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Mein Prinz der Dunkelheit


Kira konnte wieder mal nicht schlafen und schaute müde in den Spiegel über dem großen Waschtisch in ihrem eigenem Bad, das genau an ihrem Schlafzimmer grenzte. Sie durfte sich in ihren zwei Zimmern völlig austoben, da ihre Eltern etwas Geld geerbt hatten und ihrer einzigen Tochter einen Wunsch erfüllen wollten. Sie hatte freie Auswahl gehabt was an Einrichtung, Deko und Farbe betraf. Überglücklich plante sie mit ihrer Freundin Rebecca alles ganz genau und tagelang wälzten sie Zeitschriften, Kataloge und Farbpaletten. Oft waren sie zwar unterschiedlicher Meinung, aber mit Hilfe Kiras Mutter kamen sie dann zu einem tollen Ergebnis. Jetzt war ihre Zimmerdecke in einem dunklen Blau gehalten und es waren unzählige, kleine Lichter angebracht, so dass es aussah wie ein Sternenhimmel. Kira liebte die Nacht und den Sternenhimmel und hätte sich am liebsten jeden Abend nach draußen gesetzt und sich das ganze stundenlang angeschaut. Mitten im Zimmer stand ein großes Himmelbett mit einem Himmelbezug aus Taft, Rüsch und Seide. Viele kleine Kissen zierten das Bett und unterm großen Fenster stand ein Schminktisch, der übersät war mit Schminke, Deos, Kämme und Bürsten. Die Wände waren in Rot, Pink und Weiß gehalten und in der Ecke standen ein Fernseher und eine kleine Couch. Auf der anderen Seite stand ein großer Kleiderschrank, der bei weitem nicht ausreichte für ihre Kleidung, Schuhe und Taschen. Jacken hatte sie an einem Ständer hängen und ihre Schulsachen waren achtlos hinter der Tür verstaut. Eine Deckenlampe mit Farbwechsler machte den Raum noch schöner und das eigene Bad rundete alles ab.
Kira war ihren Eltern sehr dankbar für alles und sie fühlte sich rundum wohl in ihren eigenen vier Wänden.
Wieder einmal setzte sie sich nun auf ihren Schaukelstuhl und nahm sich ein Buch zur Hand, um sich die Stunden zu vertreiben, bis der Schlaf sie wieder einholen würde. Seit sie klein war, konnte sie kaum eine Nacht richtig durchschlafen, aber im Gegensatz zu vielen anderen, machte es ihr gar nichts aus. Sie brauchte nicht viel Schlaf und war nicht im Geringsten müde, wenn sie morgens wieder aufstand. Kira liebte die Nacht, die Dunkelheit, den Sternenhimmel und den Mond. Natürlich auch den Tag, die Sonne und alles andere, aber in gewisser weise war sie anderes wie andere. Und wieso das so war, wusste sie nicht. Auch ihre Eltern nicht, aber diese hatten sich nach einer weile daran gewöhnt und machten sich keine Sorgen mehr.
Ihr Vater sagte immer, sie sei eben ein Nachtmensch.
Jetzt war es Sommer und sehr schwül, deswegen öffnete Kira ihr Fenster, vor dem ein großer, alter Baum stand. So manches Mal kletterte sie von ihm nach draußen, wenn sie Hausarrest hatte oder setzte sich in seine dicken Äste um den Himmel anzustarren. Als sie wieder im Schaukelstuhl saß und sich ihr Buch wieder zur Hand nahm, hatte sie plötzlich wieder dieses Gefühl. Das Gefühl, als ob sie beobachtet würde, so als ob irgendwo draußen im verborgenem jemand stand, der sie sah und beobachtete. Oft kam es ihr so vor und in letzter zeit kam es immer öfters vor, aber nie sah sie jemanden, kein einziges Mal hatte sie einen Beweis dafür, das da wirklich irgendwo jemand war, der es auf sie abgesehen hatte. Vielleicht war sie ja verrückt, oder der Mangel an Schlaf lies sie dinge sehen und hören, die gar nicht da waren. Nach einer weile schlief sie dann doch wieder ein und sie viel in einen Traumlosen schlaf. Eine kühle Brise strich ihr über die Wange, so als ob sie jemand sanft streichelte. Lächelnd lag sie zusammengesunken im Stuhl und wachte mit Rückenschmerzen erst wieder am nächsten morgen auf.
Und auch dieses Mal kam es ihr so vor, als ob sie irgendwas Komisches geträumt hätte oder sie irgendjemanden gesehen hätte, aber nie erinnerte sie sich an ihre Träume. Es war, als ob es gar keine gegeben hätte.
Zu anfangs machte sie sich gar keine Gedanken deswegen, es war ihr einfach egal, aber in letzter Zeit dachte sie immer mehr nach und sie fing an zu grübeln. Vielleicht war das ja doch nur eine folge dessen, das sie einfach zuviel zeit hatte zum nachdenken oder es lag an ihrem alter. Mit 16 hinterfragte man eben immer alles und jeden, sagte jedenfalls ihre Großmutter.
Am nächsten Tag traf Kira ihre aufgeregte Freundin Rebecca in der Schule und diese fragte sie nun zum x-mal:“ Weißt du denn nun endlich was du nächste Woche anziehst zum Mitternachtsball? Es ist nicht mehr lange und alle sind da! Oh man, das wird bestimmt echt prima, ein Mitternachtsball! Auf dem waren wir noch nie“. Nee, es gab ja auch noch nie hier einen“, meinte Kira und wirkte sehr gelassen. Es machte ihr spaß, ihre Freundin hinzuhalten und zu ärgern, denn diese Platze manchmal nur so vor Neugierde und wollte immer sofort alles wissen. Kira tat dann oft so, als ob sie kein Interesse hätte oder ob es ihr egal war, nur um Rebecca damit zur Weißglut zu bringen. Und auch dieses Mal zuckte sie nur mit den Schultern und sagte: “Weiß nicht, ich kann mich einfach nicht entscheiden. Ich habe zwei zur Auswahl und beide sind schön“. Rebecca blieb empört stehen und schimpfte. Und wenn sie das tat, dann sprach sie ihre Freundin immer mit richtigen Namen an: “Akira Field! Du bist unmöglich! Immer wartest du bis zur letzten Minute, nur um dann in Panik auszubrechen und die Krise zu kriegen“. Kira blickte Rebecca an und meinte:“ Becca, du bist hier die jenige, die in Panik ausbricht und regelmäßig eine Krise bekommt. Ich bin die ruhe selbst. Es ist noch genug Zeit und wie ich dich kenne, wirst du sowieso vorbeikommen und mir die Entscheidung abnehmen“. „Auf was du wetten kannst, Akira. Heute Nachmittag werden wir deinen Kleiderschrank durchwühlen, nach etwas schönem für das Fest“. Mit diesen Worten lies sie das Mädchen stehen und eilte zum Unterricht.
In einer Woche fand zum ersten Mal ein Mitternachtsball statt, der von der Oberstufe ihrer Schule geplant war. Er war eigentlich der jährliche Abschlussball der letzten Klassen, die abgingen, nur dieses Mal war alles anders. Dieses Jahr waren alle eingeladen und deswegen wurde in der größten Scheune der Gegend gefeiert, da die Turnhalle und die Aula der Schule zu klein waren für alle Schüler. Die Oberstufenschüler planten alles und dekorierten und sie hatten auch die Idee von dem Mitternachtsball. Da es Sommer war und sehr heiß, machte es nichts aus, denn auch nachts war es noch warm und sehr schwül. Sie fanden die Idee super und es sollte um zehn Uhr Abends losgehen. Da es an einem Samstagabend stattfinden würde, konnten sie am nächsten Tag alle ausschlafen. Es gab sogar ein Thema zu dem sich alle passend anziehen sollten. Es lautete“ das 18. Jahrhundert“ und es sollte nicht an Ideen gespart werden. Natürlich waren da viele sehr aufgeregt, denn noch nie gab es eine Schulparty mitten in der Nacht, zu dem sie sich auch noch verkleiden sollten. Und auch Rebecca konnte es nicht mehr abwarten und mit ihrer Mutter war sie extra in der Stadt um ein Kleid zu kaufen. Es war aus schwarzer Seide und hatte einen weiten, ausgestellten Rock und Puffärmel. Die Taille war sehr schmal geschnitten und am unteren Ende war eine Spitzenborte. Dazu hatte sie eine passende Stola und ihre Eltern spendierten ihr extra für das Fest noch den Friseur.
Rebecca besuchte ihre Freundin wie versprochen am Nachmittag und ohne abzuwarten, machte sie sich über den Kleiderschrank her und wühlte zwischen den Kleidern und Röcken ihrer Freundin. „Also Akira! Du hast ja nichts Passendes zum Anziehen. Hast du vergessen, das es eine Mottoparty ist“? Kira saß auf dem Hocker vor ihrem Schminktisch und schaute Rebecca beim wühlen zu. Innerlich musste sie lachen, aber sie ließ sich nichts anmerken, sondern wollte Rebecca auf die Folter spannen und sie ärgern, denn natürlich hatte sie schon längst ein Kleid gefunden. Im örtlichen Kostümfundus hatte sie sich etwas Passendes geliehen und es war ihrer Meinung nach unwerfend. Jetzt hatte sie es vor ihrer Freundin versteckt, nur um es ihr im letzten Moment zu zeigen, bevor diese einen richtigen Panikabfall bekommen würde. Und davor stand diese sehr kurz. „Ich weiß gar nicht was du hast! Immer musst du alles so dramatisch sehen! Ich kann doch einfach irgendein Kleid nehmen, ist doch egal“. Sie stand auf und ging in ihr Bad, nur um das Kleid zu holen, das sie dort solange hängen hatte. Kira konnte Becca schimpfen hören und lachend kam sie nun mit ihrem Kleid aus dem Bad. „Aber vielleicht nehme ich ja das hier“, sagte sie und hielt das Kleid hoch. Rebecca machte große Augen und lies sich sprachlos aufs Sofa fallen. „Akira Field! Du bist eine miese Freundin, eine unmögliche Person! Ich mag dich nicht mehr“. Rebecca meinte es nicht wirklich so und das wusste Kira sehr gut. Es machte ihr eben großen Spaß, Becca immer zu ärgern, was ja auch sehr einfach war.
Rebecca stand auf und bewunderte das Kleid. Es war lang, ganz in weiß und hatte lange Ärmel. Die Ärmel enden waren weit ausgestellt und es hatte einen wunderschönen Ausschnitt. Der Rock war mit einem weiten Reif unterlegt, so dass alles sehr weit und breit aussah. Das Kleid war von oben bis unten mit goldenen Stickereien verziert und an den Rockenden waren winzig kleine Schleifen angebracht. Das ganze hatte eine kleine Schleppe und durch die Stickereien schimmerte und glänzte das Kleid viel zu sehr. Alles in allem war es ein wunderschönes Kleid und Rebecca traute ihren Augen nicht und konnte es nicht fassen, dass ihre Freundin ihr das verheimlicht hatte.
„Wo hast du das denn her?“ fragte Rebecca und nahm das Kleid in ihre Hand um es genauer zu bewundern. „Aus dem Kostümladen“, antwortet Kira und war wieder einmal glücklich darüber, das sie ihre Freundin so angeschmiert hatte. „Das ist ja echt Klasse. Du siehst darin bestimmt toll aus“, sagte Rebecca und konnte nun wieder lachen, nachdem sie wusste, das sie sich keine Gedanken mehr machen brauchte. Die beiden quatschten noch lange und machten sich Gedanken um das Make-up und die Frisur.
Eine Woche später dann war es endlich soweit, das Wochenende war da und der Ball fand statt. Den ganzen Tag lang verbrachten sie damit, sich schön zu machen und sich rauszuputzen, wie Kiras Oma es sagte. Gegen neun Uhr abends waren sie dann soweit und Kiras Eltern machten noch Fotos und wünschten ihnen viel Spaß. Rebeccas Bruder Timo wartete draußen vor der Tür und fuhr die Mädchen zur Party. Er war einige Jahre älter wie seine Schwester und war oft für sie da und half wo es ging.
Er bewunderte das Outfit der Mädchen und fand es schade, das er schon längst aus der Schule raus war. Sie begegneten vielen Jungs und Mädchen, die alle toll zu Recht gemacht waren. Eine besser wie die andere. Und auch die Jungs hatten sich ziemlich rausgeputzt. Es war ein wundervoller Anblick. Es versprach ein toller Abend zu werden. Die Scheune, in der das ganze statt fand, war etwas außerhalb gelegen, auf einer großen Wiese. In der nähe befand sich ein kleiner See und schon weitem konnte man Fackeln und Lichter erkennen. Überall tummelten sich verkleidete Schüler und Lehrer und es ertönte laute Musik. Die Scheune war herrlich geschmückt, passend zum Thema und am Eingang standen verkleidete Offiziere, die den Einlass gewährten. Es waren natürlich einige der älteren Schüler, die dafür sorgten, dass kein unbefugter hineinkam. Einer der Lehrer ging mit seiner Kamera umher um alles auf Bildern festzuhalten, für später. Rebecca und Kira waren ziemlich beeindruckt von dem ganzen und die Stimmung war zum Knistern angespannt. Die beiden hielten Ausschau nach den anderen und schnell fanden sie ihre Mitschüler und andere Freunde. Einige trugen sogar Masken vor den Gesichtern und so wurde es schwer, diese dann zu erkennen. Akira bewunderte die Dekoration und schaute sich in der großen Scheune um. Es waren Tische für Getränke und kleine Snacks aufgebaut und in einer Ecke stand ein älterer Schüler, der nicht passend zum Thema – ganz modern, Musik auflegte. Überall standen Schüler rum und unterhielten sich, drinnen wie draußen. Nach einer weile überkam Kira wieder dieses komische Gefühl, so als ob irgendjemand sie beobachten würde, ganz heimlich. Sie wurde das Gefühl einfach nicht los und schaute sich langsam um. Aber beim besten willen, keiner schien ihr auch nur annähernd merkwürdig zu sein oder sich komisch zu verhalten. Alle lachten und redeten durcheinander und hatten sichtlich viel Spaß an diesem Abend. Manche tanzten zur Musik und einige gingen nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Kira und Rebecca unterhielten sich angeregt mit einigen anderen und ein paar Jungs boten ihnen Punsch zum trinken an. Rebecca war so aufgeregt, dass sie kaum wusste, was sie zuerst tun sollte. Aber nach einer Stunde waren sie so in ihrem vergnügen, als ob sie schon stundenlang hier wären. Auch wenn Kira spaß hatte, immer wieder fühlte sie bohrende Blicke in ihrem Rücken und jedes Mal wenn sie sich umdrehte, konnte sie nur fröhliche Mitschüler sehen, die nicht im Geringsten sie anstarrten. Irgendwann kam Rebecca zu Kira, zog sie sachte am Ärmel und flüsterte ihr ins Ohr: “Du, der Junge dort hinten beobachtet dich schon die ganze Zeit“. Sie zeigte vorsichtig in eine Richtung und Kira folgte ihrem Hinweis. Kira bekam schon ein leichtes Kribbeln, bevor sie den Jungen sah und als sie ihn dann erblickte, stockte ihr der Atem. In der nähe des Ausganges stand ein großer, schlanker, dunkelhaariger Junge, der vom aussehen her bestimmt zu den Abschlussschülern zählte. Er stand einfach nur da und schaute sie an. Er war umwerfend gekleidet und seine schwarzen Haare kringelten sich in seinen Nacken und der Blick, irgendwie war er bohrend und anziehend zugleich. Kira wusste sofort, das war er, der jenige, der sie die ganze Zeit beobachtet hatte. Zwar wusste sie nicht wieso sie das wusste, aber irgendwie hatte sie sogar das Gefühl, als ob sie ihn kennen würde. Sie überlegte wo sie ihn schon mal gesehen hatte, aber es viel ihr nicht ein. War er ihr in der Schule über den Weg gelaufen? War er einer der Sportler oder war er im Theaterteam der Schule? Konnte es vielleicht sogar sein das er irgendwo in ihrer nähe wohnte und sie ihn auf der Straße gesehen hatte? Aber nein, dass wüsste sie, er war ihr völlig fremd und dennoch bekannt. Sie konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden und bekam kaum mit, was Rebecca neben ihr sagte. Kira war fasziniert von den Blicken des Jungen und sie wollte unbedingt wissen wer das war. „He, hörst du nicht? Ich habe dich gefragt ob du ihn kennst“, fragte Rebecca neugierig. Kira schüttelte nur den Kopf und machte langsam einen schritt nach vorne. „Ich muss wissen, wer das ist“, sagte Kira und ging wie Hypnotisiert auf den Jungen zu. Aber in dem Moment als sie auf ihn zuging, drehte er sich um und ging nach draußen. Bei der Tür drehte er sich noch einmal um und schaute sie an, dann war er verschwunden. Rebecca konnte nur sehen, wie Kira ihren Rock hoch raffte und hinter dem Fremden her eilte. Kira lief schnell und sie hörte auch nicht mehr hin, was ihre Freundin ihr zurief. Bei der Eingangstür blieb Kira stehen und hielt Ausschau nach dem Jungen. Zuerst konnte sie ihn nicht sehen, aber dann entdeckte sie ihn beim See. Dort stand er einfach und blickte auf das Wasser. Kira wusste nicht was sie von ihm wollte oder was er von ihr wollte, aber sie würde es bestimmt gleich raus finden. Langsam ging sie zu ihm rüber und blieb in einem angemessenen Abstand hinter ihm stehen. Der Junge drehte sich nicht um zu ihr, steckte seine Hände in die Hosentaschen und sagte wie zu sich selbst:“ Der See glitzert in der Nacht so wundervoll, wie tausend kleiner Sterne funkelt das Wasser und es ist so ruhig und still, beneidenswert“. Kira wusste nicht was sie sagen sollte und stand einfach nur da. Die Luft heute Nacht war wirklich sehr ruhig und es war schwül und drückend. Der Mond leuchtete vom Himmel runter und Millionen kleiner Sterne glitzerten hoch oben. Die Stimme des Jungen wirkte sehr beruhigend auf Kira, sie war leise und sehr melodisch. Irgendwie sogar sexy, fand sie. Von hinten sah der Junge muskulös aus und dennoch sehr schlank. Seine Erscheinung hatte im Mondschein etwas merkwürdiges, etwas anziehendes und sehr geheimnisvolles. Kira stand einfach nur da, wie versteinert und wartete darauf, dass der Junge sich umdrehte, was er aber nicht tat. Sie fragte sich, was sie hier nur machte und wieso sie den Typen nicht einfach ansprach oder wieder rein ging. Nach einer weile fing er wieder an zu sprechen. „Ich habe so lange darauf gewartet. So unendlich lange und nun ist es endlich so weit“. Kira fand endlich ihre Sprache wieder und fragte den Jungen:“ Worauf hast du gewartet? Auf diese Party“? Fragend schaute sie ihn an, oder vielmehr seinen Rücken, denn er machte immer noch nicht die Anstalten, sich einmal zu ihr umzudrehen, was sie langsam unhöflich fand. „Auf dich habe ich gewartet, meine Prinzessin, nur auf dich“, sagte er und drehte sich endlich zu ihr um. In diesem Moment wusste Kira nicht was sie sagen sollte und starrte ihn nur an. „Wir sind füreinander bestimmt, und das weißt du, Akira“. Mit den Händen immer noch in der Tasche schaute er sie so flehend an, als ob er auf irgendwas warten würde. Kira wusste nur nicht auf was. Langsam kam ihr das ganze komisch vor und sie drehte sich um und rannte davon. Sie hörte noch wie der Junge sagte: „ Es ist unser Schicksal, Prinzessin“. Verwirrt ging Kira wieder zu ihrer Freundin und dachte über das gerade geschehene nach. Rebecca fragte wer der Junge war und was er wollte und Kira sagte nur: „ Ach, das ist irgend so ein Spinner. Keine Ahnung was der will“. Aber ihr ging das ganze nicht aus dem Kopf. Irgendwo her kannte sie ihn, aber ihr wollte absolut nicht einfallen woher. Und woher wusste er ihren Namen? Vielleicht war es ja doch irgendein Schüler, der sich mit ihr einen Scherz erlaubte und wenn, dann würde er das büßen.
Gegen Mitternacht verstummte kurz die Musik und einer der Lehrer schnappte sich ein Mikrofon und hielt eine kurze Ansprache. Er bedankte sich für das zahlreiche erscheinen und ermahnte noch einmal zu einer schönen, ruhigen Party, die nicht ausarten sollte. Nach einer weile hatte Kira den Jungen vergessen und drehte jetzt richtig auf. Zu lauter Popmusik tanzte sie ausgelassen mit den anderen, sie schrieen laut den Text mit und holten sogar einige Lehrer auf die Tanzfläche. Irgendwann ging ihnen die Puste aus und sie suchten sich einen ruhigen Platz zum sitzen. Mit Punsch und Snacks erfrischten sie sich und erholten sich vom tanzen. Plötzlich streifte ein kühler Windzug Kiras Nacken und sie drehte sich um. Da – wie ein Schatten huschte etwas schnell vorbei, so schnell das sie es kaum sah. Dann war es auf der anderen Seite und sie drehte sich schnell herum, aber wieder war da nur ein Schatten, der vorbeihuschte. Leise flüsterte eine Stimme hinter ihr:“ Als ich dich zum ersten Mal sah war mir klar, es gibt sie wirklich, die Liebe“. Kiras blick huschte umher und Rebecca fragte verwundert was sie nur hätte, aber diese reagierte gar nicht, sondern sprang von ihrem Platz auf und huschte zwischen den tanzenden umher, auf der suche nach ihm, dem Jungen, der sie so verwirrte. Sie musste ihn finden um ihn zu fragen, was er nur wollte. Sie fand ihn aber nicht und so rannte sie nach draußen, gehetzt von den Blicken der anderen. Draußen war der Mond schon ziemlich weit gestiegen und es war eine Nacht, die Kira eigentlich liebte, aber jetzt hatte sie keine Zeit das alles zu bewundern. Vor der Scheune tummelten sich auch Schüler und einige waren tatsächlich etwas angetrunken. Hier und da standen Liebespärchen, eng umschlungen und küssend und vereint mit der Natur. Irgendwann fand Kira den Jungen und als sie ihn sah, blieb sie plötzlich stehen und wusste nicht mehr, was sie eigentlich wollte. Er hatte so eine merkwürdige Ausstrahlung, etwas war an ihm, das sie anfing zu zittern und es kribbelte ihr überall. Dann besann sie sich aber wieder und wütend raffte sie ihren Rock hoch, damit sie besser laufen konnte. Sie stapfte auf ihn zu und nahm sich fest vor ihn zu fragen was das alles sollte. Der Junge stand wieder an dem See und schaute diesmal in den Himmel hinauf. Er betrachtete ganz ruhig die Sterne und schien die kühle Luft zu genießen. Als Kira ihn erreicht hatte, fragte sie ihn sofort:“ Also gut, was soll das ganze? Wieso verfolgst du mich und was sollte das vorhin, diese Worte und so“? Der Junge blickte sie mit seinen großen Augen an und sie wollte sich darin verlieren, aber sie riss sich zusammen und schaute ihn wütend an. Und was er dann sagte, verwunderte sie noch mehr. „Das weißt du, Prinzessin. Wenn du zulässt, dass dich deine Träume einholen, dann weißt du alles. Es ist uns bestimmt und ich werde ewig auf dich warten, so lange es nötig ist. Die Nacht ist unser Schicksal und wenn du bereit bist, dann werde ich da sein.
Ich sehne mich nach dir, wie die Blume in der Hitze den Regen ersehnt, ich kann ohne dich nicht sein, wie der Winter nicht ohne den Frühling. Du gehörst einfach zu mir“. „Du bist ja verrückt, was soll der Scheiß? Ich kenne dich nicht und ich weiß nicht was du da redest. Lass mich einfach in ruhe, klar“? Abrupt drehte sich Kira um und ging wieder fort. Sie hörte noch wie der Junge sagte:“ Denke daran, du musst dich an deine Träume erinnern“.
Kira griff in ihre Handtasche und holte das Handy raus um ihren Vater anzurufen, damit er sie abholen kommen würde. Sie hatte keine Lust mehr hier zu sein und sich verrückt machen zu lassen. Sie verabschiedete sich noch schnell von ihren Freunden und musste Rebecca versprechen, sie morgen anzurufen. Dann lief sie Richtung Straße um dort auf ihren Vater zu warten. Auf einmal richtig müde und völlig erschöpft fiel sie dann wenig später auf ihr Bett und schlief auch sofort ein. Sie hatte sogar vergessen, ihr Fenster zu schließen und es wehte eine kühle Brise herein, die die Vorhänge ihres Bettes aufwehen lies. Sanft strich ihr der Wind durchs Haar, um ihre Nase und durch ihr Bett, aber sie bekam davon nichts mit. Wie jedes mal wenn sie schlief, wenn sie es denn tat, schlief sie sehr tief und fest. Nichts konnte sie dann wecken und absolut nichts hörte sie und bekam nichts mit. Am nächsten morgen erst erwachte sie und sie erschrak, als sie sah, dass ihr Bett voller roter Rosenblüten war. Und wieder hatte sie das Gefühl, das irgendwas letzte Nacht war, vielleicht nur ein Traum, aber sie konnte sich wieder einmal an nichts erinnern. Kira fragte sich wieso sie sich nie an ihre Träume erinnerte und warum sie immer das komische Gefühl hatte morgens, als ob ihr etwas fehlte oder ihr abhanden gekommen sei. Sie betrachtete die Blüten und fragte sich wo sie nur her kamen, aber sie konnte es sich nicht erklären. Sie waren wunderschön und zart anzufassen und Kira beschloss, Rebecca anzurufen um sie um Rat zu fragen. Sie griff zu ihrem Handy, wählte Beccas Nummer und wartete. Nach dem vierten klingeln nahm Rebecca müde ab hörte sich an was die Freundin auf dem Herzen hatte. Kira erzählte ihr von dem Jungen, von ihren Gefühlen, von ihren traumlosen Nächten und von ihren fehlenden Erinnerungen. Von den Blütenblättern in ihrem Bett und davon was der Junge gesagt hatte. Rebecca war sofort hellwach und nach kurzem Nachdenken versprach sie gleich vorbei zu kommen. Kira sprang in der Zwischenzeit unter die Dusche, zog sich was Leichtes an und ging in die Küche zum Frühstücken. Sie machte sich ein Toast und einen Kakao, aber sie rührte nur gedankenverloren darin herum. Sie war immer noch mit den Gedanken bei gestern Abend und sie sah immer wieder diese schönen Augen vor sich. Nun schon zum hundertsten Mal fragte sie sich woher sie den Jungen kannte, aber immer noch viel es ihr nicht ein.
Plötzlich stand Rebecca in der Tür, Kira hatte nicht gehört dass es an der Tür geklingelt hatte und erschrak fast, als die vor ihr stand. Rebecca hatte eine kleine Tüte in der Hand und sie zeigte sie hoch. „Hier ist die Lösung für eines deiner Probleme drin“, sagte sie und reichte Kira die Tüte. Sie schaute hinein und nahm einen Traumfänger heraus. „Was soll ich denn damit“? Fragte Kira und Rebecca zog sie vom Stuhl hoch in ihr Zimmer. „Den hängst du über deinem Bett auf, der fängst die Träume auf, sagt man. Und dann nimmst du ein kleines Büchlein und schreibst alles auf woran du dich erinnern kannst. Jede Einzelheit! Das hilft dir dann vielleicht auch dich an deine Träume zu erinnern. Als kleine Hilfe. Und was den Jungen angeht, frage ihn beim nächsten Mal doch einfach wie er heißt“. Kira lies sich auf ihr Bett fallen und schüttelte den Kopf. “Darauf hätte ich ja auch selbst kommen können. Wenn ich den Namen weiß, dann fällt mir bestimmt ein wer er ist. Oder ich schaue einfach in unserem Jahrbuch dann nach. Rebecca schüttelte über so viel Zerstreutheit nur den Kopf und betrachtete die Blätter, die immer noch auf dem Bett lagen. „Ja, und das hier, dazu fällt mir auch nichts ein“. Gemeinsam alberten sie dann rum und bewarfen sich mit den Blättern, so lange, bis sie überall verteilt waren. Am Abend konnte Kira es nicht mehr abwarten, bis es endlich zeit zum schlafen gehen war. Sie hatte mit Rebecca den Traumfänger an ihrem Bett befestigt, hatte sich ein kleines Notizbuch und ein Stift bereit gelegt und lies ein kleines Nachtlicht neben ihrem Bett brennen. Sie schlief dann irgendwann ein, bei offenem Fenster, da es immer noch so heiß war. Mitten in der Nacht wachte sie auf und es kam ihr so vor, als ob irgendjemand noch im Zimmer wäre außer ihr. Müde blinzelte sie durch die Vorhänge ihres Bettes hindurch und sie glaubte in der hinteren Ecke ihres Zimmers einen Schatten zu sehen. „Bist du das Mama?“, fragte sie verschlafen, aber es kam keine antwort. Kira stand langsam auf um nach dem rechten zu schauen, aber sie bemerkte nur noch einen kühlen Luftzug in ihrem Zimmer, es war niemand da. Da sie nun einmal wach war, konnte sie nicht mehr einschlafen. Sie ging zum offenen Fenster rüber und schaute hinaus. Es war wieder einmal eine ruhige, klare Nacht, in der man die Sterne sehen konnte. Kira setzte sich auf das Fensterbrett und schaute in den Himmel hinauf. Plötzlich sagte eine leise Stimme: „Ist es nicht wunderschön? Die Sterne sind wie Diamanten so klar, wie reiner Diamantenstaub sieht das aus. Schade das man sie nur bei Nacht sehen kann“. Kira erschrak und schaute, wo die Stimme her kam. Im Baum saß auf einem Ast, der unbekannte Junge und blickte genauso wie Kira in Himmel. „Was willst du hier und wer bist du überhaupt?“ fragte Kira nach kurzem zögern. Sie fand es ungeheuerlich, dass der Typ sie nun bis nach Hause verfolgte und einfach so im Baum vor ihrem Fenster saß.
„Glück findest du nicht wenn du es suchst, sondern wenn du zulässt, dass es dich findet. Prinzessin, lass endlich zu das ich dich finden kann. Ach, und übrigens, ich heiße Milo! Ich weiß, das du dich nicht erinnerst, aber vielleicht, eines Tages, dann wirst du dich an mich erinnern und wir werden eins sein“. Ohne noch ein Wort zu sagen sprang er vom Baum und war weg. Kira suchte überall nach ihm, konnte Milo aber nirgends wo entdecken. Das ist ein sehr merkwürdiger Typ, dachte sie sich und schloss ihr Fenster, da mit er sich nicht etwa auch noch Reinschleichen würde. Die ganze restliche Nacht dachte sie über diesen Milo nach, über seine merkwürdigen Sprüche, sein plötzliches auftauchen und seine Bemerkungen, das sie füreinander bestimmt seien. Irgendwie glaubte sie, dass da mehr dahinter steckte und sie wollte unbedingt rausbekommen, was es war. Und der letzte Satz, das sie es zulassen sollte, dass er sie finden möchte, was hatte er denn damit wohl gemeint? Er wusste doch nun wo sie wohnte und wer sie war. Alles war recht merkwürdig und gegen morgen nahm Kira ihr Notizbuch und schrieb alles ganz genau auf, was sie mit Milo erlebt hatte und was er alles zu ihr gesagt hatte. Wenige Stunden später dann in der Schule, sagte Rebecca zu ihr: „ Vielleicht solltest du dich einfach mal auf das ganze einlassen und nicht so skeptisch sein. Hör dir doch einfach an was er will und sei nicht so abgeneigt. Vielleicht kannst du dann ja nur so rausbekommen, wer er ist und was er von dir will“. Kira schaute ihre Freundin verwundert an und meinte: „ He, das könnte ja aber auch ein verrückter sein, oder ein Stalker, den ich dann nicht mehr loswerde. Oder aber das ist irgend so ein Idiot, der mich total verarscht.“ „Das kannst du ja raus finden. Und wenn es ein Spinner ist, dann wird er es anschließend mit uns bekommen“, sagte Rebecca und mahlte sich gedanklich lauter romantische dinge aus. „Na, mal gucken“, meinte Kira und ging zu ihrem Klassenraum, denn die Pause war gerade vorbei und nun hatten sie Mathe. Den ganzen Tag dachte Kira über das ganze nach und auch darüber, was Rebecca gesagt hatte. Sie wollte ja unbedingt wissen, was Milo wollte und wie sollte sie es sonst raus finden, wenn nicht so, wie Rebecca es gesagt hatte. Sie beschloss, auf ihn zu warten. Vielleicht würde er ja wieder kommen und sie wollte ihn dann unbedingt alles fragen was sie wissen wollte. Am Abend blieb sie so lange wach wie es ging, dann las sie noch ein Buch am offenem Fenster in ihrem Zimmer und als es dann endlich dunkel war und die Sterne sichtbar wurden, legte sie das Buch beiseite und lehnte sich zum Fenster raus. Sie hielt Ausschau nach Milo, aber sie konnte ihn nicht finden. Kira rief leise seinen Namen und guckte nach unten auf den Garten, aber er war nicht da. Am Fenster sitzend, blickte sie alle paar Minuten hinaus, aber Milo erschien einfach nicht. Nach fast einer Stunde wurde ihr das dann doch zu blöd und sie legte sich in ihr Bett. Kira lies aber noch das Fenster offen, damit sie in hören konnte wenn er doch noch kommen sollte. Auch wenn sie oft nachts wach war, manchmal war sie doch müde, so wie jeder andere auch. Kira sagte noch leise zu sich selbst: „Wenn du da bist, dann wecke mich bitte. Ich will dich sehen“. Und dann, irgendwann spürte sie wieder einen leichten Windhauch über ihr Gesicht streichen und sie war plötzlich hell wach. Kurz blickte sie um sich und dann sah sie ihn. Dunkel und geheimnisvoll saß er da, am offenen Fenster und schaute sie an. Der Mondschein erhellte seine Figur und Kira sah, das er völlig regungslos war. Schnell fing sie sich wieder und fragte ihn leise: „Bist du schon lange da“? „Eine Ewigkeit und immer“, antwortete er und blickte sie an. Sein Blick ging ihr durch und durch und Kira wurde leicht nervös. „Wer genau bist du und was genau willst du von mir? Und rede bitte jetzt nicht wieder in Rätseln“, sagte Kira und setzte sich in ihrem Bett auf. „Bitte, bleib wo du bist. Ich betrachte dich so gerne“, sagte Milo und sprang leichtfüßig in ihr Zimmer. Schnell zog Kira sich ihre Bettdecke hoch und drückte sich in ihr Kissen. Langsam kam Milo auf sie zu und blieb vor ihrem Bettenden stehen. „Ich bin dein Prinz und du bist meine Prinzessin. Ich sehe in den Himmel! Sehe die Sterne und die Ferne, ich denke an dich, vermisse dich! Versteh mich, ich liebe dich“! Kira schaute Milo komisch an und schnell sagte er:“ Entschuldige, ich kann einfach nicht anders. Du bist mein ein und alles, ich kann nicht ohne dich“. Kira wusste zuerst nicht was sie dazu sagen sollte. Milo hatte ihr doch gerade eine Liebeserklärung gemacht, oder? Und obwohl sie ihn nicht wirklich kannte, so hatte sie doch nun keinerlei Angst mehr vor ihm. Kira schaute in Milos Augen und sie waren so dunkel und geheimnisvoll und so vertraut. Sie kannte diese Augen, dass wusste sie nun ganz sicher. Und plötzlich fühlte sie sich so geborgen bei ihm und so wohl wie lange schon nicht mehr.
Mit seiner ruhigen, zarten Stimme sagte er wieder: „ Oh, Akira, ich könnte dir zeigen was uns verbindet, aber ich möchte, dass du es selbst raus findest. Ich will nicht, dass du glaubst, ich lüge dich an, denn das könnte ich niemals“. „Aber wieso habe ich dich noch nie Tagsüber gesehen? Immer begegnest du mir, wenn es schon dunkel ist“. Milo blickte zur Seite, dann antwortete er kurz: „ Mir gehört die Nacht, nicht der Tag. Wir sehen uns wieder, meine Prinzessin. Bis bald, und dann hoffe ich, das wir uns wieder haben werden“. So leise und schnell wie er gekommen war, so schnell war er auch wieder verschwunden. Schnell sprang Kira aus ihrem Bett, hechtete zum Fenster und rief nach Milo, aber er war spurlos verschwunden. Nachdenklich ging Kira wieder in ihr Bett und schaute sich gedankenverloren die winzigen Lichter an ihrer Zimmerdecke an. Was mochte das alles nur bedeuten? Und was meinte Milo damit, das ihm die Nacht gehörte und nicht der Tag? Sie grübelte sehr lange darüber nach und beschloss sich Rat im Internet zu holen. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und machte den Computer an. Zuerst wusste sie nicht genau nach was sie suchen sollte, aber dann tippte sie einfach den Namen „MILO“ ein. Sofort ratterten unzählige Seiten herunter, die alles Mögliche zu MILO sagten. Namensbedeutung, Personen aus der ganzen Welt die Milo hießen, wo der Name her kam, berühmte Personen und so weiter. Kira klickte einiges an, in der Hoffnung, irgendetwas über ihren mysteriösen Typen zu finden. Aber nichts, kein Bild, kein Hinweis, gar nichts. Das wäre ja auch zu einfach, dachte sie.
Dann löschte sie wieder alles und gab die Wörter“ TRAUM, ERINNERN“, ein und auch dazu gab es unzählige Seiten. Einige beschäftigten sich mit Traumdeutung- was ein bestimmter Traum bedeuten soll und wie man alleine raus findet, was sein Traum einem sagen will. Einige andere Seiten erklärten den Traum selber. Hintergrund, Herkunft und all solche Sachen. Dann, nach einigen links weiter, fand Kira einen Hinweis drauf, wie man sich an seine Träume erinnern kann. Zuerst gab es nur einfache Tipps, wie das notieren des Traumes wenn man wach wird, eine ruhige Atmosphäre, die richtige Schlafposition, Schlafunterbrechung durch Wecker stellen, damit man sich sofort Notizen machen kann und zu versuchen sich an Personen zu erinnern, von denen man eventuell geträumt haben könnte. Dann gab es Tipps wie das Zimmer richtig abdunkeln, lange schlafen, früh ins Bett gehen, Entspannungsübungen vorher machen, und sich fest vornehmen vorher, das man sich an seinen Traum erinnern will. Kira machte sich einige Notizen und dann löschte sie wieder alles. Dann tippte sie „Nachtmenschen“ ein und wunderte sich darüber, was das Internet so alles ausspuckte, wenn man nur ein paar Worte eingibt.
Zum größten teil gab es Berichte und Links zu Menschen, die einfach nur einen anderen Tages Rhythmus haben, oder Menschen die eine Krankheit haben, das sie dazu zwingt, tagsüber im Haus zu bleiben und nur Nachts rauskommen können, wenn es dunkel wird. Dann gab es auch hinweiße zu Fantasiefiguren- wie den Werwolf, der Vampir und Unsterbliche. Aber das war alles Blödsinn, fand Kira und schaltete ihren PC wieder aus.
Lediglich einige Tipps zur Traumerinnerung hatte sie finden können und die würde sie bald schon ausprobieren, beschloss sie.
Schon am nächsten Abend bereitete sie sich richtig auf die Nacht vor. Sie war völlig entspannt und ruhig, verdunkelte extra alles und legte sich ihr Notizbuch gleich neben sich auf den Nachttisch, um sofortige Erinnerungen aufzuschreiben. Sie nahm sich fest vor, sich an ihre Träume zu erinnern und sie sofort zu notieren, wenn sie wach werden sollte. Das sagte sie sich gleich mehrmals laut vor, um den ganzen noch mehr Gewicht zu geben. Aber es nützte nichts, am nächsten morgen wachte sie ohne Erinnerungen auf, worüber Kira sich ärgerte. Na gut, dachte sie sich, dann stelle ich mir in Zukunft einen Wecker, alle zwei Stunden. Vielleicht bringt das ja etwas. Aber es dauerte noch weitere drei Nächte, bis sie endlich einen kleinen Erfolg niederschreiben konnte. Langsam brachte das ganze doch etwas, obwohl Kira sich manchmal regelrecht dazu zwingen musste zu schlafen, da sie oft gar nicht so müde war. Mehrmals konnte sie sich an kleine Bruchstücke eines Traumes erinnern und obwohl es ihrer Meinung keinen richtigen Sinn ergab, schrieb sie doch alles ganz genau auf. Einmal konnte sie sich daran erinnern, dass sie nachts durch einen Park lief, dann einmal daran dass sie nachts die Sterne bewunderte, ein anderes Mal war sie umringt von Menschen – deren Gesichter sie nicht sehen konnte. Und ganz oft war da jemand, eine Person, die ihr so vertraut war wie kein anderer, den sie aber nie sah. Sie spürte nur seine Gegenwart und sie fühlte sich ohne ihn alleine und verloren. Er war regelrecht ihre zweite Hälfte, ihr Gegenteil und ihr Halt. Immer zu war er präsent und dennoch wusste sie nie wer er war oder wie er aussah. Langsam bekam Akira dass Gefühl, das in ihrem Leben irgendetwas oder irgendjemand fehlt- jemand wichtiges, den sie verloren hatte, vor langer zeit. Sie fand das ganze verwirrend und komisch und sie wurde mit der Zeit ruhiger und nachdenklicher. Dieser Milo lies sich auch nicht mehr sehen, lediglich eine rote Rose lag morgens auf ihrem Fensterbrett, die bestimmt von ihm war, dachte sich Kira. Rebecca konnte ihrer Freundin auch nicht weiter helfen, sie konnte ihr nur zuhören und ihre Meinung dazu sagen. Rebecca wusste manchmal nicht mehr was sie überhaupt noch sagen sollte und meinte, dass Kira sich langsam in etwas hineinsteigern würde.
Aber dann, als Kira es schon fast aufgeben wollte und glaubte, sie würde niemals sich erinnern, wachte sie eines Nachts mit einem ruck auf und alle Erinnerungen waren mit einem Schlag da. Kerzengrade saß sie in ihrem Bett, verschwitzt und aufgewühlt. Es war, als ob sie aus einem langen Traum erwachte, der sehr lange zurücklag. Plötzlich war alles so klar, so rein und so wirklich. Alle Einzelheiten waren da, die sie fast verloren glaubte. Aber – war das wirklich oder doch nur ein Traum? War alles real gewesen und war diese Person im Traum doch sie gewesen, waren es ihre Erinnerungen? Und wenn ja- von wann waren sie? Wann war das passiert und wieso hatte sie sich nicht erinnern können bis jetzt? Das war doch sehr merkwürdig und sie glaubte schon fast, das alles doch nur ein komischer Traum war, als eine Stimme plötzlich sagte: “Prinzessin, bist du endlich da? Kannst du dich erinnern? Jetzt wird alles gut“. Milo saß im Fenster und schaute zu Kira rüber. Ein Bein lehnte auf dem Fensterbrett und seine Hände waren auf dem Knie abgestützt. Seine Augen blickten erwartungsvoll und sehnsüchtig.
Kira fing sich schnell wieder und sagte: “Ist das alles wirklich? Real und kein Traum“?

Milo sprang vom Fensterbrett und ging auf sie zu. „Aber ja, alles ist wahr, wir waren immer schon vereint gewesen, wir gehören zusammen, für immer und ewig“.
Kira hatte sich an folgendes erinnert:
Vor sehr langer Zeit hatten sich die beiden einst kennen gelernt. Sie war ein junges Mädchen, naiv, schüchtern, sehr wohlhabend und aus einer sehr angesehenen Familie. Er war ebenfalls jung, gut aussehend und sofort von ihr verzaubert. Sie trafen sich immer heimlich, im Elterlichen Garten, im Mondschein und planten ihre Zukunft. Aber das Glück hielt nicht lange, sie starb an der Grippe, zu jung, bevor sie überhaupt gelebt hatte. Da er damals an Wiedergeburt glaubte und hoffte, sie würde eines Tages wiederkehren, in einem anderen Körper, suchte er jemanden der ihm ein ewiges Leben verleihen würde. Er wollte da sein, wenn sie wiederkehrte. Er fand nach langem suchen jemanden, einen Schamanen, einen tief im Dschungel Afrikas. Fortan sollte er für immer leben, für sie, seine einzige Liebe. Aber das ganze hatte einen Nachteil, er war dazu verdammt, in der Dunkelheit umherzuwandern, nie bei Tageslicht. Das war sein Preis für die Liebe.
Und tatsächlich, Kira wurde wiedergeboren und sie fanden sich wieder und waren erneut vereint. Über mehrere Jahrhunderte, immer wieder das gleiche. Einmal war sie eine arme Bauerntochter, einmal eine verwöhnte Freifrau, dann eine Prinzessin und die Tochter eines Pfarrers. Stets wartete Milo geduldig auf sie und umwarb sie passend zu den Zeiten. Aber Kira, die immer anders aussah und auch immer anders hieß, starb irgendwann und Milo blieb alleine zurück. Die beiden waren Seelengefährten, sie gehörten einfach zusammen, für immer und ewig. Doch war es ihnen nie vergönnt gewesen, eine Familie zu gründen und zu leben wie jeder andere auch, da Milo ja nur des Nachts erscheinen konnte und ewig lebte und für immer jung blieb.
„Ich werde immer da sein, ich werde immer auf dich warten, bis in alle Ewigkeiten“, sagte Milo nun und setzte sich auf ihr Bett. Eine kleine Träne lief über ihre Wange, die Milo mit einem Finger auffing und wegpustete. „Aber wie lange denn noch? Wie lange soll das so gehen? Wir können doch nie so zusammen sein, wie wir es wollen. Es wird nie ein gutes ende geben für uns“, sagte sie und wurde traurig. Traurig darüber, was sie all die Jahrhunderte über verloren hatte und was sie auch jetzt wieder verlieren würde. Milo strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und meinte: „ Es gibt einen Ausweg, jetzt- für uns- für immer“. Er hielt ihr eine winzige Flasche hin, die nicht viel größer war als ihre Hand. Darin schimmerte eine klar Flüssigkeit, das wie Wasser aussah. Kira fragte was das sei und Milo erwiderte: „Das ist die Lösung für uns. Ich habe so viele Jahre danach gesucht, endlich habe ich es gefunden und bekommen. Das ist der Trank der Ewigkeit. Du musst ihn nur trinken, dann können wir zusammen sein, für immer. Du wirst dann genau so wie ich. Jung, unsterblich und für ewig mit mir vereint sein“. Kira nahm die Flasche in ihre Hand und betrachtete sie ganz genau. Was sie da gerade hörte, brachte sie zum nachdenken. Tausend fragen schossen ihr durch den Kopf. Wie soll das ganze nur aussehen? Wo sollten sie leben und wie? Sie mussten doch essen, trinken, Geld verdienen und wenn sie immer jung bleiben würden, merkten das doch die Leute. Sie konnten demnach nie lange an einem Ort bleiben. Und wollte sie das überhaupt? Verdammt zur Ewigkeit und für die Nacht? Sie war so ratlos wie niemals zuvor in ihrem Leben. Milo merkte ihre Verwirrtheit und sagte: „ Du musst jetzt nichts entscheiden, ich habe Zeit. Alle Zeit der Welt. Ich werde warten auf dich, bis du bereit bist dazu, mit mir zu gehen“. Er sprang so plötzlich auf und war wieder verschwunden, bevor Kira überhaupt was sagen konnte. Die kleine Flasche ließ er ihr zurück.
Kira grübelte über das ganze nach. Wie würde ihr zukünftiges Leben nur aussehen, wenn sie sich für ihn entscheiden würde? Konnte sie überhaupt ihre Familie und ihre Freunde verlassen? Denn das musste sie wohl tun, wenn sie sich für Milo entscheiden sollte. Aber wollte sie nicht später einen tollen Beruf lernen? Studieren, eine Familie gründen? War das alles überhaupt noch möglich? Und wenn sie sich dagegen entscheiden sollte, würde Milo wieder auf sie warten? Noch einmal eine Generation oder ein Jahrhundert? Würde er es nicht irgendwann leid sein auf sie zu warten? Dann hätte er sein Leben, seine Seele umsonst geopfert! Durfte sie ihm das antun? Hatte er es nicht endlich verdient glücklich zu sein? Aber vielleicht musste sie sich ja nicht sofort entscheiden, er würde ja warten, das hatte er ihr versichert. Vielleicht hatte sie ja wenigstens Zeit bis sie die Schule beendet hatte, oder zumindest diese Klasse. Oder auch noch etwas mehr. Sie würde bestimmt wissen, eines Tages –früher oder später – was die richtige Entscheidung war und dann würde Milo es verstehen, egal wie sich entscheiden würde! Schließlich war er immer da!



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Tag der Veröffentlichung: 13.07.2012

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