»Hab mit Birke geredet, ihm ein bisschen von dir erzählt, wie du so drauf bist und so. Keine Sorge, nichts über diese Sache, sondern eher so Zeug, wie, dass du ruhig und reinlich bist …«
Ruhig und reinlich … Was noch? Kackt nicht auf den Teppich. Verträgt sich nicht mit anderen Rüden, ansonsten aber sehr zutraulich?
Ich nicke, während Benny quatscht und quatscht. Mich interessiert nur das Ergebnis, aber ohne Tamtam und Tusch geht bei meinem kleinen Bruder gar nichts.
»Jedenfalls … Birke ist total chillig drauf, weißt du, solang du ihn sein Ding machen lässt und keine blöden Fragen stellst … am besten ignorierst du ihn … ach ja, und wenn der Paketdienst kommt, geh nicht zur Tür, Birke hasst es, wenn jemand seine Post anfasst …«
»Heißt das nun, ich kann bei euch wohnen, bis ich was gefunden habe?«, frage ich, um die Sache abzukürzen. Mein Tramperrucksack mit all meinen Kleidern lehnt an meinem Bein wie ein erschöpfter Bullmastiff.
»Nein, Folgendes: viel besser!« Bennys ganzer Körper vibriert vor Anspannung. Man hätte ihm den Stuhl unterm Hintern wegziehen können, und er hätte es nicht einmal bemerkt. Er schiebt etwas unter seiner Handfläche über die Marmortischplatte und hätte ich nicht das leise metallische Kratzen gehört, ich hätte weiß Gott was gedacht. Ich traue Benny allerhand zu.
»Et voilà!« Er starrt mich aus tellergroßen Augen erwartungsvoll an.
Ein Schlüssel. Yeeey. Mit ein bisschen Mühe gelingt es mir, Begeisterung vorzutäuschen. »Ist das deiner?«
»Ja.« Benny sagt das so, als würde das etwas bedeuten. Mehr als: Klar kannst du bei mir pennen, du Psycho.
Ich untersuche die Schlüssel. Vielleicht ist ja einer für einen Porsche dabei. Negativ.
»Und?« Benny scheint kurz vor dem Platzen.
»Äh … danke, du … ähm … rettest mir das Leben …?«
Er winkt ab, als wäre ihm seine Großzügigkeit lästig. »Ja, ja, schon gut … aber … interessiert dich denn gar nicht, wie ich jetzt in die Wohnung komme?«
Ehrlich gesagt … »Mit einem … Zweitschlüssel?«
»Gar nicht!« Triumphierend schlägt er die Hand auf den Tisch.
»Oh, das … so war das natürlich nicht gedacht …« Zwischen mutlos und verwirrt schiebe ich ihm den Schlüssel wieder zurück.
»Nein, nein«, zack – Schlüssel wieder bei mir –, »brauche ich nicht mehr. Rate Mal!«
»Benny, ehrlich gesagt bin ich müde und habe keinen Nerv …«
»Tiffany«, rotzt mir Benny hin und scheint zu erwarten, dass ich das begreife. »Tiffany! Tif-fan-ny!« Benny formt mit seinen Händen Brüste in der Größenordnung eines Airbags. »Forum? Chat? Florida? Ich hab dir doch davon erzählt.«
»Du erzählst so viel, Benny«, vor allem so viel Scheiße, »ich tu mir da manchmal schwer, mir das zu merken«, vor allem, wenn in deinem Geschwafel nordamerikanische Kontinentaltitten vorkommen.
»Aber …!« Als hätte ich es übersehen – als hätte es irgendjemand in diesem Café übersehen können –, formt er noch einmal Schaufeln vor seiner Brust. Dann winkt er gönnerhaft ab und tätschelt meinen Unterarm. »Ach sorry … ich vergesse immer, dass du damit nichts anfangen kannst. Mann, du lässt dir echt was entgehen, Bruderherz! Du solltest dir das wirklich nochmal überlegen …«
»Lutsch einen Schwanz, und ich denk darüber nach«, brumme ich.
Benny lacht auf. »Touché.« Dann beginnen seine Augen noch aufgeregter zu funkeln, wenn das überhaupt möglich ist. Ich frage mich, ob diese Euphorie natürlichen Ursprungs ist. Mit zoologischer Neugier betrachte ich ihn, während er mir mit sehr vielen, sehr anschaulichen Wörtern erzählt, dass er nach Amerika fliegt. Tiffany (die mit den Brüsten) hätte ihn eingeladen – für zwei Monate (vielleicht sogar länger). Beim Wort Trailer horche ich auf, weil die Kombination Tiffany-Silikontitten-Trailer-Benny ein knorkes Bild erzeugt. Je größer die Dinge, die aus seinem Mund kommen, umso banaler ihre Realität. Nur gut, dass Benny ist, wie er ist. Zwei Monate Trailerpark sind in seinen Augen vermutlich vergleichbar mit einer Reise mit einem Luxusdampfer. Und während er redet und redet, frage ich mich, wie ich Birke, meinen zukünftigen Mitbewohner, gemäß den Beschreibungen meines Bruders einordnen soll.
Ich kann nicht umhin, mir einzugestehen, dass mich ein leicht mulmiges Gefühl beschleicht, als ich mich auf den Weg nach Hause mache.
Als ich die Wohnung betrete, die sich bislang Birke und Benny geteilt haben, höre ich aus dem einzigen geschlossenen Zimmer das Stöhnen einer Frau. Wie erstarrt bleibe ich stehen, meinen Tramperrucksack einen halben Meter über dem Fußboden balancierend. Das Stöhnen wird zu einem fast animalischen Brüllen, dann zu einem ekstatischen Lachen.
»Oh, Mann, ja, das war der Hammer, ich hatte es echt bitter nötig.«
O-kay. Leise stelle ich
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Kooky Rooster
Bildmaterialien: Kooky Rooster
Tag der Veröffentlichung: 15.05.2015
ISBN: 978-3-7396-1544-8
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