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Personenverzeichnis

Die Clique:

Lotta ist neu ins Dorf gezogen und will ihren verschwundenen Vater finden
Jonte ist Lottas bester Freund
Rocky & Charly sind freche Zwillinge,die auf das Internat im Dorf gehen
Robin ist Gitarrist der Schülerband und der bestaussehendste Junge der Schule
Em ist Robins beste Freundin
Sophia ist Robins Freundin
Bastian ist Sophias Zwillingsbruder
Sammy ist Bastians bester Freund
Pelle ist der Cousin von Rocky und Charly
Timo ist Klassenbester
Toni ist Timos bester Freund
Caroline ist das jüngste Mitglied der Clique

Bei Lotta zu Hause:

Luisa ist Lottas Mutter
Jannis ist Lottas kleiner Bruder
Marco ist Lottas und Jannis` Vater, der seit zwei Jahren spurlos verschwunden ist
Pünktchen ist Lottas Hund

In der Schule:

Die „Kleinen“:

Lyo ist Jontes jüngerer Bruder
Collya ist Tonis kleiner Bruder
Tobi ist der beste Freund von Lyo und Collya
Marvin ist sein ein Jahr jüngerer Bruder
Ben ist Sophias Liebling
Tobe ist Bens bester Freund
Lilly ist eine verwöhnte Göre
Magdalena ist Pelles Schwester,Rockys und Charlys Cousine und Lillys beste Freundin
Klarissa ist die beste Freundin von Lilly und Magdalena

Die Zicken:

Loreley ist Pelles und Magdalenas Schwester und Rockys und Charlys Cousine
Manily ist Loreleys Freundin
Sara ist ebenfalls Loreleys Freundin
Jonna ist Saras beste Freundin

Andere:

Leena ist eine Mitschülerin
Malina ist ihre beste Freundin
Maja ist eine Mitschülerin
Lina ist ihre beste Freundin

Lehrer:

Herr Malera ist der sehr strenge Mathelehrer
Frau Elch ist die Biologielehrerin und Jontes und Lyos Mutter
Frau Vikus ist eine nette Deutschlehrerin
Herr Kant Senior ist der Kunstlehrer
Herr Kant Junior ist der Sportlehrer
Bob ist der Hausmeister und heißt eigentlich Bartholomäus Mäusebein

Andere Personen:

Joanne ist Carolines Stiefmutter
Milla ist Joannes Tochter
Bine ist Robins Schwester
Anna ist Sophias und Bastians Schwester
Herr Solek ist der Besitzer des Pferdestalls
Oskar arbeitet für Herrn Solek
Alexandra passt oft auf Jannis auf
Jolie ist ein Tageskind von Luisa
Lizzie ist ein Tageskind von Luisa
Clara ist ein Tageskind von Luisa
Leandra ist eine Freundin von Lottas Familie
Lissi ist ihre fünfjährige Tochter
Madita ist ihre dreijährige Tochter
Nikolas ist ihr zweijähriger Sohn


Vorwort

Was tust du,wenn es keinen Ausweg mehr gibt? Wenn alle Hoffnung verloren ist? Wenn keiner dir glaubt,dass noch nicht alles verloren ist? Wenn es keinen mehr gibt,der zu dir hält und du es ganz alleine beweisen musst?
Ganz einfache Sache: Verliere die Hoffnung nicht!
Denn das Unmögliche kann möglich werden. Du musst nur daran glauben,dann funktioniert es auch. Auch wenn du allein bist,keiner mehr zu dir hält,darfst du nicht aufgeben,denn du kannst es schaffen.
Ich möchte euch eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte von einem Mädchen,das nicht aufgab.
Lottas Geschichte.

Erinnerungen

Sie bog aus der Hauptstraße ab und ging auf dem schmalen Schotterweg weiter,der durch die Klippen direkt zum Strand führte. Sie ging langsam. Zum Glück hatte sie Jannis nicht mitnehmen müssen. Er war bei Luisa geblieben. Es war Sonntag,da war Luisa zu Hause.
Sie stieg die steinerne Treppe hinunter und kam schließlich an den Strand. Sie zog ihre Schuhe aus,krempelte die Hose hoch,lief trotz des kalten Wetters ins Wasser,ließ sich die Füße von den Wellen umspülen und sah aufs Meer hinaus. Der Wind wehte durch ihr Haar. Ihr Vater hätte es hier geliebt,das wusste sie. Er wäre jeden Tag im Meer geschwommen,bis es zu kalt wurde;im Herbst hätte er mit ihnen Drachen steigen lassen. Es wäre so schön mit ihm. Die Erinnerung kehrte zurück. Die Erinnerung an jenen schrecklichen Tag,an dem er nicht mehr nach Hause kam:
Als sie aus der Schule kam waren ihre Eltern noch nicht da. Das war seltsam. Luisa arbeitete,aber ihr Vater müsste eigentlich da sein. Donnerstags hatte er frei. Sie dachte aber nicht lange darüber nach,sondern machte Hausaufgaben und fütterte Pünktchen,den Familienhund,dessen Rücken ihr bis zur Hüfte reichte. Später kam Luisa nach Hause. „Wo ist denn Marco,Liebling?,“ fragte sie. „Ich weiß nicht,er ist den ganzen Tag schon nicht da,“ antwortete Lotta. Luisa machte Abendbrot,sie aßen. Danach gingen sie ins Wohnzimmer. Sie wollten sich einen Film ansehen,bis Marco kam. Aber Marco kam nicht.
Er kam nie zurück. Er war spurlos verschwunden,hatte keine Nachricht hinterlassen,war weg.
Ein paar Monate später war dann Jannis zur Welt gekommen und Luisa hatte beschlossen,umzuziehen. Weg von den Erinnerungen.
Inzwischen war Jannis schon fast zwei Jahre alt. Luisa hatte endlich hier,in dem kleinen Dorf am Meer eine günstige Wohnung bekommen. Einen Tag zuvor waren sie hergezogen. Die Wohnung lag im ersten Stock eines hübschen Hauses. Unten wohnte eine Familie mit zwei Töchtern. Caroline war neun Jahre alt und Milla fünf. Joanne war allerdings nur Millas Mutter. Carolines Mutter war vor sechs Jahren gestorben. Genauso wie Marco,dachte Lotta. Doch dann verdrängte sie den Gedanken wieder: Er ist nicht tot! Er lebt! Er kommt wieder! Und dann rannte sie los. In keine bestimmte Richtung,einfach nur weg. Wollte vor der Erinnerung fliehen. Sie rannte immer schneller,zurück zu ihren Schuhen,griff danach,rannte weiter. Die Treppe hinauf bis sie wieder oben an den Klippen stand. Weiter und weiter rannte sie,den schmalen Weg zurück,in die Hauptstraße und weiter,bis sie vor ihrer Haustür stand. Dann ging sie ganz langsam die Treppe hinauf in die Wohnung.

Die Zwillinge

„Hallo Lotta,“ sagte ihre Mutter als Lotta nach Hause kam. Sie warf einen Blick auf die Schuhe in Lottas Hand. „Warst du am Strand?“ „Hallo Luisa,“ sagte Lotta. Ihre Mutter wollte von ihr nicht Mama genannt werden. „Dann fühle ich mich so alt,“ sagte sie immer. Es stimmte. Sie war noch sehr jung. Fast zu jung,um Lottas Mutter zu sein. „Ja,ich war am Strand. Wo ist Jannis?“ „In seiner Schaukel.“ Lotta ging in das Zimmer,das sie sich mit ihrem Bruder teilte. Der Kleine saß in seiner Schaukel. Die Schaukel hing direkt über Lottas Bett. Sie setzte sich neben ihren Bruder: „Hallo Jannis!“ Jannis sah sie mit seinen großen dunklen Augen an. Er hatte hellblonde Haare und braune Augen wie Luisa. Lotta selbst hatte ganz hellbraune Haare und grüne Augen. Die hatte sie von ihrem Vater geerbt. Überhaupt hatte sie viel von Marco. Das sei auch gut so,sagte Luisa immer. Marco sei ein hübscher,sehr netter junger Mann gewesen. Deshalb sei sie auch mit ihm abgehauen,damals.
Luisa rief zum Abendessen. Lotta gab Jannis einen Kuss und ging in die Küche. Nach dem Abendessen räumte Lotta ab,während Luisa sich um Jannis kümmerte und ihn ins Bett brachte. Danach setzten sie sich ins Wohnzimmer und schauten gemeinsam einen Film an. Irgendwann ging Lotta ins Bett. Sie musste am nächsten Tag zur Schule. Zum ersten Mal in die neue Schule im neuen Dorf mit neuen Leuten.
Am nächsten Morgen ließ sie Luisa schlafen und fütterte Jannis. Sie machte Frühstück und setzte Jannis in seine Schaukel. Dann ging sie hinunter und holte Caroline ab. Sie liefen gemeinsam zur Schule. Caroline nahm sie mit zu ihren Freunden. Diese waren zwischen zwölf und vierzehn Jahren,weil Caroline die Mädchen in ihrem Alter nicht mochte. „Leute,das ist Lotta! Sie wohnt jetzt in der Wohnung über uns,“ wurde Lotta von Caroline vorgestellt. Sie wurde mit allgemeiner Begeisterung begrüßt. Dann wurde ihr die Clique vorgestellt. Da war Em,deren schwarze Haare einen krassen Kontrast zu ihren hellblauen Augen bildeten,und Bastian und Sophia,die Zwillinge,Bastian mit roten,Sophia mit blonden Locken. Die beiden spielten angeblich sehr gut Basketball. Dann war da noch Jonte,der Sohn von der Biologielehrerin Frau Elch,der oft Ärger bekam,weil er die Clique seines kleinen Bruders Lyo ärgerte und die kleinen Jungs es natürlich gleich bei Frau Elch petzten. Jonte war nicht nur frech,sondern sah auch noch frech aus. Er hatte so rote Haare,wie Lotta es noch nie bei jemandem gesehen hatte,auf der Nase hatte er Sommersprossen und seine Augen waren so wunderschön kastanienbraun,dass Lotta sofort Vertrauen zu ihm fasste. Zu der Clique gehörten noch viele andere,aber am meisten fasziniert war Lotta von Rocky und Charly,Zwillinge und noch viel frecher als Jonte. Die beiden hießen eigentlich Veruca und Charlene und hatten steinreiche Eltern,die in einer riesigen Villa in einer sehr großen,weit entfernten Stadt lebten. Das Problem war nur,dass die steinreichen Eltern gerne höfliche,wohlerzogene Töchter haben wollten. Deshalb hatten sie die Mädchen in das Dorf geschickt,in dem die Tante mit ihren drei Kindern lebte. Allerdings nicht zu ihr,sondern in ein Internat. Die Zwillinge fanden das ganz gut so,denn ihre Eltern waren einfach zu streng und in den Ferien fuhren die Mädchen fast nie nach Hause. Lotta fand die beiden sehr sympathisch,denn sie machten immer Witze und sahen alles positiv. Plötzlich war Lotta unglaublich froh,dass sie in das Dorf gezogen war.

Ein schöner Tag

Nach der Schule quatschte Lotta noch mit ihren neuen Schulkameraden. Als sie gefragt wurde,warum sie mit ihrer Mutter und Jannis in dieses kleine Dorf gezogen war,in das sich sonst fast nie jemand verirrte,erzählte sie es bereitwillig. Fast alle,die in dem Dorf lebten,waren auch dort aufgewachsen und hatten noch nie eine richtige Großstadt gesehen.
Als Lotta dann nach Hause kam,war es schon spät und Luisa schimpfte,denn nachmittags musste sie arbeiten. Kaum war Lotta zur Tür hereingekommen,stand Luisa auch schon vor ihr: „Lotta! Du weißt doch,dass ich los muss! Ich kann Jannis doch nicht alleine lassen! Auf dem Herd steht was zu essen; Jannis sitzt in seiner Schaukel.Ich muss los,Tschüss!“ Und dann war sie auch schon weg. Lotta brachte ihre Tasche in ihr Zimmer,sagte „Hallo Jannis“ und ging dann in die Küche um sich etwas zum Essen zu holen. Sie wärmte sich das Mittagessen auf; nach dem Essen räumte sie die Geschirrspülmaschine ein. Dann stopfte sie die Wäsche in die Waschmaschine und fütterte Pünktchen. Irgendwann klingelte es an der Tür. Lotta drückte nur auf den Türöffner und machte sich nicht die Mühe,die Sprechanlage zu benutzen. Wahrscheinlich war es sowieso nur Caroline. Aber es war nicht Caroline,die da vor der Tür stand. Es war Jonte. Der Junge aus der Schule,der mit den lustigen Sommersprossen. „Hallo,“ sagte er verlegen und wurde ganz rot an den Ohren, „ich hatte nichts zu tun und da dachte ich,ich komme mal zu dir. Ist ja bestimmt doof für dich,in so ein Kaff zu kommen,wo jeder jeden kennt und so...“ „Ich finde es sehr schön hier,es ist kein Kaff! Ihr seid alle echt nett. Aber im Gegensatz zu dir habe ich viel zu tun!“ „Oh,äh...ich...kann auch wieder gehen,wenn du keine Zeit hast...“ „Wenn du mich ausreden lassen würdest,wüsstest du jetzt,dass du nicht wieder gehen musst.“ „Oh...,“ war alles,was Jonte dazu einfiel. „Ich habe zwar zu tun,aber natürlich kannst du trotzdem hier bleiben. Es schadet ja nicht,sich mal mit ein paar Leuten hier anzufreunden.“ Also blieb Jonte da. Während Lotta die Küche aufräumte,die Wäsche auf die Leine hängte,den Stall ihres Meerschweinchens ausmistete,Jannis etwas zum Essen gab,die Betten machte,staubsaugte, sowie die Wäsche wieder abnahm und bügelte,saß Jonte daneben,half ihr dann und wann und erzählte von dem Dorf und den Menschen,die dort lebten. Als dann abends alles fertig war, brachte Lotta Jannis ins Bett und Jonte und sie setzten sich mit ein paar belegten Broten vor den Fernseher. „Machst du immer den ganzen Haushalt und so?,“ fragte Jonte. „Ja,unter der Woche meistens. Luisa ist am Wochenende ja da,dann machen wir es zusammen und unter der Woche würde Luisa es abends auch noch machen,aber ich helfe ihr gern. Sonst würde es hier aussehen wie in meinem Zimmer,wenn Jannis einen Wutanfall hatte...“ Sie lachten. Luisa kam gegen neunzehn Uhr. Als sie Jonte sah,sagte sie: „Oh,das ist ja schön! Lotta war gerade mal einen Tag in der Schule und hat schon einen Freund gefunden.“ „Ich bin Jonte. Und um das klarzustellen: Lotta und ich sind nicht zusammen. Jedenfalls weiß ich davon nichts.“ Er grinste Lotta an. Lotta lachte. Dann musste Jonte leider auch schon nach Hause. Lotta saß mit Luisa noch lange auf dem Sofa und sprach mit ihr über den Tag,über die Schule und die Leute aus dem Dorf. Erst spät ging sie ins Bett.

Die Clique

Am nächsten Morgen wurde Lotta unsanft geweckt. Ihr Meerschweinchen Knirps war aus seinem Stall ausgebrochen und krabbelte jetzt in ihrem Bett herum. Sie stand seufzend auf,nahm das kleine Tier und setzte es in seinen Käfig. Dann schaute sie auf die Uhr. Es war halb sieben. Sie musste erst um halb acht los. Aber sie wusste,sie könnte jetzt nicht mehr einschlafen,also ging sie in die Küche und machte Frühstück. Als Jannis aufwachte und nach ihr rief,war dann auch Luisa wach und kurz später saßen sie zusammen am Frühstückstisch. Gegen viertel nach sieben klingelte es an der Tür. Es war eine Frau,die ihr Kind für den Vormittag an Luisa geben wollte,welche zusätzlich als Tagesmutter jobbte,wenn sie frei hatte. Kurz später kam noch ein Tageskind und gegen halb acht kamen Sophia und Bastian,die ihre zweijährige Schwester Anna ablieferten. So ging Lotta mit Sophia und Bastian zu Caroline und die vier liefen gemeinsam zur Schule.
Rocky und Charly waren schon da. „Lotta,kannst du eigentlich reiten?,“ fragte Rocky. „Na logo! Ich hab ja selbst ein Pony. Es steht im Stall von Herrn Solek und heißt Lia.“ Die Zwillinge sahen sich an. Dann riefen sie: „Lia gehört dir? Wie cool! Unsere Ponys Manda und Bonny stehen auch dort im Stall. Oskar kümmert sich echt toll um sie,er kann prima mit Pferden umgehen. Ist irgendwie verwandt mit unsrem Hausmeister Bob. Hast du Lust,bald mal mit uns auszureiten?“ „Ja,klar! Ich hab immer Zeit. Muss nur sehen,wo ich Jannis unterbringe...“ Inzwischen waren auch die anderen da. Robin,der Älteste (er war vierzehn und mit Sophia zusammen), fragte: „Ich denk,ihr habt so wenig Geld,wie kommst du denn da an ein eigenes Pony?“ Lottas Blick verschleierte sich,so als schaute sie in eine andere Welt. Traurig fing sie an zu sprechen: „Mein Dad hat in einer Tierklinik gearbeitet. Sie nahmen dort auch Tiere auf,die ihnen zuliefen,oder,zum Beispiel,ausgesetzte Hunde. Sie fragten dann überall herum und hängten Plakate auf,um herauszufinden,wem die Tiere gehörten und wenn der Besitzer sich nicht meldete,der Platz in der Klinik aber gebraucht wurde,brachte Dad oft Tiere mit nach Hause. Unser Hund Pünktchen kommt auch von dort. Er wurde als Welpe gefunden. Er lag zusammen mit einem anderen Welpen in einer Mülltonne. Schrecklich,was die Menschen den Tieren antun. Das andere Tierchen,eine Hündin,wurde von einem Zirkus aufgenommen. Pünktchen hatte niemanden. Marco brachte ihn mit nach Hause. Damals war ich gerade drei. Mein Meerschweinchen kommt auch aus der Klinik. Und Lia eben auch. Sie war das letzte Tier,dass mein Dad mir schenkte,bevor er verschwand.“ Als Lotta endete,schwiegen alle bedrückt. Lotta tat ihnen Leid. Man sah Sophia an,dass sie fast zu weinen anfing und das brachte sie wieder zum Lachen. Tröstend nahm Robin sie in die Arme und küsste sie ins Haar. Keiner wusste,was er an ihr fand,denn er war so ziemlich der coolste Junge im Dorf und spielte Gitarre in der Schülerband,die manchmal auch zu großen Auftritten außerhalb der Stadt fuhr. Selbst Loreley,Pelles Schwester,himmelte ihn an. Sophia war eher ordentlich und vernünftig. Zu vernünftig,wie die Zwillinge sagten. Sie war nur dabei,weil Bastian ihr Bruder war und weil die beiden zusammen super Basketball spielten. Aber dass Robin ausgerechnet mit Sophia zusammen war,obwohl er fast jedes Mädchen haben könnte,verstand keiner. Die Mädels aus der Clique hatten aber zum Glück kein Problem damit.
Allerdings war es manchmal auch ganz praktisch,Sophia dabei zu haben,weil die Eltern sie für so vernünftig und verantwortungsbewusst hielten. Wegen Sophia konnte die Clique oft tun und lassen was sie wollte. Dass Sophia dabei war,beruhigte die Erwachsenen. Aber Sophia hatte in der Clique nicht viel zu sagen.

Zickenalarm

Als Lotta nach dem Unterricht das Schulgebäude verließ,wurde sie schon erwartet: Dort standen vier Mädchen,allesamt in ordentlichen Kleidchen und mit sorgfältig gemachtem Haar. Das Mädchen,das ganz vorne stand,hielt ihr die Hand hin und sagte: „Hallo Carlotta,das ist doch dein Name,nicht wahr? Ich heiße Loreley von Rosenstein,bin dreizehn Jahre alt,die Schwester von Pelle und Magdalena und die Cousine von Veruca und Charlene. Du hast auch einen Bruder,Jannis,nicht wahr? Er ist so niedlich,wie gern ich doch einen solchen Bruder hätte! Aber wie gesagt,guten Tag!“ Lotta sah sie verwirrt an – auf so einen Auftritt war sie nicht gefasst gewesen – schüttelte aber dennoch ihre Hand. Loreley trug ein blassrosanes,etwa knielanges Kleid,vielleicht ein bisschen länger,darunter eine weiße Strumpfhose und perfekt zu dem Kleid passende,ebenfalls blassrosane Ballerinas mit kleinen Schleifchen. Sie hatte blondes Haar,in Löckchen auf die Schultern fallend und trug ein rosa Band mit einer rosa Schleife wie einen Haarreif darin. Insgesamt ziemlich rosa,dachte Lotta. Die Mädchen hinter ihr waren alle ähnlich wie Loreley gekleidet,bloß hatte die eine dunkle Haut und schwarze,seidige Haare,die beiden anderen dunkelbraunes und blond-rötliches Haar. Als Lotta nichts sagte und sie nur abschätzend musterte,ergriff Loreley wieder das Wort: „Das hier,“ sie zeigte auf die anderen Mädchen, „sind Manily,Sara und Jonna.“ Die drei lächelten sie an und sagten höflich Hallo. Lotta erwiderte den Gruß zögernd. Was wollten die Mädchen von ihr? Sie waren ihr in der Schule schon aufgefallen. Meist saßen sie in einer Ecke,tuschelten,kicherten,verglichen ihre neuen Kettchen oder Armbändchen,redeten über Kleider und Schuhe,schwärmten von Stars und von den süßesten Jungs der Schule (meistens nur Robin) und lästerten über Rocky,Charly und Em,weil sie lieber mit den Jungs abhingen,statt auf ihr Aussehen zu achten. Über Sophia lästerten sie nicht. „Sie ist berechtigt,bei den Jungs zu sein,Robin ist ihr Freund,“ sagten sie. Loreley sprach weiter: „Weißt du...Bevor du dich zu sehr mit den Losern Veruca,Charlene und Emily anfreundest und genau so unmodisch wirst wie sie,wollten wir dich fragen,ob du dich nicht lieber mit uns,modischen Mädchen,anfreunden willst.“ Lotta lag ein Satz wie: Dann fragt doch! Auf der Zunge,aber sie wollte sich noch keine Feinde machen. Also nahm sie sich zusammen und sagte: „Ich mag Rocky,Charly und die anderen sehr gern und habe mich sowieso schon längst mit ihnen angefreundet. Aber wenn ihr wollt,könnt ihr nachher mit zum Pferdestall kommen,ich muss mich um mein Pony kümmern.“ Sara,das Mädchen mit den blond-rötlichen Haaren,sah sie entschuldigend an und sagte: „Tut mir Leid,aber Jonna und ich,“ sie zeigte auf die braunhaarige, „wir fahren heute Nachmittag mit meiner Mutter in die Stadt. Wir haben leider keine Zeit. So oft gibt’s so eine Gelegenheit nicht,weißt du.“Auch Manily,das dunkle Mädchen,hatte am Nachmittag keine Zeit. Aber Loreley sagte,sie würde liebend gern zu dem kleinen Reitstall kommen und fragte gleich,ob Lotta denn auch Jannis mitbrächte. Lotta bestätigte und seilte sich dann ab.
Nachdem sie zu Hause mit Luisa und den ganzen kleinen Tageskindermonstern zu Mittag gegessen hatte packte sie sich also Jannis und machte sich auf den Weg zum Reitstall. Jolie,ein Tageskind,fing an zu weinen,weil sie mit Jannis spielen wollte,aber dann kam Lizzie,ein anderes Tageskind,und Jolie war wieder glücklich.
Loreley erwartete Lotta schon. Jannis lief sofort in den Stall zu Oskar,er hatte sich schon mit ihm angefreundet,als er ihn das erste Mal sah. Es hatte in der Nacht geregnet und so war der Hof matschig und nass. Lotta machte das nichts aus. Sie hatte ihre Reitstiefel an. Aber Loreley trug wie immer ihre feinen Ballerinas. Lotta achtete nicht auf die Schühchen,sagte nur: „Komm mit!“ und lief quer über den Hof zu den Stallungen. Ihre Stiefel sanken knöcheltief in dem Matsch ein,platschten in die Pfützen und bald war ihre Hose von Schlammflecken übersät. Als sie bei den Stallungen angekommen war und sich zu Loreley umdrehte,stand die immer noch,entsetzt von Lottas Schlampigkeit,am Hoftor und starrte auf den Matsch,der jetzt an Lottas Klamotten klebte. Lotta atmete tief ein,sah sie genervt an und sagte dann: „Jetzt komm,Klamotten kann man waschen!“ Doch Loreley kam nicht. Erwiderte auch nichts. Starrte nur angewidert auf den schlammigen Hof. Plötzlich kam Jannis aus dem Stall,lief hinüber zum Hoftor,wo Loreley stand und sprang direkt vor ihr in eine Pfütze. Er lachte als er Schlammspritzer ins Gesicht kriegte. Loreley sah entsetzt an sich hinunter. Überall auf ihrem schönen,rosa Kleidchen waren Matschflecken. Lotta lachte über ihren fassungslosen Blick. Loreley sah auf,als sie das hörte,dann schrie sie Jannis an: „Du Monster! Das werde ich dir heimzahlen!“ Sie machte einen Schritt nach vorne – und stand im Matsch. Loreley erstarrte. Ihr Blick wanderte langsam hinab zu ihren Schühchen,deren blassrosane Farbe man jetzt nur noch schwer erkennen konnte. Man brauchte schon viel Fantasie,um daraus noch Rosa zu erkennen. Dann schaute Loreley Lotta an,die Mühe hatte,nicht wieder laut loszulachen,und flüsterte weinerlich: „Meine Schuhe...Mein schönes Kleid...Alles ruiniert...“ Und plötzlich schrie sie. So grell und laut,dass es bestimmt das ganze Dorf hörte und selbst Oskar aus dem Stall kam,um zu sehen was los war. Als er sah,dass es nur Loreley war,flüchtete er schnell wieder in den Stall. Schließlich drehte sich Loreley um,sah Lotta mit eiskaltem Blick an und sagte: „Du bist genau wie Veruca und Charlene! Und dein Bruder ist noch schlimmer! Soll euch der Teufel holen!“ Dann drehte sie sich um und ging. Jannis sah ihr enttäuscht nach. Er hätte gern noch ein bisschen mit ihr im Schlamm gespielt. Lotta rief ihn zu sich,streichelte ihm über das Haar und sagte leise: „Gut gemacht,Kleiner,die sind wir los!“

Der Plan

Am nächsten Tag in der Schule erzählte Lotta den anderen unter immer neuen Lachkrämpfen die ganze Geschichte. Besonders an der Stelle mit Jannis mussten sie alle lachen. Loreley warf ihnen zornesfunkelnde Blicke zu. Als die anderen das bemerkten,lachten sie. „Wenn Blicke töten könnten...,“ murmelte Lotta. „Zum Glück können sie´s nicht,sonst wären wir alle schon zweihundertfünfzigtausend Mal gestorben. Mindestens!,“ tönte Caroline. Es klingelte zur nächsten Stunde. Mathe bei Herrn Malera. Neben Lotta saß Jonte. Und so überlegten sich die beiden einen Plan. Leise tuschelten und lachten sie. „Du bist die Beste!,“ flüsterte Jonte und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. „Carlotta,Jonte,ihr habt nachher in der Pause noch genug Zeit,in der ihr eure Zärtlichkeiten austauschen könnt,aber bitte nicht in meiner Mathestunde!,“ ermahnte sie Herr Malera. Die beiden sahen sich grinsend an und fingen wieder an zu lachen. „Wenn ihr nicht gleich still seid,fliegt ihr raus!,“ sagte der Lehrer wütend. Mühsam hielten sie ihr Lachen zurück. Beschwichtigt drehte sich der Lehrer wieder zur Tafel. Jonte schnitt ihm eine Grimasse,was Lotta fast wieder zum Lachen brachte. Sie stieß ihm grinsend den Ellbogen in die Seite. Dann wandten sie sich wieder dem Unterricht zu.
In der großen Pause,als sie alle um einen Tisch beim Kiosk saßen,rief Lotta Loreley zu sich. Jonte sagte: „Ich geh mir beim Kiosk eben einen Becher Kakao holen,“ und verschwand. Misstrauisch kam Loreley zu ihnen. Lotta musterte sie kurz. „Hübsches Kleid,“ sagte sie dann, „Ist es neu?“ Die Clique betrachtete Lotta ungläubig,fast abweisend. Lotta zwinkerte ihnen zu. Loreley sagte nur, eingebildet,wie sie war: „Weiß ich selber!“ In dem Moment kam Jonte mit seinem Kakao vom Kiosk wieder und schleuderte ihn auf Loreley. „Ups,bin gestolpert!,“ sagte er spöttisch. Fassungslos stand Loreley vor ihnen. Dann schrie sie: „Das war Absicht! Das habt ihr geplant! Zur Hölle mit euch!“ Heulend drehte sie sich um und rannte zurück zu ihren Freundinnen. Die drei Mädchen sprangen auf,liefen ihr entgegen und gingen mit ihr zur Mädchentoilette. Lotta hob die Hand: „Highfive!“ Jonte schlug ein. Die anderen sahen sie nur kopfschüttelnd an. Aber plötzlich fing Em leise an zu lachen. Aus dem kleinen Lachen wurde ein Lachkrampf und schließlich lachte die ganze Clique. Caroline sprang von dem Tisch,auf dem sie gesessen hatte,stellte sich zwischen Lotta und Jonte,legte beiden eine Hand auf die Schulter und sagte: „Unser Dreamteam! So ein Glück,dass Lotta jetzt bei uns ist!“ Sie hob ihren Kakaobecher: „Auf Lotta!“ „Und Jonte!,“ sagte Lotta und lächelte ihn an. „Auf Lotta und Jonte!,“ riefen alle. Dann stießen sie mit ihrem Kakao an und lachten. Bob,der Hausmeister und Kioskbesitzer,schüttelte nur grinsend den Kopf.

Geheimnisse

Es war so wunderschön in dem Dorf am Meer,dass Lotta kaum mitbekam,wie die Zeit verging. An einem stürmischen Samstag morgen schaute Lotta auf den Kalender. Zwei Wochen lang war sie jetzt schon hier! Aber irgendwie war immer noch nicht passiert. Nichts Aufregendes. Sie hatte noch keinem der Lehrer einen Streich gespielt! Gott,wie langweilig! Die Zeit verging einfach viel zu schnell. Jannis kam angetrottet und riss sie aus ihren Gedanken. Er hatte Langeweile,das sah Lotta ihm an. „Hey,Schatz! Komm,wir spielen Verstecken!“ Das war Jannis´ absolutes Lieblingsspiel. Reden konnte er zwar noch nicht,aber im Verstecken war er nicht zu schlagen. Lotta war gerade auf der Suche nach ihm,als es klingelte. Sie drückte auf den Türöffner und rief: „Jannis! Du kannst rauskommen,wir spielen später weiter!“ Da kam Caroline zur Tür herein. „Na,spielt ihr Verstecken?,“ lachte sie. „Ja,klar! Keine Ahnung,wo der Kleine sich schon wieder verkrochen hat...“ In dem Moment tauchte Jannis´ lachendes Gesicht hinter dem Sofa auf. Caroline schüttelte fassungslos den Kopf: „Hinter Sofas klettern,das kann er,aber reden ist ihm zu schwer...“ Sie lachten. Aber schnell wurde Caroline wieder ernst: „Ich bin aber nicht hier,um mit euch Verstecken zu spielen. Ich denke,es ist an der Zeit,dass ich dir etwas zeige. Komm mit!“ Erstaunt folgte Lotta ihr in ihr Zimmer. Was wollte Caroline ihr in ihrem eigenen Zimmer zeigen? Caroline ging in die kleine,dunkle Ecke des Zimmers,die im Moment noch als Abstellkammer genutzt wurde, und stellte das an der Wand lehnende Bügelbrett zur Seite. Sie tastete die Mauer hinter der Waschmaschine ab und sagte zu Lotta: „Das Haus ist älter als es scheint. Bevor ihr eingezogen seid,war hier oben mein Geheimversteck.“ Sie schien die Stelle gefunden haben,nach der sie suchte,denn sie rief triumphierend: „Ha! Geht doch!“ Sprachlos starrte Lotta die Wand an,an der eben noch das Bügelbrett gelehnt hatte. Sie glitt lautlos zur Seite! Dahinter sah man Stufen,die nach unten ins Dunkel führten. Ein Geheimgang! Plötzlich hörten sie hinter sich ein Geräusch. „Oii!“ Erschrocken drehten sich die Mädchen um. Da stand Jannis und starrte mit großen Augen erst auf den Geheimgang,dann zu Caroline und dann zu Lotta. Unruhig kaute Lotta auf ihrer Unterlippe herum: „Wir können ihn nicht allein lassen. Luisa ist nicht da.“ Caroline dachte einen Moment nach. Dann ging sie zu Jannis und schaute ihm ernst in die weit aufgerissenen Augen: „Jannis,wir spielen jetzt Verstecken. Du musst ganz leise sein,sonst werden wir gefunden. Das kennst du ja. Also: Psst!“ Lotta nahm ihn auf den Arm und sagte: „So,Jannis,kein Mucks,hörst du? Ganz leise!“ Dann folgte sie Caroline ins Dunkel.
Caroline drückte einen kleinen Schalter an der Wand und der Eingang schloss sich hinter ihnen. Lotta sah nichts mehr. Es war stockdunkel. Sie spürte,wie Jannis seinen Kopf an ihre Schulter lehnte und sein Gesicht in ihrem T-Shirt vergrub. Schützend streichelte sie ihm übers Haar. Dann hörte sie,dass Caroline in ihrer Hosentasche kramte und kurz später klickte es leise und eine Mini-Taschenlampe warf einen Lichtkegel auf die Treppe. „Komm!,“ flüsterte Caroline. Sie stiegen die Stufen hinab. Überall hingen Spinnweben. Es roch feucht und modrig. Endlich kamen sie unten an. Im Schein der Lampe tastete Caroline die Wand ab und sie glitt zur Seite. Die Mädchen traten hinaus. Lotta schaute sich um. Auch Jannis hob den Kopf. Sie standen in Carolines Zimmer. Caroline drückte gegen die Wand und sie schob sich wieder vor den Geheimgang. Sie sah Lotta erwartungsvoll an: „Und,wie findest du´s? So können wir jederzeit zueinander!“ „Das...das ist...echt,einfach cool! Ein Geheimgang! Weiß noch jemand davon?“ „Nein,ich hab ihn schon vor Ewigkeiten gefunden und da oben hatte ich immer meine Ruhe. So sollte das auch bleiben,aber dann kamt ja ihr...“ Sie lachte auf. „Aber jetzt komm,ich zeig dir,wie man die Türen auf und zu macht. Und leise,sonst hört Milla uns!“ Sie betraten wieder den Geheimgang und Caroline zeigte Lotta die Schalter für die Türen.
Danach spielten die beiden Mädchen mit Jannis Verstecken bis Luisa kam. Dann musste Caroline nach Hause.
Beim Abendessen fragte Luisa: „Und,wie war dein Tag? Was hast du so angestellt,während ich weg war?“ „Och...nichts Besonderes eigentlich...Wir haben den ganzen Tag Verstecken gespielt!“ Und das war ja theoretisch gesehen auch die Wahrheit.

Prügeleien und Pläne

Am nächsten Morgen ging Lotta als erstes in die Küche und machte Frühstück. Sie nahm ein Tablett und stellte alles darauf. Dann ging sie damit in Luisas Schlafzimmer und rief: „Aufstehen! Frühstück!“ Sie setzte sich neben ihre Mutter. Diese fuhr sich verschlafen durch das verwuschelte Haar. „Frühstück am Bett? Was ist denn mit dir los?“ Die beiden frühstückten. Doch schließlich wurde Luisa dann doch neugierig: „Was ist los? Hast du irgendwas angestellt und hoffst,dir hiermit den Ärger zu ersparen,oder willst du irgendwas anstellen und möchtest die Erlaubnis dazu? Raus mit der Sprache!“ „Ich...will mit Rocky und Charly ausreiten,aber Jannis...“ „Lotta,du weißt doch,dass das jetzt nicht mehr geht! Früher,zu meiner alten Arbeit,konnte ich ihn mitnehmen,aber jetzt geht das nicht mehr,Schatz. Du kannst doch Joanne fragen,sie ist sowieso den ganzen Tag daheim und hat nichts zu tun. Sie hat den Kleinen lieb!“ Lotta verdrehte die Augen: „Er sie aber nicht! Was ich auch durchaus verstehe...“ „Lotta!“ Grinsend wich Lotta Luisas Klaps aus,schnappte sich ihre Tasche,rief noch: „Ich muss los!“ und war auch schon zur Tür hinaus. Sie holte Caroline ab und die beiden düsten zur Schule. Sie waren verdammt spät dran. Als sie ankamen,waren die Schüler schon in den Klassen. Schnell lief Lotta zu ihrem Klassenraum. Caroline musste woanders hin. Sie war ja erst neun und noch in der Klasse der Jüngeren. Außer Atem kam Lotta bei der Klasse an,öffnete leise die Tür und versuchte sich unbemerkt in den Raum zu schleichen. Aber ganz gelang es ihr nicht. Auf halbem Weg zu ihrem Platz hörte sie die Stimme von Herrn Malera. Er hatte sich von der Tafel abgewandt und sagte jetzt: „Carlotta,ich hoffe,du hast einen guten Grund,weshalb du zu spät bist!“ Lotta biss sich auf die Unterlippe. Was sollte sie sagen? Langsam drehte sie sich zu dem Lehrer um. „Ich...habe mein Matheheft nicht gefunden,aber da ich ihnen so gerne meine Hausaufgaben vorzeigen wollte,musste ich es noch suchen!“ „Na,dann zeige doch mal deine Hausaufgaben!,“ forderte der Lehrer sie auf. Mist! Schnell fügte sie hinzu: „Ich hab´s aber leider trotzdem nicht gefunden!“ Die Klasse lachte. Lotta zuckte entschuldigend mit den Schultern. Herr Malera sagte nur: „Hätte mich auch sehr gewundert,ihr hattet nämlich gar nichts auf.“ Dann wandte er sich wieder der Tafel zu und Lotta setzte sich geschlagen auf ihren Platz neben Jonte. „Warum bist du so spät?,“ fragte er leise. „Ist nicht so wichtig,“ raunte sie ihm zu. Die Klasse lachte immer noch über ihren Fehler. Wütend starrte Lotta in ihr Matheheft. Jetzt brachte es auch nichts mehr,zu sagen,sie hätte es nicht dabei. „Du hast dich verdammt gut geschlagen. Kannst du ja nichts für,dass er ausgerechnet dann keine Hausaufgaben aufgibt,wenn man sie braucht!,“ meinte Jonte. „Ich hätt´s wissen müssen! Ich bin so doof!“ Sie strich sich gestresst die Haare aus der Stirn. „Ich hätt´s auch nicht besser gekonnt,“ meinte Jonte noch,dann wandten sie sich unter Maleras strengem Blick wieder dem Unterricht zu.
In der großen Pause war Lottas Ärger schon wieder verflogen. Sie hatte andere Gedanken. „Ich muss was Wichtiges mit euch besprechen!,“ sagte sie zur Clique. „Lass mich raten! Du bist schwanger von Jonte?,“ sagte Rocky. Die anderen lachten. Lotta warf ihr einen genervten Blick zu. Jonte unterstützte sie: „Also,im Ernst jetzt! Lotta,wo brennt´s denn?“ „Auf deinem Kopf,“ meinte Lotta mit einem Blick auf sein feuerrotes Haar. Wieder lachten alle,doch das Lachen verging ihnen schnell wieder. „Ich kann nicht hierbleiben,“ sagte Lotta. Alle schwiegen bestürzt. „Warum nicht?,“ brach schließlich Em die Stille. „Ich muss meinen Vater finden,“ erklärte Lotta. Rocky und Charly sahen sich betroffen an. „Lotta...,“ begann Rocky schließlich, „Es wäre schrecklich,wenn du gehen würdest,für uns alle...“ „Besonders für Jonte!,“ warf Sammy ein,um die Stimmung aufzubessern. Es funktionierte. Jonte holte aus,um ihm einen leichten Schlag zu versetzen,aber Sammy duckte sich unter seiner Hand weg und Jonte stolperte über ihn.Blitzschnell drehte er sich um und nahm Sammy in den Schwitzkasten. Die anderen lachten. In diesem Moment kam dummerweise Herr Malera vorbei,sah Jonte,der immer noch Sammy festhielt,und brüllte: „Auseinander! Jonte,lass sofort Samuel in Ruhe! Ihr glaubt wohl,ihr könntet euch alles erlauben,wie? Nachsitzen,Jonte! Seit wann wird denn hier geprügelt? Dachtet ihr,ich sehe das nicht? Haltet ihr mich für blöd?!“ „Ja,genau das!,“ rutschte es Lotta heraus. „CARLOTTA LEVERIS!!!,“ brüllte der Lehrer jetzt noch lauter. „Ja,Herr Malera?“ Lotta kannte solche Situationen nur zu gut. In ihrer alten Schule hatte sie jede Woche mindestens vier solcher Schimpftiraden über sich ergehen lassen müssen. Dort war sie allgemein als Lehrerschreck bekannt gewesen.
„Auch Nachsitzen! Nur weil du neu hier bist,heißt das noch lange nicht,dass du mehr Rechte hast,als die anderen!“ „Das habe ich auch gar nicht behauptet!,“ sagte Lotta mit großen,unschuldigen Augen. Wutentbrannt drehte sich der Lehrer um und ging weg. Die Kinder kicherten. Jonte klopfte Lotta auf die Schulter. „Gut gemacht,Kleine!“ „Das „Kleine“ nimmst du zurück! Sonst wird es dir Leid tun,dass du geboren bist!“ Gespielt eingeschüchtert sagte Jonte: „Oh nein! Es tut mir Leid! Bitte,tu mir nichts an! Bitte!“ Lotta grinste ihn an. Dann wandte sie sich Caroline zu: „Kannst du nachher Jannis von Luisa abholen und zu Joanne bringen? Luisa muss arbeiten und ich darf ja mit dem Vollidioten hier,“ sie machte eine Kopfbewegung in Richtung Jonte, „zum Nachsitzen.“ „Klaro,mach ich!“ Es klingelte. „Wir treffen uns heute um vier in der alten Hütte,“ sagte Charly noch,bevor alle in ihr Klassen verschwanden.

Die alte Hütte

Es klingelte. Schulschluss. Für die meisten jedenfalls. Jonte und Lotta mussten dableiben. „Ihr findet euch nach Unterrichtsschluss unverzüglich beim Hausmeister ein!,“ hatte ihnen Herr Malera eingeschärft. Die zwei nahmen ihre Taschen und gingen zum Kiosk,wo Bob schon auf sie wartete. „Na,was habt ihr denn angestellt,hm?,“ fragte er lachend. Es kam nicht selten vor,dass die Kinder aus der Clique ihm zur Strafe Nachmittags helfen mussten. Vor allem Jonte war oft bei ihm. Er sagte: „Ach,nichts Schlimmes. Der Malera hat bloß mal wieder überreagiert...“ Wieder lachte Bob: „Also,entweder reagiert Herr Malera überdurchschnittlich oft durch,oder du bist wirklich ein sehr ungezogener Junge!“ „Das Erste!,“ sagten die Freunde wie aus einem Mund. Immer noch lachend drückte Bob Jonte einen Besen in die Hand: „Na,dann mal los mit euch! Jonte weiß ja,was zu tun ist!“ Mit dem Besen in der Hand stapfte Jonte zum nächsten Klassenzimmer. Lotta folgte ihm und die nächste Stunde verbrachten sie damit,Stühle hochzustellen und Klassenzimmer auszufegen. Als sie fertig waren,gingen sie wieder zu Bob. Der nahm Jonte den Besen ab: „Dann verschwindet schon,na los! Bevor Herr Malera hier aufkreuzt und euch noch ´ne andere Arbeit aufbrummt! Ihr habt sicherlich besseres zu tun,als mir meine Arbeit abzunehmen!“ Das ließen sich die Kinder nicht zweimal sagen. Sie schnappten sich ihre Taschen und düsten aus der Schule. Jonte biss sich auf der Unterlippe herum und schaute Lotta verlegen an. Lotta lachte: „Was ist?“ „Also...kann ich...vielleicht mit zu dir kommen? Meine Mutter verpasst mir sonst für den Rest des Tages Hausarrest und ich kann nachher nicht zur alten Hütte kommen!“ Fast hätte Lotta gefragt,warum er denn nicht jemanden der anderen anrief und fragte. Nicht,weil sie nicht wollte,dass er mit zu ihr kam,nur um ihn in Verlegenheit zu bringen. Aber dann fand sie es gemein,verbiss sich ein Lachen und sagte: „Ja,klar. Luisa ist sowieso nicht da!“ Sie liefen zu Lotta nach Hause. Auf dem Weg kam ihnen Milla entgegen. „Hallo,Milla! Hat Caroline Jannis abgeholt und zu deiner Mama gebracht?,“ fragte Lotta. „Ja,der ist bei uns.“ Und schon war sie vorbeihüpft. „Gut,dann müssen wir ihn nachher nicht mitnehmen!,“ sagte Lotta zu Jonte gewandt.
Als sie schließlich in die Wohnung kamen,aßen sie zuerst jeder einen Apfel zum Mittagessen. Sie hatten so viel zu tun,dass sie gar keinen Hunger verspürten. Erst machten sie Hausaufgaben,dann half Jonte Lotta beim Aufräumen. Über all der Arbeit vergaßen sie glatt die Uhrzeit und als sie schließlich fertig waren,war es schon zehn nach vier. „Oh,Mist!,“ fluchte Lotta, „Wir müssen los! Wo ist diese alte Hütte,Jonte?“ „An dem schmalen Weg,der zum Strand hinunter führt,“ sagte Jonte,während er gemächlich das letzte Glas abtrocknete und es in den Geschirrschrank stellte. Ungeduldig packte Lotta ihn am Handgelenk und zerrte ihn mit nach draußen. „Pünktchen,komm!,“ rief sie. Der Hund kam nach draußen geflitzt. Sie rannten die Straße entlang und waren schnell bei der kleinen Hütte angekommen. Lotta stieß mit dem Fuß die Tür auf. Alle anderen waren schon da: Rocky und Charly,Sophia und Bastian,Robin und Em,Timo und Toni,Pelle,Sammy,Caroline und Robins fünfjährige Schwester Bine. „Hey,wo wart ihr denn so lange?,“ rief Robin mit bedeutungsvollem Blick auf ihre Hände,die immer noch ineinander lagen. Lotta hob ihre Hand,und sah sie an,als gehörte sie nicht zu ihrem Körper. Dann schüttelte sie Jontes Hand ärgerlich ab. Sie hatte ganz vergessen,sie wieder loszulassen. „Also,hat jemand einen Plan?,“ fragte sie die anderen. „Setz dich doch erst mal!,“ sagte Bastian. Erst jetzt sah sich Lotta in der kleinen Hütte um. Sie bestand nur aus einem Raum,aber eine Leiter führte hinauf auf den Dachboden. Es gab nicht viele Möbel,nur ein paar Stühle,eine Bank,einen Tisch und ein kleines Schränkchen an der Wand. Durch zwei schmutzige Fenster fiel dämmriges Licht. Lotta setzte sich neben Em auf den Tisch. Jonte hatte sich einen Platz auf der Bank zwischen Pelle und Bastian gesucht. Jetzt stand Rocky auf und übernahm die Führung des Treffens. „Also,irgendwelche Vorschläge,wie wir Lottas Vater finden können?“ Wir könnten zur Polizei gehen,“ meinte Sophia zögerlich. „Ach,das haben wir vor zwei Jahren,als er verschwand,auch schon getan! Es hat nichts gebracht!,“ sagte Lotta. „Aber es könnte trotzdem helfen! Wir könnten eine Vermisstenanzeige aufgeben. Vielleicht hat ihn inzwischen jemand gesehen,“ unterstützte Bastian seine Schwester. „Oder wir fahren in die Stadt,wo ihr mal gewohnt habt und fragen dort herum,ob jemand weiß,wo er ist!,“ schlug Sammy vor. Rocky verdrehte die Augen: „Dann hätten sie es wohl längst von irgendwem erfahren!“ „Dann schlag halt was Besseres vor,“ murrte Sammy. Bevor sie anfangen konnten,zu streiten,machte Timo einen vernünftigen Vorschlag: „Übermorgen ist der letzte Schultag. Dann sind Sommerferien. Lasst uns bis dahin alle überlegen und dann treffen wir uns wieder.“ Das leuchtete allen ein. Em machte den nächsten guten Vorschlag: „Wir machen uns heute einfach mal einen schönen Nachmittag,wie wär´s damit?“ Damit waren alle zufrieden. Rocky,Charly,Sammy und Pelle rannten mit Pünktchen nach draußen und spielten Fußball,Sophia versuchte Bine klarzumachen,dass Obst und Gemüse gesünder für sie war,als immer nur Süßigkeiten,Em und Robin sahen sich einen Film mit Tricks fürs Skateboard auf dem Fernseher an,der in dem Schränkchen versteckt war und Jonte zeigte Lotta den Dachboden.
„Wenn jemand von uns mal Stress hat,kann er herkommen. Manchmal treffen wir uns auch einfach zum Spaß hier,zu dritt oder zu viert und übernachten hier,“ erklärte er der staunenden Lotta. Der Dachboden sah ganz anders aus,als erwartet. Auf dem Boden lagen Matratzen mit bunten Kissen und Decken. Unter dem kleinen Fenster im Giebel stand ein Schränkchen,das mit Süßigkeiten,Knabberkram,Cola und Wasserflaschen vollgestopft war. An den schrägen Wänden hingen Bilder,Fotos und Poster. Lotta drehte sich einmal im Kreis. Dann sah sie Jonte an und sagte bewundernd: „Das ist megacool hier!“ Er lächelte sie an. Eine verlegene Stille entstand. „Sammy hat hier `ne ganze Weile gewohnt,bevor er auf´s Internat gekommen ist. Er war von zu Hause abgehauen. Wir haben ihn hier wohnen lassen,bis Sophia meinte,er müsste wieder nach Hause. Danach haben seine Eltern ihn hier auf´s Internat geschickt.“ Während Jonte das erzählte,hatten sich die beiden auf eine der Matratzen gesetzt. Sie saßen ganz nah bei einander. Ihre Knie berührten sich leicht. Sie schauten sich in die Augen und kamen einander näher. Lotta spürte Jontes Hand an ihrem Knie. Sein Atem strich ihr übers Gesicht. Sie schloss die Augen und spürte,wie er noch näher kam „Jonte,Lotta! Kommt ihr?,“ rief Rocky von unten. Schnell rückten die beiden auseinander und sahen zur Leiter hinüber. Jonte sprang seufzend auf und reichte Lotta die Hand. Sie ergriff sie und er zog sie hoch. Kurz stand sie direkt vor ihm und schaute ihm in die wunderschönen kastanienbraunen Augen. Dann wandte sie sich verlegen ab und kletterte die Leiter hinunter. „Was habt ihr denn so lange da oben gemacht?,“ fragte die kleine Bine neugierig. Immer noch hielt sie eine Tüte Gummibärchen in der Hand,statt dem Apfel,den Sophia ihr beharrlich hinhielt. Jonte und Lotta sahen sich verlegen an und Lotta spürte,wie ihr die Röte in die Wangen schoss. Zum Glück war es so dämmrig in der Hütte,dass die anderen nichts merkten. Bald löste sich die Gruppe auf. Es dämmerte bereits. Auch Lotta musste nach Hause. „Kommst du mit?,“ fragte sie Jonte. „Klar,ich bringe dich sicher bis vor die Haustür!“ Er hatte sich wieder vollkommen gefasst und machte wie üblich seine Späße. „Das schaff ich auch alleine,du Angeber!,“ sagte sie und rammte ihm den Ellbogen in die Seite. Zankend gingen sie nach draußen. Pünktchen folgte ihnen. An Lottas Haus verabschiedeten sie sich voneinander. Nachdenklich stieg Lotta die Treppe hinauf. Sie hätte fast Jonte geküsst!
Luisa war schon da und hatte Jannis abgeholt. „Hallo Maus!,“ sagte sie zur Begrüßung, „Komm schnell,das Essen steht auf dem Tisch!“ Lotta schleuderte ihre Schuhe in die Ecke und setzte sich an den Tisch. „Hattest du einen schönen Tag?,“ fragte Luisa. „Mhm...,“ machte Lotta, „Musste Nachsitzen,aber ansonsten war´s ziemlich cool.“ Luisa seufzte. „Warum musstest du Nachsitzen? Hast du mal wieder mit deinem Fußball eine Scheibe eingeschossen? Oder hast du dem Direktor ein Furzkissen auf den Stuhl gelegt?“ „Nein,nichts von beidem. Gar nichts von dem,was ich früher immer angestellt habe.“ „Was denn dann?“ „Hab zu ´nem Lehrer gesagt – naja,ihm bestätigt! – dass er dumm ist.“ „Ach,wenn´s nur das ist...Ich dachte schon,du hättest was ernsthaftes angestellt!“ Darüber musste Lotta lächeln. Ihre Mutter war einfach die Beste. Wie es Jonte wohl ging? Seine Mutter wusste bestimmt bestens über alles Bescheid und sie würde nicht so cool bleiben wie Luisa. Als Luisa fragte,ob sie noch einen Film gucken wollten,lehnte Lotta ab und ging ins Bett. Am nächsten Tag würde sie den Ausritt mit den Zwillingen nachholen. Mit den Gedanken bei Jonte schlief sie ein.

Der Ausritt

Am nächsten Tag lief Lotta am Nachmittag mit Jannis zum Pferdestall. Sie wollte es dem Kleinen nicht antun,schon wieder zu Joanne zu müssen. Rocky und Charly waren noch nicht da,aber ein anderes Mädchen. Es war etwa siebzehn,groß,blond und stand an der Box des Pferdes,das Lotta schon oft bewundert hatte. „Hallo,“ sagte sie,als Lotta hereinkam, „Wer bist du denn,ich habe dich hier noch nie gesehen.“ „Ich dich auch nicht,und ich wohne immerhin schon seit zwei Wochen hier.“ Das Mädchen lachte. „Ich bin Alexandra. Nenn mich Alex. Du kannst mich auch noch nie gesehen haben. Ich bin ja erst seit gestern Abend wieder hier. Die Schule hier im Dorf ist nur bis fünfzehn. Mit sechzehn musst du woanders hingehen. Aber es ist mir zu stressig,jeden Morgen ewig weit zu fahren,deshalb geh ich auf´s Internat. Aber jetzt haben wir Ferien.“ „Ach so...Wir haben erst morgen unseren letzten Schultag. Ich bin übrigens Lotta. Ist das dein Pferd?“ „Ja,das ist meine Luanda. Und dir gehört wohl das kleine Pony?“ „Ja,Lia heißt sie. Gehst du gleich auch reiten? Rocky und Charly müssten gleich kommen. Wir wollen zusammen ausreiten. Sie zeigen mir die Umgebung und so.“ „Nein,ich komme gerade vom Ausritt. Und wer bist du?,“ fragte Alex an Jannis gewandt. Der kleine Junge starrte sie mit großen Augen an und fing an zu lächeln. „Das ist Jannis. Aber versuch gar nicht erst,ihm ein Wort zu entlocken. Er redet einfach nicht.“ „Gott,der ist ja niedlich! Ein richtiger kleiner Engel!“ „Vielleicht sieht er so aus,aber du willst ihn nicht erleben,wenn er einen Wutanfälle hat!“ Die Mädchen lachten. Rocky und Charly kamen herein. „Was gibt’s hier so Lustiges?,“ fragte eine der beiden. Lotta konnte sie einfach nicht unterscheiden und es war ihr ein Rätsel,wie die anderen es immer schafften. „Hallo,Alex! Du Glückliche hast schon Ferien!,“ sagte die andere der beiden. „Hey,ihr zwei! Ich muss dafür nach den Ferien wieder ins Internat.“ Dann fiel einer der Zwillingsmädchen Jannis auf: „Sag mal Lotta,spinnst du? Was sollen wir denn auf einem Ausritt mit einem Baby?“ „Jannis ist kein Baby,sondern zwei Jahre alt! Und ich konnte ihn doch nicht wieder zu Joanne geben! Der Arme kriegt noch ein Trauma!“ Alex ging dazwischen,bevor sie sich streiten konnten: „Hey,hey,beruhigt euch! Ich kann mich doch um den Kleinen kümmern! Geht ihr schön reiten,ich pass auf ihn auf!“ Die Mädchen sahen sich kurz an,dann sagte eine der Zwillinge: „Ja,das ist doch eine gute Idee,Alex kann sich wunderbar um kleine Kinder kümmern!“
Also ließen sie Jannis bei Alex und machten die Ponys fertig zum Ausreiten. Endlich saßen sie auf ihren Pferden und ritten die Straße entlang. Als sie aus dem Dorf herausgeritten waren,ritten sie weiter,quer über die Wiesen, auf den Wald zu. „Lotta,wie findest du eigentlich Jonte?,“ war die erste Frage der Zwillinge. Lotta wandte den Kopf ab und tat so,als würde sie sich den Bauernhof in der Nähe genauer ansehen,damit sie die Röte in ihren Wangen nicht sahen. „Wir sind...Freunde...beste Freunde...Wieso?“ Die beiden sahen sich an und begannen zu grinsen. „Wir glauben...er sieht in dir mehr als nur seine beste Freundin...“ Lotta ließ sich ihre Haare vor´s Gesicht fallen,damit sie ihre Verlegenheit nicht bemerkten. „Meint ihr wirklich?,“ fragte sie,scheinbar uninteressiert. „Jaah!“ Eine kurze Pause folgte. Dann fragte eine der beiden: „Und...wie sieht´s bei dir aus?“ „Hab ich doch gesagt,wir sind nur Freunde.“ Wieder sahen sich die Zwillinge bedeutungsvoll an. „Und...was habt ihr dann gestern die ganze Zeit oben auf dem Dachboden gemacht?“ Lotta wirbelte so schnell herum,dass sie fast vom Pony gefallen wäre: „Nichts haben wir da gemacht! Er hat mir die Geschichte von Sammy erzählt,weiter nichts,ist das klar? Zwischen uns läuft nichts!“ Dann trieb sie Lia an und galoppierte in den Wald hinein. An einer großen Eiche blieb sie stehen und sprang ab. Sie lehnte sich an den Stamm des dicken Baumes und ließ sich langsam daran herunterrutschen,bis sie schließlich auf dem Waldboden saß. Sie zog die Knie an und legte den Kopf auf die Arme. Hatten die Zwillinge am Ende doch recht? War sie in Jonte...verliebt? Immerhin hätte sie ihn fast geküsst. Oder er sie? Aber sie hätte kein Problem damit gehabt. Oder doch? So unentschlossen und verwirrt war Lotta schon lange nicht mehr gewesen. Um genau zu sein...seit zwei Jahren. Das letzte Mal als ihr so viele Fragen im Kopf herumgeschwirrt waren,war als Marco verschwunden war. Sie konnte nicht verhindern,dass ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie wusste nicht,wie lange sie so dasaß,aber nach einer Weile legte ihr jemand eine Hand auf die Schulter. Lotta sah auf. Die Zwillinge hockten vor ihr und sahen sie schuldbewusste an. „Guckt nicht so,“ sagte Lotta und versuchte ein Lächeln, „Es war nicht eure Schuld. Ich weiß einfach gar nichts mehr in letzter Zeit. Es ist alles so...verwirrend...“ „Kommst du jetzt wieder mit zurück?“ „Ja,natürlich. Erzählt keinem,dass ich geweint habe,ja? Schon gar nicht Jonte!“ Sie lächelte sie an und wischte sich die Tränen von den Wangen. Die Zwillinge reichten ihr jede eine Hand und zogen sie hoch. „Du stehst also doch auf ihn?,“ fragte eine der beiden vorsichtig. Lotta seufzte und sagte: „Ich weiß nicht...Ich...Wir...Also,irgendwie mag ich ihn ja schon sehr...Und gestern auf dem Dachboden...da haben wir uns fast geküsst...“ „Ihr habt WAS?!“ Lotta lächelte sie wieder an. „Ja,ihr habt schon richtig gehört. Aber ja nur fast. Dann hat uns eine von euch runtergerufen!“ „Und...findest du das...doof? Dass ich euch runtergerufen habe?“ „Ich weiß nicht...also,eigentlich habe ich da noch gar nicht drüber nachgedacht...“ Lachend sprangen die Mädchen auf ihre Ponys und lieferten sich ein Wettrennen zurück zum Reitstall. Während sie die Ponys versorgten kamen sie nochmal auf Jonte zu sprechen: „Aber wenn du dir irgendwann doch noch mal sicher sein solltest,dass du auf ihn stehst,dann frage ihn! Er sagt auf jeden Fall ja!“ Lotta knuffte Rocky – oder Charly? - in die Seite. Lachend verließen die Mädchen den Stall und gingen zu Alex´ Haus. Dort holten sie Jannis ab. Dann gingen sie alle zusammen zu Lotta nach Hause.

Fremder Typ auf dem Sofa

Luisa war auch schon da. „Hey ihr Lieben! Soll ich euch was Leckeres zum Abendessen machen? Setzt euch doch solange auf´s Sofa und schaut Fern,hm? Ich kümmere mich um Jannis.“ Lotta zog eine Augenbraue hoch. „Ähm...Luisa? Was ist denn mit dir los?“ „Wieso? Was soll denn sein? Ich habe einfach nur gute Laune!,“ trällerte sie. Stirnrunzelnd ging Lotta ins Wohnzimmer – und erstarrte. Da saß ein wildfremder Mann auf dem Sofa! Sie drehte sich auf der Schwelle wieder um und ging zurück in die Küche. „Luisa! Wer ist das? Kannst du mir bitte sagen,was fremde Männer auf unserem Sofa suchen?“ Die Zwillinge folgten ihr kichernd. „Fremd? Was redest du denn Lotta! Das ist Emil Marssen. Du kennst ihn von früher! Er hat mit dir immer Hoppe-Hoppe-Reiter gespielt!“ Lotta starrte sie fassungslos an: „Luisa,was macht er hier?“ „Er war zufällig im Dorf und da habe ich ihn zum Tee eingeladen.“ „Wie kann man denn bitte zufällig in diesem Dorf sein? Luisa,ich warne dich,wenn du einen neuen Mann anschleppst,nur weil du denkst,dass Marco tot ist,dann...“ „Was dann? Und hör auf mit diesem Thema! Marco ist tot! Meinst du,er wäre einfach so,ohne ein Wort verschwunden? Wir haben das oft genug durchgekaut und es reicht! Welche Männer wir im Haus haben,entscheide immer noch ich!,“ fauchte Luisa. Lotta starrte sie böse an. Dann rauschte sie aus der Wohnungstür raus. Im Weggehen zischte sie noch: „Solange er hier ist,komme ich ganz sicher nicht nach Hause!“ Betroffen folgten Rocky und Charly ihr. Als sie die Treppe hinunter gelaufen war,sank Lotta weinend zu Boden. Was sollte sie bloß tun? Wenn sich Luisa einen neuen Mann suchte,würde Marco erst recht nie wiederkommen! Rocky und Charly setzten sich neben sie und streichelten ihr über den Rücken. „Wir kriegen das schon wieder hin,keine Sorge. Magst du heute Nacht bei uns schlafen?“ „Im Internat? Kannst du vergessen,die lassen das ohne elterliche Bescheinigung eh nicht zu!,“ schluchzte Lotta. Charly sah Rocky an: „Em?“ „Vergiss es,“ sagte Rocky, „Eher geht ein Schmetterling tiefseetauchen,als dass ihre Eltern das zulassen!“ Trotz allem musste Lotta über den Spruch lachen. „Sollen wir dich zu Sophia und Bastian bringen? Deren Mutter hat bestimmt kein Problem damit!,“ schlug eine der beiden vor. „Oder lieber zu Jonte?,“ fragte die andere schelmisch. Sie lachten trotz der Tränen. „Also,Charly,kommst du? Wir holen schnell Lottas Sachen. Und dann gehen wir zu Sophia und Bastian.“ Die beiden rannten die Treppe wieder hinauf und ein paar Minuten später kamen sie mit einem vollgestopften Rucksack und Lottas Schultasche wieder. „Was habt ihr Luisa erzählt?,“ fragte Lotta. „Ach,die hat gar nichts mitgekriegt. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt,diesen Typen abzuknutschen!,“ antwortete eine der Zwillinge. Sofort war Lotta auf den Beinen: „Was?!“ Die Zwillinge lachten: „Beruhig dich,das war nur ein Scherz! Sie hat gefragt,wo du bist,wir haben ihr klargemacht,dass du erst wiederkommst,wenn der Typ weg ist und dass sie nicht nach dir suchen oder fragen soll!“ Lotta runzelte die Stirn. So,wie sie die Zwillinge kannte,hatten sie Luisa das erstens nicht so ruhig erzählt,wie sie sagten und zweitens in Anwesenheit des Mannes namens Emil Marssen! Gott,das würde Ärger geben,wenn sie wieder nach Hause kam...Normalerweise war Luisa da ja nicht so,aber bei dieser Sache...
Die Mädchen liefen schnell los,bevor Luisa runterkommen und Lotta zurückholen konnte. Vor Sophias und Bastians Haus blieben sie stehen. Eine der Zwillinge,Lotta konnte sie immer noch nicht unterscheiden,warf einen Stein gegen das Dachfenster. Es ging auf und Bastian streckte den Kopf heraus. Die Mädchen bedeuteten ihm,herunter zu kommen. Ein paar Sekunden später ging die Tür auf und die Geschwister standen vor ihnen. „Was gibt’s?,“ fragte Bastian. Sie erklärten ihnen die Lage. „Ich weiß nicht...Wird Luisa nicht böse sein? Und es ist doch wirklich ihre Entscheidung...Wenn Marco tot ist,dann...,“ Sophia konnte den Satz nicht zu Ende bringen. „Marco ist nicht tot!,“ fauchte Lotta sie an. Sophia starrte sie erschrocken an. Bastian legte ihr die Hand auf die Schulter. „Das geht schon klar. Mum wird kein Problem damit haben. Komm ruhig rein.“ Sophia hatte sich wieder halbwegs gefasst und sagte: „Halt! Wir müssen sie erstmal darauf vorbereiten! Wartet hier ein paar Minuten. In ungefähr fünf Minuten kannst du klingeln. Ihr beide,“ sie sah die Zwillinge an, „seid dann besser verschwunden,sonst nimmt Mum uns das nicht ab!“ Damit knallte sie die Tür zu. Die Mädchen sahen sich einen Moment an,dann sagte Lotta: „Okay,danke Mädels. Den Rest kriege ich schon allein hin. Wir sehen uns dann morgen.“ Sie verabschiedeten sich voneinander und die Zwillinge sausten davon,in Richtung Internat. Lotta wartete noch ein paar Minuten,dann klingelte sie. „Da ist sie schon!,“ hörte sie Sophia von drinnen. Die Tür flog abermals auf und wieder standen die Geschwister vor ihr. „Komm rein,“ sagte Bastian. Lotta trat ein. Es war ein enges,kleines Haus. Die kleine Anna lugte um die Ecke des Flures. Lotta winkte ihr lächelnd zu. Kichernd verschwand die Kleine im Wohnzimmer und eine Frau kam dafür um die Ecke. „Hallo,du bist dann wohl sicher Lotta. Ich bin Bastians und Sophias Mutter.“ „Auch Annas!,“ tönte es aus dem Wohnzimmer. Sie lachten. Sophia und Bastian zogen Lotta am Ärmel mit nach oben. Ihr Zimmer war einfach eingerichtet. Unter dem schrägen Dachfenster stand ein zweistöckiges Bett. Am Fußende davon ein Schrank. Auf der anderen Seite des Zimmers ein Kinderbett,daneben ein Schreibtisch. Auf dem Boden lag ein sehr bunter Teppich. Lotta legte ihre Taschen in eine Ecke. Bastian holte eine Matratze,die er auf den Boden legte. Sophia holte Bettzeug. Dann rief ihre Mutter zum Abendessen. Hinterher brachte sie oben Anna ins Bett,deshalb setzten sich die Kinder im Wohnzimmer aufs Sofa,statt ins Kinderzimmer. Sie redeten noch viel und schauten ein bisschen fern,dann gingen sie ins Bett.
Lotta lag unruhig auf ihrer Matratze. Was Luisa wohl gerade tat? War dieser Typ,Emil Marssen,wohl noch bei ihr? Sie hätte daheim bleiben sollen,dann hätte sie etwas dagegen tun können,dass er über Nacht bleibt! Was würde passieren,wenn er sich in Luisa verliebte,und sie sich auch in ihn? Wenn er bei ihnen einziehen würde? Was würde dann aus Marco werden? Dann schlich sich wieder Jonte in ihren Kopf. Fast hätte er sie geküsst! Plötzlich war sie ganz sicher,dass die Zwillinge recht hatten. Sie war in Jonte verliebt. Und am nächsten Tag würde sie ihn fragen! Unruhig wälzte sie sich auf ihrer Matratze herum. Als sie endlich einschlief,hatte sie seltsame Träume. Am nächsten Morgen wusste sie nichts mehr davon.

Dumme Jungs

In der ersten Stunde hatten sie Kunst bei Herrn Kant. Sie bauten Fotorahmen. So was Langweiliges,dachte Lotta. Die zweite Stunde war nicht besser. Deutsch bei Frau Vikus. Aber Frau Vikus war sehr nett. Sie hatte meistens kein Problem damit,dass sie die ganze Zeit quatschten,solange sie ihre Aufgaben ordentlich erledigten. Lotta dachte über ihre Gedanken der letzten Nacht nach. Sollte sie Jonte wirklich fragen? Wenn die Zwillinge recht hatten,und er wirklich verliebt in sie war,hatte sie ja nichts zu verlieren,oder? Entschlossen riss sie einen Zettel aus ihrem Notizblock und kritzelte darauf:
Jonte!
Ich hab mal drüber nachgedacht,und eigentlich mögen wir uns ja ganz gerne und ich wollte mal fragen,ob wir vielleicht zusammen sein wollen.
Ja Nein
Lotta
Daneben machte sie jeweils ein Kästchen,sodass Jonte zurückschreiben musste. Außen drauf kritzelte sie Jonte. Dann gab sie ihn nach vorne weiter zu Robin. Er zog eine Augenbraue hoch,gab ihn aber ohne ein Wort weiter. Als Jonte ihn bekam und auseinanderfaltete,hielt Lotta aufgeregt die Luft an. Da passierte das,was Lotta vor Schreck fast in Ohnmacht fallen ließ: Frau Vikus angelte Jonte den Zettel aus der Hand. Stirnrunzelnd laß sie ihn. Verschämt vergrub Lotta das Gesicht in den Händen. „Jonte,“ laß Frau Vikus vor, „Ich hab mal drüber nachgedacht,und eigentlich...“ Sie stockte und gab Jonte den Zettel lächelnd wieder. Misstrauisch nahm Jonte ihn an. Er laß ihn. Dann drehte er sich zu Lotta um und lachte sie an. Sie senkte verlegen den Blick. Jonte wandte sich wieder um und kritzelte etwas auf den Zettel. Dann gab er ihn zurück. Er warnte die Schüler hinter ihm,dass sie den Zettel ja nicht lesen sollten. Schulterzuckend gaben sie ihn weiter. Aufgeregt nahm Lotta den Zettel von Robin entgegen und faltete ihn auseinander. Neben ihre beiden Kästchen war ein drittes gemalt,daneben stand: Ich mag Toastbrot! Lotta ließ den Zettel sinken. Das würde Rache geben! Beleidigt wandte sie sich wieder den Aufgaben zu. In der nächsten Stunde bekamen sie Zeugnisse. In Lottas Zeugnis waren die Noten von ihrer alten Schule mit drauf. Die eins in Sport machte die fünf in Physik wieder gut. Insgesamt hatte sie ein relativ durchschnittliches Zeugnis. Fast nur dreien. Bei Jonte sah das anders aus. Er hatte eine fünf in Mathe und sonst fast nur vieren. In Sport hatte er eine eins. Das war aber auch seine einzige gute Note. Die Zwillinge und die anderen aus der Clique waren mit ihren Zeugnissen ebenfalls zufrieden,nur Timo ärgerte sich,dass er in Deutsch nur eine drei hatte.
Als es endlich zum Schulschluss klingelte,schnappte sich Lotta ihre Tasche und stürmte nach draußen. Auf dem Schulhof holte Jonte sie ein. „Was war das denn für ein netter Zettel eben?,“ grinste er. „Man,Jonte,das war ernst gemeint! Bitte,sag! Mal ohne Scheiß jetzt! Willst du mit mir gehen?,“ versuchte es Lotta noch einmal. Jonte machte ein ernstes Gesicht und sagte: „Tut,mir Leid,aber ich bin mit dem Fahrrad da!“ Er wich Lottas Schlag aus und sprang auf sein Fahrrad. Fast fiel er wieder runter vor lachen,dann fuhr er davon. Lotta starrte ihm böse nach. Dann wartete sie missmutig auf Bastian und Sophia und sie gingen zu ihnen nach Hause.

Jonte

„Lotta,das geht so nicht weiter! Du musst wieder nach Hause,deine Mutter macht sich bestimmt Sorgen!“ Schon zum fünften Mal an diesem Nachmittag fing Sophia dieses Thema an. Lotta verdrehte genervt die Augen: „Sophia,wenn Luisa mich gerne wieder daheim hätte,soll sie diesen Vollidioten rausschmeißen! Und jetzt lass uns das Thema wechseln. Wie unterscheidet ihr eigentlich Rocky und Charly?“ Sophia und Bastian sahen sich erstaunt an. „Ganz einfach,“ begann Bastian. „Die Caps,“ ergänzte Sophia. „Rockys ist rot,Charlys gelb!,“ fügte Bastian hinzu. „Ach so...,“ sagte Lotta nachdenklich. Das war ja einfach. Da hätte sie auch selber drauf kommen können. Sie sah auf,als sie merkte,dass Sophia sie anstarrte. „Was ist?“ „Hier bleibst du jedenfalls nicht! Ich möchte keinen Ärger bekommen,weil du Streit mit deiner Mutter hast! Bitte,ich möchte nicht,dass wir streiten,aber du kannst nicht hier bleiben!“ „Okay,“ sagte Lotta leise,stand auf,nahm ihre Taschen und ging ohne ein weiteres Wort hinaus auf die Straße. Sie überlegte,wo sie hin sollte. Da fiel ihr die alte Hütte ein. „Wenn jemand von uns mal Stress hat,kann er herkommen. Manchmal treffen wir uns auch einfach zum Spaß hier,zu dritt oder zu viert und übernachten hier,“ hatte Jonte gesagt. Sie gehörte jetzt zu ihnen. Sie hatte Stress. Die anderen würden es doch verstehen,wenn sie dort hin gänge? Lotta erfasste neuen Mut und lief zu der Hütte. Dort brachte sie ihre Taschen hin. Dann ging sie durch das Dorf. Es war ein windiger Tag und kaum jemand war draußen. Sie ging die Straße entlang. Da sah sie jemanden vor sich. Eine Gestalt mit feuerrotem Haar. Jonte. Lotta vergrößerte ihre Schritte und holte ihn langsam ein. Er bemerkte sie nicht. „Warum gehst du hier so allein?,“ fragte sie. Er zuckte zusammen. Doch als er sah,dass sie es war,lächelte er. „Ich weiß nicht. Willst du vielleicht mit mir gehen?“ Lotta zog die Augenbrauen hoch. „Das ist eine doppeldeutige Frage,“ stellte sie fest. Jonte sah sie feixend an. „Ja und?“ „Auf welche der Fragen soll ich antworten?“ „Auf beide.“ „Also...Frage Nummer eins: Ja! Frage Nummer zwei...“ Sie zögerte einen Moment. Immerhin hatte er sie heute Morgen ziemlich verarscht. Aber dann konnte sie nicht kühl bleiben. „Ja,“ sagte sie. Jonte griff nach ihrer Hand. „Dann gehen wir jetzt deinen Vater finden!“ „Nein,erst mal den Platz meines Vaters verteidigen!,“ warf Lotta ein. Sie erzählte Jonte von Emil Marssen. „Kein Ding!,“ sagte Jonte, „Das kriegen wir hin!“ Sie gingen zur Hütte,holten Lottas Sachen und brachten sie bis vor Lottas Haustür. „Was machen wir jetzt?,“ fragte Lotta. „Also,mein Plan: Wir gehen erst mal rein,dann sehen wir ja,ob er noch da ist. Wenn ja,vertrau mir,ich werde ihn schon verjagen! Wenn nein ist ja alles gut!“ Dann ging er zielstrebig die Treppe hinauf und stieß die Tür auf. Luisa ließ meistens die Tür offen. Dann ging er einfach hinein und zog Lotta hinter sich her. Als sie ins Wohnzimmer kamen,musste Jonte Lotta festhalten,damit sie nicht gleich wieder rückwärts rausging. Luisa saß mit Emil Marssen auf dem Sofa,einen Arm und seinen Hals geschlungen und kurz davor,ihn zu küssen. Als sie Lotta und Jonte bemerkte,rückte sie schnell von ihm ab und sah Lotta schuldbewusst an. „Lotta....das ist nicht so,wie es aussieht...“ „Nein,natürlich nicht,“ sagte Lotta schroff, „Du sitzt lieber auf dem Sofa,mit einem wildfremden Typen,statt deinen verschwundenen Mann zu suchen! Statt dich um mich zu sorgen,machst du dir hier einen schönen Tag! Wahrscheinlich hast du Jannis zu Joanne gebracht,dieser schrecklichen Tussi,nur weil du hier mit diesem Typen rumknutschen musst! Hast du eigentlich noch alle Tassen im Schrank?!“ Dann stürmte sie,Jonte hinter sich herziehend,in ihr Zimmer.
„Was wir brauchen,ist ein Plan!,“ erklärte Jonte besserwisserisch. „Ach,halt´s Maul und sag mir lieber,wie dein Plan lautet!“ „Gut...Teil A:...“ „Wir holen Jannis von Joanne ab!“ „Ja,okay,also,Teil A: Wir holen Jannis von Joanne ab. Teil B: Wir machen Abendessen.“ „Was?! Jetzt soll ich ihr auch noch einen Gefallen tun? Sag mal,hast du noch alle gestreiften Murmeln im Beutel?!“ „Beruhig dich! Vertrau mir doch mal! Immerhin bin ich dein Freund!,“ feixte er. „Man,Jonte! Ich hab gerade echt anderes zu tun,als deine doofen Witze anzuhören!“ „Ja,komm mal wieder runter,ich habe alles unter Kontrolle! Und jetzt wird Teil A unseres genialen Plans durchgeführt!“ Er sprang auf und zog sie mit hoch. Sie liefen zurück durchs Wohnzimmer,wo Luisa immer noch mit Emil Marssen rumknutschte und sie diesmal gar nicht bemerkte,und weiter durch die Küche nach draußen. Pünktchen folgte ihnen begeistert. Auch er hatte genug von der ewigen Knutscherei. Sie klingelten unten bei Joanne. Caroline machte die Tür auf. „Hey,was macht ihr denn hier?,“ fragte sie. Dann schaute sie mit skeptischem Blick auf ihre verschränkten Finger. Sie sah sie fragend an: „Ihr seid doch nicht wirklich...“ „Unwichtig,“ fiel Lotta ihr ins Wort, „Wo ist Jannis,ich will ihn abholen!“ „Die Kindermörderin ist gerade mit ihm und Milla spazieren gegangen.“ „Mist...Sag ihr,sie soll ihn hochbringen,wenn sie wiederkommen!“ Damit waren die beiden auch schon wieder nach oben verschwunden. Als sie wieder in der Küche waren fragte Jonte Lotta erstmal nach tausend Sachen,womit Lotta nichts anzufangen wusste. „Habt ihr angeschimmeltes Brot?“ Lotta legte es ihm hin. Luisa hatte es wohl nicht weggeräumt. Da sah man´s ja mal wieder: Ohne sie kam ihre Mutter nicht zurecht. „Ein...Furzkissen?“ „Nein.“ „Ähm...okay,dann vielleicht ein rohes Ei?“ Lotta gab ihm eins. „Okay,jetzt noch das Zeug,das man für ein normales Abendessen braucht: Butter,Käse,Wurst,ein Messer und einen Teller. Wir bereiten Emil Marssen ein wunderbares Mahl!“ Lotta suchte alle Sachen raus,die Jonte verlangte und überließ ihm das Kommando. Sie tat einfach,was er sagte. Sie setzte Teewasser auf und deckte den Tisch,während Jonte Brote belegte. Er nahm etwas von dem angeschimmelten Brot und etwas gutes. Das angeschimmelte legte er auf die eine Seite eines großen Tellers,das gute auf die andere. Dann bat er um ein Zucker- und ein Salzfass und tauschte die Inhalte um.
Gerade,als sie Luisa und Emil Marssen rufen wollten,klingelte es. Es war Joanne,die Jannis vorbeibrachte. Schnell deckte Lotta für Jannis auf,dann riefen sie zum Abendbrot. Erstaunt kam Luisa in die Küche,gefolgt von Emil Marssen. Dankend setzten sie sich hin. Lotta bot Tee an. Luisa lehnte ab,aber Marssen nahm dankend an. „Zucker?,“ fragte Jonte. „Gern,“ sagte Marssen. Lotta reichte das Zuckerfass hinüber,das ja allerdings mit Salz gefüllt war. Marssen kippte sich etwas in seinen Tee und trank dann einen Schluck. Kaum hatte er den ersten Schluck getrunken,spuckte er den Tee auch schon quer über den Tisch: „Was ist denn das?!“ Jannis kicherte. Luisa sprang auf und holte einen Lappen. Schnell wischte sie den Tisch ab.
Jonte hatte die Brotplatte so hingestellt,dass die angeschimmelten Brote auf Marssens Seite waren. Lotta nahm ein Brot von den guten,schnippelte es in kleine Stücke und gab es Jannis. Der griff sofort danach. „Die Kinderschänderin hat ihm wohl nichts zu essen gegeben,“ murmelte Lotta Jonte zu. Der fing glatt an zu lachen. Alle anderen am Tisch sahen ihn an,als sei er jetzt völlig übergeschnappt,aber dann fing plötzlich auch Jannis an zu lachen und dann lachten sie alle. Immer noch lachend stand Marssen auf,um sich das Salz (naja,den Zucker) zu nehmen.
Schnell legte Jonte ihm das rohe Ei auf den Stuhl. „Herr Marssen,sie haben ja ein Ei gelegt!,“ rief er. Luisa und Marssen sahen ihn perplex an und Lotta musste sich an die Tischkante krallen,um vor lachen nicht vom Stuhl zu fallen. Kopfschüttelnd setzte Marssen sich wieder hin,direkt auf das Ei. Es knackte und das Ei zerbrach. Kreischend wie ein Mädchen sprang Marssen auf,schrie: „Ihr seid die schrecklichste Familie überhaupt!“ und rannte aus der Wohnung. Lotta hob die Hand zum Highfive und Jonte schlug ein. Luisa sah sie fassungslos an. „Sagt bloß,das habt ihr geplant!?“ Die beiden sahen sich schuldbewusst an. Jannis saß in seinem Hochstuhl und kicherte sich kaputt. Luisa warf ihnen noch einmal jedem einen fassungslosen Blick zu,dann drehte sie sich um und rannte in ihr Zimmer.
Jonte sah Lotta besorgt an: „War das zu viel?“ „Nein,es war perfekt! Immerhin ist der Typ jetzt weg. Wenn Marco erstmal wieder da ist,wird sie froh sein,dass wir ihn verjagt haben. Dafür hast du was gut bei mir!“ Jonte sah sie von der Seite an. „Einen Kuss?,“ fragte er. Lotta warf ihm einen verächtlichen Blick zu. „Vielleicht später. Jetzt müssen wir hier erst mal aufräumen!,“ sagte sie. Zu gern hätte sie ihm seinen Wunsch erfüllt,aber sie wollte ihn ein bisschen ärgern. Also räumten sie die Küche auf. Danach brachte Lotta Jannis ins Bett. Luisa beachtete sie gar nicht. Jonte und sie schauten noch etwas fern,dann musste Jonte nach Hause. Lotta dagegen ging in Luisas Schlafzimmer,wo diese auf dem Bett lag und heulte. „Luisa...der Typ war doch sowieso scheiße...und ich finde Marco...und ich bringe ihn zurück! Ich verspreche es dir.“ Luisa sah auf. Ihre Augen waren rot vom Heulen. „Marco ist tot! Versteh das endlich! Und jetzt lass mich in Ruhe!,“ schrie sie. Beleidigt ging Lotta in ihr Zimmer. Das Telefon klingelte. Sie nahm ab. Es waren Rocky und Charly. Sie wollten wissen,ob Lotta sich wieder mit Luisa vertragen hatte. „Im Gegenteil!“ Lotta erzählte ihnen alles. „Oh,du Arme! Wenn du es nicht mehr aushältst,sag Bescheid. Dann kannst du zu uns kommen!“ „Quatsch,ich muss ja auch noch auf Jannis aufpassen. Und außerdem würden die das beim Internat eh nicht zulassen.“ Schließlich legten sie auf. Doch kaum hatte Lotta das Telefon aus der Hand gelegt,rief Sophia an und fragte,ob sie zu Hause war. „Ja,aber ich habe gerade sehr wenig Zeit...Muss noch ein paar Dinge erledigen,sorry. Also bis morgen oder so!“ „Ja,tschüss!“ Lotta überlegte,ob sie noch Jonte anrufen sollte,aber dann ließ sie es sein und ging schlafen.

Sonne,Strand und Meer

Am nächsten Morgen wachte Lotta von einem seltsamen Geräusch auf: Klonk-Klonk-Klonk! Immer wieder: Klonk-Klonk-Klonk! Sie rieb sich verschlafen die Augen und sah sich um,woher das Geräusch kam. Bald stellte sie fest,dass es Steine waren,die an ihr Fenster flogen. Sie sprang aus dem Bett und öffnete das Fenster. Unten stand Jonte und winkte herauf. Lotta bedeutete ihm,kurz zu warten,weil Jannis in seinem Gitterbettchen Theater machte. Sie nahm ihn auf den Arm und lief wieder ans Fenster. „Was gibt’s so früh am Morgen?,“ rief sie hinunter. „Was heißt denn früh? Es ist acht Uhr!“ „Ja eben! Warte,ich mache dir die Tür auf!“ Sie schloss das Fenster wieder und lief zum Türöffner. Jonte kam die Treppe heraufgepoltert. Lotta drückte ihm Jannis in die Arme: „Du kannst schon mal mit Jannis Frühstück machen! Ich muss mich noch anziehen!“ Sie rannte wieder in ihr Zimmer,kramte eine kurze Jeans und ein grünes T-Shirt aus dem Schrank und zog sich an. Dann ging sie ins Bad,kämmte sich die Haare und putzte die Zähne. Als sie fertig war lief sie wieder zu Jonte in die Küche. Der hatte in der Zwischenzeit Frühstück gemacht. Lotta dankte ihm und stellte ein paar Sachen auf ein Tablett und brachte es zu Luisa. Da sie diese nicht wecken wollte,stellte sie es einfach auf den Nachtschrank. Dort würde sie es schon finden. Jonte,Lotta und Jannis frühstückten ausgiebig. „Heute ist der erste richtige Ferientag! Da ist immer Disko in der Turnhalle,“ erzählte Jonte. Er sah fragend an. „Wenn du das wissen willst: Ja,ich gehe mit dir hin! Kommen die anderen alle auch?“ Jonte bestätigte es. Nach dem Frühstück zog Lotta Jannis an. Dann gingen die drei mit Pünktchen nach draußen. Da Lotta keine Lust hatte,auf Jannis aufzupassen,gingen sie bei Alex vorbei. Diese war schon wach und freute sich riesig,dass sie auf Jannis aufpassen durfte. „Was wollen wir heute machen?,“ fragte Lotta. „Wir könnten die anderen zusammentrommeln und schwimmen gehen,“ schlug Jonte vor. „Das ist eine gute Idee! Komm!,“ rief Lotta,nahm Jontes Hand und zog ihn mit sich zum Internat. Sie warfen Kieselsteine an die Fenster von Rockys und Charlys und von Sammys Zimmer. Sobald sich die Fenster öffneten riefen sie hinauf: „Wir treffen uns in zehn Minuten an der alten Hütte zum Schwimmen!“ So liefen sie von Haus zu Haus und riefen alle Kinder aus der Clique zusammen. Dann rannten sie jeder zu sich nach Hause und zogen sich ihre Schwimmsachen an. Ein paar Minuten später waren sie an der alten Hütte. Kurz später trafen auch die anderen ein. Sie nahmen ihre Sachen und liefen an den Strand. So früh morgens war es noch relativ kühl,aber das hinderte sie nicht daran,sofort ins Wasser zu springen. Es wurde ein wunderschöner Morgen. Sie plantschten und schwammen um die Wette oder ließen sich einfach von den Wellen schaukeln. Gegen Mittag bekamen sie Hunger. „Wir können uns doch Pizza machen,“ schlug Em vor. Es wurde begeistert angenommen. Sie rannten in ihren nassen Badesachen zurück zur Hütte. Dort wirbelten sie einmal durch und plötzlich war der Raum total verändert. Auf der rechten Seite war eine Arbeitsfläche und ein kleiner Herd. Links hatten sie die Tische,die Stühle und die Bank hingerückt. Es sah aus,wie eine ganz normale Küche. „Wir müssen die Sachen immer verstecken,damit keiner auf die Idee kommt,dass hier unser Versteck ist!,“ erklärte Pelle Lotta. Nur einige blieben drinnen zum Pizza machen. Die meisten liefen wieder nach draußen. Rocky und Charly rannten schnell zum Reiterhof,holten ihre Ponys und ließen sie auf der Wiese vor der Hütte grasen. Auch Lia brachten sie mit. Bastian,Pelle,Timo und Toni spielten Fußball mit Pünktchen,Sophia und Robin verzogen sich auf den Dachboden. So standen schließlich nur noch Caroline,Em,Jonte,Lotta und die Zwillinge in der Küche. Caroline und die Zwillinge deckten den Tisch und die anderen machten die Pizza. In der Hütte gab es einfach alles. Sogar einen Mini-Kühlschrank hatten sie eingebaut. Und es war alles so gebaut,dass man es einfach in die Wände klappen konnte. Sobald die Pizza im Ofen war,liefen auch die Pizza-Bäcker nach draußen. Rocky und Charly spielten mit Fußball. Em und Caroline setzten sich in die Sonne und redeten. Jonte nahm Lottas Hand und die beiden schlenderten zum Strand hinunter. Die anderen bekamen nichts davon mit.
Erst als sie wieder vor der Hütte ankamen,sagte Rocky: „Nein,nicht wirklich oder?! Ihr seid jetzt nicht echt zusammen?“ Lotta lachte: „Wonach sieht´s denn aus?“ Alle anderen hatten bei ihren Tätigkeiten innegehalten und das Gespräch verfolgt. Caroline kam dazu. „Was habe ich gesagt?! Unser Dream-Team! Warum sollen sie denn nicht zusammen sein? Sie sind doch süß!“ Lotta und Jonte lächelten sich an. Em war inzwischen wieder nach drinnen gegangen und rief: „Pizza ist fertig!“ Damit war die Sache erledigt. Alle stürzten zurück in die Hütte. Als sie schließlich alle um den Tisch herum saßen,verteilte Em die Pizza. Es schmeckte wunderbar! Nach dem Essen räumten sie alle zusammen den Tisch ab. Dann rannten sie wieder nach draußen. Die Jungs spielten weiter Fußball,die Mädchen lagen in der Sonne und redeten. „Mit wem geht ihr heute Abend in die Disko?,“ fragte Lotta die anderen. „Mit Robin!,“ kam es sofort von Sophia. Lotta sah die anderen an. „Toni,gehst du heute Abend mit mir in die Disko?,“ schrie Rocky zu den Jungs hinüber. „Jo,klaro!,“ kam es zurück. „Mit Toni!,“ sagte Rocky zu Lotta. Caroline sagte schüchtern: „Mit Pelle.“ Timo kam herüber: „Em? Gehen wir dann vielleicht heute Abend...?“ „Ja,klar!“ Rocky sah ihre Schwester lachend an: „Tja,Charly,bleibt dir ja keine große Auswahl mehr!“ „Man muss da ja auch nicht mit einem Jungen ankommen!“ „Macht aber einen besseren Eindruck!“ „Mein Ruf ist gut genug.“ Schließlich fragte Charly Sammy,damit Rocky endlich die Klappe hielt. Der sagte sofort zu. Die Jungs fingen plötzlich wie irre an zu lachen: „Haha! Bastian muss sich dann wohl eine von den Zicken nehmen!“ Bastian reckte hochnäsig das Kinn. „Nein,muss ich nicht!,“ sagte er, „Ich gehe mit Malina!“ „Oho! Bastian,eine neue Verehrerin?,“ rief Pelle. Insgesamt wurde es noch ein sehr schöner Nachmittag. Gegen sechs mussten sie alle nach Hause und sich umziehen und zu Abend essen.
Auf dem Weg nach Hause holte Lotta noch Jannis ab. Dann lief sie heim um sich für die Disko umzuziehen.

Nervensägen

Luisa hatte sich wieder halbwegs beruhigt,aber sie war immer noch sauer. Um Punkt acht Uhr klingelte es an der Tür. Es war Jonte,der Lotta für die Disko abholen wollte. „Tschüss Luisa! Ich bin spätestens um Mitternacht wieder da!,“ rief Lotta noch,bevor Jonte sie zur Tür hinaus zog. Die beiden liefen durch das dunkle Dorf zur Schule. Die Turnhalle war hell erleuchtet und es war Musik daraus zu hören. Es schienen schon viele da zu sein. Jonte zog Lotta an der Hand mit hinein. Rocky,Charly,Sammy und Toni standen ganz hinten in einer Ecke. Sie winkten. Die beiden gingen hinüber. „Wo sind denn die anderen alle?,“ schrie Lotta. Die Musik war so laut,dass man kaum sein eigenes Wort verstand. „Em und Robin haben gleich einen Auftritt,Schülerband,ich glaube,Sophia ist bei ihnen. Toni wahrscheinlich auch,der ist ja mit Em zusammen hier. Bastian müsste bei Leena und Malina sein und Pelle und Caroline hab ich schon länger nicht mehr gesehen. Vielleicht sind sie rüber in die Schule,weil sie dort ihre Ruhe haben!,“ rief Charly zurück. Sie lachten. Jonte holte Lotta und sich jedem eine Cola. „Und,hab ich zu viel versprochen? Ist doch schon ziemlich cool für dieses Kaff,oder?,“ sagte er. „Wie oft noch: Das hier ist kein Kaff,sondern ein wunderschönes,supertolles Dorf! Und jetzt halt die Klappe,die Schülerband kommt!“ Jonte hielt den Mund und legte ihr stattdessen nur einen Arm um die Taille. Sie lächelte ihn an,er lächelte zurück. Tatsächlich hörten sie kurz später Robins Stimme durchs Mikrofon. Sie schauten hinüber zu der kleinen Bühne,die Bob aufgebaut hatte. Dort standen die Mitglieder der Schülerband: Der Gitarrist und „Boss“ Robin,die Sängerin Manily,der Schlagzeuger Joe,die Keyboarderin Em und ein paar von den Kleinen mit Rasseln und ähnlichem. Robin räusperte sich,um die Aufmerksamkeit seiner Mitschüler zu erlangen: „Hallo zusammen! Cool,dass ihr alle gekommen seid! Da das alles hier ja von der Schule organisiert ist,möchten wir auch dieses Jahr wieder ein paar Lieder vorspielen. Wir hoffen,dass es euch gefällt! Jetzt kommt unser Lied: Summer,Beach and Holidays!“ Die Menge verfiel in tosenden Applaus. Robin war auf der ganzen Schule sehr beliebt. Loreley würde alles dafür geben,mit ihm zusammen zu sein,aber davon wollte er nichts wissen. Schon fingen sie an zu spielen. Jonte nahm Lotta das Colaglas ab,stellte es auf einen Tisch und zog sie auf die Tanzfläche,wo schon viele andere tanzten. „Jonte! Ich kann nicht tanzen!,“ raunte sie ihm zu. „Dann lernst du es eben,“ lächelte er. Dafür hätte Lotta ihm schon wieder eine klatschen können. Aber sie tat es nicht,sondern ließ sich einfach von Jonte führen. Als der Song zu Ende war zog Jonte Lotta von der Tanzfläche durch die Hintertür nach draußen. „Ich habe noch was gut bei dir,“ hauchte er ihr ins Ohr. Sie sah ihm in die Augen. Er sah sie ebenfalls an. Und dann küssten sie sich. Lotta hatte das Gefühl zu fliegen. Sie verschränkte ihre Finger in seinem Nacken und sah ihm ins Gesicht. Ausnahmsweise war kein bisschen Spaß darin zu lesen. Er war ganz ernst und machte keine Scherze. Dafür wollte Lotta ihn gleich nochmal küssen. Aber dazu kam es nicht. Eine Mädchenstimme krakeelte: „Seht ihr,ich habe euch doch gesagt,die knutschen hinter der Sporthalle!“ Hastig ließ Lotta Jonte los und drehte sich um. Da stand die kleine Lilly mit ihren Freundinnen Magdalena und Klarissa und lachte sich halb tot. Hinter ihnen kamen Rocky und Charly. „Verpisst euch Lilly,wir haben jetzt wichtige Gespräche zu führen!,“ zischte Rocky. „Wann und wohin wir gehen,entscheiden wir immer noch selbst!,“ zickte Lilly zurück. Aber sie drehte sich um,winkte ihre Freundinnen mit sich und ging wieder nach drinnen. Rocky und Charly aber kamen zu Lotta und Jonte hinüber. „Soso,ihr steht also wirklich knutschend hinter der Sporthalle!,“ sagte Rocky grinsend. Lotta sah Jonte von der Seite an und wurde rot. Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ja und? Ich meine...haben wir irgendwas verpasst,oder was?,“ fragte Jonte lässig wie eh und je. Mein Gott,dachte Lotta,wie kann er so cool bleiben! Die Zwillinge verneinten und sagten,es sei aber nett,wenn sie sich heute noch einmal drinnen blicken lassen würden. „Na,das müssen wir uns noch einmal gründlich überlegen!,“ sagte Jonte, „Vielleicht haben wir ja Wichtigeres zu tun?“ Er legte den Arm um Lotta und sah sie an. Sie boxte ihn in die Seite. Kichernd verzogen sich die Zwillinge wieder nach drinnen. Doch kaum hatte sich Lotta wieder Jonte zugewandt,da hörte sie wieder leises Mädchengekicher: „Guckt,jetzt fangen sie wieder an! Gleich knutschen sie wieder!“ Jonte blickte auf und sah sich um. Es dauerte nicht lange,da hatte er die kleinen Mädchen entdeckt. Lilly,Magdalena und Klarissa saßen auf einem Baum,auf den sie irgendwie unbemerkt hinaufgeklettert waren und hatten sie bestens im Blick. Jonte warf Lotta einen Blick zu: „Gehen wir wieder rein?“ Eigentlich hatte Lotta keine geringste Lust dazu,sie wollte lieber den ganzen Abend hier draußen allein mit Jonte sein,aber da Lilly und ihre Freundinnen das sowieso unmöglich machten,konnten sie auch genau so gut wieder hineingehen. Die Schülerband hatte ihren Auftritt bereits beendet,es lief wieder Musik auf der Anlage in einer Ecke der Halle und die meisten der Schüler tanzten. Lotta entdeckte Robin und Sophia eng umschlungen auf der Tanzfläche und auch Em und Toni tanzten. Pelle und Caroline waren immer noch nirgendwo zu entdecken. „Wo können bloß Pelle und Caroline stecken? Ich meine,Caroline ist neun!“ „Du hast Recht...Ich glaube auch nicht,dass sie so wie wir irgendwo am rumknutschen ist!“ Er grinste. „Halt den Mund!,“ sagte Lotta lachend, „Lass uns mal drüben in der Schule nachgucken.“ Und dort fanden sie die beiden tatsächlich. Sie fegten die Eingangshalle. „Hey,wir haben euch schon vermisst!,“ rief Jonte zur Begrüßung. „Was habt ihr denn angestellt?,“ fragte Lotta. „Fußball gespielt!,“ sagte Caroline und seufzte tief. „Oh,das kenne ich nur all zu gut! Welches Fenster?,“ fragte Lotta. Pelle deutete Richtung Lehrerzimmer. „Oh,oh!,“ sagte Jonte. Caroline nickte. „Wir müssen die ganze Schule ausfegen...“ „Na dann mal viel Spaß noch!,“ sagte Jonte grinsend und zog Lotta wieder mit zur Sporthalle. Dort erzählten sie den anderen,wo Pelle und Caroline steckten. „So viel zu: Die sitzen irgendwo und knutschen rum! Sie haben Fußball gespielt!,“ sagte Rocky verächtlich. Sie lachten. „Wer knutscht wo mit wem rum?,“ hörten sie Lillys neugierige Stimme. „Niemand nirgendwo,Lilly! Hau ab!“ „Wir behalten euch im Blick!,“ sagte Klarissa mit ihrer Piepsstimme,bevor die drei sich wieder verkrümelten. „Oho,da haben wir aber Angst...,“ murmelte Jonte. „Gott,sind das Nervensägen! Die haben wir jetzt ständig am Hals,bloß weil ihr rumgeknutscht habt!,“ maulte Charly. „Wir konnten ja nicht wissen,dass die uns nachspionieren!,“ sagte Jonte aufgebracht. „Hört auf zu streiten und vergesst es einfach. Na und? Dann haben wir sie eben an den Hacken! Sie hauen ja wieder ab wenn man´s ihnen sagt!,“ brachte Sammy sie zur Ruhe. Es wurde noch ein sehr schöner Abend. Gegen halb zwölf brachte Jonte Lotta nach Hause. An der Haustür gab er ihr noch einen Gute-Nacht-Kuss,dann verschwand er in der Nacht. Lotta sah ihm nach,bis er mit dem Dunkel verschmolzen war. Erst dann ging sie hinauf in die Wohnung.

Ferien

Am nächsten Tag stand Lotta schon früh auf. Es war erst sieben,als sie in die Küche ging und Frühstück machte. Luisa hatte anscheinend die halbe Nacht geheult und selbst Jannis schlief noch tief und fest. Als der Tisch gedeckt war,wachte er dann allerdings doch auf und Lotta lief schnell in ihr Zimmer und hob ihn aus dem Bettchen. Sie zog ihn an und gab ihm etwas zum Essen. Dann aß sie schnell selbst etwas und ließ den Tisch gedeckt,damit Luisa später auch essen konnte. Schnell gab sie Jannis noch einen Kuss,sagte: „Tschüss,mein Kleiner,stell nichts an,solange Luisa noch schläft!,“ und rannte mit Pünktchen nach draußen. Sie lief die Straße entlang zur alten Hütte. Die Sonne schien und es war sehr warm. Wunderbares Wetter,um wieder den ganzen Tag am Strand zu verbringen. Kaum war Lotta die Leiter hinauf auf den Dachboden gestiegen,da hörte sie auch schon,wie jemand hereinkam. Sie lief zu der Luke und sah hinunter. Doch als sie sah,wer da in die Hütte kam,schlug sie entsetzt die Hand vor den Mund. Es waren Lilly,Magdalena und Klarissa! Die kleinen Nervensägen mussten ihr gefolgt sein! Hoffentlich hatten sie nicht gesehen,dass sie in die Hütte gegangen war! Das würden ihr die anderen nie verzeihen,wenn die Kleinen von ihrem Geheimtreffpunkt wüssten! Zum Glück war die Leiter weiter hinten im Raum und leicht versteckt. „Lilly! Lass und wieder rausgehen! Es ist gruselig hier!,“ hörte sie Magdalenas Stimme. „Nein,sie muss hier irgendwo sein!,“ erwiderte Lilly. „Vielleicht ist sie ja auch nur zum Strand gegangen. Du weißt doch,dass wir hier nicht rein dürfen!,“ versuchte Klarissa Lilly zaghaft zu überzeugen. „Oah,na gut! Wenn ihr solche Angsthasen seid! Ich dachte,ihr wolltet auch rausfinden,wo sie ihr Hauptquartier haben!,“ maulte Lilly. „Ja...schon,aber hier sind sie bestimmt nicht. Die Erwachsenen haben uns so oft gesagt,dass wir hier nicht reindürfen! Das ist alles einbruchgefährdet! Bitte lass uns wieder gehen,“ flehte Klarissa. „Ja,bitte Lilly!,“ versuchte es auch Magdalena noch einmal. Schließlich überzeugten sie Lilly und diese ließ sich unwillig nach draußen ziehen. Erleichtert sank Lotta auf eine der Matratzen. Gegen acht kletterte sie die Leiter wieder hinunter und ging hinaus,um Pünktchen zu rufen. Der kam sofort angetrabt. Gemeinsam liefen sie zum Internat und Lotta warf ein paar Steine an das Fenster von Rocky und Charly. Einen Moment später kamen die beiden auch schon hinaus gelaufen. „Nanu,heute ganz allein? Hat dein Freund dich schon wieder verlassen?,“ fragte Rocky lachend. „Quatsch. Ich glaube,der pennt noch. Ich war noch nicht bei ihm.“ „Na dann wird’s ja höchste Zeit,“ rief Charly. Sie rannten zu Jontes Haus. Rocky warf ein Steinchen ans Fenster. Jontes Gesicht erschien. Er sah sie unten stehen,bedeutete ihnen,leise zu sein und verschwand wieder. Einen Augenblick später öffnete er das Fenster und warf einen Zettel hinunter. Lotta hob ihn auf und faltete ihn auseinander.
Ich habe Hausarrest,weil ich gestern so spät nach Hause gekommen bin. Sorry,ich würde gerne mitkommen,aber ich komme hier leider nicht raus. Lieb dich Lotta,
Jonte
stand da. „Na ganz toll!,“ sagte Lotta, „Ohne ihn fange ich nicht an,nach Marco zu suchen!“ „Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig,“ sagte Rocky und sah Charly an. Diese nickte und sagte: „Wir müssen ihn da raus holen!“ Lotta runzelte die Stirn. „Und wie wollt ihr das machen?“ „Das kriegen wir schon hin! Also...eine muss reingehen und Frau Elch ablenken. Lotta,das machst du.“ „Okay...was soll ich ihr denn sagen?“ „Ach,erzähl ihr irgendwas,dass du Angst hast,du kämest im nächsten Schuljahr in Bio nicht mehr mit,weil ihr in deiner alten Schule noch nicht so weit wart oder so. Hauptsache sie kommt nicht raus oder geht nach oben!“ „Okay,und ihr schafft das hier auch sicher?“ „Ja,klar!“ Nicht ganz überzeugt ging Lotta zur Tür und klingelte. Die Zwillinge versteckten sich hinter der Hausecke. Jontes Bruder Lyo öffnete. „Was willst du?,“ fragte er. „Ähm...Ich wollte zu Jonte.“ „Der hat Hausarrest,weil er gestern zu lange mit einem Mädchen rumgeknutscht hat...,“ Lyo musterte sie skeptisch, „Du bist doch nicht etwa dieses Mädchen?“ Lotta merkte,wie sie rot wurde. Lyo fing an zu grinsen. „Mama!,“ rief er, „Hier ist das Mädchen,mit dem Jonte gestern rumgeknutscht hat!“ Frau Elch kam an die Tür. „Ach,hallo Carlotta! Wolltest du zu Jonte? Ach,das tut mir aber Leid...Jonte hat leider Hausarrest,er kam gestern viel später nach Hause,als er sollte.“ Lotta dachte fieberhaft nach,was sie sagen sollte. „Ähm...Aber vielleicht lag es ja auch gar nicht an ihm,dass er so spät kam?“ „Trotzdem: Er kam zu spät. Zwei Stunden! Und an wem das lag,ist mir egal. Also,wie gesagt,es tut mir sehr Leid.“ „Warten Sie! Ich...ähm...wegen Bio...in meiner alten Schule waren wir noch nicht so weit. Meinen Sie,Sie können mir sagen,wie ich in den Ferien lernen kann?“ „Aber natürlich,komm doch rein. Ich kann dir ein paar Bücher ausleihen! Komm mit,ich zeige sie dir!“ Sie zog Lotta mit sich in ein kleines Arbeitszimmer. Die eine Wand war von einem riesigen Bücherregal verdeckt. Frau Elch zog einige der Bücher heraus und zeigte sie Lotta. „Sieh mal,hier drin kannst du dir noch mal den Stoff vom letzten Schuljahr anschauen. Und hier ist das Thema des nächsten Jahres.“ So ging das eine ganze Weile. Lotta wurde langsam unruhig. Die anderen hatten Jonte sicherlich schon längst befreit und sie wollte endlich zu ihm. „So,mehr kann ich da auch nicht tun. Möchtest du dir die Bücher ausleihen? Du kannst sie mir jederzeit zurückbringen.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten stopfte sie die Bücher in eine Tasche und drückte sie Lotta in die Hand. Lotta verabschiedete sich und ging hinaus. Dort warteten die anderen schon ungeduldig. „Wo warst du denn solange?,“ fragte Jonte und gab ihr einen Begrüßungskuss. „Bedank dich bei deiner Mutter!,“ Lotta hob die Tasche hoch, „Die hat mir mindestens dreihundert Bücher eingepackt,damit ich Bio lernen und wiederholen kann!“ Die anderen lachten. Jonte nahm die Tasche mit den Büchern in die eine und Lottas Hand in die andere Hand. Rocky und Charly seufzten. „Noch so ein schreckliches Liebespärchen!“ Jonte und Lotta sahen sich verblüfft an und lachten. Zuerst brachten sie die Bücher zu Lotta nach Hause,dann gingen sie zum Strand. Da keiner von ihnen Badesachen dabei hatte,sprangen sie einfach mit ihren Klamotten ins Meer. Sie schwammen und plantschten eine Weile,dann schlenderten sie tropfnass,aber fröhlich, durch die Klippen hinauf zur Hütte. Dort warteten bereits die anderen. Als sie sich,nass wie sie waren,zwischen die anderen auf die Bank zwängten,schrien diese auf. „Igitt! Ihr seid eiskalt und nass!“ Alle lachten. Doch schnell wurden sie wieder ernst. „Was können wir denn schon groß tun,außer zur Polizei zu gehen?,“ fragte Sophia leise. Keiner antwortete. Denn Sophia hatte Recht: Sie konnten eigentlich nichts unternehmen. Lotta fuhr sich gestresst mit der Hand durchs nasse Haar: „Also gut. Wir können ja erst mal zur Polizei gehen,und noch einmal eine Vermisstenanzeige aufgeben. Dann könnten wir in meiner alten Heimatstadt herumfragen,ob ihn inzwischen jemand gesehen hat. Aber was sagen wir den Erwachsenen,wo wir sind?“ „Ganz einfach,“ sagte Bastian, „Wir machen eine Fahrradtour. Mit zelten und so.“ Von dieser Idee waren alle begeistert. Sie beschlossen,gleich am nächsten Tag aufzubrechen. So würden sie bei dieser ernsten und traurigen Angelegenheit wenigstens etwas Spaß haben. Sie wollten sich am nächsten Morgen noch einmal treffen und dann aufbrechen. Timo sollte bis dahin auf einer Landkarte den Weg einzeichnen und die Führung übernehmen,was den Weg anging. Em,Robin und Lotta sollten Zelte mitbringen. Bastian,Sophia und Jonte waren für das Essen zuständig. Toni und Pelle sollten sich darum kümmern,dass ihre Fahrräder alle einsatzbereit waren und dass sie genug Flickzeug dabei hatten. Um die Planung kümmerten sich diejenigen,die im Internat lebten. Es gab auch kein Problem mit den Lehrern. Rocky,Charly und Sammy durften mitfahren. Nur Caroline war unglücklich. Ihr wurde keine Aufgabe übertragen. Rocky und Charly meinten,sie sei noch zu klein. „Ich bin überhaupt nicht zu klein! Ich gehöre zu euch,schon vergessen? Ich kann auch schon Aufgaben übernehmen!,“ schrie Caroline. „Ist ja gut,weißt du was? Du kannst dich erstens darum kümmern,dass Joanne oder Alex sich um Jannis kümmern kann,wenn Luisa mal keine Zeit hat,und zweitens,dass auch Pünktchen eine angenehme Ferienreise mit uns verbringt! Du kannst das ganze Zeug raussuchen,dass er braucht. Hundefutter,Ersatzleine und so,“ beschwichtigte Lotta sie. Damit war das Mädchen einverstanden. Den Nachmittag verbrachten die Kinder damit,alles vorzubereiten und ihre Sachen zu packen. Als sie schließlich alle ihre Sachen zur alten Hütte brachten,von wo aus sie am nächsten Morgen aufbrechen wollten,war es schon fast dunkel. Jeder von ihnen hatte etwas Geld dabei. Sie legten es zusammen. Timo sollte es verwahren. Zufrieden mit sich verabschiedeten sich die Kinder voneinander und gingen nach Hause.

Aufbruch

Luisa hatte nichts dagegen einzuwenden,dass Lotta mit ihren Freunden eine Fahrradtour unternahm und so lief Lotta am nächsten Morgen um acht Uhr zur alten Hütte,wo schon alles vorbereitet war. Sie hatten alle ihre Fahrräder dorthin gebracht und Toni und Pelle hatten sie aufgepumpt und mit Flickzeug ausgestattet. Jetzt standen die Räder einsatzbereit und mit Gepäck beladen hinter der Hütte versteckt. Als Lotta ankam waren erst wenige da. Caroline,Pelle und Timo. Zusammen stellten sie die Fahrräder vor die Hütte. An Jontes Fahrrad hatte Toni einen Anhänger angebracht,damit Pünktchen nicht den ganzen Weg laufen musste. Gegen halb neun kamen Robin,Sophia,Bastian und Em. Während sie auf die restlichen warteten,überarbeiteten sie noch einmal die Fahrtroute. Bald kamen Toni und Jonte angelaufen. „Sorry!,“ rief Jonte, „Meine Mum hat einen Riesenaufstand gemacht,weil ich gestern abgehauen bin,aber ich hab sie überredet,dass ich trotzdem mitdarf.“ Er gab Lotta einen Kuss und streichelte Pünktchen,der ihn aufgeregt mit der Schnauze anstupste. Um zehn kamen dann endlich auch Sammy,Rocky und Charly. „Hey ihr drei! Wir waren um viertel nach neun verabredet!,“ rief Lotta ihnen entgegen. „Jaah,wissen wir,aber die Dummen Lehrer haben uns nicht früher rausgelassen. Die haben uns mindestens eine halbe Stunde Ermahnungen und Tipps gegeben!“ Die anderen lachten über die gestressten Gesichter von Sammy,Rocky und Charly. Dann sprangen sie auf ihre Fahrräder und radelten los. Zum Glück war es ein sonniger,warmer Morgen und es machte ihnen Spaß,im Licht der aufgehenden Sonne zu fahren. Sie waren alle bester Laune und als sie gegen Mittag eine Pause einlegten,um etwas zu Mittag zu essen,war keiner von ihnen auch nur im geringsten müde. Lotta und Sophia verteilten Brot und Käse. Damit waren alle zufrieden,denn sie wollten schnell weiterfahren,anstatt lange Zeit mit essen zu verbringen. Gestärkt fuhren sie weiter. Die meiste Zeit führte ihr Weg durch Wiesen und Felder,ab und zu durch ein kleines Wäldchen und am späten Nachmittag kam die erste kleine Ortschaft in Sicht. Doch sie hielten nicht an,denn sie hatten noch alles und brauchten nichts zu kaufen. Etwa einen Kilometer hinter dem Dorf sagte Timo: „Lasst uns hier übernachten. Wir haben schon mehr Kilometer zurückgelegt,als ich für heute eingeplant hatte.“ „Okay. Charly,Lotta,Jonte,Robin,Em und ich bauen die Zelte auf,Bastian und Pelle,ihr sucht Steine und baut eine Feuerstelle,Caroline und Sophia,ihr macht was zu essen und Timo und Toni laden das Gepäck ab und stellen die Fahrräder auf die Seite!,“ übernahm Rocky das Kommando. Alle taten wie ihnen geheißen. Jonte half Lotta mit ihrem Zelt. Zwischendurch hielt er immer mal einen Moment inne,um sie zu küssen. Sie lachte darüber. Er war so süß! Etwa um sieben riefen Caroline und Sophia zum Essen. Sie hatten Suppe gemacht und jeder bekam etwas Brot dazu. Rocky und Charly hatten,während sie eines der Zelte aufbauten,geplant,wer in welchem Zelt schlief. „Also,in das erste Zelt gehen Timo,Toni,Bastian und Sammy. Das zweite bekommen Rocky,Em,Sophia und ich und in das große gehen Sammy,Pelle,Jonte,Lotta und Caroline!,“ erklärte Charly. Als sie nach dem Essen alles weggeräumt und in den Zelten verstaut hatten,ging jeder zu dem ihm zugewiesenen Zelt. Da fiel Lotta noch etwas ein. „Rocky!,“ rief sie und lief zu ihr, „Wo soll denn Pünktchen schlafen? Könnt ihr ihn mit zu euch nehmen? Bei uns ist es schon voll genug.“ „Ja klar,komm Pünktchen!,“ rief Rocky. Beruhigt ging Lotta in ihr Zelt zu den anderen. Sie legte sich zwischen Caroline und Jonte. Jonte nahm sie in die Arme. „Bist du zufrieden?,“ fragte er sie. „Ja. Ich finde es gut,dass ich jetzt endlich etwas unternehmen kann. Früher konnte ich es nicht. Die anderen waren alle viel zu feige,um mir zu helfen,“ erzählte Lotta leise. Von Caroline war ein leises Schnarchen zu hören. Die Kleine war erschöpft von der langen Radfahrt. Auf der anderen Seite von Jonte redeten Sammy und Pelle leise. Auch aus den anderen Zelten war Gemurmel zu hören. Lotta schloss die Augen und versuchte zu schlafen. Sie spürte Jontes beruhigenden Atem im Nacken und fiel bald in einen tiefen Schlaf.

Auf Reisen

Als sie aufwachte,wusste Lotta zunächst nicht,wo sie war,bis sie Jontes Stimme vernahm: „Guten Morgen,Prinzessin Siebenschläfer! Schau mal,was ich dir mitgebracht habe!“ Blinzelnd sah sie sich um. Außer ihr war keiner mehr im Zelt. Von draußen hörte sie die fröhlichen Stimmen der anderen. Im Zelteingang hockte Jonte mit einem Teller,auf dem ein paar Marmeladenbrote lagen. Lotta nahm ihn dankend entgegen. „Beeil dich,Prinzessin,wir wollen bald weiter!,“ sagte Jonte noch,dann verschwand er wieder. Schnell aß Lotta die Brote und zog sich an. Dann krabbelte sie aus dem Zelt. Die anderen waren schon damit beschäftigt die Zelte abzubauen und ihre Sachen zu packen und auf die Fahrräder zu laden. Jonte kam zu ihr. „Komm,lass uns schnell deine Sachen aus dem Zelt holen und das Zelt dann abbauen.“ Schon war er im Zelt verschwunden und stopfte ihre Sachen in einen Rucksack. Als er sicher war,dass nichts mehr in dem Zelt lag kam er wieder heraus und sie fingen an,das Zelt abzubauen. Als endlich alles wieder auf den Fahrrädern verstaut war fuhren sie weiter. Pünktchen trabte fröhlich neben Lotta und Jonte her. Es dauerte nicht lange,bis sie zu einem Bauernhof kamen. „Haltet an!,“ rief Timo, „Ich will schnell fragen gehen,ob sie uns Milch,Eier und Brot verkaufen können!“ Er sprang von seinem Fahrrad und lief auf den Hof,wo ein kleines Mädchen gerade die Hühner fütterte. Er sprach kurz mit ihm. Das Mädchen deutete auf das Hauptgebäude. Kurz später klingelte Timo dort an der Tür. Eine etwas dicke Frau öffnete. Sie redeten kurz,die Frau nickte immer wieder,bedeutete ihm dann,kurz zu warten,und lief ins Haus. Einen Moment später kam sie mit einem großen Korb wieder. Timo stopfte die Sachen daraus vorsichtig in seinen Rucksack,dankte der Frau,gab ihr etwas Geld und kam wieder zu ihnen. „Ist gut,ich habe alles!“ Er sprang wieder auf sein Fahrrad und sie fuhren weiter. „Wie viel Uhr ist es?,“ fragte Lotta nach einer Weile. Jonte sah auf sein Handgelenk,an dem er allerdings keine Uhr trug. „Hm,ich glaube,ich habe verlernt,die Uhr zu lesen...,“ sagte er. Lotta versuchte ihm einen Stoß zu versetzen,fiel aber dabei fast vom Fahrrad. Rocky und Charly,die hinter ihnen fuhren,stöhnten genervt auf: „Hey ihr Süßen,wäre nett,wenn ihr eure Turteleien später erledigen könnt,im Zelt habt ihr nachher ja genug Zeit dazu,aber jetzt fahren wir Fahrrad!“ Alle,die es gehört hatten,fingen an zu lachen,bloß Caroline sagte entsetzt: „Nein! Doch nicht heute Abend im Zelt! Hallo? Ich soll da auch schlafen,ja?“ Das brachte die anderen noch mehr zum Lachen.
Als sie durch einen kleinen Wald gefahren waren,kam ein wunderschöner,blauer See in Sicht. „Lasst uns hier Mittagessen,dann können wir hinterher noch baden gehen,“ rief Toni begeistert. Alle anderen stimmten ebenso begeistert zu. Also hielten sie an und während Bastian und Pelle,die zum Essen machen eingeteilt waren,das Mittagessen vorbereiteten,gingen alle anderen baden. Lotta lief glücklich in das kalte,erfrischende Wasser. „Jonte,komm auch rein,es ist wunderschön kühl!,“ rief sie. Aber als sie sich umdrehte war Jontes feuerroter Haarschopf nirgends zu entdecken. Sie schrie entsetzt auf,als sie plötzlich von etwas nach unten gezogen wurde. Prustend tauchte sie wieder auf. „Jonte!!!Das ist kein bisschen witzig!,“ schrie sie ihren Freund an,der lachend neben ihr auftauchte. „Oh,doch! Das ist es!“ Beleidigt wandte Lotta sich von ihm ab und schwamm weiter hinaus auf den See. Jonte folgte ihr. „Hey,Lotta...So war das doch nicht gemeint! Warte bitte!“ Lotta drehte sich um zu ihm. Er schwamm neben sie und nahm bittend ihre Hand. Lotta zog sie nicht weg. Er versuchte sie zu küssen,was allerdings damit endete,dass sie beide wieder untergingen. Unter Wasser schloss er die Arme um sie und sobald sie auftauchten gab er ihr einen Kuss. „Lotta,Jonte,ihr Turteltäubchen! Essen ist fertig,“ schrie Robin vom Ufer. „Das musst du gerade sagen! Überlege erst mal,wie du mit Sophia rumknutschst,bevor du sagst,dass wir Turteltäubchen sind,“ rief Jonte lachend,während sie zurück schwammen. Bastian und Pelle servierten ihnen das Essen und fröhlich redend futterten sie es hungrig auf. Gerade,als der Letzte aufgegessen hatte,sprang Timo auf und rief: „Los,los! Wenn ihr noch baden wollt,ab ins Wasser mit euch,aber nicht so lange! Wir müssen bald weiter,wenn wir am Abend beim nächsten Dorf sein wollen!“ Jauchzend sprangen sie wieder ins Wasser. Aber das Vergnügen hielt nicht lange an. Schon nach ein paar Minuten rief Timo sie wieder zurück zum weiterfahren. Nass,wie sie waren stiegen sie auf die Fahrräder und radelten weiter. Am späten Nachmittag kam endlich am Horizont das nächste Dorf in Sicht. Es dauerte eine Weile,bis sie dort ankamen und dann noch mal ein paar Minuten,bis sie hindurchgefahren waren,aber dahinter schlugen sie schließlich ihr Lager auf. Es dämmerte bereits,darum beeilten sie sich,ein Feuer zu machen und die Zelte aufzubauen. Bis spät in die Nacht saßen sie am Lagerfeuer. Irgendwann holte Robin seine Gitarre heraus und begann zu spielen. Als Lotta fast einschlief flüsterte Jonte ihr schließlich ins Ohr: „Komm,wir gehen ins Zelt,bevor ich dich nachher noch hineintragen muss.“ Gähnend stand Lotta auf und sie gingen in ihr Zelt. Auch Caroline schlief dort schon tief und fest. Müde legte Lotta sich neben sie. Sie war so müde,dass sie sich gar nicht mehr zudeckte. Sie spürte noch,wie Jonte den Schlafsack um sie stopfte und sich neben sie legte,dann war sie auch schon eingeschlafen.

Suche

Am nächsten Tag brachen sie schon in der Morgendämmerung die Zelte ab und fuhren weiter. Da sie am Mittag keine Pause zum Essen machten,kamen sie schon am Nachmittag in Lottas ehemaligen Heimatstadt an. Lotta zeigte ihren Freunden das Haus,in dem sie gelebt hatte. Die Stadt war im Gegensatz zu dem Dorf riesengroß und die Kinder sahen sich staunend um. Lotta führte sie ein wenig herum und zeigte ihnen alles,dann machten sie sich daran,die Leute nach Marco Leveris zu fragen. Keiner hatte ihn gesehen. Auch auf der Polizeiwache fragte Lotta nach. Nur sie und Jonte gingen hinein,aber der Polizist sagte: „Tut mir Leid,von Marco Leveris haben wir seid zwei Jahren nichts mehr gehört,da ist zum ersten Mal nach ihm gefragt worden. Bist du verwandt mit ihm?“ „Ja,er ist mein Vater.“ „Es tut mir wirklich Leid. Wenn wir etwas von ihm hören,sagen wir dir Bescheid.“ „Okay,danke.“ Lotta gab dem Polizisten ihre Adresse und ihre Telefonnummer,damit er sie erreichen konnte,wenn Marco doch noch gefunden werden würde. Dann gingen die beiden wieder hinaus zu den anderen,die sie erwartungsvoll ansahen. Lotta schüttelte nur stumm den Kopf. Jonte legte ihr tröstend den Arm um die Schulter. Timo ergriff das Wort: „Es wird bald dunkel,ich bin dafür,dass wir außerhalb der Stadt unsere Zelte aufschlagen und es morgen noch einmal versuchen.“ Die anderen waren einverstanden und so fuhren sie etwas enttäuscht wieder aus der Stadt hinaus.

Leandra

Die Nacht verbrachten sie etwa einen Kilometer von der Stadt entfernt,an einem Waldrand. Am nächsten Morgen waren sie schon früh wieder auf den Beinen,packten ihre Sachen zusammen und fuhren wieder in die Stadt. Den Vormittag verbrachten sie damit,noch einmal überall herum zu fragen,ob jemand Lottas Vater gesehen hatte. Lotta hatte ein Foto ihres Vaters gedruckt,das sie jetzt allen Leuten zeigte. Doch jeder,den sie fragten,schüttelte nur entschuldigend den Kopf. Gegen Mittag teilten sie sich auf. Rocky,Charly,Bastian und Pelle sollten zurück zum Waldrand fahren,wo sie ihr Gepäck zwischen ein paar Felsen versteckt hatten,und ein Feuer zum Kochen vorbereiten.Pünktchen wollten sie mitnehmen. Sophia,Em und Robin fragten weiter überall die Leute nach Marco;Caroline und Sammy fuhren noch einmal zum Polizeirevier. Timo und Toni gingen in den nächsten Laden und kauften alles mögliche,was sie brauchten. Lotta und Jonte machten sich auf den Weg zu einem Bauernhof am anderen Ende der Stadt,wo sie Milch und Eier kaufen sollten. Die Sachen von dort schmeckten besser,als die aus dem Laden. Also fuhren sie alle los. Jonte versuchte auf dem Weg ununterbrochen,Lotta aufzuheitern,die total enttäuscht war,dass sie immer noch keine Spur von ihrem Vater gefunden hatte. Um Jonte zu beruhigen,zeigte sie immer mal auf verschiedene Gebäude und erklärte Jonte,welche Bedeutung sie hatten. Schließlich kamen sie an dem Bauernhäuschen an. Ein paar Hühner pickten auf dem Hof und aus dem Garten hinter dem Haus hörte man Kinderrufe. Sie stellten ihre Fahrräder auf dem Hof ab und gingen zur Haustür. Da es keine Klingel gab,klopfte Jonte dreimal kräftig an die Tür. Einen Moment später öffnete eine junge Frau. Erstaunt schaute sie die Kinder an: „Was macht ihr denn hier?“ Aber dann lachte sie und sagte: „Entschuldigt bitte. Ich habe nicht erwartet,Jugendliche vor der Tür stehen zu haben. Meine Kinder sind zwei,drei und fünf. Ich habe mit meinem Mann gerechnet. Kommt doch rein!“ Jonte und Lotta traten ein und standen in einer gemütlichen Wohnküche. Auf einem Flickenteppich spielte ein kleiner Junge mit Holzklötzchen.
„Setzt euch doch. Möchtet ihr etwas trinken?“ Sie setzten sich an den grob gezimmerten Holztisch und die junge Frau brachte ihnen Gläser mit Apfelsaft. Dann setzte sie sich mit an den Tisch: „So,also,was führt euch zu uns?“ Lotta lächelte sie an: „Wir wollten eigentlich nur fragen,ob wir etwas Eier und Milch kaufen können.“ „Aber natürlich!“ Die Frau sprang wieder auf,verschwand durch eine Tür und kam einen Moment später mit einer blechernen Milchkanne und einem Eierkarton wieder. Jonte bedankte sich lächelnd und fragte,wie viel das denn kostete. „Ach,Kinder,wisst ihr,wir haben Eier und Milch im Überfluss,ich bin froh,wenn ihr mir etwas abnehmt!“ Gerade als sie sich wieder gesetzt hatte kamen zwei Mädchen durch die Hintertür hereingestürmt. „Mami,Lissi hat mich geschubst!,“ heulte das kleinere. „Das stimmt gar nicht! Madita ist von alleine hingefallen! Ich habe gar nichts gemacht!,“ protestierte das größere der Mädchen,Lissi,aber sie grinste verstohlen. Die Frau zog sich Madita auf den Schoß und drückte sie tröstend an sich. Sie warf Jonte und Lotta einen entschuldigenden Blick zu. Da fing auch der kleine Junge auf dem Boden noch an zu weinen. Lissi hatte ihm eines seiner Holzklötzchen weggenommen und sprang damit lachend in der Küche herum. „Lissi,gib ihm sein Spielzeug wieder!“ „Nöö!,“ rief Lissi und streckte die Zunge heraus. Seufzend stand die Frau auf,setzte Madita ab,ging zu dem kleinen Jungen,nahm ihn auf den Arm und setzte sich wieder hin. „Lissi,raus mit dir,oder setz dich her und halt den Mund!“ Lissi verdrehte die Augen und setzte sich an den Tisch. Madita stand,einen Finger in den Mundwinkel gehakt,neben ihrer Mutter und schaute Lotta und Jonte mit großen Augen an. Die Frau strich ihr liebevoll über das Haar. „Oh,da fällt mir was ein! Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt! Ich bin Leandra Mirkenbach und das hier sind meine ach so lieben Kinder,“ an dieser Stelle zwinkerte sie ihnen lächelnd zu, „Lisabeth,Madita und Nikolas.“ Lissi grinste sie frech an,Madita warf ihnen einen scheuen Blick zu und Nikolas beachtete sie nicht weiter,er war damit beschäftigt,den Verschluss von Leandras Kette aufzukriegen. „Ach so,ja,das hier ist Jonte Elch und ich bin Carlotta Leveris.“ „Carlotta Leveris...Irgendwoher kenne ich den Namen doch...,“ murmelte Leandra. „Ähm...meine Mutter ist Luisa Leveris und mein Vater Marco Leveris. Wir sind vor kurzem hier weggezogen.“ „Ach so! Ja,na klar! Gott,das kann doch gar nicht sein! Du bist die kleine Lotta! Ach du meine Güte,ist das lange her...“ „Naja,so klein ist sie ja auch nicht mehr,“ protestierte Jonte. Lotta verstand gar nichts mehr. „Kennen wir uns denn?,“ fragte sie verblüfft. „Ja,natürlich! Das heißt,du wirst dich wahrscheinlich nicht an mich erinnern. Aber ich habe auch schon als Kind hier gelebt. Wir wohnten direkt neben euch. Ich habe sehr oft auf dich aufgepasst. Du warst ein so niedliches kleines Mädchen! Aber dann sind wir weggezogen. Ich glaube,du warst da gerade zwei. Ich war siebzehn. Aber jetzt bin ich wieder hierhergezogen. Das ist ja eine Sache...Ich hätte nicht gedacht,dass ich dich noch einmal wiedersehen würde. Ich habe dich sehr vermisst,all die Jahre. Und wie enttäuscht ich war,als ich hörte,dass ihr nicht mehr hier wohnt! Warum seid ihr weggezogen?“ Lotta schluckte. Es fiel ihr immer schwerer,von ihrem Vater zu reden. Sie holte tief Luft und sagte: „Mein Vater...Er ist vor zwei Jahren verschwunden. Spurlos. Keiner hat ihn gesehen. Als er nicht wiederkam,wollte Luisa weg von der Erinnerung und wir sind umgezogen,ans Meer. Wegen Marco sind wir auch eigentlich hier. Ich glaube nicht,dass er tot ist. Er muss einfach leben! Und ich werde ihn finden! Wir werden ihn finden!“ „Oh...das mit deinem Vater tut mir wirklich Leid...Aber Moment mal...Was sagst du da? Er ist vor zwei Jahren verschwunden? Das kann doch gar nicht sein!“ „Ist aber so. Wieso kann das nicht sein?“ Leandra schüttelte nur den Kopf und sagte: „Tut mir Leid,Kinder...Ich habe jetzt keine Zeit mehr. Aber es war schön,dich wiederzusehen,Lotta. Kommt mich doch bald wieder besuchen,und dann bring deine Mutter auch mit!“ Lotta und Jonte standen auf und Leandra,die scheinbar etwas durcheinander war,schob sie zur Tür hinaus. Verblüfft schaute Lotta Jonte an,der sich verwirrt am Kopf kratzte. Er bemerkte ihren Blick,zuckte die Schultern und sagte: „Nichts zu machen. Lass uns fahren,die anderen warten sicherlich schon.“
Sie schoben ihre Fahrräder vom Hof,auf dem inzwischen Lissi und Madita spielten und fuhren zurück. Die beiden kleinen Mädchen winkten ihnen nach.
„Was war das denn? Wieso hatte sie auf einmal keine Zeit mehr? Sie kam mir eigentlich nicht so vor,als wäre sie eine Frau,die uns rausschmeißt,weil sie noch die Wäsche machen muss,“ sagte Jonte während sie durch die Stadt fuhren. „Nein. Mir auch nicht. Was war denn bloß los mit ihr? Meinst du,es hat etwas mit Marco zu tun?“ „Ich weiß nicht,vielleicht.“ Den ganzen Weg redeten sie nur darüber,wieso Leandra sie so plötzlich rausgeschmissen hatte,aber als sie schließlich bei den anderen ankamen,die schon damit beschäftigt waren zu kochen,hatten sie immer noch keine Lösung gefunden.
„Hey,da seid ihr ja endlich! Was habt ihr denn solange getrieben?,“ empfing sie Sammy. Auch die anderen wollten wissen,wo die beiden solange gesteckt hatten. So erzählten sie ihnen,was sie bei Leandra erlebt hatten.
„Diese Frau kennt also deine Eltern. Und dich natürlich auch. Und sie war die ganze Zeit nett und gesprächig und unbefangen,bis du erwähnt hast,dass Marco vor zwei Jahren verschwunden ist,ja?,“ hakte Rocky nach. „Ja,genau. Dann hatte sie es plötzlich ganz eilig und war total verwirrt und hat uns einfach rausgeschmissen,“ sagte Jonte. „Na,die Lösung liegt doch auf der Hand,ihr Dumpfbacken!,“ rief Charly. Die anderen sahen sie verblüfft an,nur Rocky schien ebenso den Durchblick zu haben. „Leute,seid ihr schwer von Begriff!,“ seufzte sie, „Wenn diese Leandra euch plötzlich rausgeschmissen hat,als ihr davon geredet habt,dass Marco vor zwei Jahren verschwunden ist,dann muss das heißen,dass...“ „Dass sie ihn später noch einmal getroffen hat!,“ rief Caroline, „Natürlich! Das muss es sein! Sie hat ihn nochmal getroffen und ist jetzt mit ihm verheiratet und diese Kinder sind alle deine Geschwister,Lotta,und deshalb hat sie euch rausgeschmissen,weil sie Angst hatte,Marco würde gleich kommen und dann würdest du ihn sehen und die ganze Sache würde auffliegen!“ „Ach quatsch,Caroline! Halt den Mund und setz dich hin! Sophia,verteil mal das Essen! Also,das muss heißen,dass Leandra Marco,wie Caroline schon sagte,wiedergetroffen hat,nachdem er angeblich spurlos verschwunden war. Aber wann und wo kann sie ihn getroffen haben?,“ fragte Rocky. Keiner wusste es. Da Lotta es unhöflich fand,gleich wieder anzukommen,nachdem Leandra gesagt hatte,sie hätte keine Zeit mehr,beschlossen die Kinder,es am nächsten Tag noch einmal zu probieren. Den Nachmittag verbrachten sie im Wald. Sie beobachteten die Tiere,kletterten auf Bäume und spielten Verstecken. Irgendwann hatten Jonte und Lotta genug und stahlen sich davon. Sie schlenderten durch den Wald,bis sie an eine wunderschöne Lichtung kamen. Blumen wuchsen dort,rote,blaue und gelbe,und zwei Kaninchen saßen im Schatten eines jungen Baumes. Die Abendsonne schien zwischen den Bäumen hindurch und tauchte alles in rötliches Licht. Lotta und Jonte legten sich auf der Lichtung ins Gras und schauten in den Himmel. „Sieh mal,“ sagte Jonte plötzlich, „Die Wolke da schaut aus wie ein Elefant!“ „Ja,“ sagte Lotta, „Und die da vorne wie eine Blume!“ „Und diese dort hat die Form eines Herzens. Das ist mein Herz und es hängt da oben am Himmel,nur für dich.“ Lotta drehte den Kopf zur Seite,damit sie ihn ansehen konnte. Es lächelte,sie lächelte zurück und dann küssten sie sich. Als sie sich wieder dem Himmel zuwandten war das Wolkenherz verschwunden. Dafür zogen dunkle Wolken auf. „Tja,“ sagte Jonte und stand auf, „Mein Herz ist dir wohl abgehauen!“ Er grinste frech. Lotta sprang kichernd auf und wollte ihm eine Ohrfeige geben,aber er wich lachend aus und rannte davon. Lotta lief ihm nach. Sie hetzten durch den ganzen Wald und als Lotta ihn schließlich mit einem großen Sprung einholte fielen sie beide lachend auf den Waldboden. Sie rauften und rollten sich hin und her. Schließlich gewann Jonte. Er kniete über ihr und sah ihr ins Gesicht. Sie schaute zu ihm auf. Einen Moment lang sahen sie sich einfach nur in die Augen,dann beugte sich Jonte zu ihr hinunter und küsste sie wieder. Aber bald stieß Lotta ihn sanft weg und sagte: „So lieb ich dich auch habe,wir müssen zu den anderen zurück,es fängt bald an zu regnen,bis dahin will ich im Zelt sitzen!“ Also sprang Jonte auf,zog Lotta hoch und sie fegten durch den Wald zurück zu den anderen. Die waren schon damit beschäftigt,die Zelte aufzubauen. Da Pelle und Sammy das Abendessen machen übernommen hatten,stand Caroline ganz allein inmitten der ganzen Zeltstangen und des Stoffes und sah ratlos auf die beiden Stangen in ihren Händen. Als sie Lotta und Jonte bemerkte rief sie freudig: „Da seid ihr ja! Ich kriege das hier einfach nicht hin. Wo gehört welche Stange hin?“ Lachend stieg Jonte über das Durcheinander der Zeltplanen,nahm ihr die Stangen aus den Händen und steckte sie richtig zusammen. Dann baute er den Rest des Zeltes zusammen und im Nu stand es fertig vor ihnen. „Du meine Güte!,“ Caroline seufzte tief, „Männer sind ja doch zu was nützlich...“ Alle fingen lauthals an zu lachen,aber die freudige Stimmung wurde jäh unterbrochen,als es plötzlich anfing,wie aus Eimern zu schütten. Kreischend und lachend rannten sie in ihre Zelte. Doch als Caroline,Jonte und Lotta in ihrem Zelt saßen,fiel ihnen auf,dass ihre Sachen noch gar nicht darin waren. Caroline schubste Jonte wieder hinaus. „Mach dich nützlich!,“ sagte sie abfällig. Lotta verkniff sich ein Lachen. Kurz später kam Jonte mit ihren Sachen wieder. Sie waren nass geworden. „Mist,welche Decke nehm ich jetzt?,“ fluchte Caroline. Aus einem der anderen Zelte rief Sophia,die es gehört hatte: „Wir haben hier noch zwei Decken übrig! Die könnt ihr haben,wenn ihr wollt!“ Kurz später kamen Sammy und Pelle herein,durchnässt,aber mit etwas zu essen für sie alle,und mit den beiden Decken von Sophia. Auch in Lottas Rucksack war noch eine Decke,die trocken geblieben war,und so hatten sie immerhin drei Decken zu fünft. Als sie aufgegessen hatten rollten sie ihre Isomatten aus und verteilten die Decken. Sammy krallte sich als erster einer. Pelle nahm die zweite. Schnell schnappte sich Jonte die dritte und wickelte sie liebevoll um Lotta,die sich schon auf ihre Matratze gekauert hatte. „Na toll! Und welche kriege ich?,“ maulte Caroline. „Du kannst mit unter meine Decke,“ bot Pelle großzügig an und damit war dann auch Caroline zufrieden. Schnell schliefen sie alle ein. Irgendwann spürte Lotta,wie Jonte mit unter die Decke krabbelte,aber sie störte sich nicht daran,sondern schlief schnell wieder ein.

Auf der Suche

„Aufstehen ihr Schlafmützen! Die Sonne lacht! Raus aus den Zelten!,“ wurden sie am nächsten Morgen von Timo geweckt. Lotta ignorierte ihn,drehte sich um und schlief weiter. Jonte tat es ihr gleich. Im Zelt war es so schön dämmrig,dass sie gar keine Lust hatten,hinaus in die blendende Sonne zu gehen. Doch da riss plötzlich jemand den Zelteingang auf und das Sonnenlicht blendete sie so sehr,dass sie gar nicht erkannten,wer sie so unsanft weckte. Erst an der Stimme merkten sie,dass es Em war. „Ach nein,wie süß! Da liegen sie und kuscheln und schlafen!,“ rief sie. Lotta setzte sich auf und rieb sich verschlafen die Augen. Dann blickte sie auf Jonte neben ihr,der noch tief und fest schlief. Sie rüttelte ihn: „Jonte,aufstehen!“ Doch der dachte gar nicht daran,sondern murrte nur,drehte sich um und schlief weiter. Lotta lächelte böse,als ihr ein Idee kam. Plötzlich hellwach sprang sie auf,kletterte aus dem Zelt,in dem jetzt nur noch Jonte schlief,griff sich eine leere Flasche,die noch im Gras lag und rannte hinüber zu dem kleinen Bach,der am Waldrand plätscherte. Sie füllte die Flasche mit dem kühlen,klaren Wasser und rannte zurück zum Zelt. „Aufstehen Jonte!,“ schrie sie und kippte die Flasche über ihm aus. Schreiend fuhr Jonte hoch. „Aah!!Was soll denn das?! Kann man einen vielleicht normal aufwecken?!“ Lotta zuckte die Schultern und lächelte ihn unschuldig an: „Wir haben´s versucht!“ Dann warf sie die Flasche neben Jonte und ging hinüber zu den anderen,die gerade aßen und sich halb totlachten. Grimmig kam Jonte aus dem Zelt und setzte sich zu ihnen. Nach dem Frühstück wuschen sie sich im Bach und badeten und plantschten,bis Robin sie zusammenrief. „Leute,tut mir ja echt Leid,aber wir haben nächste Woche einen Auftritt,von der Band,ich muss heim. Em muss auch mitkommen,sie muss noch Keyboard üben,das kann sonst peinlich werden,“ er grinste sie frech an und sie rammte ihm den Ellbogen in die Seite, „also,Lotta,tut mir,also,uns,echt mega Leid,aber wir müssen wieder zurück.“ Lotta nickte. Da mischte sich Timo ein: „Äh...Leute? Ich muss auch heim,noch lernen und Hausaufgaben...“ „Timo,es sind Ferien,da haben wir keine Hausaufgaben,schon vergessen?,“ sagte Caroline genervt. „Jaa...aber trotzdem! Lernen kann man nie zu viel! Ich will die drei in Deutsch weg kriegen und dazu muss ich eben lernen!“ „Dann kriegt er ´ne vier in Deutsch,wetten?,“ flüsterte Jonte. Lotta warf ihm einen strafenden Blick zu,aber sie musste trotzdem ein bisschen lachen. „Ich muss auch nach Hause,“ sagte plötzlich Sophia. „Ja klar,wenn Robin heim geht,geht Sophia auch,was sollten wir denn anderes erwarten?,“ rief Sammy. Bastian verteidigte seine Schwester: „Ja,vielleicht ein kleines bisschen wegen Robin,aber wir müssen nach Hause,weil unser Vater kommt,unsere Eltern sind doch geschieden. Wir sollen die nächste Ferienwoche bei ihm verbringen,und es wäre ein bisschen doof,wenn er kommt und wir nicht da sind.“ Die anderen gaben ihm zögernd Recht. Toni biss sich unruhig auf der Unterlippe herum. „Ähm...Leute? Ich...,“ fing er an. „Raus mit der Sprache,wir wollen heute noch weiterkommen!,“ fiel ihm Caroline ins Wort. Das Mädchen ist echt unmöglich,dachte Lotta,klein aber oho! „Ja...ich...also,ich muss auch nach Hause. Meine Eltern wollen mit Collya und mir weg fahren,in die Berge. Tut mir echt Leid,ich würde gern noch helfen...“ „Ja,kein Ding Toni. Wir schaffen das schon,“ sagte Lotta und übernahm damit die Führung. „Noch irgendwer,der nach Hause muss?,“ fragte sie. Keiner meldete sich. „Okay,dann bleiben jetzt also noch Rocky,Charly,Sammy,Pelle,Caroline,Jonte und ich hier. Das heißt,ihr anderen nehmt ein Zelt wieder mit,und zwar das große. Timo,du erklärst Pelle gleich die Fahrtroute,damit wir auch irgendwann wieder heim finden. Ihr sechs müsst euch dann irgendwie in das große Zelt quetschen,die anderen brauchen wir hier. Ihr nehmt am besten das meiste von dem Proviant mit,wir können uns hier genug besorgen. So,ich denke,dann ist alles geklärt. Noch Fragen?“ Wieder meldete sich keiner. „Okay,dann ran an die Arbeit!“ Die sechs,die nach Hause fuhren,begannen,ihre Sachen zu packen und das große Zelt abzubauen. Caroline,Sammy,Pelle,Jonte und Lotta warfen ihre Sachen in eines der anderen Zelte. Sobald die anderen weg waren,setzten sie sich an die Feuerstelle und berieten den Rest des Tages. Wieder übernahm Lotta das Kommando: „Also,ich würde sagen,Sammy und Pelle,ihr besorgt in der Stadt was zum Kochen,kommt dann wieder hierher und bereitet uns Mittagessen. Jonte und ich gehen noch mal zu Leandra,Caroline,du kannst hierbleiben und die Zelte einteilen und die Sachen sortieren und Rocky und Charly,ihr beiden geht noch ein letztes Mal zur Polizeistation und ihr könnt die Flyer aufhängen.Um halb zwei treffen wir uns wieder hier zum Mittagessen. So,ist alles klar?“ Die anderen nickten,nur Caroline war mit dem Tagesverlauf nicht einverstanden. „Warum kriege ich nie eine richtige Aufgabe? Immer denkt ihr,ich bin noch zu klein,um irgendwas zu machen! Nur,weil ich ein bisschen jünger bin als ihr! Ich hätte mit den anderen heim fahren sollen!,“ schrie sie. Perplex schaute Lotta sie an. „Ist ja gut,ist ja gut! Dann bekommst du eben noch eine andere Aufgabe! Du kannst zur Polizei gehen,dann verteilen Rocky und Charly eben nur die Flyer.“ Damit gab sie sich zufrieden und die Kinder brachen auf. Jonte und Lotta fuhren wieder durch die ganze Stadt zu dem kleinen Hof von Leandra. Pünktchen hatten sie Caroline mitgegeben. Doch der Hof war verlassen,nicht einmal ein Huhn war zu sehen. Trotz allem klopften sie. Lissi öffnete die Tür. „Ich darf niemanden Fremden hereinlassen!,“ sagte sie mit großen Augen. „Aber Lissi,wir sind doch gar nicht fremd! Erkennst du uns denn nicht? Wir waren doch gestern schon hier!,“ sagte Lotta. Lissi schüttelte den Kopf: „Ich darf niemanden hereinlassen,“ sagte sie noch einmal,dann schloss sie die Tür wieder. Lotta und Jonte sahen sich ratlos an. Was sollten sie jetzt tun? Lotta klopfte noch einmal. Wieder öffnete das Mädchen. „Ich darf niemanden hereinlassen!,“ sagte sie. „Ja,das haben wir verstanden!,“ sagte Jonte,der langsam ungeduldig wurde. Lotta trat ihm auf den Fuß,er sollte die Kleine nicht einschüchtern. Sie ging in die Hocke,sodass sie auf einer Höhe mit Lissi war. „Lissi,ist deine Mama da? Wir müssen dringend mit ihr reden! Es geht um meinen Papa,er ist verschwunden und deine Mama kann mir vielleicht helfen,ihn wiederzufinden!“ Lissi schüttelte den Kopf. „Ich darf niemanden hereinlassen!“ Lotta stand auf und schüttelte traurig den Kopf. „Nichts zu machen,“ sagte sie zu Jonte. Sie verließen den Hof und fuhren in die Stadt. Bei einer Eisdiele hielt Jonte an. „Komm,ich lade dich auf ein Eis ein,“ sagte er grinsend. Lotta verdrehte die Augen. „Du hast ja gar kein Geld!“ „Dann lade ich dich eben auf ein Eis von deinem Geld ein,“ sagte Jonte und grinste noch breiter. „Haha,“ sagte Lotta,aber sie stellte ihr Fahrrad ab und ging in die Eisdiele. Als sie ihr Eis gegessen hatten und Lotta wohl oder über bezahlen musste (Jonte grinste nur blöd),fuhren sie noch einmal zu dem Bauernhof. Immer noch war keiner dort. Lotta holte ihren Notizblock und einen Stift heraus und schrieb eine Nachricht:
Liebe Leandra!
Wir wollten gerne noch einmal mit dir reden,wegen meinem Vater,aber Lissi hat uns leider nicht hereingelassen. Kannst du vielleicht mal zu uns kommen,damit wir in Ruhe reden können? Unser Lager ist am Waldrand auf der anderen Seite der Stadt. Ich würde mich sehr freuen. Sicher verstehst du,dass ich meinen Vater wiederfinden will. Also,bis bald,hoffe ich,
Lotta
Wieder klopften sie und Lissi öffnete. Gerade öffnete sie den Mund um zu sagen: „Ich darf niemanden hereinlassen!“ da stopfte Lotta ihr den Zettel in die Hand und sagte: „Den gibst du bitte deiner Mama,okay? Es ist sehr wichtig!“
Dann drehte sie sich um und lief zu Jonte und den Fahrrädern zurück. Jonte warf einen Blick auf die Uhr. „Wir müssen uns beeilen,um rechtzeitig zum Mittagessen wieder da zu sein.“ Also rasten sie durch die Stadt zurück zum Waldrand,wo die anderen schon auf sie warteten. Nur Caroline und Pünktchen waren noch nicht zurück. Doch als Lotta und Jonte zu erzählen anfingen,vergaßen sie,sich Sorgen um die beiden zu machen und fingen aufgeregt zu diskutieren an. „Wer lässt denn eine fünfjährige allein zu Hause?,“ fragte Pelle. „Ja,und wo ist sie überhaupt?,“ fragte Sammy. „Sie kann überall sein. Einkaufen,arbeiten,was weiß ich? Warum auch nicht.“ Da kam plötzlich Caroline angerast. „Leute,ihr wisst nicht,wen ich eben auf der Polizeistation getroffen habe!“ Außer Atem warf sie ihr Fahrrad ins Gebüsch und setzte sich zu ihnen. Pelle verteilte das Essen. „Wen denn?,“ fragte Sammy neugierig. Rockys Augen wurden groß: „Doch nicht etwa...“ „Leandra?,“ fiel Charly ihr ins Wort. Caroline nickte bedächtig: „Doch,genau die. Und wisst ihr,was die da gemacht hat?“ „Was denn?,“ fragten die anderen aufgeregt. „Sie hat dem Polizisten gesagt,dass sie Marco Leveris vor zwei Wochen getroffen hat! Er war bei ihr!“ Die anderen starrten sie ungläubig und fast geschockt an. Lotta schluckte: „Was...was hat er bei ihr gemacht?“ Caroline holte tief Luft,um ihnen alles zu erzählen. „Also,sie sagte,sie sei gerade hergezogen,als plötzlich einen Tag später Marco vor der Tür stand. Er hatte wohl zu euch gewollt,Lotta,und irgendwas sagte sie davon,dass er nicht freiwillig weggegangen war...das habe ich leider nicht so genau mitbekommen,weil ich ja heimlich gelauscht habe. Jedenfalls war er also bei ihr,hat sich wohl informiert und rausgefunden,wo sie wohnt. Er ist wohl eine Nacht dort geblieben und hat sich dann wieder auf die Suche nach euch gemacht. Aber leider habe ich keine Ahnung,wo er jetzt ist. Leandra anscheinend auch nicht. Aber ihr solltet noch mal mit ihr reden. Mit dem Polizisten habe ich dann natürlich nicht mehr geredet,ich bin direkt zu euch zurück.“ Alle sahen erschrocken Lotta an. Sie schluckte und sagte leise: „Ich wusste es. Ich habe es die ganze Zeit gewusst;ich habe es doch gesagt. Marco ist nicht tot. Er lebt. Und ich werde ihn finden!“ Sie sagte das mit einer solchen Überzeugung,dass keiner widersprach. Sie beschlossen,noch eine Nacht zu warten und Leandra am nächsten Tag zu besuchen. Vielleicht würde sie ja auch noch vorbeikommen,darum wollten sie erst einmal abwarten.

Rückfahrt

Leandra kam nicht. Darum fuhren die Kinder am nächsten Morgen noch ein letztes Mal zu ihr. Sie öffnete die Tür,doch sie sah furchtbar müde und erschöpft aus. Leandra bat die Kinder herein. Sie traten ein und setzten sich um den Holztisch in der Küche. Von Lissi,Madita und Nikolas war nichts zu entdecken. Vermutlich spielten sie wieder im Garten. Leandra brachte ihnen etwas zu trinken und setzte sich zu ihnen. „Lotta,es tut mir so Leid! Ich habe Marco gesehen,er war vor zwei Wochen bei mir! Er hat euch gesucht,aber als er merkte,dass ihr nicht mehr in der Stadt wart,ist er zu mir gekommen,er hat von irgendwem gesagt bekommen,dass ich wieder hier wohne,und dann hat er mich nach euch gefragt. Doch ich wusste ja auch nicht,wo ihr jetzt wohnt,ich konnte ihm nicht helfen. Als ich fragte,wie er euch denn hatte verlieren können,sagte er,es sei nicht absichtlich gewesen,er könnte nichts dafür. Ich weiß nicht,wo er war. Er hat mir nichts gesagt. Er blieb eine Nacht hier und ist am nächsten Morgen weitergereist. Lotta,du musst heim! Er wird nicht so schnell wieder hierher kommen. Er hat euch hier gesucht,jetzt wird er woanders suchen. Du musst nach Hause,deiner Mutter sagen,dass es ihm gut geht und einfach auf ihn warten. Er wird euch finden. Es wird dauern,aber er wird euch finden. Wenn er doch nochmal hier auftauchen sollte,dann sage ich ihm,wo ihr seid. Fahr jetzt heim,gehe zu deiner Mutter zurück,erzähle ihr,was du weißt und dann wartet auf ihn. Irgendwann wird er auch in euer Dorf kommen. Du kannst jetzt nichts mehr tun. Geh heim.“ Immer wieder schluchzte Leandra. Es tat ihr so Leid. Doch Lotta tröstete sie: „Leandra! Hör auf zu weinen! Du kannst doch nichts dafür. Du wusstest nicht,dass er einfach verschwunden ist und dass ich ihn suche. Bitte,hör auf zu weinen!“ Leandra nickte und trocknete die Tränen mit dem Ärmel. „Geht jetzt,Kinder. Fahrt nach Hause,so schnell ihr könnt.“ Die Kinder standen auf und gingen zur Tür. „Und besucht uns mal wieder,“ sagte Leandra noch. Die Kinder nickten und gingen. Leandra schenkte ihnen zum Abschied noch ein schwaches Lächeln,dann schloss sie die schwere Holztür hinter ihnen. Die Kinder gingen über den Hof,in dem wieder die Hühner pickten,zu ihren Fahrrädern und fuhren zu ihrem Lagerplatz. Dort packten sie alles zusammen und auf die Fahrräder und obwohl es schon Mittag war und sie kaum Proviant dabei hatten,fuhren sie los,nach Hause.
Sie fuhren den ganzen Tag und als die Dämmerung einsetzte waren sie an einem großen Feld angelangt. Rundherum war nur flaches Land,weit,weit weg am Horizont sahen sie die Ortschaft,in der sie am Nachmittag eingekauft hatten. Ringsum sahen sie weit entfernt Bäume. Sie schlugen ihr Lager auf. Die Zelte hatten sie jetzt anders verteilt. Rocky,Charly,Caroline und Lotta schliefen in dem einen,die Jungs in dem anderen Zelt.
Sie gingen früh schlafen. Aus dem Jungszelt hörte Lotta noch leises Gemurmel. Die Jungs besprachen die morgige Fahrtroute. Bald verstummten sie und nur noch der Wind,der durch die offenen Felder wehte,war noch zu hören. Sanft wiegte er Lotta in den Schlaf.

Am nächsten Morgen waren sie alle schon früh wach,frühstückten und packten dann ihre Sachen,damit sie weiterfahren konnten. Am Mittag waren sie wieder an dem See,in dem sie auf der Hinfahrt gebadet hatten. Sie stiegen von den Fahrrädern und sprangen einfach mitsamt ihren Klamotten ins Wasser. Doch sie waren alle recht schlecht gelaunt,hatten keine Lust auf Witze und Späße,und darum fuhren sie schon bald weiter. Sie fuhren relativ langsam,weil sie müde,erschöpft und enttäuscht waren. Doch nach der dritten Nacht,seit sie von der Stadt losgefahren waren,kam schließlich gegen Nachmittag das Dorf in Sicht. Sie beschleunigten etwas und als sie schließlich die Hauptstraße entlang in das Dorf hineinfuhren,kamen ihnen schon die anderen entgegen. „Hey,was macht ihr denn schon hier? Ihr wolltet doch noch bleiben und weitersuchen!“ Seufzend stiegen sie ab und schoben ihre Fahrräder weiter. Während sie die Dorfstraße entlanggingen und nach und nach alle zu ihren Häusern abbogen,erzählten die,die noch da waren,den anderen die ganze Geschichte. Schließlich bogen auch Lotta und Caroline in ihre Einfahrt ein. Lotta winkte den anderen kurz zu,verabschiedete sich von Caroline,lehnte ihr vollgepacktes Fahrrad an die Hauswand und stieg die Treppe zur Wohnung hinauf. Die Tür war offen. Sie und Pünktchen gingen hinein. „Luisa?“ Luisa kam angewuselt. „Lotta! Da bist du ja wieder! Die anderen haben gesagt,ihr wolltet noch ein wenig länger wegbleiben,weil es an dem See so schön war! Wieso seid ihr schon wieder hier?,“ fragte sie,während sie Lotta durchs Haar wuschelte und ihr einen Kuss gab. Lotta ließ alles geduldig über sich ergehen und da sie nicht wusste,was sie auf die Ausrede der anderen antworten sollte,sagte sie nur: „Dafür,dass du so enttäuscht klingst,dass ich schon wieder da bin,benimmst du dich aber gar nicht so.“ Sie spickte ins Wohnzimmer: „Ich hoffe,du hast nicht wieder irgendwelche fremden Männer auf dem Sofa sitzen? Ich habe dir nämlich Wichtiges zu erzählen!“ Luisa zog fragend eine Augenbraue hoch. Lotta schob sie ins Wohnzimmer. „Setz dich lieber erst mal.“ Sie setzten sich aufs Sofa und Lotta begann langsam,Luisa die ganze Geschichte zu erzählen. Sie erzählte davon,weshalb sie aufgebrochen waren,wie sie in der Stadt nichts erfahren und schließlich Leandra getroffen hatten,wie Caroline rausgefunden hatte,was Leandra wusste und was Leandra ihr dann geraten hatte. Luisa saß völlig perplex auf dem Sofa. Dann fing sie haltlos zu weinen an. Lotta nahm sie in die Arme und tröstete sie. „Ich...ich dachte,er sei tot...ich habe dich angeschrien und...und...,“ schluchzte Luisa. „Ist ja gut. Bald wird er wieder da sein. Er wird uns finden. Plötzlich sah Luisa auf: „Lotta,versprich mir eins: Suche nicht mehr nach ihm. Er ist nicht freiwillig gegangen. Es kann etwas Gefährliches sein! Ich will dich nicht verlieren! Versprich es mir!“ Seufzend versprach Lotta es,doch hinter dem Rücken hatte sie die Finger gekreuzt. Als Luisa wieder anfing zu schluchzen,sagte sie tröstend: „Ist ja gut,Luisa,ist ja gut. Ich bleibe bei dir.“

Hoffnungslos

Nachdem Lotta am nächsten Morgen mit Luisa und Jannis gefrühstückt hatte,machte sie sich auf zur alten Hütte,wo sie mit den anderen verabredet war. Es war ein windiger Tag,der Wind riss an ihren Haaren und zerrte an ihren Kleidern. Lotta kämpfte sich die Straße entlang. Endlich kam sie an der Hütte an. Es war schön mollig warm darin. Jonte saß am Tisch und in dem kleinen,unscheinbaren Ofen in der Ecke prasselte ein wärmendes Feuer. Lotta setzte sich neben Jonte. Er sah kurz auf,dann blickte er wieder auf seine Hände. „Was ist los?,“ fragte Lotta, „Du hast doch irgendwas?“ Jonte blickte sie aus seinen wunderschönen braunen Augen an: „Ich bin nur traurig darüber,dass wir deinen Vater nicht finden konnten. Du hast so viel für uns getan und wir konnten dir nicht helfen. Lotta konnte nicht anders. Sie musste lächeln. Er war so süß. Sie legte sie Arme um ihn und sagte: „Ihr habt getan,was ihr konntet. Und was habe ich denn schon für dich getan?“ „Du hast mich befreit,als ich Hausarrest hatte und du hast Herrn Malera die Meinung gesagt und...“ „Und was?“ „Und das hier.“ Er drehte den Kopf zu ihr und küsste sie. Sie erwiderte den Kuss. Da sprang plötzlich die Tür auf und drei Gestalten hoben sich schwarz gegen das dunkle Blau des Himmels ab. „Stören wir beim Knutschen?,“ fragte eine allzu bekannte Stimme. „Bestimmt! Sie möchten sicher lieber allein sein!,“ sagte eine zweite Stimme. „Stimmt doch,oder?,“ fragte die dritte. „Seht ihr,Mädels,ich habe euch doch von Anfang an gesagt,dass sie hier ihr Versteck haben!,“ sagte die erste Stimme. Jonte stöhnte auf: „Lilly,Magdalena und Klarissa. Was macht ihr denn hier? Wie habt ihr uns gefunden?“ „Ist ja nicht allzu schwer,euch nachzuspionieren,“ sagte Lillys Stimme spöttisch, „Dürfen wir reinkommen?“ Lotta verdrehte die Augen: „Was tut ihr,wenn wir nein sagen?“ „Dann kommen wir trotzdem rein!,“ sagte die kleine Magdalena trotzig. „Na,dann bleibt uns ja nichts anderes übrig,als euch gewaltsam rauszukriegen,“ sagte Jonte leise. Lotta hielt ihn am Ärmel fest. „Lass doch,du machst es nur noch schlimmer. Sie werden sonst petzen. Macht doch auch nichts,lass sie einfach. Sie werden den Spaß daran,uns zu nerven,bald verlieren,“ flüsterte sie. Widerstrebend setzte sich Jonte wieder hin. „Also gut. Kommt rein. Aber macht die Tür wieder zu,sonst wird’s kalt!“ Triumphierend kamen die drei kleinen Mädchen herein und schlossen die Tür hinter sich. Das heißt: Sie versuchten es. Der Wind blies so stark,dass sie es nicht schafften. Schließlich stand Jonte seufzend auf,legte eine Hand an die Tür und drückte. Krachend fiel die Tür zu. Skeptisch standen die Mädchen daneben und sahen ihn an. Er drehte sich zu ihnen. „Was?“ „Nichts,“ sagte Lilly und setzte sich zu Lotta. Kaum hatten sie es sich wieder gemütlich gemacht,flog die Tür auch schon wieder auf und Rocky und Charly kamen herein. Sie knallten die Tür hinter sich zu und wollten sich setzen,als sie plötzlich wie erstarrt stehen blieben. Rocky holte tief Luft: „Was tun denn die hier?“ Lotta schloss die Augen. Das würde jetzt aber Ärger geben. Doch schnell erklärte Jonte die Lage und mürrisch setzten sich die Zwillinge zu ihnen. Bald kamen auch alle anderen. Jonte erzählte jedem,ob er es hören wollte oder nicht,was die Kleinen in der Hütte zu suchen hatten und schließlich wurde es den dreien wirklich zu langweilig und sie verschwanden wieder. „Na ganz toll!,“ platzte es aus Charly heraus, „Jetzt wissen die Nervensägen,wo unser Versteck ist! Wetten,die lungern hier jetzt jeden Tag herum!?“ Die anderen sahen betrübt zu Boden. Da stand Lotta plötzlich auf: „Tut mir Leid. Ich glaube,es war meine Schuld. Die drei sind mir gefolgt.“ „Ist schon gut,setz dich wieder hin,“ murmelte Jonte. Auch die anderen gaben sich nach und nach zufrieden und schließlich stellte sich ihnen wieder sie Frage: Was konnten sie noch tun,um Marco zu finden? „Ich denke...ich denke,wir sollten tun,was Leandra gesagt hat. Einfach abwarten,bis er uns findet,“ sagte Sophia leise. „Ach Sophia,halt den Mund! Das ist doch Mist! Lotta möchte ihren Vater endlich wieder,klar?“ Sophia nickte und sah beschämt zu Boden. Robin legte einen Arm um sie. Wieder einmal sprang Bastian für seine Schwester ein: „Sophia und ich sind Morgen sowieso weg. Unser Vater holt uns ab. Also,wenn ihr unsere Vorschläge nicht mögt,können wir auch gleich gehen!“ Jetzt drehte Jonte total durch. „Dann geht doch! Dann helft eben nicht,Marco zu finden! Na los,verschwindet schon! Wir wollen euch hier nicht mehr! Geht! Geht weg! Haut ab! Na los!,“ schrie er. Lotta zog ihm vorsichtig am Ärmel: „Jonte...“ „Nein! Er soll abhauen! Mitsamt seiner gottverdammten Schwester! Immer nimmt er sie in Schutz! Immer stimmt er ihren bescheuerten Vorschlägen zu! Meinst du,so finden wir deinen Vater? Wir müssen zusammenhalten! Ein Team sein! Verstehst du das nicht? So welche,wie ihn und seine Schwester brauchen wir da nicht! Also,worauf wartet ihr noch? Geht schon,geht!“ Bastian stand auf. Er sah Sophia an und schließlich erhob auch sie sich und die beiden gingen,Bastian den Arm um seine weinende Schwester gelegt,nach draußen in den heulenden Sturm. Robin zögerte nicht lange. Er lief seiner Freundin nach. Auch Em stand einen Moment später auf und ging ohne ein weiteres Wort nach draußen. „Na,das hast du ja toll hingekriegt!,“ sagte Caroline beleidigt,schnappte sich ihren Rucksack und verschwand ebenfalls. Nach und nach folgten alle ihrem Beispiel,warfen Jonte böse Blicke zu und verschwanden. Am Schluss waren nur noch Jonte und Lotta übrig. „Jonte...das war falsch.“ „Ich weiß.“ Eine Stille entstand,keiner von ihnen sagte etwas,Lotta hob nur herausfordernd eine Augenbraue. Schließlich gab sich Jonte einen Ruck. „Also gut,warte einen Moment,ich bring das in Ordnung!“ Und schon war auch er im Sturm verschwunden und Lotta war allein in der Hütte. Traurig,dass sie sich jetzt alle so zerstritten hatten,kletterte sie die Leiter hinauf auf den Dachboden. Dort legte sie sich auf eine der Matratzen und schaute aus dem kleinen Fenster im Giebel hinaus in den stürmischen Nachmittag.

Das Unmögliche

Einige Zeit später hörte sie die Tür unten aufgehen und Stimmen erfüllten den Raum. Jonte streckte den Kopf durch die Falltür. „Lotta,komm herunter! Sie sind alle wieder da. Alles wird gut.“ Lotta rührte sich nicht. Sie blieb still liegen. Jonte kletterte hinauf und setzte sich neben sie. „Was ist denn los mit dir?“ Lotta setzte sich auf. „Ich weiß auch nicht. Warum bist du so ausgerastet? Fast hättest du alle kaputtgemacht...“ „Ja,aber nur fast,“ lächelte Jonte, „Jetzt komm,die anderen warten.“ Er stand auf. „Komm schon!“ Lotta ließ sich von ihm hochziehen und kletterte nach ihm die Leiter herunter. Als sie unten ankam,klatschten die anderen und jubelten. Sie musste lachen. Sie waren alle so lieb. Und sie waren alle zurückgekommen. Alle waren sie wieder da. Aber schnell legte sich die gute Stimmung wieder. Jonte holte tief Luft: „Ich...ich glaube,Sophia hat eigentlich Recht...was können wir denn auch schon anderes tun? Wir haben getan,was wir konnten,was können wir jetzt noch tun,außer zu warten?“ Die anderen nickten,stimmten ihm zu. Lotta blickte Sophia an: „Es war eine gute Idee,Sophia,danke.“ „Nicht der Rede wert,“ tat das Mädchen ab. „Ähm,sorry,aber Sophia und ich müssen noch unsere Sachen packen,wir müssen dann mal los!“ „Ja,und Em und ich müssen noch üben,für den Auftritt,“ sagte Robin. „Und Timo muss lernen! Also,ich würde sagen,das ist ja wohl ein guter Grund,das Treffen für heute zu beenden!,“ rief Caroline und alle lachten. Wieder leerte sich die Hütte rasch,doch diesmal mit zufriedenem,fröhlichem Stimmengewirr. Nur Lotta blieb einsam,allein,enttäuscht zurück. Sie löschte das Feuer im Ofen,baute alles wieder so um,dass die Hütte uralt und unbenutzt aussah und trat schließlich in den Sturm hinaus. Rasch machte sie sich auf den Weg nach Hause. Kein Mensch war auf der Straße. Das Dorf lag ruhig und dunkel da. Lotta blickte gen Himmel,es würde bald zu regnen anfangen. Dunkle Wolken türmten sich zusammen und sie beschleunigte ihren Schritt. Donner setzte ein,wie von einem riesigen Fotoapparat zuckte ein greller Blitz über die Landschaft. Lotta zog ihr Jacke enger um sich. Blätter wirbelten um sie herum und schienen sie auszulachen. Sie fror und plötzlich erschien ihr das Dorf bedrohlich und düster. Sie ging immer schneller,bis sie schließlich fast rannte. Endlich kam sie an ihrem Haus an,sprang die Stufen hinauf,öffnete die Tür,trat ein,knallte sie wieder zu und lehnte sich erleichtert dagegen. Sie ließ sich an der Tür hinunterrutschen,bis sie auf dem Boden saß.
Das plötzliche Schrillen der Klingel ließ sie zusammenzucken. Zitternd stand sie auf und öffnete langsam die Tür. Da stand ein Mann. Er war groß,hatte zerzaustes,hellbraunes Haar und grüne Augen. Er stand nur da und blickte Lotta an und sie blickte zurück. Da kam Jannis aus dem Wohnzimmer,ein Spielzeugauto in der Hand. Er erblickte den Mann,ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht. Er ließ das Auto fallen,lief auf den Mann zu,blieb direkt vor ihm stehen,lächelte ihn an und sagte: „Papa!“

Nachwort

Das war die Geschichte von Lotta. Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben,hat bis zum Schluss darauf vertraut,ihren Vater zu finden.
Wo die Hoffnung lebt,lebt auch die glückliche Zukunft.
Solange es Hoffnung gibt,kann nichts schiefgehen. Man muss nur genug Selbstvertrauen und vielleicht ein wenig Glück haben,dann kann es passieren:
Dann kann das Unmögliche möglich werden.
Wenn das Unmögliche möglich wird,dann wird ein Traum wahr,ein Wunsch geht in Erfüllung. Und das alles nur,weil du Hoffnung hattest. Hoffnung ist der Weg.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.04.2011

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