An einem normalen Tag, in einer normalen und langweiligen Stadt sollte noch etwas unglaubliches geschehen. Bis jetzt wusste noch keiner davon, da es ja noch nicht geschehen was, doch ein Mädchen, das die Gabe hatte Dinge zu sehen, die für anderer Augen unsichtbar blieben, wusste bereits, was geschehen sollte. Als sie in einem ihrer Träume gesehen hatte, was passieren würde, war sie auf gestanden und losgelaufen. Sie musste doch etwas dagegen tun können. Sie wollte nicht, dass so viele Menschen sterben würden.
Doch ob ihr jemand glauben würde?
Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Sie wusste es nicht.
Ein Mädchen rannte durch die Straßen. An Menschen vorbei, die ihr verdutzt nachsahen.
Endlich erreichte sie ihr Ziel. Die zentrale Polizeistation.
Sie verlangte, sofort den Chef zu sprechen und nach einigen Minuten, die sie ungeduldig ausgeharrt hatte, wurde sie schließlich zum Hauptkommissar geführt. Er wies auf den Stuhl, der vor seinem Tisch stand, nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte.
Das Mädchen erklärte ihm die verzwickte Lage. Er jedoch zog erst ungläubig die Brauen hoch und sagte dann, um das Mädchen zu beruhigen, dass er etwas unternehmen würde und sie sich keine Sorgen machen brauchte. Somit, zufrieden mit ihrer Tat, schlenderte sie zurück zum Heim. Doch kaum, dass sie die Ecke erreicht hatte, rannte sie wieder los. Sie wusste genau, dass er nichts unternehmen würde und nur so getan hatte.
Mehrere Stunden verbrachte sie damit von Polizeistation zu Polizeistation zu rennen und ihnen die Story zu erzählen. Doch bis jetzt glaubte ihr niemand.
Wütend darüber und enttäuscht, dass sie nichts dagegen unternehmen konnte wollte sie zurück ins Heim, in dem sie seit dem Tod ihrer Eltern lebte, als ihr eine Idee kam. Es würde sehr riskant werden, aber um Millionen von Menschenleben zu retten würde sie alles tun.
Somit rannte sie nun zum Weißen Haus. Sie würde versuchen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Amerikas zu sprechen. Und da sie aus Erfahrung wusste, dass SIE nicht zu ihm gelassen wurde, da sie ihm ja nur belanglose und vom Himmel herunter gelogene Dinge erzähle, überwand sie leise, schnell und wie ein Schatten über den Zaun und umging sämtliche Sicherheitsvorkehrungen, auch der Scharfschütze, der gegenüber des weißen Hauses postiert war, konnte sie nicht sehen, da die Sonne ihn blendete. Letztendlich kletterte sie an der Fassade des Hauses hinauf. Sie hatte heute sehr großes Glück. Ein Fenster in einem der oberen Stockwerke war geöffnet, somit konnte das Mädchen hinein klettern. Schnell und lautlos huschte sie in Richtung Oval Office. Wie es den Anschein hatte war er im Moment nicht darin, da nur ein Sicherheitsbeamter davor stand. Doch wie durch ein Wunder wurde er von einem seiner Kollegen für einen kurzen Moment von der Tür weg gewinkt und das Mädchen konnte unbemerkt in das Zimmer schlüpfen.
Zwei große Sofas standen inmitten des Raumes. Der Tür gegenüber auf dem riesigen Schreibtisch lagen etliche Dokumente. Sie konnte ein Bild einer Familie, das in einem schönen Rahmen steckte erkennen, doch ihr blieb keine Zeit es genauer unter die Lupe zu nehmen, da sie lauter werdende Stimmen vom Gang her hörte.
Mit einem Sprung verschwand sie im richtigen Augenblick unter dem massiven Schreibtisch und somit sicher vor den Augen der Bodyguards.
Leise atmete sie durch. Sie hatte es bis hierher geschafft. Jetzt konnte nicht mehr viel schief gehen, hoffte sie jedenfalls.
Der neue Präsident der Vereinigten Staaten ging direkt zu seinem Schreibtisch. Nachdem er sich setzte und versuchte seine Beine auszustrecken, stieß er gegen etwas weiches. Verwirrt schaute er unter den Tisch und sah ein kleines Mädchen, das ihm durch den Finger auf ihrem Mund zu verstehen gab, dass er sich bitte nichts anmerken lassen solle. Bevor er sich wieder aufrichtete, zwinkerte er ihr noch schnell zu. Er kannte das Mädchen nur zu gut und er wusste ganz genau, dass sie nur im absoluten Notfall hierher kommen würde. Einige Minuten verstrichen, in denen der Staatsbeamte Dokumente unterzeichnete und es der Dame, sie ungeduldig vor seinem Tisch stand reichte. Kaum hatte sie den Raum verlassen und der Präsident hatte sich durch einen schnellen Blick versichert, dass die Beiden jetzt alleine waren, winkte er sie aus ihrem Versteck. „Was machst du hier“, stellte er auch gleich zur Frage. „Ich hatte wieder einen meiner Träume.“ Ihre Antwort überraschte ihn ganz und gar nicht. Weshalb hätte sie sich denn sonst in eine solch große Gefahr bringen sollen, um zu ihm zu kommen. „Und“, forderte er seine kleine Freundin auf. „Das WTC wird kaputt gehen.“ Doch da er sie nur unverständlich anstarrte erklärte sie nun alles bis ins kleinste Detail. „Morgen ziemlich früh morgens, werden vier Flugzeuge geklaut und zwei lassen die Türme des World Trade Centers zusammenstürzen, indem sie in diese fliegen. Und das WTC wird einstürzen und alle mit sich begraben, die im Gebäude und in den umliegenden Häusern sind. Dann fliegt noch eines in das Pentagon in New York City. Das ist aber nicht ganz so schlimm wie das mit dem WTC, weil das Pentagon ja nicht einstürzt und auch nicht so viele Menschen unter sich begräbt. Sir, sie müssen was dagegen tun. Ich kann nicht zusehen, wie so viele Menschen sterben, obwohl ich es vorhergesehen habe. Bitte! Sie müssen den Menschen doch helfen. Das ist doch ihre Pflicht als Präsident.“ Das Mädchen klang zum Schluss ziemlich verzweifelt. Nachdenklich kratzte er sich am Kinn. „Ich werde sehen was ich tun kann, Kleines. Du kannst dich darauf verlassen. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, dass dieser Tag verhindert wird. Zufrieden und mit dem Versprechen des Präsidenten schlich das Mädchen nach Hause. Sie konnte sich darauf verlassen, dass sich etwas regen würde. Vielleicht würde er ja auch schaffen, dass das WTC bis morgen nicht benutzt wird und somit kein Menschenleben am morgigen Tag verabschiedet werden mussten.
Nachdem sie endlich nach zehn Stunden harter Arbeit wieder zurück ins Heim kam, wurde sie nicht gerade freundlich begrüßt. Zu allem Übel musste sie auch noch ohne Abendessen ins Bett. Mit hängendem Kopf und leerem Magen schleppte sie sich erschöpft auf ihre Zimmer. Kaum war sie dort angekommen stellte sie ihren Wecker, um morgen zum Unglück rechtzeitig aufzustehen, legte sich schließlich ins Bett und war sofort eingeschlafen.
Als das Mädchen am nächsten Morgen durch ein schrilles Piepen geweckt wurde, hatte sie einen Bärenhunger. Leise schlich sie sich, nachdem sie sich umgezogen hatte in die Küche. Dort stahl sie sich einen Laib Brot und rannte zum World Trade Center. Da ihr Heim nicht allzu weit von den Gebäuden entfernt war, war sie bereits nach 10 Minuten Fahrt mit dem Bus angekommen. Menschen gingen hinein und gingen wieder hinaus. So wie es aussah hatte der Präsident entweder nichts erreicht oder schlicht weg nichts unternommen. Sie sah in den Himmel, um nach den Flugzeugen Ausschau zu halten, die bald zwei Türme zum Einsturz bringen würden. Der wolkenlose, tiefblaue Himmel versprach einen wundervollen sonnigen Tag. Die Sonne lachte sanft auf New York City herunter und die Vögel zwitscherten in frohem Übermut. Es war ein Morgen, der eigentlich nicht besser beginnen konnte; ein Tag wie im Bilderbuch.
Das Mädchen saß auf einer Bank nahe des ersten Turms. Um 8:46 Uhr konnte sie das Flugzeug entdecken , das in das Gebäude raste. Beim Aufprall explodierte der Treibstoff, ein Feuerball schoss aus dem Gebäude. Wrackteile des Flugzeuges und Trümmer des Gebäudes stürzten zu Boden, erschlugen Passanten. Der Turm schwankte beängstigend. Durch das Gebäude schoss die Schockwelle, die nach jeder Explosion folgte. Menschen stürzen zu Boden, prallen gegen die Wände, oder verglühten in Sekundenschnelle in der gewaltigen Hitze des Feuers. Kerosin stürzte die Fahrstuhlschächte hinunter und ließ Fahrstühle verglühen, in denen sich Menschen befanden.
Auf den Straßen, wo vor wenigen Minuten noch das normale Treiben statt gefunden hatte, herrschte nun Stille. Sie sahen hinauf. An die Stelle, wo das Flugzeug hineingerast war.
Um 9:02 Uhr jagte das zweite, entführte Flugzeug in den Südturm. Eine Explosion, die Schockwelle danach erschlagen und verbrennen Menschen. Die Menschen fingen an u schreien, rannten dahin, wo sie ihre Beine hin trugen. Andere starrten noch immer hoch in den von Rauchwolken verdunkelten Himmel. Einige wenige zückten ihre mobilen Telefone und riefen die Polizei an. Die Polizei konnte sich bereits vor Anrufen nicht mehr retten. Die Chefs der Behörden wussten sofort Bescheid. Auch sie mussten einsehen, dass das Mädchen vollkommen Recht behalten hatte. Innerlich fluchten sie, doch als erstes mussten alle Einheiten zum Geschehen um den Platz zu evakuieren.
Eine Stunde und drei Minuten später stürzte der Zweitgetroffene dann ein. Nur 23 Minuten später brach der Nordturm ebenfalls zusammen. Beton, Stahl, Glas, Kabel, Einrichtungen und Menschenkörper bildeten die Trümmer, die sich zu einem gigantischen Berg auftürmten.
Währenddessen saß der Präsident in einem Klassenzimmer. Die Klassenlehrerin las ihren jungen Grundschülern eine Geschichte vor. George konnte sich jedoch nicht auf die Geschichte und die Kinder konzentrieren. Er wartete. Nervös rutschte er auf seinem Stuhl herum. „Sir“, flüsterte ihm ein Beamter ins Ohr. Schnell und leise erklärte dieser, dass die World Trade Center eingestürzt waren. Er seufzte und ließ den Kopf sinken. Es schien genau das eingetroffen zu sein, was das Mädchen ihm erzählt hatte. Er stand auf, entschuldigte sich und ging mit den Sicherheitsbeamten hinaus. Er stieg ins Auto und fuhr zurück ins weiße Haus. Er hatte gehofft, dass das Mädchen nur dieses eine Mal Unrecht behalten würde, denn er hatte nicht viele Menschen dazu bewegen können heute nicht zur Arbeit ins WTC zu gehen.
Doch darüber durfte er sich in diesem Augenblick nicht den Kopf zerbrechen. Er hatte seinem Volk bei zu stehen und dafür zu sorgen, dass nicht noch mehr Menschen durch ihre Panik sich ins Unglück stürzten. Also hielt er Interviews, Krisensitzungen, Beileidsbekundungen und und und. Als der Abend nahte ließ er sich nach Stunden harter Arbeit in einen Sessel sinken und schloss für einige Sekunden die Augen.
George raffte sich auch und schielt den Fernseher an. Er sah sich noch einmal die schrecklichen Bilder an, die in der ganzen Welt zu sehen waren und wollte gerade ausschalten, da erschien die Reporterin auf dem Bildschirm und meinte, dass sie Chuck Allen den Chef von EDV bei Lava Trading hier hatte, der es noch rechtzeitig geschafft hatte zusammen mit einer Kollegin aus dem Gebäude zu flüchten.
Er saß um 8:46 mit dem Rücken zum Fenster in seinem Büro, das im 83. Stock des Nordturms lag, als er ein dumpfes, saugendes, unerträglich lautes Geräusch hörte. Aus der Bürobox nebenan rief Liz Porter, seine Programmiererin: „Was zur Hölle ist das?“.
Allen kannte dieses Geräusch, denn erst vor einigen Jahren hatte er die Pilotenprüfung abgelegt. Er wusste, wie es klang, wenn der Pilot die Gashebel nach vorn schob, um der Turbine maximale Schubkraft zu geben. „Man kann ein Flugzeug allein mit Schubkraftveränderung steuern. Bei vollem Schub hebt sich die Nase des Jets.“ Es war genau dieses Geräusch, das Chuck Allen in seinem Rücken hörte.
Allen und Liz Porter traten sofort den Weg nach unten an. Auf dem Weg schlossen sich ihnen weitere Beschäftigte des Nordturms an. Nach einem langwierigen Abstieg erreichten sie die Plaza des Nordturms. Der Innenhof war voll großer Trümmer. Und sie sahen Menschen. Es waren vielleicht 20, 30, 40 Tote. Es waren Teile von Menschen.
Sie sahen einen Torso mit einem Gurt um die Hüften, einen zweiten, dritten, vierten... Alle hatten denselben breiten, schwarzen Gurt angelegt. Es dauerte einen Moment, bis Allen und seine Begleiter begriffen, dass es sich um die Passagiere des Flugzeugs handelte. Nur ein kleines Mädchen, das wohl auf einer Bank gesessen hatte, hatte keinen dieser Gurte um die Hüfte. Sie war erschlagen worden von einem der herunterfallenden Körper.
Mit weit aufgerissenen Augen saß der Präsident der Vereinigten Staaten da und er spürte es. Es bestand kein Zweifel für ihn. Das Mädchen, das Chuck Allen da gesehen hatte war.... Amerikas Kassandra!
Tag der Veröffentlichung: 15.05.2016
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