdacht. Aber... Christoph hasste ihn wahrscheinlich. Steffen fühlte sich übel, es war ihm, als könnte er sich gleich hier übergeben... Vielleicht fand Christoph ihn sogar abstoßend wegen dieser Gefühle, die er für den Blonden hegte.
Die Augen des Earls huschten wieder zu seinen Sohn. Irgendwie hatte dieser sich verändert. Er wusste nicht wie. Doch vor Minuten sah er anders aus...
Abrupt stand Steffen auf. Der Tisch ruckelte ein wenig und stand dann still. Seine Hände hatten sich auf den Tisch abgestützt. Er blickte hinab. Steffen wusste, dass der Junge nun ihn ansah. Nein, dass konnte er nicht ertragen. "Ich... ich...", stotterte der junge Mann. Nein, er konnte nicht so einfach verschwinden, er musste sich ja um Christoph kümmern... Es schien ihn das Herz zu brechen, als er merkte das er jetzt immer mit den Jungen zusammen sein sollte und diesen nicht seine Gefühle sagen konnte. "Ich bin satt, Vater. Was ist mit dir, Christoph?" Seine Stimme zitterte verdächtig, doch die nächsten Worte sprach er ruhiger aus, denn Christoph nickte. "Dann lass mich dich in dein Zimmer geleiten. Ich bin müde und es ist schon spät. Wir sollten schlafen gehen." Verschüchtert nickte der Junge nur wieder. Was hatte Steffen?
Der junge Mann schob den blauäugigen Jungen wieder in sein Zimmer. Ein sanftes Lächeln entglitt ihm, als er den Jungen hochhob und auf sein Bett setzte. Doch dann verschwand dieses Lächeln so schnell wie es gekommen war. "Kannst du dich selber ausziehen, oder soll ich dir helfen?" Die Wörter klangen härter als er beabsichtigt hatte und er schreckte fast schon vor sich selbst zurück. Was tat er hier eigentlich?
Christoph schluckte schwer. Ihm kam nur ein heiseres Ja über die Lippen. Schon wieder musste er die Tränen zurückhalten und wandte für einen winzigen Moment sein Gesicht ab. Dann langsam begann er sich auszuziehen und Steffen drehte ihn schuldvoll den Rücken zu. Wieder legte sich eine leichte Röte auf seine Gesicht. Mensch, was dachte er da? Er schüttelte den Kopf, wo er seine Hand auch gelehnt hatte. Schön kühl. Ja, dass brauchte er jetzt auch... "Steffen... Ich... ich bin fertig." Er auch, mit den Nerven. Ihn erschien es wie eine Spiegelwelt und wenn man den Spiegel nur mit den Fingerspitzen berührte, so würde er in tausend Stücke zerbrechen. Steffen drehte sich um und erstarrte. Was er eben noch scheinbar lachend abgetan hätte als einer seiner irren Ideen, wurde jetzt Wirklichkeit. Der Junge in diesen viel zu großen Hemd sah so zart aus, als würde er bei der leisesten Berührung in tausend Teile zerbrechen. Sehr, sehr sacht nahm Steffen das Gesicht des Jungen in beide Hände, hob es etwas zu sich hoch und küsste ihn zärtlich. Er wusste es war ein Frevel, doch er konnte nicht anders. Er musste diese wunderschöne Skulptur besitzen. Und endlich begriff er, dass er ihn nicht mitgenommen hatte, weil er ihn bemitleidete, sondern weil sein Herz es ihn befohlen hatte. Genau das gleiche Herz, dass in diesen Moment, der ihn ewig erschien, aussetzte. Er spürte wieder die weichen Lippen des zitternden Jungens auf den seinen. Wieso zitterte Christopf? Hatte er Angst? Angst vor ihm? Der Junge wusste nicht warum, aber er konnte nicht anders. Er hatte gewusst was kommen würde. Doch er hatte es einfach geschehen lassen. Auch er hatte es gewollt. Tief in seinen Inneren... Er wusste, es war nicht richtig. Doch in diesen Moment zählte es nicht. Er wollte einfach nur Steffen bei sich wissen. Aber... Widersprach das nicht all seinen gefassten Schlüssen? Nein, dies durfte einfach nicht sein. Er fing an zu zittern... Er konnte vor Erstarrung sich nicht lösen. Nicht von seinen Gedanken noch von Steffen. Dessen Hand jetzt beruhigend von seinen blonden Haaren über seine Wange. So warm... Christoph schloss die Augen, wollte sich wieder hingeben, diesem warmen Gefühl. Doch sein Verstand ließ es nicht zu, unaufhörlich schrie er ihm zu, sich von diesen bezaubernden jungen Mann zu trennen. Ja, bezaubernd war das richtige Wort, seine Augen hatten ihn betört, bezaubert... Ihn fast willenlos gemacht. Fast... Er stieß sich ein wenig von ihn ab, erschrak, als ihn Steffen näher an sich drückte. Aber er entließ ihn dann aus seiner Umarmung. "Hast du Angst vor mir?" Die wahre Antwort währe jetzt Nein gewesen. Doch er musste Abstand gewinnen. Steffen durfte sich nicht in so einen Krüppel verlieben. Er hatte was besseres verdient. "Du bist ja pervers. Liebst einen anderen Jungen, begehrst seinen Körper. Ich hasse dich. Wenn ich weg ich laufen könnte, würde ich vor die ans andere Ende der Welt flüchten." Christoph schloss die Augen. Er wollte den zerstörten Ausdruck nicht sehen. Er hatte soeben den einzigsten Menschen außer seinen Eltern, der ihn je geliebt hatte von sich gestoßen. Er hörte eilige Schritte. Eine Tür, die sich schloss, wusste, dass er alleine war. Er warf sich in die Kissen und heulte haltlos und lautlos hinein, erstickte die Schluchzer, die sich seiner Kehle entwanden. Er konnte einfach nicht mehr. Er liebte Steffen, dass begriff er in diesen Augenblick. Es waren zwar nur zwei Tage vergangen, aber wahre Liebe braucht keine Zeit. Sie entfaltet sich einfach so... Tja, das mit dem Entfalten konnte er jetzt ja wohl streichen. Mit Tränen in den Augen blickte er auf, er hatte Steffen vor sich gerettet. Er hatte ihn vor der Wut des Earls gerettet, der ihn bestimmt für diese ,Knabenliebe' gehasst hätte... Er musste hier weg, jetzt mehr den je.

Steffen warf sich auf sein Bett. Er hatte sogar Tränen in den Augen. Er lachte bitter. Er weinte ja. Wow. Er hatte ja gar nicht gewusst, dass er das noch konnte. Er hielt verkrampft sein Kissen zwischen seinen Armen. Er wollte sich um Christoph kümmern, aber wie sollte er dies tun, wenn dieser ihn verabscheute? Wenn der Junge jeder seiner Berührungen für ekelhaft entfand? Wieder tropften ein paar Tränen auf das Kissen und benässten es. Sie gesellten sich zu den anderen. Warum? Warum musste er sich in diesen Jungen verlieben? War es jetzt nicht besser, wenn der Junge mit den blonden Haaren und den wunderschönen blauen Augen in ein Rehabilitationszentrum kam? Dort würde er professionell betreut und Christoph musste nicht seine Berührungen ertragen... Er weinte noch mehr, vergrub jetzt auch sein Kinn in das Kissen und starrte ins Leere. Ja, dort würde es ihm wahrscheinlich besser gehen. Morgen würde er ihn ein geeignetes Heim aussuchen. Natürlich würde er alle Kosten übernehmen. Doch er würde ihn nie besuchen kommen. Das ist das Beste für alle. Ja, bestimmt das Beste. Aber... Warum hatte er ihn dann in dem Park geküsst? Es zugelassen? Er weinte sich in den Schlaf.

Christoph wollte einfach weg. Niemals wieder zurück zu Steffen. Doch sein Herz schmerzte. War es normal, dass er sich nach den Armen eines anderen Jungen sehnte? Nein, bestimmt nicht... Christoph schniefte noch einmal und wischte sich dann resolut die Tränen aus den Gesicht. Er musste hier weg! Hätte er Beine, wäre ja alles gut gewesen, aber so? "Nun, dann muss ich mich eben anstrengen... Ich... Ich..." Wieder kamen ihn die Tränen. Mit tränenverschleierten Gesicht richtete er sich mit seinen Händen auf. Mühsam hievte er erst sein linkes Bein über den Bettrand, dann sein rechtes. Er wäre beinah vom Bett gerutscht, denn er sich nicht rechtzeitig an den linken Pfeiler des Himmelbettes festgekrallt hätte. Sein Atem ging schnell und flach. Leise fluchend krallte er sich mit einer Hand an den Pfeiler, mit der anderen hangelte er nach den Rollstuhl. Endlich, nach Ewigkeiten, wie es ihn schien erwischte er ihn, zog ihn zu sich, machte die Bremsen fest und setzte sich mühevoll hinein. Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn. Langsam schob er sich zu der Tür und öffnete sich vorsichtig. Nein, nichts zu hören. Er rollte auf den Flur und zur Treppe. Wie sollte er das schaffen? Er wischte sich die Tränen aus den Augenwinkel und besah sich die Treppe genauer. Eine breite Treppe, mit einen Holzgeländer und roten Teppich. Shit. Er hatte nicht mehr daran gedacht. Aber er musste hier weg!!!!! Ein letzter Blick galt der Treppe, dann rollte er in die andere Richtung, er traf auf ein anderes Zimmer. Er vermutete mal, dass Steffen darin schlief. Wahrscheinlich schlecht. Wegen ihm. Aber besser jetzt, als wenn sich seine Liebe gefestigt hatte. Wenn er ihn nicht mehr loslassen könnte... Er hörte ein leises Schniefen. Er hatte geweint? Wegen ihm? Das brauchte er nicht. Nicht wegen ihm... Er steckte seine Hand zur Klinke aus, doch mitten in der Bewegung hielt er inne. Nein, dass durfte er nicht. Doch alles im ihn drängte ihn dazu. Er schloss seine Augen und öffnete ganz leise die Tür. Er wusste, wenn Steffen aufwachen würde, würde er nicht rechtzeitig rauskommen ohne gesehen zu werden... Aber er konnte jetzt nichts dagegen tun. Langsam schob er seinen Rollstuhl näher ans Bett. Steffen hatte sich zusammengerollt. Christoph hörte nur stumpf die Schluchzer, die der schlafende junge Mann in das Kissen weinte. Der blonde Strohkopf schluckte schwer. Hatte er das angerichtet? Aber... Das... War... Ist das nicht besser, als wenn, als wenn der Earl ihn rausschmeißen würde, weil sein Sohn einen Jungen liebt? Er sah auf den Nachttisch eine rote Rose in einer langen schmalen Vase stehen. Christoph lächelte bitter. Ja, dass passte zu Steffen. Einen winzigen Moment stellte er sich Steffen in einen wunderschönen alten Smoking vor mit der Rose in seinen Knopfloch. Und er dazu, wie sie beide auf einen alten Ball Hand in Hand tanzen. Tanzen ist wundervoll, du Idiot. Du kannst ja noch nicht mal gehen... Er könnte sich schlagen für diese Gedanken, die er so tief in seinen Herzen pflegte... Warum? Warum tat er das noch immer? Er sollte sich doch endlich damit abfinden, dass dies nicht geht... Nicht geht... Pah. Was für ein Wortwitz. Wieder schießen Tränen aus seinen Augen und diesmal konnte er nichts dagegen tun. Er krallte sich verzweifelt an den Lehnen seines Rollstuhls fest. "Ver... verdammt..." Warum war nicht ganz gestorben? Wieso musste Steffen ihn noch retten? Was hatte das Leben jetzt noch für einen Sinn??? Steffen schlief unruhig. Er wälzte sich von einer Seite auf die Andere. Christoph bekam Angst der junge Mann würde erwachen, doch er konnte sich einfach nicht von diesen Anblick trennen. Er besah sich ganz genau das Gesicht, prägte sich jede Faser seiner wunderschönen Züge ein. Moment mal... Wunderschön? Du sollst endlich davon loskommen... Bitte... Er würde es nicht aushalten... Nicht mit so einen Krüppel... traurig wand er sich ab und wollte nun doch aus den Zimmer rollen, als er Steffen leise murmeln hörte: ".... Christoph... Warum... bist du hier?" Wie ertappt hielt Christoph mitten in der Bewegung an. Erschrocken drehte er sich um. Langsam sehr langsam. Steffen hatte sich halb aufgerichtet und sah ihn fragend mit verweinten Gesicht an. Christoph wich seinen Blick aus. Er konnte ihn nicht so sehen... "Ich... ich... gehe jetzt lieber." Pah, guter Witz. Hey, vielleicht kriegst du irgendwann den Oscar dafür. Dann hättest du wenigstens einmal was richtig gemacht. Langsam rollte der blonde Junge zur Tür. Er hörte nur noch, wie Steffen aufsprang, da stand dieser auch schon vor ihn. Er hatte die Lehnen des Rollstuhls gefasst und drückte mit sanfter Gewalt dagegen, ein Zeichen, dass Christoph noch nicht gehen soll. Dieser wurde erst mal gehörig rot und sah zur Seite. Steffen stand vor ihn, nur in Boxershorts bekleidet. Steffen sah ihn ernst an. "Bitte, bitte sag mir, warum du hier bist...!" Es klang flehend. Am liebsten hätte der Rollstuhlfahrer ihn jetzt entgegengeschrieen: Weil ich dich doch liebe, du Idiot! Doch das tat er nicht. Er sah ihn fest in die Augen, oder versuchte es zumindest und meinte so kalt er konnte: "Du HEULSUSE! Glaubst du immer noch daran... daran das ich mich ernst... Ernsthaft in dich verlieben könnte?" Christoph stockte. Er konnte dies nicht aussprechen. Nicht zu ihm. Er sah weg. Und verdammt, Tränen rannen über seine Wangen. Er spürte, wie Steffens Daumen die Tränen wegwischten. Doch das machte ihn nur noch trauriger. Steffen nahm ganz, ganz sanft sein Gesicht in seine Hände und drehte es ihn zu. "Sag mir. Hasst du mich wirklich?", hauchte er fragend. Es war nichts flehendes oder gar kaltes in der Frage. Es war eine sanfte Frage. Eine Frage die sich anfühlte wie warmer Regen auf der Haut oder ein frischer Frühlingstag. Eine Frage, der es kein Entrinnen gab... "Nein."


Part 3 - Ausklang


Steffen sah ihn an. Nicht ein einziger Muskel in seinen Gesicht zuckte, aber auch seine Wangen rannen Tränen hinab. "Aber... Aber warum...?" "Warum ich das gesagt habe? Ich habe gedacht, ich könnte es noch aufhalten. Könnte dich noch vor mir schützen, aber...-" "Vor dir schützen? Aber warum den?" "Wegen deinen Vater. Und außerdem hast du es nicht verdient mit so einen Krüp-" "Du bist kein Krüppel und wenn ich das noch einmal von dir höre gibt es ärger." "Aber, ich bin ein..." Weiter kam er nicht., Wieder verschlossen Steffens samtweiche Lippen die seinen und in diesen Moment war es egal, ob es anrüchig war, oder das Steffen nur in Boxershorts vor ihn stand. Es waren nur seine Lippen, die ihm in diesen Moment etwas bedeuteten. Weich legten sich seine Arme wie automatisch um Steffens Nacken und zogen ihn näher. Steffen stützte sich jetzt nicht mehr an der Armlehne ab. Er war vor Christoph auf die Knie gesunken und umarmte ihn auch. So blieben sie lange, obwohl sie schon lange wieder den seidenen Kuss gelöst hatten. Tief sahen sie sich in die Augen. "Mein Vater kann mir gar nichts befehlen. Und wenn er es tun würde, ich würde ihn nicht gehorchen. Das habe ich noch nie getan, mein kleiner Engel." "Aber, er wird mich dafür hassen!" Steffen schüttelte nur den Kopf, das wird er nicht. Ich würde nicht zulassen, dass er dir irgendwas tut." "Wirklich?" "Wirklich..." Langsam schob er ihn zum Bett. Christoph ließ sich einfach aufs Bett legen. Er hatte keine Angst, nicht bei ihn. "Schlaf, mein kleiner Engel, schlaf." "Engel?" "Ja, Engel. Mir scheint, als ob du vom Himmel gefallen wärst, nur für mich. Deine wunderschönen goldenen Haare..." Er strich ihn eine besonders vorwitzige Strähne aus dem Gesicht. "...Deine sanften und tiefen blauen Augen...." Bei diesen Worten küsste er sacht die Augenlieder. "... und dein herrlicher Körper... Deine Seele, so rein, als hätte sie noch nicht die Sünden dieser Welt gekostet... - Oh..." Steffen sah überrascht auf Christoph hinab, der vollkommen ruhig unter ihm schlief. Dieser kuschelte sich näher an ihn heran, breitete die Decke über sie beide aus und versuchte ebenfalls zu schlafen. Doch er lag noch lange wach und hörte einfach nur den weichen Atemzügen des Jungen neben ihn zu. Bis diese ihn auch einschlummern ließen...
Am nächsten Morgen war er der Erste der Erwachte. Er sah leise lächelnd in das schlafende Gesicht seines kleinen Engels. Bis auch dieser endlich die Augen aufschlug. "Guten Morgen..." Verschlafen sah ihn Christoph leise lächelnd an. "Morgen..." Steffen küsste ihn lächelnd auf die Nasenspitze, dann sah er auf die Uhr und verschluckte sich fast. Nur mit mühe konnte er unterdrücken laut zu fluchen. Schnell entwand er sich Christoph, der ihn für einen Moment so traurig ansah, dass Steffen ihn noch schnell auf die Wange küsse. Bevor er sich hastig anzog. Beim Anziehen meinte er noch: "Du kannst ruhig noch weiterschlafen, doch ich muss zur Uni. Tut mir leid." "Mach... macht nichts..." Und... Und was ist mit deinen Vater? Steffen sah sich überrascht um. "Warum zitterst du?" "We... Wegen nichts..." "Das kannst du mir nicht weiß machen, sag es mir, bitte... Ich würde mich sonst nicht wohlfühlen dich alleine zu lassen." "Es.... Es ist wegen deinen Vater..." Steffen schlug sich die Hand vors Gesicht. Wieso hatte er nicht schon früher daran gedacht? Sanft lächelnd ging er zu Christoph und setzte sich noch mal zu ihm. "Du hast Angst vor ihm, oder?" Schüchtern nickte der blonde Junge. "Das brauchst du nicht, ich werde dich vor ihn schützen. Und wenn er es missbilligt, gehen wir beide von hier weg. So oder so, ich werde dich nicht alleine lassen." "Aber, du musst nicht alles aufgeben, nur weil ich da bin. Ich komme auch schon alleine durchs Leben. Versprich mir, auch wenn ich irgendwann gehe, dass du hier bleibst. Ich will nicht, dass es dir schlecht geht, nur wegen mir. Das bin ich nicht wert." Steffen musste sich zusammenreißen, Christoph nicht eine zu scheuern. Doch seine Stimme klang unlängst bedrohlicher, als er jetzt zischte: "Sag so was nie wieder. VERSTANDEN? Natürlich bist du das wert. Du bist mir mehr wert als alles Geld der Welt oder irgendso ein bescheuerter Adelstitel. Deshalb kann ich es dir nicht versprechen, weil ich es nicht will!!!" Die von der Uni würden ihn lynchen, doch das war ihn jetzt egal. Christoph war ihn jetzt wichtiger. Es klopfte an der Tür und plötzlich kam der Bedienstete hinein. Anthony sah sie einen Blick lang entgeistert an und räusperte sich dann, nachdem er seine Fassung wiedergewonnen hatte. "Junger Herr sollten sie nicht schon längst in der Schule sein?" "Ich gehe heute nicht zur Schule, Anthony. Und bitte lassen sie uns jetzt alleine." Der Diener verschluckte sich fast. Das war das ERSTE Mal, dass Steffen schwänzte. Nachdem er sich abermals gefangen hatte, nickte er nur kurz und verließ das Zimmer.
Steffen sah Christoph ernst an. "Er wird zu meinen Vater gehen." "Ich weiß." "Ich möchte eine ehrliche Antwort von dir. Liebst...-" "Nicht diese Frage, bitte... Noch nicht..." "Aber, was sagen wir meinen Vater?" "Ich weiß es nicht... Ehrlich..." Die himmelblauen Augen fingen wieder an in Tränen zu schwimmen, die ihn lautlos über die Wange rollten. "Ich weiß es doch auch nicht..." "Shhhh... Nicht weinen, nicht weinen, mein Engel..." Sanft nahm ihn Steffen in den Arm. Verzweifelt krallt sich Christoph in sein T-Shirt fest. Er hörte, nein, die beiden hörten den wütenden Vater die Treppe hinaufkommen... "Ich werde dich vor ihn schützen..." Da wurde die Tür auch schon aufgerissen. "STEFFEN, WAS ERLAUBST DU DIR?!" Steffen stand eiskalt auf, doch das war alles nur Schein. Denn in Wahrheit war er eigentlich nicht so furchtlos wie er tat. "Vater, habt ihr es verlernt anzuklopfen?" Er stellte sich halb schützend vor Christoph. Der Earl schnaubte vor Wut. Nur schwerlich konnte er sich unter Kontrolle halten. "Warum gehst du nicht zur Schule?" Wenigstens schrie er nicht mehr, aber Steffen wusste, dass das nichts heißen sollte. Sein Vater wurde auch je mehr er sich aufregte umso ruhiger. "Weil Christoph schlecht geschlafen hat. Deswegen habe ich ihn auch in mein Zimmer geholt." Er log seinen Vater genau ins Gesicht, dass wurde dem jungen Mann schlagartig klar. "Ah ja, und willst du jetzt immer Schule schwänzen, nur weil dein kleiner Freund da schlecht träumt?!" Der Earl ballte die Faust. "Natürlich nicht, Vater. Aber es war seine erste Nacht hier." "Na und?! Du hast Pflichten als mein Erbe, dass habe ich dir schon öfters gesagt." "Und ich habe schon öfters gesagt, dass ich sie nicht will." Sein Vater kam bedrohlich näher. Er hob die Hand. Und schlug zu. Steffen sah ihn feindselig an und rieb sich die gerötete Wange. Der Earl schnaubte nur abfällig und verließ das Zimmer mit den Worten: " Noch bin ich der Herr des Hauses." Dann schlug hinter ihm die Tür zu. Christoph meinte zitternd zu ihm: "Wieso? Wieso hast du mich verteidigt? Obwohl ich dir nicht mal eine klare Antwort geben konnte!!!! Warum... WARUM?!" "Weil ich dich liebe und das reicht mir schon um dich vor allem und jeden zu beschützen... - Und jetzt wirst du mich noch mehr hassen, habe ich recht?" Die frage sprach er so traurig aus... Christoph nahm ihn sanft in den Arm und tröstete ihn. "Ssssshhhhh... Nicht traurig sein... Ich hasse dich doch nicht, dass habe ich dir doch gesagt... Hey, nicht weinen..." Steffen schmiegte sich an Christophs weiche Haut und seufzte bekümmert. Ein paar einzelne Tränen waren seine Wangen wieder hinuntergeglitten. Weich strichen Christophs feingliedrige Finger über Steffens Haare und streichelten ihn. Steffen schloss genüsslich die Augen. So könnte es immer für ihn bleiben, doch er wusste, der Frieden würde nicht lange anhalten. Nicht bei seinen Vater.

Deswegen passierte das Unglück auch Tage später...
Steffen war in der Schule. Er konnte ja nicht immer fehlen... Schweren Herzens hatte er Christoph alleine bei seinen Vater und Anthony gelassen. Christoph war unten auf den Balkon und atmete die frische Luft ein. Er hatte immer noch Angst vor Steffens Vater... Zu recht?
Der Vater sah ihn misstrauisch an, zog dann tief die Luft ein und meinte: "Junge, lass uns mal reden...." Christoph blickte ihn ängstlich an. Für einen kurzen Moment sah er sich nach Hilfe um, doch Steffen war ja weggefahren, keine Rettung in Sicht. Er nickte. Der Earl setzte sich auf einen Stuhl genau gegenüber dem Jungen. "Junge, liebst du ihn wirklich?", kam er gleich zum Thema. Christoph schluckte schwer, es schien ihn, als wenn er einen harten Klos im Hals hatte. "Ja", hauchte er. Er fühlte sich unwohl unter den Blicken vom Earl. Er sah zur Seite. "Dann wirst du ja verstehen, dass ich nur das Beste für meinen Sohn, nein, meinen Erben will." "Ja, dass verstehe ich, Sir." "Und glaubst du wirklich, es ist das beste für ihn, wenn..." "Sprecht nicht weiter, ich verstehe euch schon, Sir. Ich bin nicht das Beste für ihn. Ich bin nicht angemessen. Es würde sicher nicht gut kommen, wenn er sich um mich kümmern muss." Christoph schluckte die Tränen hinunter. Steinhart sah er jetzt den Earl ins Gesicht, dann drehte er den Kopf weg. "Wie ich sehe, bist du doch ein kluger Junge..." "Reden sie nicht, was wollen sie, dass ich tue?" "Es wird auch nicht zu deinen Schaden sein. Es tut mir ja auch leid, was mit dir passiert ist. Aber du wirst verstehen, dass in unserer Gesellschaft kein Platz ist für Leute wie dich. Oh ja, du wirst natürlich eine große Abfindung kriegen und wir werden dir ein gutes Sanatorium suchen. Aber dafür musst du mir versprechen, Steffen nichts über unsere kleine Unterhaltung zu erzählen. Und er wird nie erfahren, wo du hinkommst." Christoph war hundeelend. Er musste schlucken, um sich nicht zu übergeben wegen solcher Niedertracht, die ihn nur noch krank macht. Der Earl hielt ihn jetzt die Hand hin. "Einverstanden?" Christoph sah zur Seite, er rührte seine Finger nicht, aber er meinte: "Na gut, ich tue es für Steffen. Weil es besser für ihn ist, mehr nicht."

"WAS habt ihr getan Vater?" Steffen schrie regelrecht. Dann wurde er plötzlich sehr ruhig, zu ruhig. "Ich habe das alles nur für dich getan, mein Sohn. Er ist schlecht für dich. Es ist nicht gut, wenn du...-" "Schweigt." Dieses Wort kam mit soviel Kälte hervor, dass es dem Earl fröstelte. "Ich meine, Sohn, du solltest deine Liebe nicht an einen Krüppel verschwenden. Nimm dir doch eins der wunderschönen Töchter der Adligen..." Steffen sah ihn nur an und der Earl wich schon einige Schritte zurück. "WAS VATER? Ihr erlaubt euch einfach die Liebe meines Lebens vom Grundstück zu entfernen, sagt mir nicht mal wohin, sondern belügt mich auch noch und meintet, sie wäre einfach wieder nach Hause gegangen, dann wagt ihr es auch noch und versucht mir eine Frau anzudrehen?!" Steffen stand einfach nur da, doch die Kälte die von ihm ausging war fast schon greifbar. "Ich verachte euch." Diese drei Worte, nicht mehr, brachten all seinen Hass, seine Wut, seine Kälte gegenüber seinen Vater zum Ausdruck. Ohne ein weiteres Wort ging er einfach aus den Saal hinaus. Alle Leute sahen ihn erschrocken an, doch dies war ihm egal. Nur sein wunderschöner blonder Engel war jetzt wichtig. Oh, was war er für ein Idiot gewesen, einfach seinen Vater zu glauben?
Der Earl hatte sich wieder aufgerichtet. "WENN DU JETZT GEHST, BRAUCHST DU NIE WIEDER ZU KOMMEN!!!!!"
Nicht eine Sekunde blieb Steffen stehen. "Dann... Lebt wohl, Vater."
"STEFFEN!"

Du hast gesagt, du würdest mich vor ihm beschützen... Und doch warst du nicht da, als ich dich am dringensten gebraucht habe...
Wie eine Anklage klangen diese Worte in seinen Ohren. Das folgenschwere Telefonat. Leicht irre lächelnd dachte er daran zurück. Er hatte wie immer, seitdem Tag an dem ihn sein Engel verlassen hatte apathisch auf den Bett gesessen. Dann hatte das Telefon geklingelt, ja, was sollte auch anderes klingeln? Er hatte er nicht abnehmen wollen, hatte einfach weiter dasitzen wollen. Doch dann nahm er ab.
"Hallo?", wurde zaghaft gefragt, doch er erkannte die Stimme sofort. "Christoph, Christoph bist du das?!?!?!" "... Steffen?", wieder so zaghaft. "Christoph... Was ist mit dir? Wo bist du?" "..." Keine Antwort. "Willst du mich nicht mehr...?" Es war keine Drohung, nur eine ganz simple Frage. "Ich habe es für dich getan..." "Was getan? Mich verlassen? Wie konntest du das tun? Ich liebe dich. Ich bin verloren ohne dich..." "Aber... Ich bin nicht... - ... Steffen?" "Ja?" "Ich liebe dich auch." Dann hatte er einfach aufgelegt. Steffen sehnte sich nach ihm, nach seiner Stimme, nach seinen wunderschönen Augen.
Tage später wieder ein Anruf, diesmal, als sein Vater Bankett hatte und er erfuhr es endlich. Er erfuhr endlich wo sein Geliebter steckte. WER ihn dorthin gebracht hatte. Du hast gesagt, du würdest mich vor ihm beschützen... Und doch warst du nicht da, als ich dich am dringensten gebraucht habe...

Christoph sah ihn entgegen, er zog die Bremsen seines Rollstuhles fest. Langsam kamen ihn die Tränen in den Augen, doch er wischte sie schnell weg. Er stützte sich auf die Armlehnen und drückte sich hoch. Der blonde Strohkopf spürte grausame Stiche in seinen Beinen, doch er gab nicht auf. Nicht jetzt!!! Langsam verschwand die Grausamkeit aus den Stichen, aber sie blieben schmerzhaft. Für einen Moment fragte er sich, wie lange es dauern wird, bis er wirklich wieder richtig gehen kann. Und ob das jemals wieder voll der Fall sein wird. Doch jetzt war erst mal Steffen wichtig. All seine Gedanken konzentrierten sich auf diese eine Person. Diese eine Person, die ihm jetzt so wichtig geworden wahr. Egal, was sein Vater dazu sagte, egal, was die Gesellschaft dazu meinte, Steffen war für ihn der Sinn seines neuen Lebens geworden... Er stand nun. Ein Schritt, Tränen schossen ihn in die Augen, wollten ihm die Sicht verwischen, doch er ließ es nicht zu. Er hatte sich ein Ziel gesteckt, und das würde er auch erreichen. Er schloss seine Augen und atmete tief ein und aus. Er hörte Steffens überraschtes Aufkeuchen. Dann ließ er die Lehnen los. Er stand, er stand ohne Lehnen!!!! Selbst das war schon ein Grund um vor Freude zu heulen, doch Christoph war dies nicht genug. Er hob seinen Fuß. Der Blonde wankte. Für einen Moment war es ihm, als ob er fiele, dann setzte er den Fuß einige Zentimeter vor der letzten Stelle wieder ab. Und immer so weiter. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn und er schielte fast vor Anstrengung, aber es ging. ER ging. Sein Blick hatte sich fest in Steffens gebohrt und erschöpft sank er in seine Arme. Er wurde hochgehoben und spürte was heißes Nasses seine Wange hinunterrollen, aber die Träne kam nicht von ihm selber. Er schloss die Augen. Christoph spürte das Schluchzen des anderen und auch er konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Was war er doch für ein Idiot gewesen damals?!?!?! Er hatte sich das Leben nehmen wollen... Hatte ihn vergessen wollen... Doch ohne dies hätte er nie Steffen kennen gelernt, nie RICHTIG kennen gelernt. Nein, er bereute diesen Abschnitt in seinen Leben nicht. Sanft schlief er vor Anstrengung in Steffens Armen ein.
Nein, er bereute es ganz und gar nicht.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 19.09.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /