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Prolog




Ich war gerade auf der Jagd im Wald, als ich ein leises, wimmern hörte, irgendwo ganz in meiner Nähe. Erst dachte ich, es wäre irgendein stebendes Tier, bis ich ein kleines Mädchen sah, sie war vielleicht acht oder neun Jahre, hatte dunkelbraunes, langes Haar und kauerte am Fuß eines großen Baumes Erst jetzt wurde mir bewusst, dass sie weinte und das Wimmern unterdrückte Schluchtzer waren. Vorsichtig näherte ich mich ihr, das Laub raschelte bei jedem Schritt, doch sie rührte sich nicht, weinte bloß weiter. Dann nahm sie behutsam in den Arm, aus irgendeinem Grund wollte ich sie umbedingt trösten, wollte, dass sie nichtmehr weinte. Sie hatte etwas besonderes, etwas anziehendes an sich. Schließlich hob sie den Kopf und als ich ihre tiefen, dunkelbraunen Augen sah wusste ich, dass sie etwas ganz besonderes war und eine große Rolle in der Zukunft der Drachenreiter spielen würde. Ihr Name war Nelarin.



Aus dem Tagebuch von Toran,
dem Anführer der Drachenreiter





Die Zeremonie




Aufgeregt strich Nelarin immer wieder ihr Kleid glatt, eigentlich bevorzugte sie die lederne Kampfmontur der Drachenreiter, aber bei einem solch festlichen Anlass wie der Wahl des neuen Anführers oder der neuen Anführerin der Drachenreiter war es unangemessen in gewöhnlicher Lederkleidung zu kommen. Nur ein paar Minuten zuvor hatte sie sich immer wieder kritisch im Spiegel betrachtet. Ihre blasse Haut und das schlichte, enganliegende und rückenfreie, weiße Kleid hatten einen schönen Kontrast zu ihrem zu einer kunstvollen Frisur und mit Bändern geschmücktem, dunkelbraunem Haar und ihren ebenso dunklen, tiefgründigen Augen gebildet.
Immer wieder wurde ihr versichert, dass sie hinreißend aussähe, doch sie fühlte sich nur gehetzt und angespannt. In ein paar Augenblicken, hier, auf dem großen Versammlungsplatz würde nun ihr neuer Anführer von den Drachen ernannt werden. Nicht, dass sie sich selbst für diesen Posten in betracht zog, wo hier doch so viele große Krieger waren, die so viel mehr als sie, die nunmal nur eine einfache Drachenreiterin war gerade erst am Ende ihrer Ausbildung angekommen, geleistet hatten.
Und doch war sie so aufgeregt, als würde es gerade um ihre eigene Ernennung zum Anführer gehen. Vielleicht weil dies die erste große Versammlung war, an der sie als vollwertiges Mitglied teilnahm.
Von unten her hörte sie nun das mächtige Brüllen eines Drachen. Es war Zemun, der älteste Drache hier. Ihm hatten die Drachengeister mitgeteilt, wer Torans Nachfolger sein sollte. Toran. Nelarin dachte daran, wie er sie im Wald gefunden hatte, nachdem ihr Dorf, und mit ihm auch ihre Eltern, verbrannt war. Er hatte sie erzogen, unterrichtet, war so etwas wie ein Vater für sie geworden. Und er war der Anführer der Drachenreiter gewesen.
Bis er schließlich umgebracht wurde, von einem Wolfsreiter. Vor Wut und Trauer ballte Nelarin ihre Fäuste. Diese stinkenden Hunde! Nicht auszudenken, dass sie selbst einer war und auch heute sein würde, ohne Toran. Die Wolfsreiter ritten, wie der Name schon sagte, auf riesigen Wölfen, die es fast mit einem Drachen aufnehmen konnten, wenn der aufs Fliegen verzichtete. Außerdem besaß jeder Wolfsreiter eine spezielle Gabe, wie Gedankenlesen oder Telekinese. Keine Gabe kam zweimal vor.
Ihre war es, die Elemente zu kontrollieren, eine sehr mächtige Gabe, auf die sie stolz war. Und doch verabscheute sie sie, weil dies ein Beweis dafür war, in welchem Volk sie geboren wurde.
Dennoch hatte Toran darauf bestanden, ihr Talent zu fördern. Er meinte, dass es sie zu einer unvergleichlichen, mächtigen, Kriegerin machen würde. Eine Kriegerin, wie sie die Drachenreiter brauchten.
Alle Drachenreiter kannten ihre Herkunft, doch nahmen sie sie auf, als wäre sie bei ihnen geboren worden und schätzten ihre Gabe.
kein schlechtes Wort hatte jemals irgendein Drachenreiter über ihre Ahnen verloren. Und Nelarin war dankbar dafür.
Und dann, vor nicht allzulanger Zeit hatte sie nun einen festen Beweis dafür, dass sie zu den Drachenreitern gehörte, undzwar ihren eigenen Drachen, Syraja.
Wieder brüllte Zemun und schickte einen Feuerstrahl gen Himmel. Eilig lief Nelarin auf den Platz, wo sie nun alle Drachenreiter versammelt hatten.
"Es ist an der Zeit, dass die Drachenreiter wieder einen neuen Anführer bekommen, nachdem und die Wolfsreiter Toran genommen haben", begann Relvan, Berater und Vertreter des Anführers mit lauter Stimme und erhobenen Armen zu sprechen. Seine Augen leuchteten und Nelarin bemerkte, dass er ebenso aufgeregt war, wie sie selbst, wie alle hier, selbst die jüngsten Schüler, die gerade erst ihr achtes Lebensjahr begonnen hatten.
"Die Drachengeister, die Seelen der verstorbenen Drachen, haben ihre Entscheidung gefällt und sie Zemun mitgeteilt. Lasst und nun unseren neuen Anführer begrüßen!"
Mit diesen Worten trat er zurück, so das Zemun das Urteil der Drachengeister verkünden konnte. Die Spannung steigerte sich uns Unerträgliche und langsam begann Nelarins Rücken zu kribbeln. Es kam ihr vor, als würden die dort eintätowieren Drachenflügel immer wärmer werden, zu glühen beginnen.
Extra hatte sie ein rückenfreies Kleid gewählt, um allen zu Zeigen, dass sie nun endgültig zu ihnen gehörte. Sie hatte ihren eigenen Drachen, das traditionelle Tattoo von zwei Drachenflügeln auf den Schulterblättern und war schließlich zu einer jungen Frau von gerade mal 17 Jahren herangewachsen.
Nun fragte sie sich, ob das mit dem Kleid nicht vielleicht ein Fehler gewesen war.
Sie hörte ein leises Flüstern hinter sich und drehte sich um. Einige Drachenreiter starrten sie fassungslos an und Nelarin fragte sich, ob etwas nicht stimmte und was das kribbeln bedeutete.
Da stieß Zemun einen markerschütterndes Brüllen aus und sandte abermals einen Feuerstrahl in den Himmel. Dann sah er sie mit unergründlichen Augen an, die zu sagen schienen "Komm her und begrüße dein Volk, Nelarin, denn du bist die, die die Drachengeister auserwählt haben, du bist die neue Anführerin der Drachenreiter."
Wie angewurzelt stand Nelarin da und konnte den Blick nicht von dem majestätischen Drachen wenden, starrte ihn nur ungläubig an.
Schließlich trat Relvan neben sie, er hatte sich von Zemun entfernt, ohne dass sie etwas davon mitbekommen hatte.
Mit einem aufmunternden Lächeln führte er sie zu Zemun. Alle Blicke waren nun auf Nelarin gerichtet. Und sie war sich dessen nur allzu deutlich bewusst. Ihre Hände waren verschwitzt und zitterten, sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und fühlte sie, als würde sie gleich zusammenbrechen.
Wieder erhob Relvan die Stimme. "Die Drachengeister haben ihre Wahl getroffen, wir haben eine neue Anführerin. ihr Name ist Nelarin!", rief er feierlich. Und die Menge brach in Jubel aus. Nelarin war sprachlos, sie, das versammelte Volk der Drachenreiter jubelte ihr, der sie doch als Wolfsreiter geboren und erst 17 Jahre alt war, zu.


Zurück in ihrer Hütte ließ sich Nelarin erschöpft und immernoch ungläubig, angesichts der Tatsache, dass sie die Drachenreiter anführen sollte, auf einen Stuhl sinken.
Eigentlich sollte sie packen und noch Heute Abend in den Palast umziehen, doch sie konnte sich einfach nicht überwinden, ihr altes Leben aufzugeben. Was würde aus dieser Hütte werden? Dann erst dachte sie daran, dass sie darüber entscheiden konnte, sie war nun die Anführerin. Wenn sie nichts anordnete, würde man die Hütte irgendeinem anderen jungen Drachenreiter geben, doch Nelarin brachte es nicht übers Herz, sie ganz aufzugeben und so beschloss sie, dass sie leer bleiben sollte.
Nur an und zu müsste mal etwas sauber gemacht werden.
Knallend flog die Tür auf und Lamea und Lyreen, ihre beiden Freundinnen stürmten herein.
Lamea war groß und wunderschön. Sie war gertenschlank, hatte langes, leicht gewelltes, blondes Haar, klare, blaue Augen und ein schmales Gesicht. Lyreen war etwas kleiner, hatte knalliges, blaues, schulterlanges Haar, das sie sich mit Beeren färbte, faszinierende türkise Augen und wirkte sehr zierlich.
Beide hatten noch ihre Kleider von der Versammlung an, Lamea ein langes, schmal geschnittenes, lavendelfarbenes und Lyreen ein knielanges Kleid in der Farbe ihrer Augen.
Nun kamen die beiden auf Nelarin zu gerannt und umarmten sie stürmisch. "Herzlichen Glückwunsch, Nela!" "Ich glaubs ja nicht!", riefen sie wild durcheinander.
Geduldig wartete Nelarin, bis sie fertig waren. "Ich fürchte, ich werde mein altes Leben vermissen", seufzte sie schließlich.
"Was ist, helft ihr mir packen?", fragte sie nun munter und machte sich auf den Weg in ihr Schlafzimmer.
Immernoch aufgeregt folgten Lamea und Lyreen ihr.


Mit wild klopfendem Herzen betrat Nelarin ihr neues Schlafzimmer. Relvan hatte sie durch das ganze Schloss geführt, bis sie es in und auswendig kannte.
Die Tür öffnete sich geräuschlos, Nelarin trat über die Schwelle und fand sich in einem Raum wieder, der fast so groß war, wie ihr ganzes altes Haus.
In einer Ecke war etwas vom Raum abgetrennt wurden, um einen begehbaren Schrank daraus zu machen.
Ein Vorhang aus unzähligen, feinen Perlenschnüren die in einer reihe quer durch den Raum aufgehangen waren und von der Decke bis zum Boden reichten, teilte ein Stück des Raumes ab, wo sich ein riesiges Bett mit unzähligen Kissenund großen, weichen Decken befand. Hier war also ihr Schlafbereich.
Doch am meisten faszinierte sie eine Wand des Raumes, die ausschließlich aus Fenstern und einer Glastür bestand.
Durch diese Fensterwand strömte helles Sonnenlicht in den Raum und tauchte alles in einen goldenen Schimmer. Durch die Tür gelangte man auf einen Balkon, der so groß war, dass sogar fast ein Drache darauf Platz gefunden hätte.
Verzaubert trat Nelarin hinaus und es verschlug ihr die Sprache, als sie merkte, dass sie von hier aus die gesamte Stadt der Drachenreiter überblicken konnte. Ja sogar noch mehr. Selbst Murat, den riesigen Wald, in dem die Wolfsreiter leben konnte sie von hier aus noch erkennen.
Lächelnd riss sie sich schließlich von dem Anblick los und betrat wieder ihr Zimmer. Nun, da die Versammlung vorbei war, wollte sie nurnoch raus aus diesem Kleid und ihre Ledersachen anziehen.
Ihre Waffen, ihr Schwert, die Wurfmesser, den Dolch und Pfeil und Bogen, verstaute sie in einem Schrank bei ihrem Bett. Schließlich holte sie das Schwert doch wieder hervor und hängte es sich an den Gürtel. Es war angenehm, wieder das Lederwams, die Lederhose, die Stiefel und das Schwert an der Seite zu tragen.
Dann setzte sich Nelarin aufs Bett und dachte darüber nach, was an ihr so besonders war, dass es die Drachengeister dazu veranlasst hatte, sie zur Anführerin zu machen. Natürlich außer ihrer Herkunft und ihrer Gabe.
Sie war noch recht jung, trotzdem eine ausgezeichnete Kämpferin, sowohl im Nahkampf, als auch mit Pfeil und Bogen oder den Wurfmessern.
Doch Lamea war ebenso geschickt im Kampf, sie trug stets zwei Langschwerter und wirbelte in einem Gefecht so schnell herum, dass es aussah, als ob sie tanzen würde. Auch Lyreen konnt mit ihren Waffen umgehen, sie benutzte stets Wurfmesser und einen Dolch, den Schwertern hatte sie schon längst den Rücken gekehrt.
Und viele Drachenreiter waren bestimmt viel bessere Krieger als sie selbst, es konnte also nicht an ihrem Geschick im Umgang mit Waffen liegen.
Noch eine Weile grübelte Nelarin darüber nach, während die Sonne immerweiter am Horizont versank und blutrote Strahlen den Himmel tränkten. Blut. Abrupt wurde Nelarin aus ihren Gedanken gerissen und musste an Toren denken, sie war nur Anführerin geworden, weil Torins Blut vergossen worden war. Blut. Ja, sie wollte Blut, Blut um Toren zu rächen. Noch an diesem Abend beauftragte sie ein paar Drachenreiter, das Wolfsreiterdorf zu vernichten, aus welchem die Wolfsreiter stammten, die Toren getötet hatten. Es war ein recht großes Dorf, wie sie wussten und Nelarin überließ es einem der Drachenreiter, einen Trupp für diese Mission zusammenzustellen.
Sie selbst würde sich nicht daran beteiligen, auch wenn sie es sich noch so sehr wünschte. Sie hatte eine andere Aufgabe.
Das Dorf, welches sie diese Nacht dem Erdboden gleich machen würden, war das zweitgrößte, nach dem Hauptdorf Elror. Würden sie auch noch Elror vernichten, würde es nichtmehr lange Wolfsreiter auf dieser Erde geben und Nelarin beabsichtigte mit einem zweiten Trupp Drachenreiter das Hauptdorf anzugreifen. So würde Toren für immer gerecht sein.
Erst hatte Relvan Einwände erhoben, doch als er hörte, dass Nelarin die Wolfsreiter auslöschen wollte, hatten seine Augen zu glänzen begonnen und er war sofort davongeeilt, um Vorbereitungen zu treffen. Alles war in Aufruhr, erst Heute war die neue Anführerin gewählt worden und schon würde sie sie in die erste große Schlacht führen. Für Nelarin war es in erster Linie ein Racheakt, sie würde sich in ihrem Amt nie wohlfühlen, wenn Torans Tod ungerecht bleiben würde.
Ihre ganze Trauer, ihren ganzen Schmerz wollte sie gegen die Wolfsreiter schleudern, wollte sie damit verbrennen und ihre Gabe gegen sie einsetzen, ja sie würde die Wolfsreiter mit ihrer eigenen Waffe vernichten!


Der Überfall




Nelarin und ihr Trupp flogen nun direkt über Elror, dem Hauptdorf der Wolfsreiter mitten im Wald. In der Ferne sah sie ein Aufleuchten, wahrscheinlich ein feuerspuckender Drache. Das Signal. Nelarin nickte ihren Leuten zu, ein stilles Zeichen, dass es nun zum Angriff überging. Sie hielt nichts davon, irgendwas herumzubrüllen, das übernahmen dann schon die Krieger. Und tatsächlich erklang augenblicklich ein vielstimmiges "Angriff!".
Schon sausten die Drachenreiter hinab, und die Drachen steckten den Wald in Brandt. Kinder weinten, Frauen schrien, Männer brüllten Warnungen oder Befehle, doch das alles ließ Nelarin völlig kalt, sie dachte nur an ihre Rache und ein bitteres Lächeln erschien auf ihren Zügen.
Dann sah sie unter sich einen mächtigen Wolf, der in Richtung Dorf rannte und natürlich einen dieser Hunde auf dem Rücken trug.
Sofort stürzten sie und ihr Drache sich in die Tiefe, bereit ihnen den Weg abzuschneiden.


Verzweifelt trieb Tarek San, seinen Wolf, an. Er hatte sofort begriffen, was los war, als er sah, wie Flammen aus dem Wald aufstiegen und Drachen darüber hinwegflogen. Plötzlich landete ein großer, dunkelgrüner Drache, direkt vor ihm und schnitt ihm den Weg ab. Von seinem Rücken sprang eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, mit gezücktem Schwert. Es gab keinen weg um die Beiden herum und so musste er wohl oder übel kämpfen. Also sprang auch er von seinem Wolf und zückte das Schwert. Die beiden Tiere stürzten sich sofort aufeinander, doch Tarek und diese Frau umkreisten sich lauernd. da, plötzlich sprang sie vor, stieß zu und zuckte dann blitzschnell wieder zurück. Tarek schaffte es gerade noch auszuweichen, keine Frage, sie war eine exzellente Schwertkämpferin... das letzte was er jetzt brauchen konnte, während sein zukünftiges Volk ihn brauchte. So umkreisten sie sich weiter, stießen zu und parierten, ohne den Anderen wirklich zu treffen.
Dann stieß die Frau wieder zu, zuckte aber zurück, bevor sie Tarek überhaupt hätte berühren können und schleuderte stattdessen ein Wurfmesser.
Es verfehlte sein Ziel nicht, da Tarek viel zu überrascht war, um zu handeln, und bohrte sich in seine rechte Schulter.
Stöhnend ließ er das Schwert fallen, nun war es also aus, er war besiegt worden durch eine List.
Aus reiner Verzweiflung zog er sich das Messer aus der Schulter und warf es nach der jungen Frau, diese wich geschickt auf und war im nächsten Moment schon über ihm, den gezückten Dolch an seiner Kehle.
"Wer bist du?", zischte sie und presste den Stahl etwas fester gegen seine haut, so dass etwas Blut hervorquoll, als er nicht sogleich antwortete.
Sie beugte sich näher zu ihm hinunter, so dass ihre Nasenspitzen sich fast berührten und fragte nocheinmal drohend, jedes Wort betonend. "Wer. Bist. Du. Und. Was. Hast. Du. Allein. Außerhalb. Des. Dorfes. Unternommen.?"
Tarek viel auf, wie schön sie war, und irgendwie kam sie ihm vertraut vor.
Das Bild eines kleinen Mädchens erschien vor seinem inneren Auge. es spielte und sang und lachte ausgelassen, dann schnappte sie sich ihn und zusammen tollten sie durch den Wald.
Ihre Züge waren erwachsener geworden, schärfer, nicht mehr so kindlich und rund. Sie war zu einer schönen, jungen Frau herangewachsen. Schnell überschlug Tarek die Jahre. Sie müsste 17 sein, ja das würde passen.
"Nela", flüsterte er heiser und ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht.
Überrascht lockerte die junge Frau kurz den griff um ihren Dolch, nur, um ihn dann noch fester gegen seine Kehle zu drücken.
"Für dich immernoch Nelarin, wer bist du, dass du meinen Namen kennst? So schnell kann sich die Neuigkeit noch nicht zu euch rumgesprochen haben. Außer du hast spioniert!", zischte sie.
"Welche Neuigkeit?", fragte Tarek verdutzt, bevor er es sich verkneifen konnte.
Ein spöttisches Lächeln spielte um Nelarins Mund.
"Seit Heute bin ich die neue Anführerin der Drachenreiter. Deshalb gibt es auch diesen Überfall, ich habe ihn angezettelt um Toran zu rächen. Er war mehr für mich, als ein Lehrer, er war mein Retter, mein Vater! Und die Wolfsreiter haben ihn umgebracht!", die letzten Worte hatte sie fast geschrien.
"Nela..rin, dein Vater ist bei dem Brand, bei dem Die Drachenreiter das Dorf angesteckt haben umgekommen, wie auch deine Mutter. Ich dachte ich würde auch dich niemehr wiedersehen. Früher haben wir zusammen gespielt und nun sind wir Todfeinde. Erinnerst du dich nicht mehr an mich? ich bin Tarek", erklärte er betroffen von der Aussicht, dass Nela zwar nicht gestorben, doch stattdessen eine Drachenreiterin geworden war, somit war sie für ihn auch so gut wie gestorben... oder eher umgekehrt.
Nelarins Hand zitterte und sie ließ von ihm ab, er wäre sowieso zu schwach gewesen, fort zu laufen, doch wenigstens hatte sie ihm geglaubt.
Etwas unsanft zerrte sie ihn schließlich zu einem Baum und lehnte ihn mit dem Rücken daran, so dass Tarek halbwegs aufgerichtet saß.
Dann setzte sich Nelarin direkt vor ihn und musterte Tarek kalt. Sie erinnerte sich an einen Jungen, mit dem sie früher gespielt hatte, doch ob der junge Mann, der vor ihr saß wirklich der Tarek war, mit dem sie als Kind zusammen gespielt hatte, wusste sie nicht. Was machte das auch für einen Unterschied?
Er war groß, hatte einen athletischen, gut bemuskelten Körper, blonde Haare und... diese stechend grünen Augen, die nur Tarek haben konnte.
"Wir haben als kleine Kinder zusammen gespielt, na und?", meinte Nelarin kalt.
"Wieso bist du Drachenreiterin geworden, sie haben unser Dorf in Brand gesteckt und viele von uns getötet, darunter auch deine Eltern... und meine Mutter. Und nun führst du ihr Werk fort!", entgegnete Tarek ohne auf Nelas Bemerkung einzugehen.
"Es waren nicht die Drachenreiter, das Dorf angesteckt haben!", schrie sie und richtete nun wieder den Dolch auf ihn.
"Woher willst das Wissen?", fragte Tarek und schloss erschöpft die Augen. Die Wunde an der Schulter machte ihm zu schaffen und er würde wahrscheinlich so oder so sterben.
"Sie haben mir erzählt, was passiert ist!", beharrte Nelarin und doch zitterte, gegen ihren Willen, der Dolch in ihrer Hand beim Anblick Tareks.
"Meinst du wirklich, sie würden dir erzählen, dass sie selbst es waren, die den Brand verursacht haben, wenn sie dich in ihren Reihen haben wollten?" Tarek lächelte bitter.
Nelarin konnte nichts erwidern, sie spürte, dass Tarek recht hatte und doch wollte sie es nicht glauben. Sie wollte nicht! Tränen liefen ihr über die Wangen und sie versuchte sie nichteinmal wegzuwischen.
"Und was war mit Toran? Er wurde von Wolfsreitern umgebracht, ich weiß es!"
"Ja, er wurde von Wolfsreitern umgebracht. Aber nur, weil er sie angegriffen hat." Tarek wurde schwindlig, aus seiner Wunde floss immer noch Blut, zu viel Blut.
Nelarin ließ den Dolch fallen und nahm das Gesicht in die Hände. Einen Moment saß sie so da und ließ den Schmerz und die Qualen angesichts dieser Erkenntnis über sich ergehen. Dann hörte sie ein Heulen, Syraja, ihr Drache, hatte Tareks Wolf mit ihren Klauen erwischt.
"Syraja!", rief Nelarin, woraufhin die Drächen sofort von dem Wolf ab ließ und zu ihr kam.
"Nela, bitte, mach dass sie aufhören, die Drachenreiter dürfen die Wolfsreiter nicht auslöschen, dieses Massaker muss ein Ende haben! Unter den Opfern sind viele Frauen und auch Kinder, die doch garnichts dafür können...", flehte Tarek schwach, bevor er das bewusstsein verlor.


Nelarin rief zum Rückzug, hinter ihr auf Syrajas Rücken lag Tarek, immernoch bewusstlos und immernoch verlor er zu viel Blut.
"Aber Nelarin, warum sollen wir zurückkehren, wir könnten sie alle auslöschen, für immer!", fragte Barek, ein sehr muskulöser aber auch erbarmungsloser Krieger.
"Weil die Dörfer niedergebrannt sind und es noch andere Wolfsreiter gibt, die nicht in den Dörfern leben, wir würden sie diese Nacht also auch wenn wir wollten nicht alle erwischen", entgegnete Nelarin entschieden."Jetzt sag endlich den Anderen Bescheid!"
Dann wendete sie ihren Drachen und flog so schnell sie konnte zurück zum Palast, in dem sie seit der Erwählung am Tag zuvor wohnte.
Schon nach kurzer zeit wurden die Umrisse des riesigen Gebäudes sichtbar.
"Flieg so dicht du kannst an meinen Balkon heran, Syraja", trug sie der Drächin auf.
In diesem Moment regte sich auch Tarek wieder. Als er registriert hatte, wo er sich befand, riss er ungläubig die Augen auf.
"Was hast du vor?", fragte er matt, seine Schulter schmerzte immernoch und er fühlte sich unendlich müde.
"Dich retten, du verlierst zu viel Blut", antwortete Nela knapp.
"Du hast halt gut gezielt."
"Und du warst erbärmlich langsam."
Tarek lachte kurz auf. "Das stimmt wohl."
Als Nelarin nicht weiter darauf einging, verfielen sie wieder in Schweigen. Gerade, als Tarek sprechen wollte, richtete sich Nela auf Syrajas Rücken auf. Sie stand dort so sicher, als wäre fester Boden, nicht ein fliegender Drache unter ihren Füßen. Staunend sah Tarek sie an. Nela blickte ihrerseits konzentriert zu den Balkon, dem sie sich nun mit großer Geschwindigkeit näherten. Blitzschnell zog sie Tarek hoch, hievte sich ihn halb auf den Rücken und sprang.
Etwas unsanft kamen sie auf dem Balkon auf.
"Gabs keinen anderen Weg, zu landen?", schnaufte Tarek.
"Keinen schnelleren. Und du brauchst schnelle Hilfe."
Ohne noch ein einziges Wort zu verlieren, schleifte sie ihn in das Zimmer, zu dem der Balkon gehörte. Staunend betrachtete der Wolfsreiter den riesigen Raum.
"Saya!", rief Nelarin eine Drachenreiterin, die, wie sie wusste nicht mit den anderen mitgeflogen war. Sya war so wetwas wie die Heilerin der Drachenreiter und für Nela eine Freundin geworden. Saya war schlank, mittelgroß, hatte warme, braune Augen und dunkelblondes Haar. Sie war ein Jahr älter als Nelarin, also 18.
Saya kam hereingelaufen, stockte kurz, als sie den verletzten Wolfsreiter sah und sah Nelarin zweifelnd an.
"Saya, bitte, könntest du dich um ihn kümmern? Er wird wohl besser in meinem Zimmer bleiben...", flehend sah Nela die Heilerin an. "Saya, er verliert zu viel Blut, bitte."
"Nelarin, was... was, warum,... ich soll ihn behandeln?", stotterte diese unsicher. Als sie Nelas flehenden Blick auffing, nickte sie schließlich ergeben.
"Okay, wo können wir ihn hinlegen?", fragte die Heilerin nun.
"Hinter den Vorhang, ich werde ein Bett beschaffen.", mit dem Kopf deutete sie auf den Teil des Raumes, der mit Hilfe des Perlenkettenvohangs vom Rest des Raumes abgetrennt war und wo Nelarin schlief. Dann ließ sie Saya Tarek stützen und eilte davon, um ein Bett zu besorgen.
Wenig später trugen einige Jungen, die ihre Ausbildung noch nicht vollendet hatten und somit nicht miet den Anderen mitkommen durften, die die Dörfer angegriffen hatten, ein mittelgroßes Holzbrett herein. Sie stellten es in eine Ecke hinter dem Vorhang, die Nelarin ihnen zeigte, warfen Tarik neugierige Blicke zu und verschwanden dann wieder.
Gemeinsam brachten die beiden Drachenreiterrinnen Tarek zu dem Bett und hieften ihn hinein, dann machte sich Saya augenblicklich an der Wunde ind Tareks Schulter zu schaffen und beauftragte Nelarin einige Kräuter zu holen. Langsam färbte sich der Himmel rosa und in dr Ferne sah sie die zurückkehrenden Drachenreiter.
Nach einer Ewigkeit, wie es Nela vorkam, war Saya endlich fertig und Tareks blasses Gesicht bekam zusehends Farbe.
"Danke Saya", meinte die Anführerin und umarmte ihre Freundin.
"Und kein Wort zu niemandem, auch zu Lamea und Lyreen nicht, ich will es euch dreien später erklären."
Saya nickte nur, lächelte kurz und verschwandt dann, um vielleicht verletzte Drachenreiter zu behandeln.

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Tag der Veröffentlichung: 26.01.2010

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