>Kylar feixte, dann lächelte er, als Zorn in Roth aufstieg.
„Logan zu töten hat mehr Spaß gemacht“, sagte Roth. Dann rammte er Kylar sein Schwert in die Brust. Logan! Dass Roth Logan getötet hatte, war nicht recht. Es war nicht fair. Es war nicht richtig.
Kylar ergriff er Roths Hand und zog, zog sich an dem Schwert empor, spießte sich bis zum Griff auf.
„Ich bin der Nachtengel“ erklärte Kylar ächzend. „Dies ist Gerechtigkeit. Dies ist für Logan.“
Es folgte ein Klirren und das Geräusch von Metall, das über den Marmor rollte. Der Ka´kari sprang auf Kylars Hand zu…und wurde von Roth in der Luft gefangen. Triumph leuchtete in seinen Augen auf. Aber Kylar packte Roth an den Schultern und sah ihm in die Augen. „Ich bin der Nachtengel“, wiederholte er. „Dies ist Gerechtigkeit. Dies ist für Logan.“
Roth wirkte verwirrt. Dann blickte er auf seine linke Hand. Der Ka´kari verwandelte sich in Flüssigkeit und glitt ihm durch die Finger. Er fiel klatschend in Kylars Hand und bildete einen riesigen Dolch in seiner Faust.
Kylar rammte Roth die Faust in die Brust. Roth blickte hinab, und seine Ungläubigkeit verwandelte sich in Entsetzen, als Kylar den Dolch herauszog.
Kylars Knie knickten ein, und er schlug zusammen mit dem khalidorischen Prinzen auf dem Boden auf. Roth und Kylar lagen, Auge in Auge und starrten einander sterbend an. Jeder der Männer zitterte, während unkontrollierte Krämpfe durch seine Glieder schossen.
Kylar war zufrieden. Der Nachtengel hatte Tot zugeteilt – und Tot war sein eigener Teil. Es war nicht schön, aber es war gerecht. Während er beobachtete wie Roths Augen in rastlosem Tod glasig wurden, wünschte Kylar, es gäbe im Tot etwas Schöneres zu finden als Gerechtigkeit. Dann drehte ihn jemand um. Eine Frau. Langsam erkannte er sie. Es war Elene. Sie zog Kylar auf ihren Schoß, strich ihm übers Haar. Er streckte eine Hand aus, berührte ihr Gesicht. Sie war engelsgleich.
Dann sah er seine Hand. Sie war perfekt, gesund und erstaunlicherweise frei von Blut. Zum ersten Mal in seinem Leben waren seine Hände sauber. Sauber!
Der Tod kam. Und Kylar ergab sich.
-I-
„Das ist meine Lieblingsstelle!“
Ich schlug das Buch zu und sah meinem gegenüber in die Augen.
Syl dachte einige Momente über das gehörte nach, bis sie mir schließlich ihre Meinung zu meinem Vorgelesenen sagte. Ich hatte in ihr eine Art Seelenverwandte gefunden, wir hatten beide große Vorlieben für Sport und Musik und hassten Kleider, Röcke, Shopping und sonstiges Mädchenhaftes Zeug. Wir vertrugen uns perfekt, konnten die Sätze des anderen beenden und hatten zu so gut wie allem dieselbe Meinung.
„Wie sagtest du heißt das Buch?“
„Der Weg in die Schatten.“
Nur Leider war sie über drei Jahrhunderte älter als ich.
„Die Nachtengeltrilogie.“ Ich nickte stumm „Toller Name!“
Sie hatte mir Zuflucht bei sich gewährt, für eine gewisse Zeit. Ich legte das über siebenhundert Seiten dicke Buch, auf den kleinen Tisch neben mir und zog meine Füße zu mir auf die Coach hoch. Mit meinen Fingerspitzen ertastete ich ein Loch an meinem linken Fuß und fuhr mit dem Finger gleich unter den Baumwollstoff, was den Socken nur noch mehr ausleierte. Mein Blick schweifte abwesend im Raum herum und blieb an einem der vielen Bilder, die in schwarzen Bilderrahmen an die Wand genagelt waren, hängen.
Syl war Fotografin. Dieses Bild hatte sie von uns beiden gemacht, es war das wohl einzige existierende Foto von ihr. Wir saßen zusammen im Green Park, auf einer Picknickdecke und ich las ihr – wieder einmal – eines meiner Bücher vor. Der Himmel war so gut wie Wolkenfrei.
Es war – wie alle Fotos von ihr – in schwarz-weiß-grau tönen gehalten. Nur unsere Augen hatte sie Farbig schattiert. Ihre waren in einen schönen grün gehalten, und meine – es verblüffte mich immer wieder wie sie das geschafft hatte – wechselten immer. Erstaunlicherweise entsprach dies sogar der Wahrheit.
Syl sagt, die Augen spiegeln die Seele eines Lebewesens wieder. Ich weiß nicht ob es wirklich direkt aus meiner Seele kam, aber je nachdem welche Emotionen gerade meinen Körper beherrschten, verfärbten sich meine Augen. Somit war es jedem möglich, mir die Gefühle von den Augen ablesen zu können – was sehr nervig werden konnte.
In der Schule hatten sich die anderen einen Spaß daraus gemacht, auf einer Liste die Farbe mit den damit verbundenen Gefühlen aufzuschreiben und es ober der Tafel aufzuhängen – so weit oben, dass ich nicht einmal mit einem Stuhl, auf einem Tisch hinkäme.
Ich hatte zum Glück eine Dämonen Freundin, die sich dann recht schnell darum gekümmert hatte. Sie war vor drei Monaten in einen Kampf zwischen dem DarkShadow-Clan und den BloodFighters geraten, und hatte es nicht überlebt.
Es war ein Kampf zwischen dem dritt größten Vampir Clan und einer Jugendorganisation gewesen, sie wollten deren Platz einnehmen. Vampire lieferten sich häufiger solche „Reviere Kämpfe“ genauso wie Wandler und Wehrtiere. Die Dämonen hatten zu Beginn des einundzwanzigstem Jahrhundert die Kämpfe untereinander verboten, nun wachte ein Vollstrecker über deren Gesetzte.
In meinem Gesichtsfeld tauchte plötzlich eine Hand auf und riss mich aus meinen Gedanken.
Syl schnipste noch zwei Mal, um sicher zu gehen dass ich sie wahr nahm.
„Entschuldige, ich habe mir das Bild angesehen.“ Mit der Hand deutete ich in die Richtung ,während ich mir die Augen rieb „was hattest du gesagt?“ Syl blickte hinter sich auf das eingerahmte Bild und lächelte.
„Ich habe dich gefragt ob du mir die anderen zwei Teile auch noch besorgen könntest, ich habe im Moment so wenig Zeit.“ Ich nickte abwesend.
„Ja, kein Problem, ich hab morgen noch nichts vor und muss mir sowieso noch Gewand kaufen gehen bevor ich abreise. Ich werde auf die Oxford Street schauen.“ Syl blickte mich an und sah mir in die Augen. „Hei! Das ist nicht fair.“ Ich schloss die Augen und drehte mein Gesicht weg.
„Entschuldige, das wird langsam zur Gewohnheit.“ Ich öffnete die Augen wieder und sah an ihr vorbei aus dem Fenster. Es hatte schon wieder zu regnen begonnen.
„Willst du mir nicht sagen was los ist?“ ich senkte den Blick und fing erneut an meinem Socken herum zu zupfen.
„Ich habe mich nur wieder darüber gewundert wie du dieses Meisterwerk hast erschaffen können.“ Mein Lächeln musste furchtbar unecht aussehen, denn sie glaubte mir kein Wort. Zum Glück beließ sie es dabei und fragte mich nicht weiter aus.
„Und ich sage dir was ich dir immer sage. Ich habe da so meine Beziehungen, und ein Freund von mir hat mir geholfen! Genaueres wirst du von mir nicht erfahren.“ Damit war das Thema beendet.
Sie stand auf und verschwand in der Küche, kurz darauf kam sie mit einer Porzellan Kanne und zwei Tassen heraus und stellte sie auf den großen Glastisch vor mir.
„Magst du auch Melone?“ ohne auf meine Antwort zu warten, verschwand sie wieder in der Küche und kehrte ein paar Minuten später, mit zwei Gabeln und einem Teller, mit vielen in Mundgerecht geschnittenen Wassermelonenstücken zurück. Sie stellte sie ebenfalls auf den Tisch ab und ließ sich neben mir auf die Coach fallen.
„Wir sollten solche Abende öfter machen!“
„Wenn du nicht so viel Arbeiten würdest, könnten wir das auch!“ neckte ich sie.
Syl war leidenschaftliche Fotografin, und dabei hatte sie schon innerhalb ihres ersten Jahrhunderts, für die nächsten drei Jahrhunderte ausgesorgt. Zwar verschwendete sie ihr Geld nicht, aber besonders sparsam war sie auch nicht. Schließlich lebte sie in einer riesengroßen. Zweistöckigen. Dachgeschoßwohnung mit Ausblick auf die Westminster Abbey und die Themse. Trotzdem wäre sie locker, das ganze nächste Jahrhundert, mit ihrem jetzigen Kontostand ausgekommen und hätte wohl auch – wäre sie in eine kostengünstigere Wohnung gezogen – nur noch von ihren Zinsen leben können. Aber wenn ihr der Job so viel Spaß machte, warum sollte ich sie daran hindern!
Wir vielen gemeinsam über die Melone her und tranken – ihren wie immer versüßten – Tee.
„Wann hast du vor zu fahren?“ ich verschluckte mich beinahe. Ich wusste dass ich diese Thema nicht bis in Ewigkeit heraus zögern könnte. Schließlich gefährdete ich ihre Karriere, dadurch dass die Polizei – und noch einige andere Gestalten – nach mir suchten.
„Ich hatte zu Beginn der Woche geplant.“ Gab ich kleinlaut von mir. Wir hatten heute Freitag.
„Du willst in drei Tagen schon wieder fahren?“ Sie stellte ihre Tasse am Tisch ab.
„Du warst nicht einmal ein Monat hier, wo willst du denn hin?“ Eigentlich wusste ich das selbst noch nicht so genau. Aber ich hatte mir vorgenommen, in einige Städte zu reisen die ich schon immer sehen wollte.
„Ich habe vor nach Paris zu gehen, zu mindestens für eine gewisse Zeit.“ Sie musterte mich aufmerksam.
„Ich weiß dass mein Geld nur für die Fahrt dorthin reicht. Und die Tatsache dass ich keinen angemeldeten Job annehmen kann, macht das auch nicht einfacher. Mein Englisch werden mir in Frankreich nicht viel bringen, genauso wie mein Deutsch. Aber ich werde schon mit meinen Französischkenntnissen auskommen. Ich will es wenigstens versuchen.“ Syl sah mich lange Zeit nur an.
Ich wusste das sie erwartet hatte, ich würde mindestens ein halbes Jahr bei ihr bleiben, aber ich war letzte Nacht einem Lictor über den Weg gerannt, und er war viel zu nah an Syls Wohnung gewesen. Er hatte mich nicht erkannt. Lictore waren sozusagen Magier Polizisten mit starker Magischer Begabung. Mein Vater hatte die Organisation gegründet und sie ausgesandt mich zu finden.
„Ich habe dir vor einer Woche ein Konto eröffnet, es ist anonym und nicht zurück verfolgbar. Dein Kontostand wird jede Woche wieder aufgefüllt, du kannst unbegrenzt überziehen. Ich habe auf die Karte einen einfachen Zauber legen lassen, womit man sie dir nicht stehlen kann.“ Die hundert achtzig Grad Wendung des Gespräches, ließ mich sprachlos werden. Ich starrte sie mit offenem Mund an, unfähig etwas zu sagen.
„Ich schätzte das sollte danke bedeuten.“ Lächelnd schloss sie mich in die Arme. Ich grub meinen Kopf sofort in ihre Schulter und die langen glatten Haare. Wäre ich dazu fähig gewesen hätte ich jetzt vermutlich genauso wie sie geweint. Aber das war mir irgendwie noch nie möglich gewesen.
Tag der Veröffentlichung: 16.05.2012
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