Cover




-I-



Ihre Finger brannten, sie waren offen von der langen Arbeit und die Seife rieb sich immer tiefer in sie hinein. Das kalte Metall des Waschbrettes war schon mit Eisblumen geschmückt, die durch das halb gefrorene Wasser entstanden waren. Sie musste sich beeilen; die fertigen Stoffe, welche neben ihr lagen, waren schon vor Kälte hart geworden. Der Fluss welcher ihrem Dorf Wasser zum Waschen, Trinken und Essen kochen diente, war an einigen stellen vereist, jedoch war die Zeit noch nicht gekommen wo man auf ihm gehen konnte und löcher hinein hacken musste um an das Lebensnotwendige Wasser zu kommen.
Früher lag dieser Bach in einem tiefen Wald, umgeben von riesigen Bäumen, Pflanzen, Tieren und Leben. Doch das war schon lange her. Neyes hatte noch nie einen dieser Bäume gesehen. Sie wurden alle von den Generationen vor ihr gefällt und zum heizen verwendet. Jetzt gab es keine mehr. Holz war etwas für die reichen. Die, die es den reisenden Händlern abkaufen konnten um sich daraus ein Zimmer bauen zu lassen. Doch davon gab es nur sehr wenige in ihrem Dorf.
Es war Sklaven verboten die Zimmer zu sehen und nur sehr wenigen Bürgern erlaubt sie zu betreten.
Doch Neyes hatte eines gesehen! Das Holzzimmer ihres Herren...und dafür hatte man sie grausamst gestraft.


Welch ein Glück, dass dies nun schon das letzte Kleid war. Als sie spürte, wie die Taubheit in ihren Fingern nachließ und ein unerträglicher Schmerz an deren Stelle trat, beendete sie ihre Arbeit und windete den Stoff aus. Sie wollte nicht schon wieder schwarze Finger bekommen, einmal wäre ihr dadurch beinahe einer abgefallen.
Sie legte das Kleid zu den anderen in den selbst geflochtenen Korb, fischte das Waschbrett aus dem Wasser und machte sich auf den Weg zurück zum Dorf. Ihre Beine und Zehen ereilte nun auch ein stechender Schmerz, der vom langen Knien auf dem kalten kleinen Steinen kam.
Sie lagen im ganzen Fluss. Auch am Ufer. Und bedeckten auch den Rest des Bodens der sich in der Umgebung ihres Dorfes befand. Nichteinmal das Dorfzentrum war verschont geblieben. Alles hier war aus Stein. Neyes hatte erst zwei mal eine Pflanze gesehen. Und diese wurden ihr sofort von den Adeligen entrissen und in die heiligen Holzzimmer gebracht. Sie waren nur von Stein und Fels umgeben. Ein kleines Tal inmitten des Berggipfels der sie vom Rest der Welt trennten.
Sie überlebten nur durch die Händler. Mit ihnen Handelten sie Fleisch, Gemüse, Reis und Gewänder die in den anderen Dörfern und Städten produziert wurden. Als Gegenleistung gab ihr Dorf ihnen, Terri-Steine, Diamanten und Edelsteine, welche sie aus dem Berg gewannen.


Neyes lief schneller und schnitt sich beinahe die verhornten Sohlen auf, als sie auf einem der zugefrorenen Steine abrutschte. Ihre Füße hinterließen Abdrücke in der weißen, flockigen Masse die die halbe Zeit des Jahres vom Himmel fiel. Als sie dem Dorf näher kam, roch sie auf einmal den Rauch, welcher von brennenden Terri-Steinen aufstieg, und rannte noch schneller. Sie hatte zu lange für ihre Arbeit gebraucht; das würde wieder eine Bestrafung geben. Als sie näher kam, roch sie auch gebratenes Fleisch.
Fleisch wurde sehr selten, und nur zu besonderen Anläsen gekauft da es so schnell verdarb.
Die Vorbereitungen hatten schon begonnen! Sie lief schneller, und blieb auf einmal mit dem Fuß hängen. Sie fiel auf den Bauch und der Korb rutschte ihr aus den Armen. Neyes schürfte sich Gesicht und Arme auf und musste husten, als die Luft ihren Körper verließ.
„Nichtsnutz!“ - Sie bekam einen Stoß in den Bauch und krümmte sich vor Schmerz. Über ihr stand ein Mann, sie blieb am Boden, aus Angst, noch einen Tritt zu bekommen. Jedoch bewegte er sich nicht.
„Herr“ - Sie krabbelte auf den Korb zu und sammelte die Kleider ein, die herausgefallen waren. Zum Glück war der Boden sauber, sie hatte ihn vor nicht ganz zwei Aufgängen der Himmelsscheibe gewischt.
Egal was er ihr antun würde, es könnte nicht einmal annähernd so schlimm sein, wie die Strafen die Ältesten verhängten. Neyes hatte es schon öfters miterlebt, und einmal auch am eigenen Leib zu spüren bekommen. Und leider war es der Sohn eines der Ältesten der heute Heiraten würde.


Sie wollte gerade nach dem letzten Kleid greifen, als er sie an den Haaren packte und in die Höhe zog. Sie wagte nicht zu schreien und kniff Augen und Mund zusammen aus Angst ihr Geschrei würde ihn noch mehr erzürnen. Sie wusste. dass er ihr ein Bein gestellt hatte, damit sie hinfiel.
„Das war sehr tollpatschig von dir!“ - Der warme Luftzug an ihrem Ohr verhieß nichts Gutes.
„Bitte Herr, erzählt es nicht.“ Wenn die Ältesten erfuhren, dass sie die teuren Kleider hatte fallen lassen, an denen sie dutzende Mondscheibentage gewebt hatte, würden sie sie womöglich endgültig töten lassen. Langsam. Qualvoll. Und Geschändet.
„Wer sollte mich daran hindern? Aber vielleicht ändere ich meine Meinung ja.“ Er griff ihr von hinten auf die Kehle und drückte zu. Ein kurzer kehliger Schrei entwich ihren Stimmbändern und sein Lachen dröhnte in ihren Ohren.
„Wenn du mir einen Gefallen erweist, denke ich noch einmal darüber nach.“ Sie spürte Nässe an ihren Wangen und drängte die Tränen zurück.
Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu entwinden, aber umso mehr sie sich wehrte, desto fester hielt er sie fest und drückte sie an sich, seine Hand rutschte unter ihr Kleid und immer höher.
Sie bekam Panik und versuchte nach ihm zu treten, aber er hob sie einfach hoch und presste sie gegen eine der Hauswände. Ein weiterer Schrei ertönte aus ihrem Mund, als er ihre Aufschürfungen an Gesicht und Armen streifte, die bereits bluteten.
Sie ließ ihren Körper schlapp hängen. Müde vom Kampf, in der Hoffnung sie würde ihm dadurch langweilig werden - bei manchen klappte das. Tatsächlich hielt er inne. Verwirrt das sie mit der Gegenwehr aufgehört hatte.
Neyes nahm sie all ihre Kraft zusammen, schlug wild um sich und schrie. Sie hatte ihn getroffen, denn er gab ein schmerzerfülltes Geräusch von sich und wich kurz zurück.
Sie lief. So schnell sie konnte. Sie rannte auf die Kleider zu welche in einigen Schritten Entfernung zu ihr im Korb lagen.
Dann bückte sie sich, hob ihn auf und...
Viel zu schnell war er wieder da und drücke ihr die Hand auf den Mund, damit sie nicht mehr schrie.
Als er ihr ins Gesicht schlug, schossen ihr weiße Sterne und schwarze Flecken in den Kopf, die jedoch leider wieder verschwanden und Neyes hier bei ihm, in vollem Bewusstsein ließen.
„Wenn ich es den Alten erzähle, töten sie dich. Also warum wehrst du dich immer gegen mich, du weißt doch, dass du keine Chance gegen mich hast!“, mit diesen Worten schob er sie zwischen zwei Hauswände und drückte sie mit dem Rücken gegen den kalten Stein.
Sie ließ es über sich ergehen. Schrie nicht, gab nur gelegentlich unterdrückte Schmerzlaute von sich. Die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten.

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Texte: Alle Rechte liegen beim Autor
Bildmaterialien: Das Bild für das Cover ist selbst geschossen
Tag der Veröffentlichung: 16.05.2012

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