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Kapitel 1


Ima leckte sich die trocknenen Lippen.Sie hatte einen sauren, ekligen Geschmack im Mund, wie nach einer Ohmacht. War sie ohnmächtig geworden? Ein im Wasser liegender Ast hatte ihren Fall aufgehallten und verhindert, dass sie ertrunken war.
Die Schilfblätter wippten im Wind und kitzelten sie im Nacken.

Erschöpft fuhr sie sich über das Gesichtund versucht, das Zähneklappern zu unterdrücken.
Ihre Pilgergruppe saß drüben in der stickigen Halle von Arles,wo sie gersten Abend müde angekommen war, und betete bei Wassersuppe und hartem Brot um Durchhaltevermögen auf langen Reise,und sie, Ima, hatte es nicht mehr ausgehalten.Nicht nur der Hunger oder die Blähungen und Bauchkrämpfe vom schlechten Essen in den Herbergen. Nein,der Schmutz setzt ihr von Tag zu Tag mehr zu.Das Jucke,das Kratzen unter dem schuddeligen Hemd mit den speckigen Nahtkantenund in allen Körperritzen, die Flöhe, die in den Mantelfalten wohnten und ihr täglich zur Qual wurden,wenn sie herumwanderten und bissen.

Die Läuse, die ihr frech über die Stirn krochen.Die drangvolle Enge. Niemanden sonst schien e zu stören, nicht die kleine Schwester, die neben ihr lag,nicht den Großvater, der kaum schlief. Und auch nicht Lady Eileen - nicht einmal sie klagte über den Schmutz.
Ima hatte es einfach nicht mehr ausgehalten und war davongelaufen.War am frühen Morgen aus der Pilgerhalle von Sainte Marie gehetzt, an der Kirch vorbei zum Friedhof, der sich als ellenlang herausstellte.
Sie war an den endlosen Grabreihen der Alyscamps entlanggelaufen, wo man vor Jahrenhunderten Gläubige beigesetzt hatte, war durch die Hitze Aquitaniens gestolpert, bis sie hinter den alten Pinien der Alyscamps diesen kleinen See gefunden hatte und erleichtert kopfüber zum Bade darin versunken war in der Hoffnung, die Toten, die hier unten sehr aletn Steine ruhten, würden sie das - man erzählte sich, dass die Römer, die dieses Grabfeld vor unendlichen Zeiten errichtet hatten, Wasser und Badelust liebten.
Sicher waren sie sogar wohlwollend zugegen. Ima lächelte.Sie hatte mit Wonne auf dem Schieferstein die Kleider geschrubbt, die verfilzten Haare gekämmt, bis die Kammzinken abbrachen, und hatte sich satt getrunken...
Bis die Natter erschien war - und dann dieser Ritter.

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Der Mann hockte vornübergebeugt auf einem breiten Granitblock und brummte vor sich hin.
Ima meinte normannische Flüche verstehen zu können. Ein Normanne!!!Was tat ein Normanne in Aquitanien?? Stoff riss entzwei, dann zor er Luft durch ´die Zähne und fluchte richtig laut und ungehörig und in der Tat auf Normannisch. Ima reckte den Hals, doch kein Toter erhob sich drohend. Vielleicht verstanden sie kein Normannisch. Vielleicht waren sie Flüche auf ihren Gräbern gewohnt. Die Alyscamps waren zwar Friedhöfe aus römischer Zeit, doch gehörten sie zur Stadt. Immer nocht wurden Verstorbene dort beigesetzt, davon zeugten
kostspielige Sarkophage und Grabstätten.Tagsüber war allerhand volk an diesem zauberhaften ort unter hohen, alten Pienen unterwegs.

Kämpfe um leben und tod jedoch gehörten nicht hierhin und irgendwie spürte man doch so etwas wie Missbilligung in der Atomspähre. Dem Ritter schien das egal zu sein, nicht einmal der Fetzen eines Gebets für den toten Gegner kam ihm über die Lippen.Sein flammend rotes Pferd stand grasend auf der Wiese, der Sattel lag achtlos daneben im Gras, Sonnenstrahlen ließen das gepunzte Gold an der Verzierung aufblitzen. Das andere Pferd lag mit durchschnittener Kehle im Gras, gleich neben seinen übl zugerichteten toten Reiter.Der Kopf des Mannes hing noch am Hals, jedoch nur hinten. Vorne klaffte ein breites loch, und aus dem nach hintem gekippten Gesicht starrte die junge Frau zwei erloschene Augen an.Fliegen summte über Szene und weideten sich am immer noch sickernden Blut.

Nichts außer einem gelegetnlichen Schnauben störte die Ruhe auf der Lichtung.
>>Du kannst ruhig rauskommen<<, knurrte der Mann da. Ima fasste sich an die Kehle und hörte auf zu atmen. Woher wusste er....>>Du kannst ruhig aus dem Wasser kommen,mir steht jetzt nicht der Sinn nach Weiberfleisch. Obwohl ....<< Ruckartig drehte er sich um und spähte durch das Schilf, gierig grinsend das Angebot beglotzend. >>Käm drauf an ...<< Ima duckte sich hinter die Blätter, doch das Schilf gab ihre langen blonden Haare preis, die sie vorhin zum ersten Mal nach vielen Wochen hatte waschen können. >>Na, komm schon raus, ich habe jetzt andere Sorgen. Kannst du badern? Ich bin verletzt.<< >>Ich kann nicht badern.<< >>Jede Frau kann badern!<< >>ich kann es nicht.<< Sie schwieg, dass sie daheim gute Lehrerinnen gehabt hatte. >> Willst du mich ärgern ? Jede Frau kann Wunden verbinden!<< Damit stand er auf und drehte sich um, und Ima sah, wen sie vor sich hatte. Ein Mann, nur wenig älter als sie, mit kantigem Gesicht schwarzem, wiirem Haar, eigenwilliger Hakennase und blitzenden dunklen Augen.Ima mochte keine Hakennasen. Das zerfetzte Kettenhemd bedeckte notdürftige die breiten schultern. Getrocknes Blut hing wie eklige schwarze spinnentiere in den kettengliedern, vom mantel existierte nur noch die Hälfte, die andere Hälfte lag im boden. Lange Beine stecken in uralten Lederbeinlingen, und der Mann hatte riesengroße Füße. Oder sahen die nur so aus, wiel seine zweifarbigen Schuhe an der Spitze nach oben gebogen waren? >>Zum Teufel, nun komm schon raus da, ich fresse keine Landeier.<< >>Ich bin kein Landei,<< murmelte Ima. Inselgöttin hatte Stephen sie immer lachend genannt. Stephen . Ach, Stephen - der Name löste solche Schmerzen in ihr aus, dass sie vergaß, in welcher Gefahr sie sich befand. Stephen. Der da draußen streckte die Hand aus. >> Soll ich nachhelfen?<< Ima zog die Nase hoch. Sie nahm allen Mut zusammen und bog die Schilfrohr auseinander. Erst jetzt merkte sie, wie sehr sie fror, wie eisig ihr das nasse Hemd am Körper klebte und dass ihre Füße im Wasser fast blau geworden waren. Der Mann betrachtete sie neugierig. Ohne ihn anzusehen, ging sie an ihm vorbei zu ihrem Kleiderhaufen, überwand tapfer die Angst vor der Natter, die ja irgendwo hier noch saß und wachte, und zog die Kleider auseinander. >> Furcht kennst du nicht, was ? << Er spukte ins Gras. >>Du hättest mich geziemend grüßen müssen .<< Ima ließ das wollene Pilgerkleid über ihren Körper gleiten und drehte sich um. >> Ihr seid äußerst unhöflich zu mir gewesen, mon seignur, und nicht etwa umgekehrt. Das Pilgergewand verbirgt, wer sich darunter befindet...<>Wer sich darunter befindet! Was soll sich schon groß darunter befinden außer einem zu klein geratenen Busen und ....<< >> Hütet Eure Zunge und verreckt <<, zischte sie da.

>> Ha! >>, machte er. >> Freche Reden aus dem Mnd eines Weibes - ich hoffe, dein Gatte züchtigt dich dafür regelmäßig! >>. 

Ima presst die Lippen aufeinander. Der Gatte züchtigte sie nicht, der Gatte war tot, lag auf em Grund des Meeres. Tränen stiegen ihr in die Augen. Der Gürtel schien in ihrer Taile einzuscheiden, alles wurde ihr zu eng. Stephan . Sie raffte ihre Sachen zusammen und wollte wortlos an ihm vorbeigehen, als er sie am Arm packte. 

>> Ich habe dich um einen Dienst gebeten, und du willst ihn mir verweigern?>>. Seine Stimme war scharf, Ima fühlte sich gewarnt. >> Hier ist weit und breit kein Arzt. Zier dich nicht so. Hilf mir. >>

Einzeln herumreitende Krieger führten selten Gutes im Schilde, davor hatte die Mutter sie stets gewarnt. Und ein Normanne im Herzen von Aquitanien konnte nur auf der Flucht sein. Einen Verfolger hatte er wohl gerade erst abgeschüttelt und bestialisch getötet. Ein Verbrecher. Wer von beiden wohl der Verbrecher gewesen war? In jedem Fall war sie jetzt hellwach. Und er hatte sie einfach angefasst. Sie wischte sich die Augen trocken und hob den Kopf. 

>> Setzt euch hin. Dort, neben das Wasser, auf die alte Wurzel.>> Vielleicht kam ja die Natter wieder zum Vorschein. Sollte sie Ihm doch unter die Kleidung kriechen, ihre Zähne in sein Fleisch schlagen, das Gift verteilen..... Sie schämte sich für derlei Fantasien.

>> Wenn du mich quälst, schlage ich dich tot.>>, sagte der Mann mit verbissenem Gesicht und hob die Brauen. Sie hielt dem Blick stand. Er hatte sie beleidigt - nicht umgekehrt. Irgendetwas schien er zu bemerken,denn er besann sich auf seine Wunden und schälte sich vorsichtig aus den zerfetzten Kleidern. Die Scham, die Ima ob des gemeinen Gedankens gerade noch empfunden hatte, verpflog. Wo war die Natter ? Sein Kettenhemd landete vor ihren Füßen. Es roch nach ungewaschenem Mann. Wiederling. Und weit und breit keine Schlange, die er damit störte, die flinker war als er - hatte Gott die Natter etwa ihr geschickt? Sollte es ein Wink gewesen sein? 

>> Hast du gehört ?>> , insistierte er. 

Ima straffte sich. >> Wenn Ihr keine Schmerzen ertragen könnt, verdient ihr das Kettenhemd auch nicht.>> erwiderte sie hochmütig. Der Mann hielt inne und starrte mit gerunzelter Stirn in ihr schmales, gut geschnittenes Gesicht. Sie sah ihm an, das er Weiber mit blonden Haar mochte und das er sie schön fand, weil sie wie die Frauen des Nordens hochgewachsen war und weil Ihr das  Haar noch feucht vom Baden über die Schultern hing und sich in den Spitzen kringelte. Immer  noch hilt sie seinem Blick stand. Sie wusste um die Wirkung ihrere dunkelblauen Augen. Er musste wegschauen und beobachtete sie weiter aus dem Augenwinkel , nicht minder bewundernd. Die Gier war aus seinem Blick verschwunden. 

Ima kramte in ihre Pilgerbeutel. Sie tat das etwas länger als nötig, um nach dem Mann zu schielen der sich mit Mühe das schmutzige Hemd über den Kopf zog. Staatlich war er, mit breiten Schultern und Armen, die den routinierten Waffenträger verrieten. Schwarzes Haar lockte sich auch auf der muskulösen Brust und bis herunter zu zusammengebundenen Bruch, wo ein Frauenblick nichts verloren hatte. Das Schwert des Gegners hatte seine Spuren hinterlassen. Blutkrusten tanzten neben alten Narben, ein tiefer Schnitt klaffte im Oberarm, ein großer dunkler Fleck breitet sich auf seinem Rücken aus. Sie ärgerte sich, dass er sie um Hilfe gebeten hatte. Seine Wunden sahen danach aus, als er würde er Geduld aufbringen müssen,Geduld, die er sichtlich nicht besaß. Indes, die Verletzungen waren eine Herausforderung an ihr Geschick. Sie hatte zwar die Heilkunst von ihrer Mutter gelernt, doch waren Fälle von Kampverletzungen eher selten vorgekommen auf der Mönchinsel, wo sie fast ihr ganzes Leben vebracht hatte. Auch Männer wie dieser waren dort selten gewesen. Trotz des Schmutzes und der Blutkrusten schimmerte seine Haut vor Gesundheit. 

>> Wenn ihr Euch setzen mögt, könnte ich anfangen.>> Sie deutete auf die Wurzel. Wortlos nahm er statt auf der Wurzel auf dem Stein Platz und hielt ihr die verletzte Seite hin. Ima biss sich auf die Lippen. Nun gut, dann eben nicht. Wenn die Schlange sein Schicksal war, würde sie auch zum Felsblock kommen. Neugierig beugte sie sich über seinem Oberarm, und eine Strähne ihrea Haares fiel auf seine Schulter. Sie wischte sie achtlos fort. 

Kapitel 2

Im nächsten Moment lag ihre Hand auf seinem Arm, um ihn ruhig zu halten, dann die ander Hand mit leichten Fingern. Heiß durchzuckte es ihn, und nur mühsam konnte er sich zwingen, sitzen zu bleiben. Sie jedoch hatte für nichts Blick als für seinen bluverschmierten Arm, der inzwischen höllisch schmerzte, und fingerte umsichtig an den geschwollenen Wundrändern herum,als täte sie dergleichen tagtäglich. Der Schnitt ging tief, vielleicht sogar bis auf den Knochen. Er stöhnte unhörbar. Der Schnitt ging bis ins Herz.....

>> Ihr habt Glück gehabt,>> murmelte sie, und es war nicht klar, ob sie bemerkte, wie sich unter ihren Berührungen die Gänsehaut auf seinem Rücken weiter ausbreitete. >> Ein wenig mehr von der Seite , ein wenig tiefer, und Euer Arm würde jetzt neben diesem da liegen.>>

 

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Tag der Veröffentlichung: 28.12.2011

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