Mit nackten Füßen und hochgekrempelten Hosen patschten ihre Füße auf den vom Regen aufgeweichten Untergrund. Die Erde spritzte leicht und füllte den Zwischenraum ihrer Zehen. Ein leichter Schauer durchfuhr sie. Sie blieb kurz stehen und lauschte. Eine angenehme Stille herrschte um sie herum. Nur in der Ferne konnte man einen Specht klopfen hören.
In ihrer Nähe knackte ein Ast und sie fuhr herum. Sie starrte auf die Stelle im Wald. Plötzlich schoss ein Eichhörnchen aus dem Gestrüpp und schwang sich am nächsten Baum hinauf. Das Mädchen lachte erleichtert auf.
Sie entspannte sich wieder und setzte ihren Weg fort, obwohl ihr die Träger des Rucksacks, den sie dabei hatte, schmerzlich ins Fleisch schnitten.
Nachdem sie sich eine ganze Weile durch dichtes Unterholz und Dornenbüsche geschlagen hatte kam sie an eine kleine unscheinbare Lichtung. Inmitten dieser Lichtung lag ein verwitterter von Moos überwucherter Baum, der einmal von einem Blitz getroffen worden war und seitdem hier lag.
Sie lief an dem Baumstamm entlang und fuhr mit den Fingern über das kühle Nass der Mooses. Als sie etwa die Hälfte des Stamms erreicht hatte drehte sie sich von dem Baum weg und ging auf eine nur von dieser Stelle aus sichtbare Hütte zu. Sie war schon lange unbewohnt und verlassen. Die eine Hälfte des Daches war eingestürzt und das Holz alt und morsch geworden. Das Mädchen stieg über einige Hindernisse und drang schließlich in das Haus ein. Es war einmal eine Holzfällerhütte für diese Leute gewesen, die bei der Arbeit die Zeit vergessen hatten oder vor dem Regen Schutz suchten.
Das Mädchen ging zielstrebig auf eine Ecke zu, die von der Tür aus nicht einsehbar war und ging in die Hocke. "Na du?", flüsterte sie. Ein Näschen kam zum Vorschein. Und schnupperte scheu ins Licht hinaus. "Na komm schon Kleine!", flüsterte sie noch einmal und streckte ganz leicht die Hand vor. Das Näschen verschwand kurz wieder im Dunkeln, dann tauchte nach dem Näschen ein Kopf mit zwei schwarzen Knopfaugen auf. Zwei zuckende Ohren und dann ein von rotbraunem Fell überzogenem Körper. Ein langer buschiger Schwanz mit weißer Spitze. "Hallo meine Liebe", sagte das Mädchen freundlich. "Hast du schon auf mich gewartet?", fragte sie. Mit langsamen Bewegungen zog sie ihren Rucksack von ihrem Rücken auf den Boden und öffnete den Verschluss. "Ich habe dir etwas mitgebracht!", meinte sie lächelnd zu der Füchsin, die ganz ruhig dastand und das Kind beäugte. "Schau," wurde die Füchsin aufgefordert. Dabei zog das Mädchen eine Tüte hervor. In den Augen der Füchsin schimmerte Hunger und Erwarten, während das Mädchen die Tüte aufriss und ein großes Stück rohes Fleisch herausnahm. "Hier hast du was zu essen. Für dich!", sagte das Kind und legte das Fleisch auf Armlänge neben sich hin. Die Füchsin zögerte nicht lange. Kaum lag das Fleisch machte sich die zierliche Füchsin hungrig über das Stück Fleisch her. Das Mädchen setzte sich auf den Boden der hier in dem Teil der Hütte trocken geblieben war und beobachtete fasziniert ihre tierische Freundin.
Dünn war die Füchsin, doch schon lange nicht mehr so mager. Denn sie wurde regelmäßig von ihrer kleinen Freundin gefüttert.
Das Mädchen hatte ihren Fuchs vor einigen Wochen in der Nähe der Hütte entdeckt. Mehr tot als lebendig. Sie hatte angefangen sie zu pflegen und aufzupäppeln und sie kam beinahe jeden zweiten Tag hierher und brachte Fleisch, was kein Problem für sie war, da sie selbst am Waldrand wohnte und es bis dahin nur eine kurze Strecke war. Ihr Vater war Metzger und sie stibitzte sich immer ein Stück älteres Fleisch aus dem Lager für die Füchsin. Ihren Eltern fiel es auch nicht weiter auf, dass sie so oft im Wald war, da sie schon immer oft hierher gekommen war.
Als die Füchsin mit zufriedenen Augen das Kind anblickte, nickte diese und lächelte. "Ich lass dich dann mal wieder allein, ja? Ich komme morgen wieder. Wir haben nämlich Wochenende!", lachte die Beäugte leise. Langsam richtete sie sich auf und die Füchsin huschte zurück in den Schatten. Das Mädchen ging und rief dann über die Schulter: "Bis morgen!" und ging den Weg zurück den sie gekommen war. Ein seliges Lächeln zierte ihr Gesicht und sie summte ein Lied. Was sie nicht sah war, dass die Füchsin aus der Hütte gekommen war und ihr hinterher blickte. Solange bis das Mädchen zwischen den Bäumen verschwunden war, dann drehte sich auch die Füchsin um und verschwand wieder im geschützten Versteck.
Tag der Veröffentlichung: 15.05.2016
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