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Selbst im Tod erweckte sie den Eindruck von scheidender Schönheit. Ihre kastanienroten Haare umrahmten ihr engelgleiches Puppengesicht mit den verblassten rosa Lippen und schienen in das rubinrote Blut auf den Fließen überzulaufen. Wie um den Kontrast zwischen Schönheit und Tod noch zu unterstreichen war ihr hinreißender Körper umgeben von tausend weißen Rosenblättern. Marie de Aurel, jüngste Opernsängerin an der Staatsoper, mit nur 20 Jahren gestorben. Eva ließ nachdenklich den Blick von dem erstarrten Gesicht mit den glasigen, leeren Augen über den rot glänzenden Boden und die ansonsten makellose Küche wandern. „Todeszeitpunkt, zwischen 22:00 und 24:00 Uhr gestern Nacht. Platzwunde am Hinterkopf, keine weiteren äußeren Verletzungen. Sie ist verblutet.“ „Ein Unfall?“ Eva runzelte die Stirn und drehte sich dann zu Markus dem Mann von der Spurensicherung um. „Wohl kaum. Es gibt keine Blutspuren in der Küche, außer denen am Boden.“ „Also wurde sie mit einem schweren Gegenstand hinterrücks erschlagen.“ murmelte sie leise und beugte sich wieder über die Tote. „So ist es. Es wurden aber bisher keine Einbruchsspuren oder dergleichen gefunden, geschweigedem eine passende Tatwaffe.“ „Gibt es schon irgendwelche Tatverdächtigen?“ fragte sie nachdenklich. „Oh ja! Wir haben sogar schon einen Hauptverdächtigen. Hier drüben! Kommen sie rüber, Deweyn.“ Eva Deweyn blickte auf. Im Grunde hatte sie schon damit gerechnet, dass der Chef im Laufe des Tages hier aufkreuzen würde. „Kaum stirbt eine Prominente ist der Chef auf Zack.“ murrte Markus griesgrämig während er die Fotos von der Leiche schoss. „Kein Wunder. Da sitzt ihm ja auch die Presse im Nacken.“ Eva klopfte ihm, ebenso missvergnügt auf die Schulter und bahnte sich einen Weg zum Chef. „Guten Morgen Chef. Wer ist unser Hauptverdächtiger?“ Sie rechnete nicht mit einer freundlichen Erwiderung, dafür war der Fall zu brisant und der Chef zu überreizt. „Kommen sie mit in die Eingangshalle. Gestern Nacht ist ein verrückter Fan von Marie de Aurel ins Haus eingedrungen. Die Nachbarn haben ihn dabei beobachtet und die Polizei alarmiert. Er war vorbestraft und sitzt bereits in Untersuchungshaft.“ „Also ist der Fall schon gelöst?“ „Nicht ganz. Miss de Aurel hatte einen Butler. Lucian Ravel. Ich möchte das sie ihn morgen zu den Geschehnissen befragen.“ Eva musterte ihren Chef aufmerksam. Für ihn war der Fall klar. Er hatte seinen Täter bereits gefasst, die Zeitungen konnten ihm nichts anhaben und er war zufrieden. „Warum erst Morgen wenn ich fragen darf? Ist der Butler nicht genauso tatverdächtig?“ „Er ist ziemlich fertig mit den Nerven, sie können ja versuchen mit ihm zu reden aber nun kommen sie schon. Dieser Mord trägt die Handschrift eines Verrückten. Habens sie nicht gesehen wie Aurel in der Küche platziert wurde. Wie der Mittelpunkt eines Gemäldes auf den weißen Küchenfließen. Wir müssen nur noch die Mordwaffe finden, dann ist alles geregelt und sie brauchen nichts weiter tun als den Butler befragen.“ Eva ließ nicht locker. Vielleicht lag es daran, dass der Chef es sich mit dem Fall so leicht machte.
„Glauben sie nicht das der Butler nur vortäuschen könnte, dass…“ „Nein, das glaube ich nicht! Befragen sie ihn einfach und Schluss. Ich hab jetzt keine Zeit mehr Deweyn. Ich muss mich um die Presse kümmern und sie kümmern sich um das was ich ihnen gesagt habe!“ Mit diesem Worten ließ der Chef sie in der prachtvollen Marmoreingangshalle stehen. Sie biss die Zähne zusammen und fragte einen Kollegen nach der Wohnung des Butlers. Er wohnte im kleineren aber ebenso noblen Nebengebäude. Für die nächsten paar Stunden hockte sie sich in ihr Auto und wartete darauf das die Leute von der Spurensicherung und alle anderen verschwanden. Wenn sie eines hasste, dann waren es Leute die, die Wahrheit verschleierten nur weil es der einfachere Weg war. Drei Stunden später war das letzte Polizeiauto verschwunden und das Haus polizeilich versiegelt. Eva drückte auf den Knopf mit der Anschrift Lucian Ravel. Lange Zeit passiert nichts. Lucian Ravel… Was für ein beeindruckender Name. „Ja bitte?“ tönte eine Stimme aus der Sprechanlage. „Mein Name ist Kommissarin Deweyn. Ich würde ihnen gerne ein paar Fragen stellen…“ „Kommen sie rein. Die Tür ist offen.“ Überrascht drückte Eva gegen die Eingangstür und trat in eine kleine Eingangshalle mit dunklen Holzdielen. Was hatte das zu bedeuten? Ihr Chef hatte doch gemeint, der Butler wäre so fertig mit den Nerven. Wie konnte er sie dann so gelassen hereinbitten? Ein mulmiges Gefühl beschlich sie, als sie bis zum Treppenaufgang aus schwarzem Ebenholz trat. Da fiel ihr eine, sie hatte ihr Handy und ihre Dienstwaffe im Auto liegen lassen. „Guten Tag. Was kann ich für sie tun?“ fragte eine samtene Stimme vom oberen Absatz der Treppe. Ein Mann mit dunklen Haaren und einer blütenweißen Küchenschürze blickte unverwandt zu ihr runter. Er wirkte sportlich, auf Distanz und hatte durch und durch das Format eines Gentlemans. „Ich würde ihnen gerne ein paar Fragen zu dem Mord an Marie de Aurel stellen. Ihre … Arbeitgeberin oder? Darf ich raufkommen?“ Sie hoffet das er ihr kurzes zögern nicht bemerkt hatte. „Bitte, kommen sie nur rauf. Sie müssen meinen Aufzug entschuldigen. Ich hoffe es stört sie nicht das ich gerade in der Küche das Essen zubereite…“ Eva stieg die Stufen rauf und folgte Lucian Ravel in die Wohnung. Sie war durchflutet von Licht und Schatten, genau wie ihr Bewohner. „Ich weiß was sie denken. Aber nein, ich hatte kein Verhältnis mit ihr, ich war lediglich ihr Butler.“ Wie kam er darauf? Oder anders gefragt, warum war sie als Kommissarin darauf nicht gekommen? Seine Anwesenheit beeinflusste ihre Gedanken. „Das dachte ich nicht, wohl eher wie viel man als Butler verdient, um eine solche Wohnung zu besitzen.“ Ihre freimütigen Worte überraschten sie selbst. Sie musste sich zusammenreißen aber der Geruch der hier herrschte benebelte sie ganz. Es roch umwerfend lecker, nach frischen Bratkartoffeln. Lucian Ravel lächelte süffisant und bat Eva in die Küche. „Bitte setzten sie sich. Ich darf sie doch zum Essen einladen, oder?“ Er schloss die Tür hinter ihr. Hatte er gerade zugesperrt?! Doch schon begleitet er sie mit sanfter Hand zum Küchentisch auf dem bereits für zwei Personen gedeckt war. „Zum Essen? Ich denke eher…“ Sie nahm Platz. Ihr Herz begann unnatürlich zu rasen.Ihre Hände wurden eiskalt. Sie musste etwas sagen! „Haben sie eine Ahnung wie sich Miss de Aurels Mörder Zutritt in das Haus verschafft hat, ohne Einbruchsspuren zu hinterlassen?“ Lucian Ravel lächelte abermals, jedoch sanfter als zuvor während er Fisch und Bratkartoffeln auf den Tellern anrichtete. Wie konnte dieser Mann nur so gleichgültig wirken, als ob ihn der Mord nicht interessieren würde. „Wie heißen sie eigentlich?“ Er balancierte die beiden Teller zum Tisch. Ein eisiger Schauer jagte ihr über den Rücken. „Wie bitte..?“ „Ihr Vorname…“ Er stellte den Teller vor ihr ab und setzt sich ihr gegenüber. „E-..Eva. Aber warum…“ „Warum ich das wissen will? Nun, ich liebe alles Schöne. Ich habe sie beobachtet, wie sie seit heute morgen in ihrem Auto warteten. Tun sie mir den Gefallen und probieren sie den Fisch...“ Geschockt von seinen Worten nahm Eva eine Gabel vom Fisch und probierte. Er schmeckt köstlich aber anders als jeden Fisch den sie je gegessen hatte. Ihr Körper war angespannt. Bereit jederzeit aufzuspringen und doch erstarrt. „Ich habe das Kellerfenster offen gelassen und ihm eine Nachricht geschickt. So ein Dummkopf! Er hat doch wirklich geglaubt sie wolle sich mit ihm treffen.“ Er lachte kühl und plötzlich viel Eva die Ähnlichkeit zu Marie de Aurel auf. Diese kühle Schönheit. Doch die eine war Tod und er lebte! „Sie haben… ihn beauftragt?!“ „Nein wo denkst du hin? Ich bin Perfektionist und das war eine Sache zwische ihr und mir. Es sollte ja schließlich Maries letzter Auftritt werden. Ich hab nur ein weiteres Opfer herbestellt. Magst du den Fisch nicht, Eva?“ Der verrückte Fan war nicht der Mörder. Ihre Hände begannen zu zittern. Dieselbe kühle Schönheit. Der Mord und dieser Mann, als fügte sich ein Bild zusammen. „Sie haben Marie de Aurel…“ Er stand auf und bewegte sich auf sie zu. Fast so elegant wie ein Raubtier. Sie war völlig wehrlos. „Wer sonst? Sie war so schön mit ihrer göttlichen Stimme. Ich hielt sie für perfekt. Ich wurde ihr Butler und dann… musste ich einsehen, dass ich unrecht hatte. Ein Mensch mit einem so arroganten Charakter wie ihrer, konnte nie meinen Wünsch nach vollkommener Schönheit erfüllen. Du hingegen bist so unschuldig…“ „Aber die Tatwaffe. Es gab doch keine Tatwaffe!“ flüsterte sie heiser während er sich zu ihr runter beugte. „Ich bin nicht so unachtsam das ich mich durch eine Tatwaffe verraten würde… Gut wenn man sie versteckt, besser wenn man sie aufisst. Marie hat Fisch geliebt. Du auch?" Sie schüttelte heftig den Kopf, als ihr die Tränen in die Augen stiegen und er ihr die Hand unters Kinn legte. „Hast du noch nie die Schönheit eines perfekten Mords gekostet...?“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle die dieses Buch lesen und nun wissen wie der perfekt Mord schmeckt...

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