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Prolog

„Ich werde ihr immer dankbar sein, für alles, was sie jemals für mich getan hat. Wäre sie nicht sie gewesen, dann würde ich heute nicht so vor dir stehen.

Also nein, ich bereue es nicht, dass ich ihr diesen einen Wunsch erfülle. Wie könnte ich auch? Ist es nicht der süßeste Wunsch, den du jemals gesehen hast?“.

 

1. Kapitel

"Wenn du deine Stirn nicht sooft in Falten legen würdest, könntest du glatt schön sein, Dee", sagte Carron zu mir, während sie mich schminkte.

 

Dieser Satz ließ die Falte auf meiner Stirn gleich noch tiefer werden. Ich wollte nicht schön sein. Ich wollte nicht hier sitzen. Ich wollte später nicht auf dieses Fest und trotzdem saß ich nun hier, also bitte, was erwartete sie denn noch?

 

"DeeBee, du wirst Spaß haben, dass weiss ich. Komm schon! Das Stadtfest ist die letzte Gelegenheit für uns die Sau rauszulassen, bevor du den Kontinent wechselst,  also bitte versuche es zumindest. Ich habe später sogar noch eine Überraschung für dich. "

 

Sie wusste ganz genau, dass ich ihr sowieso nichts abschlagen kann. Nicht nachdem sie in den letzten Monaten so viel für mich getan hatte. Ich spürte die Tränen aufsteigen und Carron sah sie auch. Gleichzeitig legten wir die Arme um den anderen. 

"Ich....".

 

Ihre blonden Haare kitzelten meine Nase und ließen mich innehalten, sodass meine beste Freundin diesen Moment nutzen konnte, um selbst zu sprechen. 

 

"Du musst mir nicht immer wieder danken, dass ist doch selbstverständlich. "

Erstarrt schaute ich sie an, denn so selbstverständlich, wie sie es darstellt, war es gar nicht, auch wenn sie meine beste Freundin war. 

 

"Carrie, was soll ich denn sonst tun? Du hast für mich alles stehen lassen, bist zu mir auf die Ranch gezogen, hast mir ermöglicht meinen Abschluss zu machen, bist eine riesengroße Stütze für meine Familie, hast dein Studium unterbrochen und. .."

 

Bevor ich meine Worte beendete, nahm ich etwas Abstand, legte beide Hände auf ihre Schultern und sah in ihre grünen Augen. 

"Du hast Logan gehen lassen. "

 

Das war, was mich am meisten wurmte, denn es schien mir ungerecht, zu ungerecht. Nur, weil ich einen geliebten Menschen verloren hatte, musste sie doch nicht auch jemanden, den sie liebt, gehen lassen.   Das war ich nicht wert und am schlimmsten war eigentlich die Angst , dass sie das irgendwann auch erkennen würde. Das könnte ich nicht verkraften. 

 

Tief atmete ich ein und aus und unterdrückte die Tränen. 

 

Liebevoll sah Carron mich an und in Momenten, wie diesen, wirkte sie viel älter und reifer als ich, obwohl sie mit ihren 21 Jahren nur drei Jahre älter und dazu noch um einiges kleiner war. 

 

"Du vergisst immer, was ich dadurch gewonnen habe. Ich bekam die große Familie, die ich wollte. Du, Eric, Chelsea und deine Mom, ihr seid nun meine Familie. Deine Mom ist für mich wie eine zweite Mutter . Durch die Quälgeister habe ich nun endlich kleine Geschwister und du. Du bist nun nicht mehr nur mal meine beste Freundin. Nein, du bist meine zweite Hälfte und außerdem bekomme ich hier doch frische Luft und auch noch knackige Cowboyärsche zu sehen, also wozu brauche ich Logan? "

 

Das Lächeln auf ihren Lippen brachte mich gleich dazu auch meine Mundwinkel etwas zu heben, aber trotzdem konnte ich mir es nicht verkneifen, zu erwidern :

"Ja,aber ich kann. ..".

 

"Doch du kannst nach Schottland.  Selbst du musst zugeben, dass sich die Dinge auch ohne dich regeln lassen. Craig und Tom sind fähige Arbeiter und ich nehme mir sogar raus, dass Tom sogar mehr von der Ranch versteht, als du . Immerhin hat der Alte schon mindestens  60 Jahre auf dem Buckel und die Feriengäste sind auch im Griff zu bekommen."

 

Ein "57 Jahre, mein Fräulein " war zu hören,  unterbrach Carries Rede und ließ sich mich zugleich schmunzeln. 

Ohren wie ein Luchs,  tönte es in meinem Kopf.  Ja, so hätte mein Vater sogleich erwidert. 

 

"Der Wunsch deines Dad’s war es, dass du das Land seiner, deiner Familie besuchen wirst und seien wir mal ehrlich, du hast dich in dieses Land schon mit fünf verliebt und wer kann schon von sich behaupten, dass er an der selben Uni, wie mancher Prinz und Denker war? Aber lass uns jetzt unsere Gedanken auf etwas anderes konzentrieren! ".

 

Worauf? Das du schwanger bist und denkst, ich wüsste es nicht? 

 

Am liebsten hätte ich meine Gedanken laut ausgesprochen, doch ich wollte ihr noch immer die Chance geben, es mir selbst zu sagen. Nach meinen Überlegungen müsste sie fast im fünften Monat sein, auch wenn man bisher nur eine leichte Wölbung sehen konnte. Noch ein Grund warum ich nicht weg wollte. Dieses Jahr war einfach nicht das meine, aber es könnte das ihre werden. 

 

"Also liebe Indiana, was ziehen wir denn heute an? ", überlegte Carron laut und holte mich somit aus meinen Gedanken. Als ich dann noch das schelmisch Grinsen auf ihrem Gesicht sah, wusste ich, dass es ihr Versuch war, uns beide abzulenken. Zugleich stieg ich in diesen Versuch ein und verschränkte schmollend meine Arme vor meiner Brust. 

 

Wie ein kleines Kind stampfte ich auf und sprach :

"Ich kann das schon alleine.  Ich bin doch keine Puppe, wenn dann wärst du meine. Immerhin bin ich 1,85m, während du gerade mal die 11,60m ankratzt. "

 

Sogleich konnte man die kleinen Hörnchen auf Carries Kopf wachsen sehen, denn ihre Körpergröße war schon immer ein sensibles Thema gewesen. 

"Du alter Riese , ich sage dir meine Kinder werden dir später auf dem Kopf spucken können. "

 

Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, schien es, als erstarre sie, bevor sie anschließend fluchtartig mein Zimmer verließ. Spätestens jetzt hätte mir sowieso auffallen müssen, dass da irgendwas im Busch war. Grinsend schüttelte ich meinen Kopf und ging zu meinen Schrank. 

 

Also was ziehe ich jetzt an? 

 

"Zieh den grünen Overall an! ", rief mir Carron gruseliger Weise durchs Haus zu, woraufhin ich laut auflachte. 

 

"Der betont deine Augen so schön. "

 

Da musste ich ihr, ohne eingebildet klingen zu wollen, rechtgeben. Durch ihn sahen meine bersteinfarbenden Augen fast golden aus. 

2. Kapitel

"Ich will deine Haare! ".

 

Wie immer begrüßte mich Lissy auf ihre ganz eigene Weise. Die Brünette selbst hatte nämlich, im Gegensatz zu mir,  glatte Haare ohne den geringsten Wirbel und wünschte sich, wie fast jede ihrer Art, Locken. Das würde sie jedoch nicht mehr tun, wenn sie wüsste, wie eintönig es manchmal mit ihnen sein kann. Das sollte nicht heißen, dass ich meine Haare nicht liebte, jedoch würde ich es schon manchmal begrüßen, eine schöne Frisur hinzubekommen, anstatt meinen Haaren jeden Tag aufs Neue dabei zu zuschauen, wie sie wild von meinen Kopf abstanden. 

 

"Dir auch ein Hallo, Lissy. Deine Haare sehen heute aber auch super toll aus. "

 

Das sahen sie wirklich. Sie hatte ihre hüftlangen braunen Haare rund um ihren Kopf zu einer Krone geflochten, um die ich sie nur beneiden konnte. 

 

 

Als Reaktion auf meine Worte bekam ich nur ein Schnauben von Lissy, woraufhin Carrie unterstützend sagte :

 

"Wirklich Lissy.  Ich beneide dich um sie. Du weißt, dass ich zufrieden kann, wenn ich einen halbwegs ordentlichen Zopf hinbekomme. Bei einer Frisur, wie deiner, hätte ich mir meine Finger gebrochen. "

 

Für Lissy waren ihre Haare ein fast genau so böses Thema, wie für Carrie ihre Körpergröße. Ich hatte noch nie verstanden, warum sie nicht mit sich zufrieden waren, wie sie sind.  Ihre Haare hatten eine beneidenswerte Länge und einen wundervollen Glanz und auch, wenn braun nicht die außergewöhnlichste Farbe war, fiel Lissy allein durch ihre Ausstrahlung  auf. Ihr breites Lächeln,  das immer perfekt aussah  und ihre dunkelblauen Augen zogen einen förmlich an. Carrie mit ihren grünen Augen, blonden Haar und ihrem zarten Körperbau,  wirkte wie eine Elfe, aus dem Märchen, die ich so liebte. Zudem bewegte sie sich auch immer auf so eine elegante Weise, dass man glauben konnte, sie schwebe. 

 

So zerbrechlich sie auch auf dem ersten Blick wirkte, hinter diesem Körper versteckte sich eine Kraft und Güte, wie nur wenige Menschen sie besitzen.

 

Kurz um, für mich waren beide schön, nicht hübsch, denn über dieses Stadium waren sie schon hinaus. 

Neben den beiden, insbesondere Carrie, kam ich mir manchmal wie ein großer, tollpatschiger Troll vor. Ich überragte selbst den Türsteher Schrägstrich Kartenabreißer, der den Rucksack von einem Kerl, vor uns in der Schlange, untersuchte. Außerdem stieß ich mich grundsätzlich irgendwo, was mir jedoch nicht einmal mehr immer auffiel. Abgesehen davon, war ich nicht wirklich tollpatschig, konnte also somit nicht als süß durchgehen. Zusätzlich zu meiner Größe hatte ich von der Arbeit auf der Ranch recht breite Schultern, die vermutlich auch ein wenig von meinem Dad stammten. 

 

Ich war also weder süß, noch ein Model. Ich war einfach Indiana, die mit den wirren Locken, dem lauten Lachen und den bersteinfarbenden Augen und ich gefiel mir so. 

 

"Ihre Karte, bitte. "

 

Die Stimme des Kartenabreißers riss mich aus meinen Überlegungen wieder hinein ins hier und jetzt. Erst jetzt fiel mir diese aufgeregte Stimmung auf dem abgesperrten Gelände,  am Rande der Stadt auf. Die Feste in Wakefield waren sonst viel entspannter. Während ich mich umsah, reichte ich die Karte hin und nahm sie wieder an mich. Ich konnte den Grund für die Aufregung einfach nicht erkennen. 

 

Schließlich fragte ich die Mädels :

"Wieso sind hier alle so aufgeregt? Gibt es hier heute etwas zu gewinnen, oder was ist los? "

 

Jetzt fiel mir noch ein weiterer Punkt auf. Es waren erstaunlich wenig Männer anwesend und das, obwohl solche Feste gerne dafür genutzt wurden, die Interaktion zwischen Mann und Frau auf ein ganz anderes Level zu bringen und die Alkoholpreise immer niedrig waren. Hier stimmte etwas nicht. Und als wäre ich nicht schon verwundert genug, bemerkte ich noch eine dritte Sache, anstatt der sonst so angesagten Sneakers, trugen die meisten Mädels heute Cowboystiefel. Selbst solche, die mich sonst für meine belächelten. 

Bevor ich auf weitere Ideen, wie Mottoparties nur für Frauen, kam, beantwortete Lissy mir meine Frage, während sich Carrie nur theatralisch an den Kopf fasste und loszog, um uns etwas zu trinken zu besorgen. Immerhin war sie die Volljährige. 

 

"Es soll heute ein aufstrebender Country / indie Sänger auftreten und Loren. Du weißt schon, Bürgermeistertochter Loren, hat verlauten lassen, er soll richtig heiß sein. Tja und dann sind all die Frauen und Mädchen, die sich Chancen ausrechnen, losgestürmt und haben die Stiefel in der Stadt aufgekauft und viele haben sich sogar einen Stetson besorgt. "

 

Ich konnte nicht anders als spöttisch aufzulachen. Was für ein Schwachfug. Die werden alle ihren Kauf spätestens morgen bereut haben und als hätte Lissy meine Gedanken erraten, bemerkte sie weiterhin :

"Ich muss zugeben, dass ich für einen klitzekleinen Augenblick auch mit dem Gedanken gespielt habe, mir Stiefel zu kaufen, doch dann habe ich mich daran erinnert, dass die, die ich dir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt habe, immer noch in deinem Schrank verrotten. Das weiß ich von Shawn und der von Craig, also brauchst du es nicht abstreiten. Ich bin dir auch nicht böse deswegen, Shawn hat mir nämlich erklärt, dass es eine ziemliche Qual sein kann, solche Treter einzulaufen. "

Lissy hatte unrecht. Die Stiefel verotteten nicht in meinem Schrank, sondern in meinem Schuhregal. 

 

"Also hast du dich dazu entschlossen das Herz des Sängers in Sneakers zu erobern und all die anderen morgen früh zu belächeln, während du in seinen Armen liegst? ",

Fragte ich sie und beobachtete Carrie dabei, wie sie versuchte sich hinter der Menge rund, um die aufgebaute Bar, bemerkbar zu machen, was ihr schließlich unter Einsatz ihrer Ellenbogen gelang. Bei diesen Anblick musste ich einfach lächeln und an so einen dämlichen Facebook Spruch denken :

 

Ein Freund fragt danach. Ein bester Freund weiß, wo es steht. 

 

Tja und um den Sinn dieses Mottos getreu zu bleiben, machte ich mich nicht auf, um ihr zu helfen, sondern sah lieber zu, wie sie versuchte die drei Getränke heil durch die Menge zu bringen. Als könnte sie meinen Blick spüren, schaute sie auf und ich konnte den Schalk in ihnen blitzen sehen. Das würde wohl irgendwann Rache geben. 

 

"HHallo Wand, hier Tapete. "

 

Lissy hatte fast vergessen und musste sie fast erschrocken fragen :

 

"Was?!"

"Na hallo Wand, hier Tapete. Du hast mir doch auch nicht zugehört, da dachte ich mir, da kann ich gleich mit der Wand reden. "

"Aber hier ist keine Wand? "

 

Daraufhin konnte sie nur ihre Augen verdrehen und Carron rettete mich zu Glück aus meinen nicht ganz so glanzvollen Moment, indem sie unsere Getränke überreichte. Sie selbst hatte natürlich nichts mit Alkohol, genau wie Lissy. Die beiden hatten einen schon vom Anschauen her, eklig süßen alkoholfreien Cocktail in der Hand und ich ein Bier. Ich war eher der herbe Typ, wenn es um meine Partygetränke ging. Da hatte ich meinem Konsum besser unter Kontrolle. Es würde wohl auch bei dem einzigen Bier bleiben, wenn der Sänger gut war. 

 

"Also, ich bin ja dafür, dass uns der Riese hier, Plätze weiter vorne besorgt. Natürlich nur um die Zimtzicken zu ärgern. "

 

Carries Augen funkelten bei ihren Worten und ließen mich sogleich erwidern :

"Natürlich hat es nichts damit zu tun, dass jemand hier selbst gerne einen guten Blick auf unseren Gast haben will. "

 

Meine eine Augenbraue ging dabei natürlich hoch. 

 

"Ja, da magst du recht haben. Lissy wünscht sich eine gute Sicht ",antworte Carrie nur ganz unschuldig. 

 

"Na dann, immer mir nach, aber vergiss meine Überraschung nicht. "

 

 

3. Kapitel

Natürlich ernteten wir einige böse Blicke und Sprüche auf dem Weg nach vorne. Anderes hatte ich auch gar nicht erwartet, wollten sie doch alle den Möchtegern-Superstar von morgen sehen und seine Möchtegern-Freundin werden. 

 

Ich kannte so viele, die Wakefield unbedingt verlassen wollten, um in Großstädte zu ziehen , um mehr von der Welt mitzubekommen.  Irgendwie konnte ich sie sogar verstehen, denn in meinen weniger guten Momenten wünschte ich mir auch die Anonymität, in den Massen solcher Orte. Einfach unbekannt und unbeachtet zu sein. Außerdem wem reizte das Neue nicht? War es nicht die Neugier, die mich nach Schottland getrieben haben wird? Der Unterschied war jedoch, dass ich immer vor hatte, zurück zu kommen. Trotz meines vorhandenen Verständnisses konnte ich es mir nicht nehmen lassen bei einigen der Sprüche zurück zu wettern, erst Recht, wenn sich die Attacken gegen meine Freundinnen richteten. Da konnte ich eine echte Löwenmutter sein. 

 

Irgendwann waren wir dann endlich halbwegs unversehrt vorne angekommen. Ich hatte mich dafür entschieden uns nicht bis ganz an die Absperrung zur Bühne zu führen, da es dort wohl für Carrie etwas umständlich gewesen wäre, den Sänger anzuschmachten. Jetzt konnten wir nur noch hoffen, dass der Gute wirklich gut war, denn von hier würden wir nicht mehr schnell wegkommen. Jedenfalls nicht ohne Blessuren. 

 

"Wann fängt das Ganze hier eigentlich an? ", fragte ich, weil ich es hasste nicht informiert zu sein, was glücklicher Weise nicht oft vorkam. 

 

Währenddessen ließ ich mich kurzerhand auf dem Boden nieder und stellte meine Handtasche neben mich. Es kam mir noch ungefährlich vor, denn bisher hatten die anderen sich in einem großen Bogen um uns aufgestellt. 

Fürchtet meine Macht. 

 

Lissy schaute auf meine Frage hin auf ihre Uhr und antwortete mir :

"In einer viertel Stunde, also um halb neun. Bis dahin spielt der DJ noch etwas Musik. Meint ihr die Jungs kommen später noch, wenn das Konzert vorbei ist? "

 

Bestimmt hatte sie das wegen Seth gefragt. Der offizielle Schwarm unserer Schule. Selbst die Juniors standen auf ihn und zusätzlich war er auch noch nett. Alle wussten, dass Lissy sich wirklich in ihn verguckt hatte, nur er nicht. Der war in der Sache blind. Manchmal dachte ich, zu Glück, denn er wäre leider so nett und würde ihr vielleicht sagen, dass sie sich keine Hoffnung machen bräuchte, sich nach jemand anderes umsehen könnte. Das würde Lissy das Herz brechen. 

 

Vielleicht stehen, aber auch die Sterne gut und Seth empfand ähnliches. 

 

"Bestimmt.  Sie müssen doch die Herzen aller Mädchen flicken, die nicht vom Superstar erhört wurden. "

Beim Wort Superstar machte ich mit meinen Fingern Gänsefüßchen und verdrehte die Augen. 

 

Carrie fügte noch hinzu :

"Die sitzen bestimmt alle im Teas und knobeln aus, wer es heute bei wem versucht. "

 

Jungs und ihre Pläne. Schlimm nur, wenn sie mit ihnen durchkommen. Was sie leider viel zu oft taten. 

 

"Na toll, dann freue ich mich schon auf eine Horde Betrunkener und einer Schar abgewiesener Mädchen. "

 

"Ach komm Indiana, am Ende eroberst du das Herz unseres Countrysängers. "

 

Auf Lissys Worte hin stützte ich mich auf meinen linken Ellenbogen, streckte mein Gesicht der Sonne entgegen und lachte spöttisch auf. 

 

"Aber sicher doch. Er wird mich in der Menge erblicken und es wird Liebe auf dem ersten Blick sein. Wir werden gemeinsam in den Sonnenuntergang reiten, glücklich bis zum Ende zusammen leben und viele kleine Kinder bekommen. "

 

In Wirklichkeit würde er mich zwar vielleicht erblicken, dann aber sein Blick abwenden, weil ich gelangweilt in der Menge stehen werde, da er ein langweiliger Sänger ist. 

 

Zumindest malte ich es mir so aus. Ich sah in Lissy viel mehr Potenzial zu so einem Superstar zu passen und dies sagte ich ihr auch, nachdem ich einen Schluck von meinem Bier genommen hatte. 

 

"Wenn dieser Möchtegern-Star jemanden aus Wakefield wählen sollte, dann wärst du das. Du würdest in seiner Welt passen und trotzdem bodenständig bleiben. Eine Freundin bleiben. "

 

"Genau, stell dir mal Loren als Celebrity vor. Schrecklich wäre das ",

Steuerte Carron bei, woraufhin wir alle lachen mussten und einige Blicke kassierten.

 

Ich liebte solche Momente. Unbeschwert. Die Sorgen vergessend. Einfach jung.

 

Um mich herum verschwommen alle Geräusche, selbst die Stimmen von Carrie und Lissy. Ich kapselte mich von der Welt ab und verfolgte meine Gedanken, während mir die Sonne ins Gesicht schien. Die Menschen um mich herum verfluchten mich oft für diese Fähigkeit, denn nur selten schafften sie es, zu mich durchzudringen, wenn ich mit dem Denken noch nicht fertig war. In einer Woche hieß es Auf Wiedersehen zu sagen.  So lange hatte ich auf diesen Moment gewartet und nun war er mir schon viel zu nah. Nicht einmal sieben Tage und dann wäre ich ein Jahr nicht mehr hier, sondern mehrere Tausend Kilometer entfernt, aber konnte ich das wirklich immer noch durchziehen? Wie könnte ich nur Carrie mit einem Baby, einem wegen mir abgebrochenen Studium und mit der Ranch alleine lassen? Mich stattdessen in Schottland vergnügen. Natürlich wäre sie nicht wirklich allein. Da wären Mom, Eric, Chelsea , Craig, Tom und noch andere, aber ich wäre nicht da. Ich wäre allein. Weit weg. Über den Atlantik. Abgeschnitten von ihnen. 

Vielleicht war das in Wirklichkeit mein Problem? War ich vielleicht wirklich so egoistisch? 

Ich hoffe nicht. 

 

Eine Hand berührte mich an meiner linken Schulter und schüttelte mich leicht, woraufhin ich aus meinen Gedanken wieder auftauchte. Mein Blick traf Carron, die mich augenscheinlich aus meiner ganz eigenen Welt geholt hatte. 

 

"Du stehst, glaube ich, lieber auf. Der DJ hat den Sänger angekündigt und die anderen werden sicherlich keine Rücksicht auf dich nehmen, sobald der zu sehen ist. "

 

Wie als Bestätigung für Carries Worte hielt Lissy mir ihre Hand hin und half mir auf. Danach klopfte ich mir den Staub ab und schwang meine Tasche um meine Schulter. Anschließend nahm ich einen Schluck aus der Flasche und bemerkte, dass die anderen beiden ihr Getränk schon aus hatten. Kein Wunder bei den Temperaturen heute. Zu Glück hatte ich wie immer eine Wasserflasche bei. 

 

"Also,  wie heißt dieser Sänger denn überhaupt? ",

warf ich schlauer Weise auch endlich einmal ein, konnte ich ihn doch nicht die ganze Zeit Möchtegern oder ähnlich nennen, falls er gut war und wenn nicht, würde ich seinen Namen einfach wieder aus meinem Kopf streichen. 

 

Carrie setzte dazu an mir zu antworten :

"Sein Name ist. ..",

doch sie wurde vom DJ unterbrochen.

 

"Und hier ist er, auf dem ihr so gespannt wartet. Hier ist Mack Bolton, der neue Stern am Country -Himmel und auch im Indiebereich eine bemerkenswerte Nummer. Heißt ihn Willkommen!"

 

Mir blieb nichts anderes als zu schnauben und meine Augen zu verdrehen.  Wer ließ sich bitteschön so ansagen? Na das konnte ja etwas werden. 

4. Kapitel

 Zunächst ließ dieser Bolton aber noch auf sich warten, denn als erstes stellte sich seine Band auf. Vertreten waren eine Schlagzeugerin, die sich hinter ihr dunkelblaues Instrument setzte, ein Bassist und ein Kerl mit einem Banjo, was ich persönlich am besten fand. Die Frauen und Mädchen brachen hingegen in Getuschel aus, erwarteten sie doch den Superstar und nicht die einfachen Bandmitglieder. Carron und Lissy unterhielten sich über die Frisur der Frau, deren Haarfarbe der ihres Schlagzeuges entsprach und vereinzelt zu Dreads gedreht war. Zweitere überlegte sogar, ob sie sich nicht eine ähnliche Frisur machen lassen sollte, woraufhin ich mich einmischte :

 

"Lissy, das überlegst du doch nicht wirklich. Denk nur daran, wie lange es dauern würde, bis das wieder rausgewachsen ist und dann müsstest du deine Haare danach abschneiden lassen. Wir wissen alle, dass du das nicht über dein Herz bringen würdest, so wie du sie pflegst. Du liebst es, dass sie  so lang sind. "

 

War mein Blick vorher auf das Geschehen auf der Bühne gerichtet, fiel er nun auf meine beiden Freundinnen. Carrie blickte gerade auf ihr Handy und lächelte. Ich stellte mir vor, dass sie eine Nachricht von Logan bekommen hatte. Vielleicht schrieben sie sogar schon über das Baby. 

 

Wir mussten auf jeden Fall sobald wie möglich darüber sprechen. 

 

Es war Lissy, die mich davor bewahrte mir wieder einmal den Kopf über dieses Thema zu zerbrechen. 

 

"Vielleicht ist es ja mal Zeit für etwas neues. Seit wann habe ich meine langen Haare und die ewig gleiche Frisur? Junior High würde ich sagen. Selbst du hattest zwischendurch eine andere Haarfarbe. Ok, du hattest es zumindest versucht. Weisst du noch. .."

 

Schon hatte sie zu Kichern begonnen. Ich wusste, worauf sie hinaus gewollt hatte. Mein Frisurdebakel der neunten Klasse. Es war kurz nach der Zeit, wo so gut wie alle irgendetwas Neues ausprobieren mussten. Einige hatten ihren Kleidungsstil geändert, andere ihren Musikgeschmack. Manche hatten sich sogar Piercings stechen lassen. 

 

Ich hatte mich, wie einige andere, einfach nur für eine neue Frisur entschieden. Es gab nur ein Problem. Der einzige Friseur in Wakefield hatte es abgelehnt meine Haare zu verpfuschen, wie er es nannte. Deshalb hatte ich kurzerhand blonde Farbe gekauft und zusammen mit Chelsea versucht mir die Haare zu färben. Chelsea, die nicht mal zehn Jahre alt gewesen war. Natürlich war nichts gutes rausgekommen gewesen. 

 

Meine Haare hatten die Farbe kaum angenommen und an den Stellen, wo sie es doch taten einen grässlichen Gelbton bekommen und ich war zum Material für einige Späße geworden. 

 

Seitdem hatte ich mir geschworen,  dass ich nie wieder meine Haare färben würde. 

 

"Na siehst du. Willst du so etwas auch mit deinem Heiligtum machen? "

 

Zugleich fasste Lissy sich an ihre braune lange Mähne. 

 

"Ok, ich überlege es mir noch einmal. "

 

Auf einmal begann die Menge zu jubeln. Unbemerkt von mir war der 'Sänger ' nun endlich auf die Bühne getreten. 

 

"Guten Abend, Wakefield."

 

Nach diesen Worten machte dieser Brian, Boris, ach dieser Möchtegern-Superstar eine bedeutungsvolle Pause. In der selbst die sonst so ruhigen Frauen aus unserem Städtchen begannen zu kreischen, wohl auf Grund seiner angenehmen rauen Stimme. 

Selbst ich musste zugeben, dass er  gut aussah. Vielleicht nicht im klassischen Sinne, aber er war zumindest männlich. Große Statur, mindestens  1,90m, recht breite Schultern, ein kantiges Gesicht und ich glaubte einen Knick in seiner Nase zu entdecken. Dazu noch diese angenehme warme Stimme. 

 

Vermutlich würde der Abend kein totaler Reinfall werden, wenn er zumindest etwas Talent besäße. 

 

"Na Lissy, was meinst du, ist das dein Typ? Sollen Carrie und ich dir helfen ihn klar zu machen, bevor sich Loren ihn schnappt und das gemeine Volk unterjocht? ",

Sprache ich zu  den beiden und wandte meinen Blick vom Artisten ab. 

 

Carron hatte mittlerweile ihr Handy weggesteckt und Lissy hatte noch nicht einmal mitbekommen, dass ich mit ihr gesprochen hatte. Deshalb schaute ich nur Carrie an und hob den Daumen. Woraufhin sie nickte.

 

Zugleich steckte ich wie auf ein Kommando hin Daumen und Mittelfinger in den Mund und pfiff einmal laut, bevor sie und ich uns umdrehten und nur noch Lissy von uns dreien nach vorne blickte. Sie stand zwischen uns beiden und war wie erstarrt. Der Kerl schien es ihr echt angetan zu haben.  Vergessen war Seth. 

Nach einem gezielten Hieb mit dem Ellenbogen von sowohl Carron, als auch mir, hob sie endlich die Hand und wank. 

 

Lissy for President,  äh next Celebrity.

 

Das musste dieser Superstar auf jeden Fall mitbekommen haben, denn erstens standen wir ja sehr weit vorne und ich war sehr geübt in Pfeifen da konnte auch eine kreischende Meute nichts daran ändern. Auch wenn ich sogar fremde weibliche Gesichter in der Masse ausmachen konnte,  obwohl in Wakefield jeder jeden kannte. Waren sie extra für den Sänger angereist? Mit einem Schulterzucken drehte ich mich in dem Moment wieder um, als eben dieser wieder begann zu sprechen. 

 

"Es freut uns wirklich hier sein zu dürfen. Eure Stadt ist ein wirklich toller Ort und ich hoffe wir können ihn heute noch etwas toller machen. "

 

Während seiner Worte nahm er eine Gitarre und hängte sie sich um und nach einer weiteren Kreischwelle  (Waren wir hier auf einem One Direction Konzert? ), begannen er und Banjospieler eine Melodie zu spielen. 

 

Und ich musste sagen, sie waren gut. 

 

Wirklich gut .

 

Begonnen hatten sie mit sanften Klängen des Banjos und der Gitarre, bevor der Bass und das Schlagzeug einsetzten und der wahre Sound begann . Als dann der Sänger seine Stimme erhob, war es kurz um mein Herz geschehen. 

Ich bekam nicht einmal auf Anhieb mit, dass mich Carrie leicht stieß, um auf sich aufmerksam zu machen. Erst beim x-ten Versuch realisierte ich es. 

Leicht verwirrt blickte ich sie an. 

 

" Auch wieder da? Ich glaube, da brauche ich ja gar nicht mehr fragen , ob sie dir auch gefallen. " 

 

Während sie sprach, musste ich mich weiter zu ihr hinbeugen, um sie zu verstehen. Danach lächelte ich verlegen, bevor ich erwiderte :

 

"Ja, ich muss zugeben, sie gefallen mir. "

 

Gleichzeitig lachten wir beide auf und hörten der Band wieder zu. 

 

Boris, nein Bolton, genau Bolton, sang über die Weiten des Landes, was nicht unbedingt neu war, aber im selben Atemzug erwähnte er, wie klein sie doch im Vergleich zum Rest der Welt wäre. Bei all dem typischen Countrysongmaterial behielt er immer einen gewissen Grad an Ernsthaftigkeit. Es war als wolle er seinen Zuhörern etwas über das Leben beibringen und das, obwohl er selbst nicht allzu alt sein konnte. Höchstens 26. Trotzdem nahm man ihm das voll und ganz ab. Er sang über Barbesuche, Whisky trinken, Frauen und Schlägereien, genauso wie über Respekt, Ehrlichkeit, Weitsicht und Toleranz. 

Die Aufteilung seiner Songs variierte von Mal zu Mal. 

 

Als dann ein Lied mit tollen Beat und Takt kam, schnappte ich mir Carrie und Lissy und begann unseren eigenen Mix aus Line-und Squaredance zu tanzen. Wir lachten und verhaspelten uns. Wir hatten Spaß. Steckten sogar einige Leute um uns herum an, mit denen wir versuchten beim Tanz auf einem Nenner zu kommen. Die Stimmung war grandios. Als es zum Höhepunkt des Songs kam, das Banjo immer schneller spielte und der Sänger die Töne hob, waren wir dazu übergangen uns in einem Kreis aufzustellen und in der Mitte Solos zu tanzen. Wir machten die obskursten Bewegungen. 

 

Dann, als ich zum zweiten Mal an der Reihe war, begann ich mich langsam zu drehen und Bauchtanzbewegungen zu machen, die gerade so noch zum Lied passten, bevor ich mich mehrmals hinter einander einfach und schnell drehte.

Nur, um dann mit dem Blick zur Bühne zu stoppen. 

 

Und etwas, was ich kaum beschreiben konnte, geschah. 

 

Meine Augen trafen die des Sängers und es war als würde die Welt für diesen einen Moment stehen bleiben. Die Musik verklang. Die Stimmen verstummten. Nur wir beide waren wichtig, so zumindest fühlte es sich an. Im Nachhinein war es, wie aus einem Liebesroman entsprungen. Eigentlich hätte er seine Gitarre abstellen, von Bühne springen und mich stürmisch küssen müssen. Da es jedoch die knallharte Realität war und ein Möchtegern-Superstar, wie er, niemals auf das Cowgirl, was ich irgendwie war, stehen würde, geschah das natürlich nicht. 

 

Stattdessen wandte ich meinen Blick ab, drehte mich zu den anderen um und es war, als hätte jemand den Lautstärkeregler wieder höher gedreht. Ich hörte die Musik, das Jubeln der Menge und das Gelächter meiner Freundinnen, die nichts von diesen kurzen, verwirrenden Moment mitbekommen hatten. Auch wenn sich dieser für mich wenigstens wie unzählige Minuten angefühlt hatte, waren sicherlich nicht einmal zehn Sekunden vergangen.

 

Und dieser wundersame und recht außergewöhnliche Moment wurde zu einem von vielen. 

 

Zumindest für mich. 

 

Dass es für den Möchtegern-Superstar, diesen Bolton, anders war, konnte ich nicht ahnen. Hätte ich nie zu träumen gewagt. Aber manchmal hatte das Schicksal seine ganz eigenen Pläne und wollte diese, ohne Rücksicht auf Verluste, auch durchziehen. 

5. Kapitel

 

Sechs verdammte Tage waren zu kurz, um Abschied zu nehmen.

 

Das sagte ich mir immer wieder, denn genauso fühlte es sich an, obwohl es schon viel länger feststand, dass ich in Schottland studieren würde.

 

Doch beim Koffer packen:

 Sechs verdammte Tage waren zu kurz, um Abschied zu nehmen.

 

Beim Telefonieren mit meinen Großeltern väterlichseits:

Sechs verdammte Tage waren zu kurz, um Abschied zu nehmen 

 

Beim Zusammenstellen aller Papiere:

Sechs verdammte Tage waren zu kurz, um Abschied zu nehmen 

 

Beim Spazieren über die Ranch:

Sechs verdammte Tage waren zu kurz, um Abschied zu nehmen 

 

Einfach immer wieder. Natürlich freute ich mich über diese Chance, die sich mir bot. Denn, wie Carrie schon sagte:

Wer konnte schon von sich behaupten, an der selben Uni, wie mancher Prinz und Denker studiert zu haben?

Und das auch noch im Land meiner Ahnen und Träume?

 

Es war einfach nur... Ein ganzer Ozean würde zwischen uns liegen und ich wäre allein. Gedanken ähnlich, die vom Vorabend, kamen in mir auf und ich versuchte sie fort zu schicken, da sie einfach nur egoistisch waren, aber sie waren hartnäckiger als gedacht .

Ich würde soviel verpassen, überhaupt nicht einmal mitbekommen. Klar, es gab Telefone, Skype und was weiß ich, aber das war nicht dasselbe.

 

Was wäre, wenn jemand einen Unfall hätte? 

Wer würde Eric bei den Englischaufgaben helfen? 

Für Mom das Essen kochen, wenn sie länger im Krankenhaus arbeiten müsste?

Chelsea bei Jungsproblemen helfen?

 

Was wäre, wenn Carron ihr Kind bekommen würde und ich wäre nicht da?

 

Eine Stimme in mir sagte: Es wäre nichts. Nichts, was sie nicht ohne dich hinbekommen würden.

Da stellte sich mir die Frage: Würde ich es ohne sie hinbekommen?

 

Und ein immer lauter werdendes NEIN erklang in meinem Inneren.

 

" Dee? Kommst du?".

Schnell wischte ich mir die einzelnen Tränen von den Wangen und begab mich auf den Weg nach unten in die Küche.

 

Carrie hatten mir gestern ihr kleines Geheimnis noch nicht verraten und somit hatte ich meine Überraschung auch nicht bekommen. Ich hoffte, dass sie es mir heute erzählen wollte. Wir veranstalteten heute, nach langer Zeit mal wieder, einen Mädelsabend. Nur, wir beide. Die perfekte Zeit für Geheimnisse.

Mom hatte für eine Kollegin eine weitere Schicht als Krankenschwester in unserem kleinen Krankenhaus in Wakefield übernommen.

Eric war immer noch  in seinem Sommercamp, wie schon fast die gesamten Ferien über und Chelsea besuchte ihren eigenen Mädelsabend bei einer Freundin von ihr.

 

So waren wir allein. 

 

Carrons wollte unbedingt für uns kochen, obwohl ich auch mit einer Thunfischpizza zufrieden gewesen wäre, stattdessen gab es Hähnchencurry mit Reis.

Als ich Küche betrat, roch es wunderbar und ich kam nicht drumherum zu bemerken, wie nervös meine beste Freundin aussah.

 

Sie würde es mir heute sagen, da war ich bei diesem Anblick sicher. Ein kleines Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen, bevor ich zu ihr trat und ihr die Teller, die sie gerade aus den Schrank genommen hatte, abnahm. Wenn sie schon kochte, konnte sie mir das Tisch decken überlassen. 

 

"Lass nur. Ab hier übernehme ich Carrie, also setz dich hin. Du bist ja ganz zittrig. Muss ich mir Sorgen machen?", 

Sprache ich zu ihr, wobei ich es mir nicht nehmen ließ, etwas zusammen sticheln.

Auf meine Bemerkung zuckte sie merklich zusammen und gerade so konnte ich mich selbst davon abhalten,  aufzulachen.

 

Ich stellte die Teller auf die Küchentheke. Carrie und ich aßen seit einem kleinen Vorfall in meinem Zimmer immer in der Küche. Ich war 15 glaube ich und es war ein Mädelsabend, wie dieser, angesetzt. Nur gab es Pizza. Oben war eine kleine Schlacht ausgebrochen nachdem ich Carrons ausversehen angekleckert hatte. Natürlich nahm sie mir nicht ab, dass es ein Versehen war und schmiegte mich ebenso voll. So ging es immer weiter bis ein Pizzastück an meiner Zimmertür geklebt hatte und die Wand ringsherum mit Tomatensauce bespritzt. 

Das Ende vom Lied war ein Haufen Ärger und Arbeit, denn zur Strafe durften wir mein Zimmer neu streichen, den Schuppen und den Hühnerstall, der natürlich vorher ausgemistet werden musste. Seitdem sagten wir freiwillig wir bleiben mit unserem Essen unten und da das Esszimmer für uns beide zu groß war, aßen wir an der Theke in der Küche.

 

"Ach , es ist nichts. Ich hab wahrscheinlich zu wenig getrunken heute.", antworte Carron mir und riss mich so aus meinen Erinnerungen. 

 Ohne es zu bemerken hatte ich schon Gläser aus dem Küchenschrank genommen. Diese stellte ich zu unseren Tellern und nahm noch Besteck dazu. 

 

Carrie hatten sich auf einen der Hocker, die zur Theke gehören gesetzt und goss sich, wie zur Bestätigung Ihrer Worte,  zittrig etwas Wasser in das Glas ein, was ich vor sie gestellt hatte. Danach schüttelte die Unfällen ihre Hände aus, als wollte sie das Zittern vertreiben. Ich bekam es mit, da meine gesamte Aufmerksamkeit auf jeden Bewegung ihrerseits lag.

Lächelnd wand ich mich ab und gab den Reis zum Curry hinzu, mischte das Ganze, um es dann auf unsere Teller zu verteilen.

Diese Situation benötigte keine Worte. Ich ließ ihr lieber etwas Zeit, um sich zu sammeln. Immerhin ging es um das Wohlbefinden von gleich zwei Menschen.

 

Nachdem ich den ersten Bissen genommen hatte, lobte ich die Kochkünste meiner besten Freundin und dann schwiegen wir erst einmal . Die Stille hätte unangehm sein können, hätte ich nicht gewusst, worum es geht. So freute ich mich im Stillen und aß vergnügt weiter. 

Dann, als wir fast aufgegessen hatten, machte Carron endlich Anstalten ein Gespräch zu beginnen und ich freute mich, endlich meine Vermutung bestätigt zu bekommen, stattdessen fragte sie nur, welchen Film wir später sehen wollten.

 

Am liebsten hätte ich zu lachen begonnen. Wir quälten uns beide hier. Ein leichtes Kopfschütteln  konnte ich mir jedoch nicht verkneifen.

Ich antwortete kriptisch:

"Wir werden sehen, was der Abend noch bringt."

 

Nach dem Essen spülten wir schnell, die Teller und Töpfe und verstauten sie wieder in den Schränken. Das restliche Curry fand seinen Platz im Kühlschrank.  Mom würde sich später drüber freuen. Als Krankenschwester half sie so vielen Menschen, deshalb hatten wir Kinder schon früh begonnen, ihr mit kleinen Gesten den Alltag zu erleichtern.

 

Oben machten Carrie und ich es uns auf meinem Bett bequem. Wir hatten beschlossen keine meiner unzähligen Dvds zusehen und stattdessen im Internet nach einen geeigneten Film zu sehen.

Ok, Carrie hatte mit gespielter Euphorie beschlossen, während ich einfach zustimmte. Ich wollte endlich, dass sie mit mir sprach. Richtig sprach.

 

Wie lange hatte sie noch vor, dass vor sich her zu schieben? Was dachte sie denn, würde passieren, wenn sie es mir sagt?  Sie war meine beste Freundin, wie eine Schwester für mich. Nie würde ich sie in Stich lassen.

Nachdem sie sich für eine romantische Komödie mit Adam Sandler und Drew Barrymore entschieden hatte, schwiegen wir erneut. Den gesamten Film durch. Sonst redeten wir, wenn wir Filme zusammen sahen, immer. Lachten. Alberten. 

Einen ganzen Film lang hatten wir noch nie geschwiegen, nicht einmal im Kino. 

Frustriert stand ich von meinem Bett auf und ging in das kleine Bad, welches zu meinem Zimmer gehörte. Dort spritzte ich mir etwas Wasser ins Gesicht und schaute kopfschüttlend in den Spiegel. Nachdem ich dann mein Gesichter abgetrocknet hatte, verließ ich das Badezimmer wieder und trat in mein Zimmer. 

Carrie war nicht mehr im Raum, stattdessen stand meine Terassentür offen. Sie war wohl auf den Balkon gegangen. Dieser umrandete fast das gesamte Haus. Man konnte der Sonne auf diesen immer folgen. Mein Vater hatte ihn als ich glaube sieben war erweitert. Damals gab es nur beim Hauptschlafzimmer einen. Als er dann merkte, dass ich gerne auf diesen saß und laß, begann er diesen auszuweiten. Meine Mutter gefiel das und es entstand mein liebster Ort im Haus. 

 

Wie viele Stunden ich nicht schon auf den Balkon verbracht hatte.Allein und mit Carrie in den Korbsesseln neben mir sitzend. Von hier aus hatte man den perfekten Blick die kleinen Blockhäuser von Tom und Craig und den Stallungen und im Hintergrund die Rocky Mountains. Mein Zimmer lag zum Westen heraus, und wenn man auf der anderen Seite war, sah man die Ferienhäuser der Kinder und deren Betreuern. Diesjahr waren alle Häuser belegt, wenn Dad das sehen könnte, sein Traum kam endlich ins Laufen. Reiterferien auf der Summond Ranch.

 

Bald würden die Kinder und Betreuer abreisen.

Bald würde der Sommer endgültig vorbei sein.

Bald würde ich fort sein.

 

Carron war wirklich auf dem Balkon. Mit dem Rücken zu mir, sah sie in den Himmel, der in den unterschiedlichsten Farben, die er der untergehenden Sonne verdankte, leuchtete. Die Berge schienen zu glühen. Ich glaube an diesen Anblick konnte man sich nie satt sehen. 

Leise trat ich neben sie und legte meine Arme auf das Geländer.

Wie sooft heute schwiegen wir, doch diesmal gemeinsam. Es war angenehm und trotzdem lag eine gewisse Spannung in der Luft, als würden wir uns auf etwas vorbereiten. Nach einigen Minuten der Stille, brach ich das Schweigen.

Ich legte meine linke Hand auf ihre Rechte und sagte:

"Wir schaffen das."

 

Als wäre der Damm gebrochen, flossen über Carries Gesicht Tränen. Sie drehte ihre Hand und nahm die meine in ihre. Ich drückte die ihre und fuhr fort:

"Ich weiß, dass du schwanger bist."

 

Danach sahen wir wieder für einige Momente schweigend zu den Rockies hinüber, bevor sie mich leise fragte:

"Wieso hast du nichts gesagt?"

 

Ich wusste, dass sie diese Frage stellen würde, einfach nur um es zu hören, denn sie konnte es sich denken. Wir kannten einander zu gut. Nur so konnte ich doch auch nur merken, dass sie schwanger war und das sogar vor meiner medizinisch bewanderten Mutter.

 

"Weil ich dir die Chance geben wollte, es mir selber zu sagen, wann immer du bereit sein solltest."

"Aber  warum..."

"Warum ich es dann doch nun selber anspreche? Komm schon Carrie, wir beide wissen. Du brauchtest diesen Schubs."

 

Lächelnd drehte ich mich zu ihr, entnahm ihr meine Hand und wischte ihr mit meinen beiden die Tränen aus dem Gesicht, bevor ich weitersprach:

"Also her mit der Überraschung, was wird es? Ein Cowboy, oder doch ein Cowgirl?".

 

Carron lachte leicht auf und nahm mich in den Arm.

" Ich bin so froh, dass ich dich habe." 

 

Nach diesen Worten musste ich noch etwas auf meine Antwort warten, denn uns gegenseitig umschlungen standen wir auf dem Balkon bis die Sonne fast gänzlich hinter den Bergen verschwunden war. 

Erst dann trennten wir uns und wir nahmen, nachdem ich von drinnen zwei Decken geholt hatte, auf den Korbsesseln, Platz. 

 

Dann begann meine beste Freundin langsam zu erzählen:

 

"Ich bin der 19 Schwangerschaftswoche."

 

Also hatte sich mein Verdacht bestätigt und niemand anderes als Logan konnte der Vater sein.

 

"Aber bevor du jetzt zu schimpfen beginnst, Dee, muss ich dir sagen, dass ich es selber noch nicht allzu lange weiß. Erst seit drei Wochen. Ja, ich weiß, das ist auch schon ein ziemlicher großer Zeitraum, aber ich musste selber erst einmal damit klar kommen. Dann habe ich es Logan gesagt, der ist ja irgendwie in der Sache insvolviert", leicht kicherte sie unbehaglich und fuhr anschließend fort: "naja, und danach musste ich mir Gedanken machen, wie ich es dir sagen sollte. Du bist eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben und was wäre gewesen, wenn, ach ich weiß auch nicht, was ich gedacht hatte, aber ich konnte es irgendwie nicht. Das Logan es erfahren hat, war auch eher ein Unfall. Ich hab ihn eine verdammte SMS geschickt, ausversehen, alle davor hatte ich wieder gelöscht. Umso mehr Leute es wissen, umso unumstößlicher wird es irgendwie für mich.

Nicht mal meine Eltern wissen es. Ach, ich wollte doch noch gar keine Kinder jnd Logan auch nicht. Aber ich liebe es jetzt schon, wenn du wüsstest, was ich mir schon alles ausgemalt habe. Ich und ein Kind mit einem Rodeoreiter als Vater, kannst du dir das vorstellen?"

 

Carron wischte sich mit ihren Händen übers Gesicht und blickte mich anschließend an, eine Antwort abwartend.

 

" Natürlich kann ich es mir vorstellen! Was für ein süßes Kind da nur rauskommt. Ich kann mich nur wiederholen, wir bekommen das hin. Mein Schottlandaufenthalt blase ich einfach ab."

"Das wirst du ganz sicher nicht!".

"Das hier ist wichtiger, aber sag, was wird das kleine Würmchen denn? Du weisst es doch schon, oder?"

 

Ich war völlig aus dem Häuschen. Kinder waren etwas tolles. Die Begeisterung für sie hatte ich wohl von meinem Vater. Carron war außerdem so liebevoll. Sie würde das hinbekommen.

 

"Ja, ich weiß es schon. Ich bekomme ein Cowgirl".

 

Lächelnd schaute mich meine beste Freundin bei ihren Worten an und gerade als ich voller Euphorie antworten wollte, fuhr sie fort:

 

"Und ein Cowboy."

 

Völlig verdutzt sah ich Carrie, die zu lachen begann, an und fragte:

 

"Wie?"

 

Woraufhin sie nur noch mehr lachte.

 

"Ja, so habe ich wohl auch ausgesehen, als ich erfahren habe, dass ich Zwillinge bekomme".

 

"Zwillnge? ZWILLINGE?".

 

"JA, Zwillinge."

 

 

6. Kapitel

Die nächsten Tage verbrachten Carrie und ich damit Sachen für die Kleinen zu kaufen. Ich hatte ja einiges an Vorarbeit zu leisten, denn ich würde die nächsten Monate nicht da sein. Carron hatte mich so lange belagert, bis ich ihr versprach, dass mich nichts davon abbringen würde, nach Edinburgh zu fliegen.

Und was ich versprach, hielt ich ein.

 

Die täglichen Shoopingtrips lenkten meine besten Freundin zudem davon ab, was ich im Stillen plante. Morgen Abend würde mein Flug und ich hatte vor den Spieß umzudrehen. Ich würde eine Party geben, als Abschiedsgeschenk für die anderen und als heimliche Party für Carries Neuigkeiten. Vielleicht würde sie sich sogar trauen den anderen ihr kleines Geheimnis zu verraten, solange ich noch da war.

 

Gerade hatte ich Carrie in der Kinderabteilung von unserer Lieblingsmall in Greatfalls gelassen, und war mit der Ausrede, ich müsste auf Toilette, losgezogen. Wir fuhren gerne in die 45 Minuten von der Ranch entfernte Stadt, wenn wir mal richtig shoppen gehen wollte, oder wie diesmal ein Geheimnis hüten mussten. Erstens war Carron noch nicht bereit ganz Wakefield von ihren Schwangerschaft zu erzählen, was sie täte, wenn sie in einem der beiden Geschäfte für Kinderkleidung einkaufen würde. Zweitens war ich selbst auch in geheimer Mission unterwegs. Ein entfernter Verwandter von mir hatte hier einen Laden für allerlei Dinge aus Holz und ich hatte ihn, am Morgen nach meinem Gespräch mit Carrie, um etwas gebeten.

Er sollte für mich eine alte Kommode, die er schon vor längeren für mich restauriert und die ich bisher noch nicht abgeholt hatte, etwas verändern. Da ich zur Familie gehörte legte er Extraschichten ein. Meine Idee war, die Rückwand abzutrennen und durch eine individueller gestaltete zu ersetzen. Sie sollte höher sein als die eigentliche und in den Überstand sollte ein Spruch gefräst werden.

 

Gum biodh ràth le do thurus.

 

Ein gälisches Sprichwort, welches wie ein Familienmotto für mich war.  Es hieß soviel wie: Möge deine Suche erfolgreich sein und wurde von uns großzügig ausgelegt. Wir verwendeten es, um unseren Lieben viel Glück auf einer Reise zu wünschen, zu versichern, dass deren Entscheidungen akzeptiert werden würden und es sollte Mut machen seinen eigenen Weg zu gehen.

 

Die Kommode stand schon sicher in unserem Schuppen auf der Ranch, aber die Rückwand würde ich heute mitschmuggeln müssen. Deshalb beschleunigte ich meine Schritte und trieb anschließend meinen Großonkel zweiten Grades zur Eile an, als er mir half diese zu meinem Pickup zu tragen. So schwer war sie zwar nicht, aber dafür unhandlich. Bevor wir heute aufbrachen, hatte ich eine Plane 

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Bildmaterialien: Cover bei mir, Bilder Internet
Tag der Veröffentlichung: 11.10.2016

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