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Gibt es irgendetwas auf dieser Welt, das nicht vergänglich ist? Etwas, was mir immer erhalten bleib? Jemanden dem ich mein Herz schenken kann ohne dass man ihn gleich wieder verliert? Es gibt so etwas nicht auf dieser Welt. Es gibt keine Ewigkeit, kein für immer. Alles was es gibt, ist Ungerechtigkeit. Den einen geht es gut, den anderen schlecht. Auf der einen Seite der Welt verhungern die Menschen, auf der anderen Seite verschwenden die Menschen ihr Geld für Schönheitsoperationen. Diese Welt ist ungerecht. Es gibt Menschen die haben ein langes unbeschwertes Leben und welche, dessen Leben ist viel zu kurz. Zu diesen Menschen zählt Erik. Warum musste er so früh gehen? Warum er und nicht ich? Warum kann mir niemand diese Fragen beantworten? Und warum bin ich so alleine? Was ist das für ein Gott der es zulässt, dass Erik einfach so geht. Zu so einem Gott soll ich beten? Er hat mir Erik weggenommen und das werde ich nicht zulassen. Ich werde ihn zurückholen. Niemand kann ihn mir wegnehmen. Er wird bald wiederkommen, da bin ich mir ganz sicher. Ich werde ihn festhalten und an mich drücken und nie wieder loslassen. Dann kann ihn mir keiner mehr wegnehmen.
„Hey!“. Ich schreckte hoch. Meine Freundin Paula stand auf einmal neben mir. Sie kam seit Eriks tot fast jeden Tag vorbei. Sie schaute mich unsicher an, oder war es mitleidig? Ich weiß es nicht. Ich wollte kein Mitleid. Sie hatten ja alle keine Ahnung. Ich saß auf meinem Bett, das Gesicht in meinem Kopfkissen vergraben. Da war es dunkel, so entsprach die Außenwelt meinem Inneren. So waren die Gedanken einigermaßen erträglich. „NEIN!“ Mein Schrei ließ Paula zurückschrecken. „GEH! GEH WEG! Ich brauche dich nicht lass mich alleine ich will nicht“ Ich schrie, die Tränen strömten über mein Gesicht „Ich hasse dich, ich hasse die Welt.“ „Aber.. ich wollte doch nur schauen wie es dir geht...“. „Wie soll es mir schon gehen? Gut geht es mir, mir geht es gut, alles ist gut.“

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„Also, nächste Mal koche ich die Eier!“ Erik knuffte mich in die Seite und hielt mir demonstrativ sein fast noch flüssiges Frühstücksei vors Gesicht. „Na wenn du das mal tun würdest, streiche ich den Tag rot im Kalender an, Mr. Langschläfer“. „Sei mal nicht so frech, ich schaff hier schließlich die Kohle ran, dann werde ich wohl auch mal länger liegen bleiben dürfen“ verteidigte er sich mit gespieltem Entsetzen. Erik stand vom Tisch auf, schnappte sich seine Jacke und küsste mich zu Abschied. „Bis heute Abend meine Froschkönigin“ . Er nannte mich Froschkönigin seit er einmal beim Einkaufen einen Frosch mit einer Krone auf dem Kopf, aus Porzellan, entdeckt hatte. Er schenkte sie mir zum Geburtstag. Seitdem stand sie auf dem Regal in der Küche neben all den Kochbüchern, die wir nie benutzten. Ich hörte die Tür zu fallen. Stille. Ich wollte mich gerade erheben um den Tisch abzuräumen, da hörte ich den Schlüssel im Schloss. Erik stürzte noch einmal herein und holte seine Tasche, die er stehen gelassen hatte. Hektisch rannte er erneut zur Tür heraus. „Tschüss Schatz“ brüllte ich ihm hinterher doch das hörte er nicht mehr.
Das war mal wieder so typisch für ihn. Immer schaffte er es zu Spät zu kommen und eine Ermahnung nach der anderen, in punkto Pünktlichkeit, von seinem Chef zu erhalten. Ich schüttelte den Kopf. Dieser Mann würde es nie lernen. Erik arbeitete als Journalist für ein Tiermagazin. Er mochte seinen Job, es war schon als kleiner Junge sein Traumberuf gewesen. Ich hingegen wusste nie richtig was ich machen wollte. Ich hatte eine Ausbildung als Krankenpflegerin angefangen sie jedoch vor einem Jahr abgebrochen, da ich schnell merkte dass dies nicht der richtige Job für mich war. Kurz danach bin ich mit Erik in diese kleine Wohnung, am Rande des Stadtparks, zusammen gezogen. Ich mochte diese Wohnung. Sie war klein und gemütlich und wenn man aus dem Fenster schaute sah man, wie sich die Äste der Bäume sich im Wind bewegten.
Ich räumte den letzten Teller in die Spülmaschine und holte die Tageszeitung hinein um bei den Stellenanzeigen nach einem Job zu suchen. Denn solange ich keinen Job hatte, war ich finanziell Abhängig von Erik. Ich wollte Erik nicht zur Last fallen, denn Erik verdiente zwar ganz gut, hatte aber seine Arbeitsstelle noch nicht so lange und war somit noch dabei seine Schulden, die er in seiner Studienzeit gemacht hatte abzuzahlen. Er meinte zwar immer es sei nicht nötig, dass ich arbeiten ginge, aber ich fühlte mich so nutzlos wenn ich hier nur den ganzen Tag herumsaß. Mit einem Textmarker bewappnet begann, machte ich mich an die Stellenanzeigen heran.

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Stundenlang saß ich nun schon am Esstisch und telefonierte mit diversen Leuten die einen Job anboten. Die einzige Stelle die infrage kam, war in einem Supermarkt. Langsam spielte ich mit dem Gedanken, ernsthaft noch mal eine Ausbildung zu beginnen. Vielleicht als Buchhalterin. Denn wenn ich so darüber nachdachte, wollte ich nicht als Kassiertante enden. Wieso war ich immer so unentschlossen? Erik hatte einen Traum für den er gekämpft hat und den er verwirklicht hat und ich war immer unentschlossen, wusste nie was ich wollte und fing tausend Sachen an und brachte nichts zu Ende. Ich war zutiefst deprimiert und entschied mich heute nicht mehr weiter damit zu beschäftigen, denn es machte mich nur unglücklich. Ich überlegte stattdessen, was ich aus den angebrochenen Tag noch machen könnte. Ich schaute mich im Raum um. Es war ziemlich unordentlich. Auf dem Wohnzimmertisch lagen überall Zeitschriften verstreut, auf dem Boden lagen Kabel von dem Laptop und verschiedene Ausdrucke von Erik lagen überall herum. Ich fand es eine gute Idee etwas aufzuräumen die Wohnung wieder etwas gemütlicher zu gestalten. Heute Abend würde ich Erik mit einem romantischen Abend zu zweit überraschen, wenn er nach Hause kam.

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Ich konnte nicht gut kochen, trotzdem stand ich am Herd und versuchte Spagetti Bolognese zu kochen. Das Wasser mit den Nudeln kochte über und ich fluchte leise. Plötzlich schellte es an der Tür. Das konnte nur Paula sein, die mal wieder frei hatte und auf eine Tasse Kaffe vorbei kam. Schnell ging ich zur Tür. Darauf bedacht möglichst schnell wieder zum Herd zu kommen, um die nächste Katastrophe zu verhindern, riss ich die Wohnungstür auf. Ich war irritiert. Es war nicht Paula. Zwei unbekannte Männer standen vor der Tür. „Entschuldigen sie die Störung, wohnt hier ein gewisser Herr Erik Braun?“ fragte der linke Mann und durchbrach somit mein verwundertes Schweigen. „Ja, der wohnt hier“ sagte ich. „Aber er ist momentan nicht da, er kommt erst gegen Abend wieder. Soll ich ihn etwas ausrichten?“ Meine Ungeduld in der Stimme war deutlich herauszuhören. Ich wollte nicht, dass die Soße anbrennt und die Störenfriede möglichst schnell wieder loswerden. Es war zwar selten das Erik Besuch bekam, denn alle seine Freunde wussten, dass er vormittags nicht zu Hause war. Aber dies waren wahrscheinlich irgendwelche Werbeleute die Erik was verkaufen wollten. Die wurden ja auch immer dreister diese Werbefuzzis. „Ähm, nein, nein. Sie sind Herr Brauns Frau?“ Fragte nun der rechte Mann der wesentlich größer und kräftiger gebaut war als sein Kollege. Jetzt wollten sie auch schon ihre Geschäfte mit mir abwickeln, ich trat nun von einem Fuß auf dem anderen. „Nein, ich bin seine Verlobte“ antwortete ich knapp und überlegte ob ich den beiden einfach die Tür vor der Nase schließen sollte. „Also Frau …“ „Tengelt ist mein Name. Und wenn sie mich nun bitte entschuldigen würden. Ich habe nun wirklich keine Zeit mehr. Wie gesagt wenn sie etwas von meinen Verlobten wollen, der ist heute Abend wieder da.“ Mir passte der Gedanke nicht das diese Typen uns heute Abend erneut stören könnten. „Frau Tengelt“ der rechte Mann schob seinen Fuß zwischen die Tür bevor ich sie schließen konnte. „Es geht um ihren Verlobten.“ Langsam wurde ich wütend. „Das hatten sie bereits erwähnt. Ich …“ „Frau Tengelt, wenn wir bitte für einen kurzen Moment herein kommen dürften“ „Nein, ich habe keine Zeit mehr, das habe ich ihnen doch schon gesagt und jetzt lassen sie mich nicht unfreundlich werden.“ Die Männer schauten sich an. Ich konnte ihren Blick nicht deuten, aber etwas war komisch daran. „Frau Tengelt, ihr Verlobter hatte einen Unfall“. Alles war still. Ich hörte das Ticken der Wanduhr. „Er… er… Wie geht es ihm? Ist er im Krankenhaus? Wo ist er? Kann ich zu ihm?“ „Frau Tengelt lassen sie uns doch bitte erst mal herein kommen.“ Ich trat einen Schritt zurück es dauerte ewig bis sie endlich eingetreten waren. „Wo… Wo ist er?! Wo ist Erik?“ ich war halb hysterisch. „Frau Tengelt, ihr Verlobter ist direkt nach dem Unfall verstorben.“ „NEIN! Das kann nicht sein. Das muss ein Fehler sein. Sie haben sich bestimmt vertan.“ meine Stimme zitterte. „Frau Tengelt, ihr Verlobter ist heute Morgen um zehn Uhr siebenunddreißig in ein Fahrzeug von der Gegenfahrbahn gefahren. “Ich schaute die beiden Männer an. Ich sah nur ihre Gesichtsumrisse sonst nichts. Die Tränen liefen mein Gesicht herunter. Ich bemerkte sie gar nicht ich schaute einfach starr die beiden Männer an. Ich fühlte gar nichts, weder Trauer noch Verzweiflung. Keine Wut. Diese Gefühle lernte ich erst später in ganzer Fülle kennen. Ich fühlte aber einfach nichts. Dieses nichts war so erdrückend, das ich von Innen zu zerfallen drohte. „Frau Tengelt, wenn wir ihnen behilflich sein können, wenn sie psychologische Hilfe möchten, lassen sie es uns wissen.“ Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. „Ich muss weiter Kochen“ sagte ich und ging auf die Küche zu. „Bitte gehen sie jetzt“. Wir lassen ihnen unsere Nummer da.“ Der kleine Mann legte eine Visitenkarte auf den Tisch. „Sie können uns jederzeit anrufen. Wir melden uns morgen dann wieder bei ihnen. Wir haben dann noch ein paar Fragen an Sie.“ Ich nickte stumm. Die Männer gingen aus der Wohnung. Die Tür viel ins Schloss. Ich brach weinend zusammen.
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„Sofie, ich sehe doch das es dir nicht gut geht“ Paula setzte sich zu mir aufs Bett. „Und warum fragst du dann?“ „Mensch Sofie du machst es uns echt nicht einfach. Erik ist nun schon seit drei Monaten tot. Findest du nicht, dass du langsam mal wieder etwas unternehmen solltest?“ „Lasst mich doch endlich mal in Ruhe“ ich schaute sie an. Sie sah mein blasses Gesicht, das seit Tagen kein Licht mehr gesehen hatte. „Ich soll etwas unternehmen ja? Wozu denn? Davon wird es mir auch nicht besser gehen. Es wird mir nie wieder besser gehen. Für euch ist es alles nur wie eine Krankheit. Da muss die Sofie mal etwas unternehmen und dann wird sie wieder gesund und alles ist wie früher. Erik ist TOT! Nichts wird wie früher.“ Paula legte einen Arm um mich ich stieß ihn grob zurück. “Du solltest wirklich mal die Psychologin aufsuchen, die dir empfohlen wurde. „Ich brauch keinen Seelenklempner. Ich will allein sein versteh das endlich“ ich schrie sie so laut an, das es selbst mir in den Ohren weh tat. Paula drehte sich um und ging heraus. In der Tür drehte sie sich noch mal um. „Komm endlich wieder ins Leben zurück Sofie“. Ich hörte wie die Wohnungstür ins Schloss viel. Langsam stieg ich aus dem Bett heraus. Mit völlig zerzausten Haaren ging ich in die Küche. Meine Beine waren steif, mein Kopf drohte zu zerplatzen. Ich war abgemagert, weil ich seit Eriks Tod nicht mehr richtig gegessen hatte. Meine Finger waren knöcherig. Schritt für Schritt und Schritt für Schritt ging ich in die Küche. In den letzten drei Monaten habe ich sie besonders gemieden. Denn hier überfielen mich nur so die Erinnerungen an Erik. In der Küche wo wir das letzte gemeinsame Frühstück hatten. Ich nahm das Küchenmesser, das an der Wand hing. Es war scharf. Scharf genug um diese hässliche dünne blaue Ader an meinem Handgelenk zu durchtrennen. Das Blut wird über meinen Arm laufen aus mir heraus. Es gehört sowie so schon lange nicht mehr in meinen Körper. Und ich werde sterben. All die Wut die Trauer und die Verzweiflung wird mich verlassen. Es wird nur noch mein lebloser Körper übrig bleiben, der viel lebloser als jetzt schon fast nicht mehr sein kann. Mir gefiel der Gedanke ans Sterben. Dann werde ich tot sein, so wie Erik. Dann bin ich wieder bei ihm. Da wo ich hingehöre. Ich führte das Messer zu meinem Handgelenk. Nur ein Schnitt, nur ein Schnitt, rief es in meinem Kopf. Ich lies meinen Blick noch mal durch den Raum schweifen. Er blieb plötzlich an der kleinen Porzellanfigur hängen. Der Frosch mit seiner Krone lächelte mich frech an.

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Wir hatten einen wunderschönen Tag zusammen verbracht. Die Sonne schien und wir wahren mit den Fahrrädern unterwegs. Plötzlich hielt Erik an einer Wiese an und warf sein Rad ins Graß. „Komm Sofie, ich hab noch was für dich“ sagte er. Er ging mit mir hinunter an einen kleinen Teich. Die Frösche quakten. Ich beschwerte mich, dass man sie gar nicht richtig sehen konnte, da sie immer weg hüpften. Da packte Erik eine kleine rote Schachtel aus und meinte, „Für meine Froschkönigin“ Der Frosch schaute mich an und Erik meinte, „Das ist dein Froschkönig, der hüpft nie weg, der bleibt immer bei dir.“ Ich lachte und sagte „Aber du bist doch schon mein Froschkönig.“ Daraufhin küsste er mich.
*

Es durchzuckte mich wie ein Blitz. Das Gefühl, dass ich schon nicht mehr zu kennen geglaubt hatte. Es war so etwas wie Glück oder Freude. Eine Mischung aus beidem. Es hielt nicht lange an, aber ich hatte es gefühlt. Da stand der Froschkönig und lachte als ob gar nichts gewesen wäre. Klirrend fiel das Messer zu Boden. Es glitt mir so aus der Hand. Ich wollte nicht sterben. Ich wollte leben. Denn Erik hätte auch gewollt, dass ich lebe. Ich ging auf die Porzellanfigur zu und nahm sie in die Hand. Sie fühlte sich angenehm kühl an. Zum ersten Mal seit langem konnte ich wieder richtig Weinen. Ich weinte und ich fühlte die Tränen, wie sie meine Wange hinunterliefen. Wie sie von meinen Kinn auf den Pulli tropften. Es war eine andere Traurigkeit, die ich nun empfand. Ich lachte unter Tränen und spürte, dass ich nicht alleine war. Erik war bei mir, da war ich mir ganz sicher. Ich hielt den Froschkönig noch lange in den Händen. Erik hatte Recht. Froschkönige hüpfen nicht weg.

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Tag der Veröffentlichung: 26.10.2008

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