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Drachenkrypta

Niedergeschlagen betrachtete Charlie die Zahlen. Doch wie sie das Blatt auch wendete, wie oft sie auch die dicken Gläser ihrer Brille putzte, die Zahlen blieben rot.

Bereits seit Monaten waren die Verkaufszahlen rückläufig. Natürlich hatte sie nie erwartet, mit der kleinen Buchhandlung reich zu werden. Doch ganz romantisch waren ihre Vorstellungen gewesen, als sie vor 8 Jahren das kleine Geschäft von ihrer Tante übernahm. Antike Regale zierten die weinroten Wände, gefüllt mit wahrhaften Schätzen aus Belletristik, Lyrik und ihren Lieblingen - fantastischen Märchen. Sie hatte geträumt von interessierten Kunden mit viel Zeit und der gleichen Liebe für Bücher, die in den Regalen stöberten um sich sorgfältig den nächsten Lesestoff auszusuchen, sich von Charlie dabei beraten zu lassen und dabei das ein oder andere Tässchen Kaffee mit ihr zu trinken.

Romantisch und gleichermaßen naiv. Wer hatte heute schon genug Zeit, stöbernd einen kleinen Buchladen in einer winzig engen Seitengasse aufzusuchen um dort eventuell ein Buch zu kaufen? Nein, Zeit hatten die wenigsten. Sie bestellten über Onlinebuchhändler oder rannten in die nächste große Buchhandlung, die ihnen mit großer bunter Reklame aufzeigte, für was sie sich zu interessieren hatten. Sicher, am Anfang hatte Charlie noch ganz gut von den geringen Verkäufen leben können. Doch seit die große Buchhandlung zwei Ecken weiter eröffnet hatte, waren kaum noch Kunden in ihr Geschäft gekommen...

Charlie schlug ihre Monatsbilanz zu, voller Wut. Sie sollte das Geschäft schließen und in ihren früheren Beruf als Rechtsanwaltsfachangestellte zurückkehren. Dann hätte sie wenigstens ein geregeltes Einkommen; ein langweiliges Leben zwar, in dem sie wieder anderen zu Diensten sein musste, doch wenigstens konnte sie am Ende des Monats ihre Miete zahlen und Lebensmittel einkaufen.

 

Nein. Sie wollte nicht aufgeben. Das Geschäft war schon immer im Besitz der Familie gewesen. Vielleicht konnte sie eine Aktion starten? Eine Lesung mit Weinprobe war doch ein nette Idee... Das mochte die nächste Zeit überbrücken.

Sie erhob sich, zog ihren schwarzen Pulli glatt und schritt in den Verkaufsraum, der schon seit zwei Stunden geschlossen war. Draußen war es dunkel, der Raum nur spärlich beleuchtet mit einer Lampe. Es war Zeit nach Hause zu gehen zu Quasi. Ihr Kater wartete bestimmt schon sehnlichst auf sie. Und sie sehnte sich nach einer heißen Dusche und ihrem kuscheligen Flanellpyjama.

Noch einmal kontrollierte sie, ob sie auch wirklich die Eingangstür abgeschlossen hatte. Im winzigen Büro hinter dem Verkaufsraum nahm sie ihre Jacke und ihre Tasche und verließ das Geschäft durch die Hintertür.

Sie schloss auch diese Tür sorgfältig ab und trat in eine weitere kleine Gasse der Altstadt. Hatte sie auch wirklich gut abgeschlossen? Aber was machte sie sich Gedanken? Niemand wollte in ein altes Buchgeschäft einbrechen. Dort war nichts zu holen. Das wussten selbst die Einbrecher.

Kriiirgs.

Erschrocken drehte Charlie sich um. War da jemand? "Hallooo?"

Kriiiiergs.

Sie nahm ihre Handtasche enger an sich. Wo hatte sie noch gleich das Pfefferspray? Oder war das in der anderen Tasche?

"Halloohooo?" rief sie tapfer in die Dunkelheit der Gasse.

Eine hochgewachsene Gestalt zeichnete sich dort ab.

„Verschwinden Sie oder ich rufe die Polizei!“

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Bildmaterialien: © Chorazin - Fotolia.com
Tag der Veröffentlichung: 23.12.2013
ISBN: 978-3-7309-7108-6

Alle Rechte vorbehalten

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