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Prolog

Lieber Ben.

Es tut mir wirklich Leid, dass ich Dir das schreiben muss doch wenn ich mich weigere, werde ich hier wie ich bin hingerichtet.

Angeblich reicht es wenn man nur minimale Hinweise für den Anfang hinterlässt und weil Du als Berater bei der Polizei auch die kniffligen Fälle entschlüsselst, sollte man wohl davon ausgehen, dass Du auch hierbei das Richtige tun wirst.

Er kennt Dich noch aus früherer Zeit, kann sich gut daran erinnern wie Du angefangen hast, denkt manchmal darüber nach, wie Du dich im Laufe der Zeit entwickelt hast.

Wenn Du die Chance auf ein Happy End erhöhen möchtest, verzichtest Du auf jegliche Hilfe durch Dritte und beweist, wozu Du im Alleingang fähig wirst wenn es nötig ist.

Um keine besondere Sache daraus werden zu lassen, gibt er Dir ein Zeitfenster von einer Stunde, du hast sechzig Minuten Zeit um uns zu finden und wir werden Dich erwarten.

Ich weiß Du würdest nun sagen, dass ich keine Angst haben muss weil es immer Optionen und Wege gibt aber um ehrlich zu sein ich habe Angst.

Ich weiß nicht wie das gehen soll.

Zu wissen dass ich eine Stunde auf Dich warten muss ist nicht schlimm aber die letzte Stunde lebend ohne Dich zu haben macht mich traurig.

Du sollst wissen dass ich an Dich denke und Dir vertraue.

 

In Liebe, Eve.

Kapitel 1

Er stand wie angewurzelt am Schreibtisch und die über ihn hereinbrechenden Informationen hätten bei vielen anderen gut möglich eine Panikattacke zur Folge gehabt. Er jedoch verbot es sich stur und begann direkt damit die wesentlichen Informationen und Hinweise aus dem Inhalt zu filtern.

Während er den Brief wieder neben den Laptop auf den Schreibtisch legte, wo er ihn offen liegend vorgefunden hatte, rekonstruierte er sich die Szenerie vor dem inneren Auge nach. Dazu musste er sich nicht einmal umdrehen und als der Schein der abendlichen Sonne, der durch das Fenster am Schreibtisch drang, gerade sein Gesicht streichelte, fiel ihm etwas auf.

 Aus dem Augenwinkel nahm er eine Fensterreihe auf der gegenüberliegenden Straßenseite zur Kenntnis. Ein einzelnes der Fenster stand offen doch es war nichts zu sehen außer so einem Topf in dem eine einzelne Blume stand. Ben sah kurz auf die Uhr und nahm still zur Kenntnis, dass etwas hier nicht stimmte.

Er wandte sich vom Fenster ab und ging kurz durch beide Räume zu seiner rechten, dem Schlafzimmer und dem Bad, von wo er jedoch ohne weitere Hinweise zurückkehrte und sich nun am Ausgangspunkt wiederfand. Was er bisher hatte, reichte zu folgenden Schlüssen.

Ein Lockvogel hatte Eve durch einen Vorwand dazu gebracht die Tür zu öffnen und kurze Zeit später mit mindestens einer weiteren Person die Wohnung zu betreten. An der Tür und im Rahmen hatte er beim Betreten der Wohnung keine sichtbaren Spuren gefunden die auf gewaltsames Eindringen deuteten.

Schon wenige Sekunden später hatte der Entführer hier vor dem Couchtisch gestanden, zu seinem Rücken die Küchenzeile und der Essbereich. Freie Sicht wenn auch nur ein begrenztes Zeitfenster, da er wahrscheinlich nicht wusste wann Ben in die Wohnung zurückkehren würde.

Nach links reichte der Blick durch das eigene Fenster weit genug um bis ins Fenster auf der gegenüberliegenden Seite zu schauen. Ein gut geeigneter Posten für einen Scharfschützen, was zu dem Punkt mit dem offenen Fenster und der einzelnen Topfpflanze passte.

Nach rechts ging es zur Wohnungstür raus wo der Lockvogel sehr wahrscheinlich gestanden und die Treppe nach unten im Auge behalten hatte. Falls der Lockvogel versagt hätte, wäre nur ein Schritt nach hinten nötig gewesen und der Scharfschütze hätte freie Schussbahn bis in den Hauptflur.

Direkt vor sich auf der Couch hatte er Eve sitzen gehabt und die Unterredung gehalten. Sie hatte den Brief schreiben müssen, der entweder diktiert oder zum Abschreiben vorgelegt war.

Möglichkeit eins ließ auf einen taktisch ausgeklügelten Geist schließen der Spaß daran hatte, sein Gegenüber psychisch an die Wand zu treiben.

Möglichkeit zwei ließ auf einen Taktiker innerhalb der Truppe schließen, was zugleich bedeutete, dass Ben einen zwar leichten Entführer vor sich hatte aber mindestens eine weitere sehr geschickte Person, die er ebenfalls ausschalten musste.

Er versuchte ein imaginäres Profil des Entführers zu erstellen, was jedoch noch nicht gelang. Es fehlten zu viele Dinge die er wissen musste. Ben änderte die Fragestellung und überlegte wo in der Umgebung die nächsten geeigneten Plätze waren.

Es musste ein leer stehendes Gebäude sein. Mehrere Zimmer, möglichst wenig bis gar nicht Aufmerksamkeit erregend, falls man jemanden tötete. Ben fielen gleich drei passende Schauplätze ein die in der näheren Umgebung waren was ihn kurz schaudern ließ und er sortierte.

Da war die Wohnung auf der Straßenseite gegenüber. Sie stand leer und konnte durchaus zum Plan des Entführers dazu gehören aber sie war zu nahe an Bens Wohnung, was sich mit dem Zeitfenster von sechzig Minuten wiedersprach. Nein, der Entführer von Eve wollte spielen.

In Gebäude Nummer zwei hatte sich bis vor wenigen Wochen die Zweigstelle einer Firma eingemietet und den Platz für ihre Büros genutzt. Es war etwa zehn bis fünfzehn Minuten entfernt und Ben überkam in diesem Moment ein leicht mulmiges Gefühl.

Für den dritten Ort würde Ben sich ran halten müssen. Es handelte sich um den Platz eines ehemaligen Ladens der bereits eine ganze Weile leer stand. Einige Pfeiler die im Hauptraum die oberen Etagen trugen aber kaum Platz boten um Deckung zu suchen, falls jemand das Feuer eröffnen wollte.

Soweit Ben wusste, gab es nur die Haupteingangstür, was ungesehenes Eindringen evtl. sehr erschwerte. Allein der Weg dorthin dauerte an die dreißig Minuten aber Ben würde auch die Orte Eins und Zwei zu prüfen.

Er kratze sich nachdenklich am rechten Ohr in dem er das kabellose Headset trug und trat einen Schritt vor. Das Szenario erinnerte ihn irgendwie an frühere Zeiten aber heute sah er es mit anderen Augen.

Impressum

Texte: Lucas Sky
Bildmaterialien: Any Shaw, Lucas Sky
Tag der Veröffentlichung: 30.06.2014

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