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Die Nephilim



Die Nephilim sind Mischwesen, gezeugt von den göttlichen Wesen namens Engel und Menschenfrauen. Bei der Geburt des Nephilim stirbt die Mutter und der Engel gibt den Säugling zu Adoptiveltern. Dort wächst er achtzehn Jahre wie ein normaler Mensch auf. Zu ihrem Geburtstag bricht der Nephilim in ihnen hervor. An diesen Vorgang können sie sich nicht erinnern. Es kommt sehr oft vor, dass sie in dieser Nacht ihre Adoptiveltern töten. Instinktiv machen sie sich danach auf den Weg nach Pégre zur Zuflucht. Dort werden sie von den Ältesten begutachtet und ihrem Wohnort und Beruf zugewiesen.
Sie sind stärker als Menschen und von großer Boshaftigkeit. Sie sind von den normalen Menschen vom Aussehen kaum zu unterscheiden und nur von Angehörigen des Schatten- oder Sternenvolkes als solche zu erkennen. Wenn sie wollten, könnten sich nur von Menschennahrung oder Tieren zu ernähren, jedoch bevorzugen sie Menschenfleisch. Im Vergleich zu anderen Rassen des Schattenvolkes sind sie recht friedlich was Kämpfe betrifft. Sie ordnen sich schnell jemandem unter, von dem sie merken, dass er stärker ist.
Viele von ihnen leben in kleinen Gruppen in selbst errichteten Dörfern wo sie sich Menschen züchten.Es gibt nicht sonderlich viele von ihnen, da es ihnen nicht möglich ist sich fortzupflanzen.





-I-



Unberührt blickte ich auf den Leichnam meiner Mutter hinunter. Sie sah aus, als würde sie schlafen. Für jeden normalen Menschen würde es so aussehen. Doch jemand wie ich konnte ihre zerplatzen Organe sehen. Die hauchdünnen Risse, welche jeden einzelnen Knochen überzogen. Die winzigen Bluttropfen, die aus jeder einzelnen Pore nach außen drangen. Ich konnte sehen, wie auch die letzten Gehirnzellen abstarben, welche nach einem natürlichem Tod eigentlich noch einige Minuten weiterleben sollten. Und ich konnte ihre Energie in mir spüren. Die Energie, welche sie am Leben erhalten sollte. Die Energie welche nun mich nährte. Genauso wie die meines Vaters.

So schwach, diese menschlichen Wesen...

Ruckartig wurde ich aus meinem Schlaf gerissen und setzte mich auf. Das Feuer vor mit brannte nur noch auf ganz kleiner Flamme. Ich legte schnell die letzten Hölzer hinein, damit es nicht ausging, und rückte mit meiner Decke näher. Als ich mich umblickte, entdeckte ich einen Wolf. Seinen glühenden Augen fixierten mich und sein Fell war gesträubt. Er hatte mich also geweckt. Ich verspürte keinerlei Furcht oder angst. Ja ich war mir vollkommen bewusst das ein Wolf vor mir stand! Jedoch war ich in dieser Situation der Jäger und nicht er!
Seitdem ich in dieses Gebirge gekommen war, weckte mich jede Nacht ein solches Vieh! Es war jedes mal entweder ein Wolf, ein Bär oder ein Puma.
Andererseits war das sehr gut! So musste ich auf meinem Weg zum Eosufer, nicht nach menschlichen Dörfern suchen um meine Energien aufzufüllen. Obwohl ich sagen muss, dass ich diese langweiligen Tierseelen schon jetzt leid war. Die menschlichen knisterten so schön. Im ganzen Körper wurde einem warm wenn nicht sogar angenehm heiß. Es war als hätte man einen Orgasmus... über längere Zeit. Obwohl ich dies nicht aus Erfahrung behaupten konnte. Aus Erzählungen hatte ich es gehört. Niemals würde ich einen Menschen mich so berühren lassen. Ich hasste sie! Eine Schwache und vollkommen unnötige Rasse.
Ich stand auf und ging auf das Tier zu, welches jetzt vor Schreck wohl vergessen hatte, wie man lief. Wie ich bemerkt hatte, zog ich Tiere an wenn sich in meiner Umgebung keine Menschen befanden aus denen ich Energie ziehen konnte. Trotzdem änderte das nichts daran dass die Tiere mich hassten. Die Menschen liebten mich. Wie gerne hätte ich, dass es umgekehrt wäre. Die Angriffslust in den Augen des Wolfes – welche entstanden war, als er sich noch in für ihn sicherer Entfernung zu mir befanden hatte und sich selbst als Jäger gesehen hatte - hatte sich in pure, kalte Angst umgewandelt. Ich konnte sehen, wie seine Beine zitterten und fühlen, wie die Furcht ihn anfing innerlich auf zu fressen. Es war immer interessant zu beobachten, wie diese Wesen mit sich selbst kämpften. Einerseits, waren sie es gewöhnt immer der Jäger zu sein und keine Schwäche zu zeigen. Andererseits, genügte anscheinend meine Anwesenheit, dass sie ihre ganze Position in frage zu stellen begannen, da ich in ihnen ein neues, ungewohntes Gefühl erzeugte, welches ihnen einen Schauder über den Rücken jagte.
Ich blieb einen Schritt vor ihm stehen und grinste ihn an. Badete noch ein wenig in seinen Qualen. Dann kniete ich mich zu ihm auf den Boden, lehne mich nach vorne und kraulte ihn hinter den Ohren. Seine Augen wurde leer und sein Körper schlaff. Er sackte in sich zusammen, ich spürte wie die Luft kurz knisterte, als die Energie seinen Körper verließ und dann in meinen eintauchte.
Hmm... ein junges Tier. Die Energie war frisch, jung und belebend. Heute würde ich nicht mehr schlafen können. In ein zwei Stunden würde sowieso die Sonne aufgehen.
Heute ist Tag drei der dritten Halophase. Es ist die erste Ära, auch Frühlings-Ära genannt. Vor dreiundzwanzig Tagen begann das sechste Jahrhundert. Und am zehnten Tage der letzten Halophase begann mein neues Leben. Das war der Tag an dem ich mein Dorf Ballotverließ.
Ich packte meine Sachen zusammen, dämpfte das Feuer aus und machte mich auf den Weg.
Ich hatte auf einem Berg geschlafen als ich eine recht große, ebenmäßige Stelle gefunden hatte, die von Bäumen umrandet war. Es hätte zu lange gedauert den Berg zu umrunden, als ging ich jetzt auf den Gipfel zu. Seit meinem „erwachen“ wurde ich immer stärker. Muskeln bildeten sich an stellen, an denen normalerweise nur Männer welche hatte und brauchten. Ich fühlte mich stark und unbesiegbar. Bisher war ich immer schwach gewesen, hatte nach gegeben, mich den Wünschen und Vorstellungen anderer gefügt und meine eigenen somit außer acht gelassen. Doch das würde ich mit meinem neuen Leben jetzt ändern.
Nach ein paar weiteren schritten war ich oben angekommen. Es war ebenfalls eine recht große ebene Fläche, somit ging ich bis an die Kante und blickte von dort aus hinunter, auf die Welt die mir nun so klein und schwach erschien. Und dann wurde alles in helles, gelb-rotes Licht getaucht.


Ich liebte den Sonnenaufgang. Nein. Ich liebte nicht. Aber ich erinnerte mich daran. Jetzt fühlte ich nichts mehr. Aber früher hätte ich mein Empfinden bestimmt so beschrieben. Er wärmt von innen und lässt einen alles für einen kurzen Moment vergessen. Eigentlich genauso, als würde man die Energie eines Menschen in sich aufnehmen. Ich werde es nicht mehr lange aushalten, mich nur von Getier zu stärken. Natürlich genügt es. Nur ist es, als würde man als Mensch sich nur von Tofu ernähren. Auf Dauer kannst du es einfach nicht mehr sehen.
Woher ich das weiß? Ich war auch ein Mensch. Nun ja, wie man es halt nennen kann. Jedoch kann ich mich an fast nichts mehr erinnern.
Der Weg hinunter von dem Berg war steil und überall lief man Gefahr auszurutschen. Ich schürfte mir Hände und Knie auf, als ich meinen Halt auf dem bröckligem Schotter verlor und einige Meter in die Tiefe rutschte. Ich blickte auf meine Beine und sah, dass das Blut schon begann hinunter zu rinnen. Aber ich empfand keinen Schmerz. Auch von meinen nun roten Hände ging kein Schmerz aus. Warum sollte ich also unnötig Zeit verschwenden vorsichtig herunterzuklettern? Ich nahm meine Decke - in welche ich die wichtigsten Sachen eingepackt hatte - die ich mir auf den Rücken gebunden hatte, zu mir nach vorne und legte sie auf meinem Bauch.
Dann setzte ich mich hin und ließ mich einfach fallen. Ich rutschte über spitze Steine, Äste, Schotter und Pflanzen. Der Weg war lang und vor mit tauchte plötzlich ein großer Baumstumpf auf. Ich hatte ihn von oben nicht gesehen. Ich versuchte nicht zu bremsen, sondern stieß mich, kurz bevor ich mit ihm zusammen prallen würde, ab um darüber zu springen. Meine Füße jedoch knallten gegen das Holz und es wirbelte mich herum. Ich rollte mich zusammen und mein Gepäck zu schützen und wurde den restlichen Weg nach unten über meinen Rücken und über meine an den Körper gezogene Arme und Beine gerollt.
Plötzlich knallte ich gegen Widerstand. Es drückte mir die Luft aus der Lunge, jedoch konnte ich dies nicht als unangenehm bezeichnen. Ich öffnete die Augen und sah dass ich gegen einen Wegweiser geprallt war. Ein Holzschild, welches mir den Weg zum Eosufer weiste. Ich stand auf und klopfte mir den Dreck vom Körper. Ich war überall offen. Meine Kleidung war aufgerissen und in mir steckten überall kleine Kieselsteine. Leider konnte ich meinen Rücken und den Hintern nicht sehen. Es war faszinierend, wie sich das Blut über meinen Körper verteilte und meine restlichen Kleidungsfetzen einweichte. Sie würden mir nur eine Last sein. Ich riss mir den Stoff vom Leibe und ging nackt weiter. Ich hatte kein Problem damit. So etwas wie Scham war für mich fremd geworden.
Als es dunkel wurde machte ich mir wieder ein Feuer. Ich weigerte mich, mich so verdreckt auf meine wertvolle Decke zu legen. Ich würde einfach im Gras liegen. Es war weich, und so kalt war es nicht. Jedoch konnte ich fast nicht schlafen. Sobald ich ins Traumland glitt, wurde ich abrupt wieder hinaus gerissen. Viellicht waren es die kleinen Kieselsteine welche egal wie ich mich hinlegte in die Haut drückten. Doch das glaubte ich nicht. Irgend etwas anderes hielt mich wach. Angewidert schon wieder zu wenig Schlaf bekommen zu haben stand ich auf, packte meine Sachen zusammen und marschierte weiter.


-I-



„Gabe“ mit einer Handbewegung erlaubte er ihm, zu sprechen „Sie befindet sich nun inmitten des Canoninschen Gebirgszuges. Wir haben ihr weiterhin Tiere, wie Wölfe und Bären geschickt damit sie die Reise bis ans Nordöstliche Eosufer übersteht. Wir haben ihr einen der Guhl hinterher geschickt damit er die Sauereien beseitigt.“
Die Guhl waren eine eigene Rasse des Schattenvolkes. Sie ernährten sich von Aas. Wenn sie nicht Diener höherer Kreaturen wie Gabe waren, lebten sie in den Wäldern und fraßen entweder das was irgendwo tot lag, oder sie griffen diejenigen an, die die Wälder durchquerten.
„Er ist friedlich und wird ihr nichts tun. Sie wird ihn auch nicht bemerken. Zu Beginn der nächsten Halophase, sollte sie das Gebirge durchquert haben.“ Heute war Tag drei der dritten Halophase in der ersten Ära. Eine Halophase dauerte zehn Tage. Also sollte sie in sieben tagen am Eosufer ankommen.
Gabriel dachte einige Momente nach. Weniger um sich auszumalen, wie er sie dann weiter in die ihm gewünschte Richtung lenke. Sondern mehr, um Elias zu ärgern. Gabe wusste um seine Ausstrahlung. Incubi – genauso wie den Großteil der anderen Schattenwesen - wie Elias, konnte seine alleinige Anwesenheit in die Knie zwingen. Menschen hingegen fühlten sich zu ihm hingezogen. Er war kein normaler Nephilim. Und das erhoffte er sich auch von Ohajah.
„Verteile ein paar Menschen den Weg entlang, bis kurz vor den Stadttoren. Positioniere einen der Sterngardisten dort, wo sie den Wald verlassen wird. Ich will nicht, dass wir sie noch einmal verlieren.“
Als sie ihr Dorf Ballot verlassen hatte, hätte Elias sie durch Menschen die Handelsrute Richtung Süden locken sollen. Jedoch hatte er nicht beachtet, dass ihr Hunger mehr als genug noch von ihren Eltern gestillt sein musste. Sie hatte die halbtoten, an Bäume gefesselten Gestalten einfach ignoriert. Jedoch musste sie ihn gespürt haben und war nach Osten ins Canonische Gebirge abgebogen. Auch wenn Gabe es nicht sagte, wusste Elias, dass noch ein einziger Fehler ihn sein beinahe unsterbliches Leben kosten könnte. Einst hatten er und seinesgleichen, genauso wie manch andere Schattenbewohner, sich als unsterblich bezeichnen können. Auch wenn man ihren Körper hatte töten könnte, ihr Geist hatte sich einfach einen Magiervölkler gesucht, dessen Seele vertrieben und den Körper als den seinen eingenommen.
Elias machte eine tiefe Verbeugung und drehte sich um, so dass er die Türe in seine Freiheit - aus diesem kleinen Raum, der ihm wie die Hölle vorkam - öffnen konnte.
„Ach Elias“, mit der Hand an der Eisernen Türklinke zuckte der Incubus merklich zusammen.
„Bitte bring mir von Maraja eine der Menschenfrauen. Eine der neuen die sie gestern erst eingefangen hat!“
„Natürlich“, Elias war so schnell aus dem Raum verschwunden, dass Gabriel nicht mehr die Möglichkeit blieb, ihn noch einmal anzusprechen. Draußen machte er so schnell wie möglich einige Schritte von der Türe weg und lehnte sich dann gegen die Wand um durchzuatmen.
Gabriel hatte absichtlich einen so kleinen Raum als den seinen gewählt. Er machte sich einen Spaß daraus, seine Leute zu quälen. Nach einigen Sekunden stellte sich Elias wieder aufrecht hin und ging den Gang hinunter, um die ihm aufgetragene Aufgabe zu erledigen. Sie hatten nicht mehr viel Zeit.

Sein Weg führte ihn hinaus aus der Stadt und hinter die Stadtmauern, in den sie umgebenen Wald, auch Schattenforst genannt. Der See auf welchen er zuging, lag gefährlich nahe an der Stadt. Viele Kinder, die in den Wald zum spielen gingen, verschwanden dort. Fast niemand der Stadtbewohner wusste was dort geschah. Genau sowenig wie Gabes Anhänger. Doch gehörte er nicht zu denen. Er war Gabe direkt unterstellt. Denn er gehörte zur Sterngarde.
Die Sterngarde bestand nicht nur aus den Sterngardisten, sondern aus einer ganzen, von Gabe gegründeten, Organisation. Er hatte seine Gargoyls überall verteilt, nicht nur in Mamorja, sondern auch in Akkalon. Manch einer munkelte, er hätte sogar ein oder zwei, Zutritt zu Eylon verschaffen können. Sie hatten den Vorteil dass sie in den wichtigen, großen Städten nicht auffielen da sie wie Wasserspeier aussahen. Doch entging ihrem feinen Gehör und den scharfen Adleraugen nichts, auch wenn sie auf den hohen Gebäuden saßen und möglicherweise auch noch ein starker Wind ging. Sie erfuhren alles was in einer Stadt passierte. In Dörfern oder armen Städten in Mamorja, wo es keine normalen Wasserspeier gab, unter die sie sich mischen könnten, schickte Gabe Kobolde hin. Sie lebten in ganz Mamorja verteilt, womit sie nirgends als ungewohnt auffielen. Welche Kreaturen er nach Akkalon geschickt hatte sagte er nicht. Doch mussten sie wie Menschen aussehen. Von Eylon war bisher keine Information durchgesickert. Doch eines war klar, sie alle dienten Gabe bis zum Tod. Ihre Aufgabe war es ihn auf dem laufenden zu halte, was wo geschah. Bevor sie ihn verrieten, würden sie sich bis zu Tode foltern lassen, wenn nicht sogar selbst töten. Bei Elias war dies genauso. Jedoch würde er nie in so eine Situation kommen, da er sich immer in Gabriels nähe aufhielt. Er war der persönliche Bote, Berater und Diener. Er verrichtete die Drecksarbeit die Gabriel niemand anderem zuteil konnte, aus Gefahr Information könnte sich verbreiten die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Er sorgte dafür dass alles in der Zuflucht so lief wie Gabriel es wollte. Er repräsentierte und vertrat ihn in der Öffentlichkeit, sofern es ihm nicht möglich war selbst zu erscheinen, was öfters der Fall war. Elis war sich sicher das Gabriel um einiges mehr Macht hatte als er zugab oder einsetzte.
Er hatte einen sehr hohen Posten, doch ging er damit auch ein großes Risiko ein. Denn es war überall bekannt, das dieser Posten sehr unbeliebt war und niemals freiwillig gewählt wurde. Denn es wurde sehr oft eine Neubesetzung gesucht!

„Eliaaas“, sang die zierliche Stimme einer Frau und er blieb stehen und spannte sich an. Die Stimme hätte von überall kommen können, das hier war Marajas Territorium.
„Höre auf zu spielen und komme heraus!“ rief er in die große Dunkelheit. Ein fürchterlicher Schrei ertönte und er war gezwungen, mit den Händen seine Ohren zu schützen. Er wusste das sie etwas verrückt war, genau aus dem Grund war sie auch so gefährlich.
„Aber ich spiele doch so gerne!“ Er hasste diese Kreatur. Es war nicht seine Aufgabe die Frauen von ihr ab zu hohlen. Doch seit Gabriel herausgefunden hatte, dass er es so verabscheute, machte er sich einen Spaß daraus ihn des öfteren zu ihr zu schicken.
„Na dann komm doch zu mir her, Maraja, damit wir spielen können!“
Aus den Schatten vor ihm, tauchten die Umrisse einer Frau auf. Dünne, ausgeblichene Haut. Hauchdünnes, schwarzes Haar, das sie durch ihre weiße Haut wie eine Leiche aussehen lassen konnte. Und trotzdem strahlte sie so etwas wie Schönheit aus.
„Nein“
Ihre Stimme glich nun wieder einem Lied. „Du würdest mir nur Böses antun wollen.“
Maraja war eine Bahnsee. Ihre einzige Waffe war ihre Stimme. Mit ihren Schreien konnte sie Menschen zu sich locken, in den Wahnsinn treiben oder sogar töten. Für Schattenwesen waren diese Geräusche einfach nur die puren Qualen. Wenn man sie sah, war sie eigentlich eine bemitleidenswerte Gestalt. Wenn sie wollte, konnte sie jedoch in den Augen eines jeden, wie eine Göttin der Schönheit aussehen. Nur setzte sie diese Kraft, mit zunehmendem Alter, immer seltener ein. Doch sollte man sie keineswegs unterschätzen.
„Gabe will eine der neuen Frauen“, sie gab ein unnatürliches Zischen von sich.
„Er will immer nur das Frischfleisch! Allen anderen bleiben dann nur die Alten und die Verrückten. Dann beschweren sich alle bei mir!“
Sie verschwand sauer in der Dunkelheit und Elias hörte ein plätschern von Wasser. Maraja lockte immer Menschen in den Wald. Meist jugendliche Mädchen und Jungen, doch näherten diese sich dem Schattenforst nur selten. Da die nachfrage jedoch nie nachließ, musste sie sich das hohlen was sie bekommen konnte. Und das waren nun einmal meist alte oder verrückte. Niemand wusste, was sie dann mit ihnen tat, aber sie waren nachdem sie von ihr kamen, immer bis sie in der Zuflucht ankamen traumatisiert, folgten wortlos und waren klatschnass.
„Da! Nimm sie.“ Elias hörte das Tapsen kleiner Füße auf dem nassen Moor und ein blondes, zierliches Mädchen, kam aus der Dunkelheit zu ihm. Sie konnte noch keine dreizehn Jahre alt sein. Was ein Mädchen wie sie in diesem Wald zu suchen hatte, war ihm schleierhaft. Aber das durfte er keinesfalls offen zugeben. Eigentlich sollte er sich über so etwas, gar keine Gedanken machen dürfen. Er war ein Incubus, ein Wesen von Bosheit und Abscheulichkeit. Doch er vermutete schon seit längerem Sternenvölker Blut in seinen Adern.
Als sie in das Licht der Laterne trat, streckte er ihr die Hand hin und zog sie mit sich. Doch dann hielt er inne.
„Wenn dich Gabriels verhalten stört, dann sag es ihm doch!“
Was sie darauf antwortete, konnte er nicht mehr verstehen, da er bereits am Weg hinaus, aus diesem immer dunklen Wald war. Aber es war bestimmt nichts Nettes.

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Tag der Veröffentlichung: 16.05.2012

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