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Einführung



Es war ein Tag wie jeder andere. Der Regen prasselte auf die Fenster und die Menschen strömten in Massen durch die Straßen. Die einen gingen zur Arbeit und die anderen zur Schule. Keiner hätte sich zu diesem Zeitpunkt ausdenken können, was schon bald mit der Menschheit und der kompletten Welt passieren würde.

50 Kilometer weiter liegt ein kleines Dorf. Ein Dorf das auf den ersten Blick wie jedes andere Dorf wirkt. Die Frauen wuschen die schmutzige Wäsche ihrer Männer, die Männer wiederum waren auf dem Weg zur Werkstatt. Auch hier konnte sich niemand ausmalen, wie sich die Zukunft gestalten würde.

Zwei Häuserblocks weiter, gab es einen Jungen namens Ruby. Er war gerade mal 15 Jahre alt, hatte aber einen Verstand von einem 32-jährigen. Für sein Alter war er so weise und sehr klug. Während sich die anderen Kindern und Jugendlichen mit Themen, wie z. B. Freizeitgestaltung, Videospiele oder anderes sinnloses Zeugs, beschäftigten, so studierte er täglich die komplette Zeitung, von vorne bis hinten. Er hatte nicht viele Freunde, aus dem einfachen Grund, dass er mit niemand so richtig was anfangen konnte. Entweder waren sie zu ungebildet oder hatten zu viel Unsinn im Kopf. Mit was sich Ruby beschäftigte, mit dem setze sich so mancher Erwachsene nicht einmal auseinander. Nein, Ruby war kein gewöhnlicher Junge, er war anders! Das wusste er auch.

Schon lange hatte er keinen Kontakt mehr zur Außenwelt. Seine Lebenslust war einfach nicht mehr so stark wie früher. Wenn er die Menschen so beobachtete, dann waren sie für ihn, wie ein Dorn im Auge. Was heutzutage noch zählt sind Qualifikationen und das Erscheinungsbild. Geld und Ruhm sind Mitspieler dieser Weltanschauung. Niemand sorgt sich um den anderen. Egal was auch geschieht, Hauptsache die Brieftasche ist voll. Deshalb suchte Ruby schon länger nach eine Antwort dafür. Eine Antwort für die Entwicklung der Menschheit. Wie konnte es so weit kommen? Was wurde aus dem Wert eines jeden Menschen? Wieso gibt es Kriege? Und warum bekommt das Geld so einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft?

Das alles waren Fragen, mit denen sich Ruby beschäftigte. Seine Lust diese aufzuklären, stieg von Tag zu Tag an. Ehrgeizig verschaffte er sich so viel Wissen, dass an manchem Abend sein Kopf regelrecht glühte. Er wollte das Rätsel auflösen. Der Geheimcode der Welt musste entschlüsselt werden. Die Aufgabe, die noch kein anderer vor ihm geschafft hatte zu lösen, musste er übernehmen. Es war eine Reise in die Ungewissheit. Eine Reise an einen Ort den Ruby nicht kannte. Ein Ziel, das es vielleicht nicht gab. Doch alleine schon der Gedanke an die Entschlüsselung diesen Codes, spurte ihn an. Viele, ja wenn nicht schon Etliche vor ihm, versuchten sich an dieser enormen Aufgabe, die über die Welt herrscht. Keiner schaffte es. Entweder verließ sie den Mut oder sie starben wenige Meter vor ihrem Ziel. Keine Aufgabe ist schwieriger zu lösen, als den Sinn des Lebens zu entschlüsseln. Ein Weg in die Ferne, weit weg von zu Hause. Auf einen der höchsten Berge. Berge die aussehen wie die gewaltigen Zähne eines Löwen. Berge, die einfach nur Macht auf die Wanderer ausüben. Berge, die es nicht zulassen werden, dass das Geheimnis der Lebewesen auf der Erde entlarvt wird. Das Geheimnis, dass uns Menschen sagen wird, warum wir eigentlich leben. Warum wir Menschen und keine Tiere sind. Warum Fische keine Vögel sind. Und warum das Wasser keine Wüste ist. Das alles wird uns beantwortet werden.

Warum die Reise so gefährlich ist, hat aber noch einen weiteren Grund. Vor ihm fürchtet sich jeder, der nur daran denkt. Er wird alles komplett verändern. Es wird nichts mehr sein, wie es einmal war. Den Menschen wird bewusst werden, dass sie zeit ihres Lebens alles falsch machten, was man falsch machen hat können. Diese Reise ist nicht von Vorteil der menschlichen Lebewesen, sie ist nur von Vorteil der Erde und unserer Natur. Das verborgene Geheimnis rettet nicht uns, nein, es rettet die Welt vor dem Untergang.

Gott schuf die Erde aus dem Grund, dass sich Menschen ansiedeln und sich fortpflanzen, dass sie sich an die Umwelt anpassen und nicht andersrum. Er machte ihnen ein Geschenk, das unbeschreiblich schön war. Leider setzten wir es nicht um.

Ruby wusste zu diesem Zeitpunkt, man schrieb das Jahr 2010, dass es so nicht weiter gehen konnte. Er wusste, dass bald eine neue Menschenart entstehen wird. Dieser konnte man so eine Welt nicht überlassen.

Sein Entschluss war also gesetzt. Morgen früh in der Dämmerung würde er aufbrechen. Sein Dorf wird er niemals wieder sehen können, und seine Freunde erst recht nicht. In den kommenden Monaten wird es eine Veränderung geben, die keiner zum Aussprechen wagt.

Ruby war sich bewusst, dass das was er vorhatte, nicht zu entschuldigen war. Er würde dem Homo Sapiens das Leben nehmen, die Menschheit wird aussterben. Doch die Welt wird bestehen bleiben. Somit hätte es wieder Platz für eine neue ´´Rasse´´ von Menschen, die vielleicht alles anders machen wird.
Es war ein schwerer Schritt für Ruby, doch das war er der Welt schuldig. Man konnte nicht zulassen, dass es zur Apokalypse kam. Nein die Welt durfte nicht untergehen. Da war er sich sicher…


Kapitel 1



In der Nacht schlief Ruby unruhig. Er hatte wilde Träume. Alles war durcheinander und verrückt. In einem Traum sah er, wie er kurz vor seinem Ziel stand, und dann vom Berg abstürzte. Wie sein Weltanschauungsbild zusammenbrach. Wie er unseren Planeten nicht retten konnte. Und wie die Menschheit sich in Ungeheuer verwandelte und alles kaputt machte, was noch nicht kaputt war. Kriege brachen aus, man machte sich gegenseitig fertig. Das schöne alte Leben war verschwunden. Jeder sorgte nur noch für sich selbst, die anderen zählten nicht mehr. Man lebte in einem Bunker, der die Menschen vor den Atombomben und der radioaktiven Strahlung schütze. Es gab keinen Fleck mehr, der eine Farbe hatte. Keine Bäume, die für Sauerstoff sorgten. Das Sonnenlicht schien nicht mehr auf die Erde. Es war alles Eis. Schwere Stürme und erschreckende Tiere entwickelten sich. Kinder starben schneller, als man schauen konnte. Er war grauenvoll…

Schweißgebadet wachte Ruby auf. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und dementsprechend ruhig war es um sich herum. Die Ruhe war schon fast bedenklich, als würden die Menschen wissen, was er vorhatte. Doch sein Entschluss war fest. Er wollte den Code entschlüsseln. Es war seine Pflicht.

Schließlich packte er seinen Rucksack. Er packte nicht viel ein, doch es war genug. Ein Leib Brot, ein Ring Wurst, ein Messer, eine Trinkflasche, eine warme Decke und eine Landkarte mit integriertem Kompass.

Für einen kleinen Moment hielt er inne. Seinen Plan ging er stillschweigen nochmals innerlich durch, schaute sich ein letztes Mal in seinem kleinen Quartier um und betete zu Gott, dass alles gut werden würde. Dann zog er seine Wanderstiefel an und schnappte sich seinen Rucksack. Die Zeit war gekommen, er musste seine Wanderung in die Ungewissheit beginnen.
Als er aus dem Haus trat, lauschte er der lauen Nacht. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört. Alles war voller Matsch und die Dunkelheit machte ihm das Laufen zur Herausforderung. Noch einmal drehte er sich zu seinem Häuschen um, in dem er viele Jahre verbrachte. Ein mulmiges Gefühl überfiel ihn, das sein Vorhaben nochmals in Frage stellte. Doch er gab sich ihm nicht in Gewahrsam. Voller Begeisterung marschierte er Richtung Süden, zum großen Gebirge. Er hatte einen Fußmarsch von einem Tag vor sich. Wenn er zügig lief, so hätte er vor Einbruch der Dämmerung den Fuß des Roten Berges erreicht.

Zu dieser frühen Stund war das Dorf wie ausgestorben. Es brannten keine Lichter in den Häusern, die Maschinen der Werkstätte standen still und nicht einmal der Bäckermeister war in seiner Backstube zu sehen. Ihm gefiel dieses Gefühl von Freiheit und der Einsamkeit...

Das Dorf war sehr klein, deshalb hatte er es binnen einer halben Stunde weit hinter sich gelassen. Schon bald würde er in der Stadt ankommen, wo wahrscheinlich schon die ersten Frühsportler und Arbeiter vorzufinden waren. Aber das war ihm gleichgültig. Sein Ziel war es, so schnell wie irgend möglich den Wald auf der anderen Seite der Stadt zu erreichen. Erst dort konnte er einen Gang runterschalten. Was ihn dort erwartete war ihm nicht klar, denn er hatte in seinen ganzen 15 Jahren nicht einmal die Chance gehabt, in den Wald zu gehen. Doch das war kein Problem, denn er hatte ja eine Karte, mit der er sich sehr oft auseinander setzte.

Wie vermutet, konnte man in der Innenstadt die ersten Menschen ausmachen. Schon jetzt waren sie förmlich gestresst und huschten von einer Straße zur anderen. Egal zur welcher Zeit, die Leute von der Stadt waren immer gestresst. Sie hatten sogar so viel zutun, dass sie manchmal das Essen vergasen. Wen wundert es dann, dass man vergisst, um was es in der Welt wirklich geht, was wirklich relevant ist und was wir persönlich tun müssen, um unseren Lebensraum zu verbessern. Alles was man heutzutage braucht, ist Geld. Ohne Geld kann man nichts erreichen, ohne Geld bekommt man nichts und ohne Geld kann man auch nicht leben. Egal was man machen möchte, ohne Geld geht es nicht. Die einen haben es, die anderen nicht. Manche interessiert es nicht, und die andern können ohne es nicht. Dass man so viel Gedanken an Geld verschwendet, ist für Ruby unklar. Geld, das sind nur Papierscheine und Münzen – weiter nichts. Doch dass dieses Mittel die Menschheit so gewaltig verändern kann, ist traurig. Kriege, Lügen, Hass, Furcht, Verbrecher, Mörder, Terroristen – das alles würde es ohne Geld nicht geben. Dass man es wirklich braucht, ist bei den meisten schon in den Köpfen eingebrannt, doch ohne es geht es auch. Zum Beispiel hat Ruby nicht etwa vergessen Geld mitzunehmen, nein, er hatte es extra nicht mitgenommen. Wieso auch? Auf einer Bergtour wird es nicht benötigt. Ganz einfach.

Da er in seinen Gedanken versunken war, merkt er gar nicht, dass er schon fast im Wald angekommen war. Er stand nur noch ein paar Meter davor. Es war ein großer, gewaltiger Wald mit vielen großen Tannen und Bäumen. Trotz der Dämmerung konnte man einen riesigen Waldkomplex ausmachen, in dem Wahrscheinlich nicht alles friedlich ablief.

Schließlich stand er mitten im Geschehen. Die Bäume waren so dicht beieinander, dass Ruby sich fühlte als wäre er in einem Käfig. Man konnte keinen Blick mehr auf die Stadt werfen, man hörte auch keinen Lärm mehr. Das einzigste was Ruby ausmachen konnte, war das Pochen seiner Adern. Das Blut strömte ihm vor Anstrengung durch den Körper, sein Herz raste. Es ging ein ganzes Stück bergauf, das ihm schwer zu schaffen machte. Mit jedem Schritt näherte er sich seinem noch unantastbaren Ziel, während er sich wiederum von seinem Heimatort entfernte. Mit jedem Schritt war er weiter in der Ungewissheit drin und mit jedem Schritt wurde es heller.

Schließlich hatte er den Aufstieg hinter sich gelassen und rastete auf einer Art Bank. Da er heute Morgen kein Frühstück hatte, knurrte sein Magen. Doch er musste sparsam mit dem Proviant umgehen, da er nicht wusste wie lange es ihm reichen würde. Er schnitt sich ein kleines Stück Brot und Wurst ab. Sofort verteilte sich die Würze in seinem Mund und Rachen. Es war wirklich die richtige Zeit gekommen, um etwas zu essen.

Kurze Zeit später stand er auch schon wieder auf den Beinen. Kurz schaute er sich die Karte an und setzte seinen Weg dann fort. Nun mussten etwa 10 Kilometer bis zur nächsten Abzweigung zurückgelegt werden. Diese würde er in etwa 50 Minuten schaffen.

Da es ihm mit der Zeit etwas langweilig wurde, versetzte er sich in seine Gedanken. Jetzt gab es genügend Zeit, den Plan nochmals genauestens durchzugehen. Er wusste zwar wie er auf den Roten Berg kam, aber er hatte keine Ahnung wo und vor allem wie man den Geheimcode knackte. All seine sieben Sinne nahm er in Gehorsam und überlegte so scharf nach, dass schon fast seine Stirn schmerzte.

Sein Kompass sagte ihm, dass er sich jetzt Richtung Westen nähern sollte. Der Wald wurde immer dichter und gruseliger. Er fühlte sich regelrecht von den Bäumen eingeengt. Deshalb steigerte Ruby ein wenig sein Tempo, damit er möglichst schnell an den Pfad gelangte. Er liebte die Natur wirklich, aber trotzdem verspürte er Unbehagen und wollte fast schon wieder auf dem Absatz kehrt machen, als er eine Person aus weiter Entfernung ausmachen konnte.

Man konnte nicht erkennen ob die Person männlich oder weiblich war, ob alt oder jung, gefährlich oder harmlos, das alles konnte Ruby nicht beantworten. Alles was er sah, war, dass die Gestalt einen schwarzen Mantel anhatte. Mehr nicht.

So allmählich kam sie immer näher. Mit jedem Schritt konnte Ruby mehr erkennen. Sie war also weiblich. Ein Mädchen im Alter von 15-17. Jetzt konnte man auch ihr langes, schwarzes Haar sehen. Als sie nur noch wenige Meter voneinander entfernt waren, sah Ruby die Schönheit ihres Gesichts und die hellen blauen Augen. Im ersten Moment fand er die Kombination aus schwarzem Haar und blauen Augen eher etwas ungewöhnlich. Doch ihm gefiel es.

Plötzlich blieb das Mädchen abrupt stehen und wirkte erschrocken, wenn nicht sogar verwundert. Langsam bewegte sie ihre Lippen zu einem Lächeln. Mit dem Finger zeigte sie auf Ruby und sagte: „Hey, dich kenne ich doch. Du musst derjenige sein, der von allen im Dorf erwartet wird. Ja du bist es, Ruby.“ Als Ruby seinen Namen aus dem Mund des Mädchens hörte, lief es im kalt den Rücken hinauf. Wie gelähmt stand er nun vor ihr und wusste nicht was er ihr antworten sollte. „Ähh, ja…..der……bin ich. Und du? Wer bist du?“ Das Mädchen sagte heiter: „Ich bin Jena. Die Tochter des Metzgers. Du musst unbedingt mitkommen, Ruby, ins Dorf. Dort warten alle schon gespannt auf dich. Sie können es kaum noch erwarten.“ Ruby wusste nicht, was er davon halten sollte. Konnte man dem Mädchen glauben oder war es nur eine Falle für ihn? Aber warum sollte man mich hineinlegen wollen? Ich habe doch nichts gemacht. Da er eine gute Menschenkenntnis besaß, war es ihm klar, dass man ihr vertrauen konnte. „Mmh, ich verstehe nicht, Jena. Wieso warten deine Dorfleute denn gerade auf mich? Ich bin doch ein Niemand.“ Das Mädchen schaute ein bisschen verlegen drein. Ihr Gesicht lief Rot an und sie wusste nicht ihre Worte zu fassen. „Ruby, wie soll ich dir es sagen, ohne dass du mich für verrückt erklärst? ………..Wir kennen dich. Man sagt bei uns in der Kirche, dass einer schon bald kommen wird, der die Erde vor dem Untergang bewahren wird. Ja und das bist du.“

Was? Ruby konnte es nicht glauben. Also entweder waren die im Dorf nicht mehr ganz bei Sinnen oder er war tatsächlich in ihrer Bibel. Aber wie zum Teufel konnte das möglich sein? Das würde ja bedeuten, dass er der Auserwählte war. Das er von einer höheren Kraft, die man nicht sehen, hören oder spüren kann, hierher geleitet wurde. Innerlich wog er binnen weniger Sekunden die Chancen und Risiken ab. Was würde passieren, wenn ich jetzt mit dieser Jena mit ins Dorf gehen würde? Andererseits blieb ihm auch nichts anderes übrig. Entweder er trat den Heimweg wieder an oder er ging mit. Zum Roten Berg kam man nur mit diesem Weg hin. Dieser führte aber direkt durch das Dorf Kornaki, also jenes von dem sie sprach. Da er nicht aufgeben wollte, willigte er ein. „Okay ich komme mit dir. Aber nur unter einer Bedingung, “ forderte Ruby das Mädchen auf. „Und die wäre?“ , fragte sie spöttisch. „Lass dich überraschen, Jena. Du wirst es schon noch bald genug erfahren.“

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in das Dorf, das ungefähr noch 70 Fußminuten entfernt lag.

Der Fußmarsch war sehr öde und langweilig. Jeder Teil des Waldes sah gleich aus. Um die zwei Wanderer tanzten die Nadelbäume, und die Windstürme steiften durch die Haare. Endlich ergriff Jena das Wort: „Also Ruby, ich will dir jetzt was sagen. Wenn wir im Dorf ankommen, dann musst du dich entsprechend verhalten, denn die Bewohner halten viel von dir. Um ehrlich zu sein, sie bewundern dich, ja, sie beten dich sogar an.“ „Ja und was heißt das genau für mich?“ konterte Ruby. Das kleine zierliche Mädchen wirkte plötzlich aufgebracht. „Na was schon, du Dummkopf. Sie werden dich in die Kirche führen und dich zu Tisch bitten. Du musst nicht viel erzählen, aber das was du von dir gibst, muss Hand und Fuß haben. Im Klartext heißt das, dass du genau deine Mission erläutern musst.“ Meine Mission erläutern?, überlegte Ruby. Das heißt ja, dass sie alles dann über mich und mein Vorhaben wissen werden. Als würde Jena Gedanken lesen können, nickte sie ihm zu. „Ja, genau das werden sie wissen. Aber mach dir keine Sorgen, niemand wird dich daran hindern es durchzuführen. Sie denken es wäre das richtige.“ „Natürlich ist es das Richtige“, zornig beschleunigte Ruby seine Schritte.

Jetzt müsste es nicht mehr weit sein bis Kornaki. Was Ruby nicht verstand war, dass alle Dorfbewohner ihn vergötterten und Jena genau das Gegenteil machte. In was für einer Situation steckte er? Wieso hatte er plötzlich keine Ideen mehr, wie er daraus kommen könnte? Naja, überraschen lassen kann man sich ja mal, dachte Ruby.

Gefühlte 20 Minuten später waren sie dann am Rande des Dorfes. Auf den ersten Blick wirkte es, als lebten die Menschen dort in einer anderen Zeitepoche. In seinem Heimatdorf pflegte man es zu reden. Hier herrschte Totenstille. Niemand schenkte seinem Gegenüber einen Ton – nicht einmal einen Blick. Kinder gab es wahrscheinlich keine, wenn doch, dann spielten sie vielleicht in ihren eigenen vier Wänden. „Wundere dich nicht über das Leben hier in Kornaki. Die Menschen sind so, wie sie sind. Stur, öde, langweilig, ungesprächig, eigenartig und sogar gelegentlich gruselig“, argumentierte Jena. „Du wirst bestimmt noch das eine oder andere Außergewöhnliche erfahren. Sie sind alle sehr schüchtern und wollen nicht viel mit Fremden zu tun haben. Bei dir ist es nichts anderes. Auch wenn du der Erlöser der Menschheit bist, Neue können sich hier nur schwer einleben.“ Ruby machte sich da keine Sorgen. Wenn er hier nicht willkommen wäre, so würde das bedeuten, dass er sich schnell wieder auf den Weg machen könnte. Genau das war es was er wollte. Er schaute tief in die blauen Augen von Jena und bat sie, dass sie ihn nicht alleine lassen sollte. Nicht mit diesen Kreaturen. „Ja ich bleib bei dir, mach dir keine Sorgen“, versprach sie ihm. Irgendwie gefiel ihr Ruby…


Bis zum Dorfeingang war es nicht mehr weit. Es wurde von einem großen Torbogen geprägt und wirkte alles andere als gemütlich. Die Bewohner waren eher scheue Menschen und liefen in einem strammen Schritt. Ruby überfiel Unbehagen. Er wollte nicht wirklich ins Dorf eintreten, doch Jena drängte ihn. Sie lächelte ihn mit schönen Augen an, und geleitete ihn zur Dorfkirche. Es war eine alte Kirche, die wahrscheinlich noch aus dem Mittelalter stammte. Bunte Fenster schmückten die Außenwand und hölzerne Türen baten einen zum Eintreten. Gemeinsam rissen sie die schweren Türen auf und traten in das Kirchenschiff ein. Voller Erwartungen betrachteten die Kirchengäste ihren Messias. Sie musterten ihn von Kopf bis Fuß. Schließlich erhob sich der Dorf älteste und bat ihn zu Tisch. Dieser erinnerte stark an das Letzte Abendmahl von Jesus Christus, in der Nacht als er verraten ward. „Sei gegrüßt mein Herr“, gab der Dorf Älteste von sich. „Auf diesen Augenblick haben wir so lange gewartet. Wir beteten zu dir und hofften, dass du bald kommen wirst. Und nun bist du tatsächlich da. Wir können es vor Freude noch gar nicht glauben.“ Ruby wusste nicht was er darauf antworten sollte. Somit setzte er sich stillschweigend an einen Stuhl am Ende des Tisches. Da sein Magen vor Hunger knurrte, wollte er nur noch essen. Der Tisch war voller Leckereien wie Kuchen, Fleisch, Kartoffeln, Früchte und Wein gedeckt. Ja die Dorfbewohner machten sich wirklich Mühe.

„Entschuldigt mich wenn ich jetzt frage, aber warum genau bin ich, Ruby, der Erlöser des Grauens?“ , als Ruby sich ein wenig in die Situation einlebte, ergriff er das Wort. „Ich meine doch….na ja ich bin eigentlich ein ganz normaler Junge, der nur nicht die Augen vor dem schließt, was man nicht sehen will. Ich beschäftige mich oft mit der Menschheit, mit ihrem Tun und Lassen, ihren Sünden und ihrer Reue. Ich finde, dass gehört sich als Mensch so. Denn wenn niemand den anderen beachtet, so ist ein Leben in der Gemeinschaft nicht möglich.“ Verblüfft schauten die Gäste den König des Tages an. Sie trauten sich nicht, ihn zu unterbrechen. Deshalb herrschte für einen Moment Stille, bis Ruby abermals das Gespräch fortsetze. „Wie um Himmels Willen bin ich nur in eure Bücher und Bibeln gelangt. Ich kann mir das alles nicht erklären. Mein ganzes Leben dachte ich, ich wäre ein Niemand. Doch das ist nicht so, nicht wahr?“ „Nein, gnädiger Herr, das ist nicht so“, bemerkte eine etwas ältere Dame mit silbergrauem Haar, die gegenüber von Jena saß. „Wahrscheinlich wirst du es noch nicht wissen, aber wir werden es dir erzählen, so fern du einwilligst. Es hat mit deinen verstorbenen Eltern zu tun.“ Die alte Frau musste laut in ihre Serviette husten, wahrscheinlich verschluckte sie sich am Essen. Ruby dagegen war wie weggestoßen. Die Welt war links vom Bild und recht vom Bild stand Ruby. Also völlig Abseits jeder Zivilisation. Was hatten jetzt auch noch seine Eltern damit zu tun? Ihm wurde es zu bunt und er erhob zornig, ja schon kochend vor Wut, sein Haupt und steuerte schnurstracks zur Ausgangstür. Doch der Pfarrer huschte schnell hinterher und versperrte ihm den Weg. „Ruby, nein, du darfst jetzt noch nicht gehen. Erst musst du es erfahren. Wenn du trotzdem gehen willst, von mir aus gerne. Doch dann wirst du niemals den Roten Berg besteigen können, weil du so weit erst gar nicht kommst. Wenn du jetzt uns nicht zuhörst, dann wird dir etwas Schreckliches zustoßen. Genau so wie es deinen Eltern erging.“ Der Pfarrer beendete seine Ansprache mit einer freundlichen Gestik, die Ruby aufortete wieder auf seinem Stuhl platz zu nehmen. Nun waren seine Nerven überstrapaziert und er wollte nur noch die Wahrheit über jenes Geschehen das vor 13 Jahren mit seinen Eltern passierte, wissen. „Okay schießen sie los“, sagte er mit zitternden Lippen.


„Nun, Ruby, ich weiß nicht genau wie ich dir das erzählen soll“, begann der Pfarrer seine Predigt. „Aber du musst wissen, dass deine Eltern keine Schuld haben. Sie haben wirklich alles für dich getan und wollten auch immer nur das Beste für dich.“ Ruby horchte aufmerksam zu. Er schaute dem Pfarrer direkt in die Augen, ohne auch nur einmal den Blick von ihm abzuwenden. Der Pfarrer hatte kleine, aber dennoch aussagekräftige Augen. Ihm gefiel die Art, wie er seine Worte zu wählen wusste. „Ja jedenfalls kam dann der Tag, an dem sie etwas opfern mussten. Sie hatten schon lange Zeit davor, wie du auch heute Ruby, sich an den geheimen Akten der Weltgeschichte zu schaffen gemacht. Jeden noch so kleinen Hinweis sind sie nachgegangen und haben ihn durchforscht. Eines Tages haben sie in einem sehr alten Buch die Information gefunden, dass man die Menschheit nur vor dem Verderben und Krepieren bewahren kann, wenn man auf den Roten Berg geht, und den Code entschlüsselt. Woher du von dem allen weißt, ist mir unklar.“ Der Pfarrer musterte Ruby, während er überlegte, wie er fortfahren sollte. „Na ja egal. Auf jeden Fall sind deine Eltern natürlich dem Hinweis gefolgt und wollten den Roten Berg besteigen. Leider hat ihnen niemand gesagt, dass sich dort unmenschliche Wesen herumtreiben. Sie gingen also ohne jeglichen Gedanken dort hin. Im Nachhinein frage ich mich, wie man denken kann, dass bei einer solchen Mission alles glatt laufen kann und das einen nichts erwartet?“ Jetzt zwang sich der Sohn der beiden Helden zum Reden. „Aber Herr Pfarrer, sagen sie doch jetzt endlich, was sie sagen wollen. Was ist dann passiert? Und woher hätten meine Eltern es auch wissen sollen. Bis gerade eben habe ich auch gedacht, dass der Weg zum Berg für jeden frei wäre.“ „Für jeden frei?“, fuhr ihm das Kirchenoberhaupt ins Wort. „Das kann man nicht so sagen. Ich will es dir mal in wenigen Worten erklären. Die Ungeheuer sehen aus wie normale Menschen, was sie aber nicht sind. Sie bewegen sich wie normale Menschen und reden auch wie normale Menschen. Das einzige was sie von uns unterscheidet, ist ihr Lust zum Morden. Egal wer vorbeikommt, und etwas Schlechtes vorhat, der wird von ihnen verfolgt, gefoltert und danach verspeist.
Sie riechen, wer etwas im Schilde führt. Wenn nur ein Wanderer kommt, der einen schönen Tag verbringen möchte, der wird ganz sicher nicht angegriffen. Die Biester haben schon etliche deiner Art ermordet. Ja und so geschah es auch mit deinen Eltern. Sie kamen bei den Menschentieren vorbei, und wurden kaltblütig ermordet. Sie konnten weder ein Wort sagen noch konnten sie versuchen zu fliehen. Diese Fleischfresser sehen es von geschätzten die Kilometern, wer nicht ganz geheuer ist.“ Der Redner löschte seine Trockenheit im Mund mit einem Schluck Wasser. Ruby, der bis vor kurzem noch hoch motiviert war, schaute jetzt ungläubig zu Boden. Hatte er sich alles nur eingebildet, dass er die Welt vor dem Untergang beschützen konnte? Oder war es einer seiner Träume gewesen, die ihn dazu zwangen? Nein das würde keinen Sinn ergeben. Also muss es doch eine Verbindung zwischen seinem Vorhaben und ihm geben. Es konnte ihm doch nicht einfach so vom heiteren Himmel in den Kopf geschossen sein. Er war der Auserwählte, und er musste es auch zu Ende bringen. Da gab es keinen Ausweg. „Ja aber wie soll ich denn nun vorgehen?“, fragte Ruby den Pfarrer. „Wie komme ich auf den Roten Berg und wie umgehe ich die Viecher? Es muss doch eine Möglichkeit geben…Ich glaub ihnen einfach nicht. Nicht dass ich ihr Wissen in Frage stellen würde, aber das geht mir zu weit.“ „Aha, dir geht es also zu weit“, mischte sich die alte Frau in das Gespräch mit ein. Du hast noch nicht einen Fuß auf den Berg gesetzt und schon steigt der Hochmut in dir auf? Nicht dass ich lache!“ Ruby hatte nun total den Faden verloren. Warum mischte sich die Frau jetzt auch noch ein? Das musste er wissen und fragte so höflich es ging nach. „Warum ich mich einmische, fragst du? Du denkst wohl es wäre das einfachste, einen Berg zu besteigen und die Menschheit ausrotten zu lassen? Ich möchte dir mal was sagen, lieber Erlöser. Man verbindet dich zwar mit unmenschlichen, ja schon göttlichen Kräften, aber dennoch ist der Rote Berg kein Spielzeug. Auf ihm übergab Gott Moses die zehn Gebote, auf ihm fanden etliche christliche Prophezeiungen statt, und auf ihm ist Jesus, dein Vorfahren geboren.“ Es schien als träfe ihn der Blitz. „Jesus soll mein Vorfahren gewesen sein?“, fragte er die Alte. „Er, der Fischer und Zimmerer, der das letzte Abendmahl gab und von der gesamten Christenheit bis heute noch vergöttert wird, soll mit mir verwandt sein?“ „Ja mein Junge, so ist es. Wir haben es in der Geheimen Schriften gelesen, als einer unserer Missionare letztes Jahrhundert den Berg bestiegen hatte. Zunächst glaubten wir ihm nicht, doch die Beweise sprachen Bände!“ Oh nein, auch noch Beweise, nuschelte Ruby vor sich hin. „Welche Beweise denn? Brachte er zornig über die Lippen. Jetzt mischte sich Jena ein, die die ganze Zeit muchsmäuschen Still gewesen war. „Ja Ruby du bist mit Jesus Christus, dem Messias verwandt. Wir wissen es, denn du hast viel Ähnlichkeit mit ihm. Du kannst Menschen heilen, du denkst anderes als die anderen Menschen, du bist sehr klug und du kannst auf dem Wasser laufen, wenn es darauf ankommt.“ „Okay ihr habt alle eine an der Meise. Jetzt ist es amtlich“, argumentierte Ruby. „Ich soll auf dem Wasser laufen können? Das meint ihr doch nicht ernst? Ich möchte es euch zeigen, dass es nicht so ist. Und wenn ich es nicht schaffe, auf dem Wasser zu stehen, so müsst ihr mich sofort gehen lassen, damit ich tun kann, was ich muss. Nämlich die Erde vor dem Untergang bewahren.


Als alle sich versammelt hatten und Ruby voller Begeisterung zuschauten, wie er seine Schuhe auszog und seine Hose hochkrempelte, hoffte er, dass er nicht auf dem Wasser laufen könnte. Er hoffte es sosehr, dass er schon fast vergas, was er gleich versuchen wird. Auf dem Wasser zu laufen hörte sich in seinen Ohren wirklich verrückt an, soviel stand fest.

Schließlich bewegte er sich langsam vorwärts und näherte sich dem See. Auf ihm schwammen zwei Enten und ein altes, morsches Boot, das wahrscheinlich nur noch zum Anschauen geeignet war. Er tastete sich an das kalte Wasser heran, schaute nochmals zurück zur Menschenmenge und machte dann abrupt einen Sprung in die schmutzige Flüssigkeit.

Mit einer Gänsehaut, die er noch niemals zuvor verspürte, kam er auf dem Wasser auf. Ja nicht im Wasser sondern auf dem Wasser. Er traute seinen Augen nicht, nicht seinen Verstand und auch nicht seinem Bewusstsein. Der Schock saß so tief, dass er sogar an seiner Existenz zweifelte. Niemals hätte er geglaubt, dass er die Fähigkeiten besitzen würde, das zu vollbringen. Niemals hätte er auch nur einen einzigen Gedanken an dieser Sache verloren. Und niemals, aber auch wirklich niemals, hätte er sich ausmalen können, dass er mit dem Mann aus Nazareth familiäre Verbindungen besäße. Die Dorfbewohner hinter ihm, ließen einen undefinierbaren Laut von sich. Aus seinem Augenwinkel konnte Ruby erkennen, dass sie sich vor ihm niederließen und ihn wahrscheinlich anbeteten. Dass sein Leben sich so schlagartig ändern würde, quasi von einer zur anderen Sekunde, war ihm nie bewusst gewesen. Zeit seines Lebens dachte er, er würde mal in einer Schweißerei oder in einer Schmiede arbeiten, nichts großes, einfach nur als Geselle oder Leihkraft. Was gerade passierte entsprach keinesfalls der Realität. Zwar wusste er, dass er irgendwie immer anders war, aber so anders, das hätte er nicht gedacht.

Als er sich wieder umdrehte und auf das Ufer zu glitt, erhoben sich allmählich wieder die Anbetenden. Sie getrauten sich nicht etwas zu sagen. Alles was sie machten, war verblüfft zu schauen. Als wäre der Herr Jesus Christus wieder auferstanden um seine Mission, die Menschen aufzuklären, fortzusetzen. Es war wie in einem schlechten Theater. Wie in der Sciencefiction oder Fantasy. Diese Situation passte nicht in das 21. Jahrhundert, nicht in das Mittelalter und auch nicht in die Steinzeit. Er wünschte sich, er wäre nie zu dieser Reise aufgebrochen. Nie von zu Hause fort gegangen und nie hierher gekommen. Nun war es aber bewiesen, dass er Jesus´ Nachfahren war. Ja nun war es amtlich…


Kapitel 2



Am nächsten Morgen erwachte er eigentlich wie jeden Tag. Doch was sich letzte Nacht in seinen Träumen abspielte, war nicht gewöhnlich. Ihm war bewusst geworden, welch eine Verantwortung er als Jesus II. tragen musste. Was ihn von nun an erwartete, wusste er nicht. Ihm war nur klar, dass nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Er war jetzt der Vertreter der christlichen Kirche. So musste er dann auch handeln.
Auf dem Dorfplatz war nicht gerade viel los. Wahrscheinlich waren alle noch im Schlaf versunken. Also schlenderte er, irgendwie stolz, zur Kirche. Mit großer Mühe öffnete er die hohe, schwere Holztüre. In der Kirche war es sehr laut, was Ruby überraschte. Nun war es aber klar, dass sie nicht mehr in den Federn gelegen haben, sondern dass sie sich schon alle versammelt hatten. Wahrscheinlich um ihm die nächste Hiobsbotschaft zu überbringen.
Der Tisch, auf dem sie gestern das Mahl einnahmen war verschwunden. Die gesamte Dorfgemeinschaft hatte sich auf den Kirchenbänken verteilt. Auf dem Altar lag eine vergoldende Bibel, aus der der Pfarrer vorlas. Die Bewohner horchten ihm aufmerksam zu. Da sie alle die Augen verschlossen hatten, konnte niemand Ruby sehen. Doch es dauerte nicht lang, bis der Prediger ihn sichtet und sofort die Lesung unterbrach.
„Guten morgen, Euer Hoheit. Seit gegrüßt. Ich hoffe ihr habt die Nacht gut überstanden. Wir haben Jena gebeten euch ein gemütliches Schlafgemach vorzubereiten. Ihr wart gestern nach der erfolgreichen Tour auf dem See wie betäubt. Deshalb haben wir schnell für einen Unterschlupf gesorgt. Ich, im Namen der gesamten Gemeinde, hoffe euch hat es nicht ausgemacht, in einem solch primitiven Bett zu schlafen.“ „Oh nein, ganz und gar nicht“, antwortete Ruby. Ihm wäre es am liebsten gewesen, wenn er im Erdboden versunken wäre, und zwar für immer. Der Tonfall des Pfarrers verstärkte diesen Drang umso mehr. „Bitte setzt euch doch“, unterbrach der Pfarrer seine Gedanken. Ruby folgte dieser Aufforderung.

Nach einer gefühlten halben Stunde war die Predigt zu Ende. Man verabschiedete sich von einander und machte sich auf den Heimweg. Bis auf den Pfarrer, Jena und Ruby waren alle gegangen. Für Ruby war es nun schon viel angenehmer. Wenigstens konnte er jetzt ein bisschen mehr aufleben. Sofort fragte er Jena, wann er denn endlich auf die Reise gehen konnte, wann er denn nun endlich seine Mission erfüllen durfte. „Beruhige dich Ruby, du darfst schon bald gehen. Davor müssen wir dir aber noch etwas erzählen. Dann bist du frei und bist befugt zu gehen.“ Gott sei Dank behandelte Jena ihn immer noch wie ein normaler Junge, wie ein gewöhnlicher Mensch, dachte Ruby.


Alle drei versammelten sich hinter der Kanzel an einer Sitzbank. Ruby war wie schon oft genug nervös gewesen. Die beiden anderen schienen ganz entspannt zu sein. „So Ruby, ich als Pfarrer habe die Pflicht euch zu sagen, wie ihr vorgehen sollt. Wie ihr schon wisst, warten am Fuße des Roten Berg einige Gefahren. Sie sind nur so darauf aus Menschenfleisch zwischen die Zähne zu bekommen. Doch ihr könnt sie hintergehen. Ihr müsst schnell handeln und dürft den Biestern ja keinen Blick würdigen. Schaut niemals direkt in die Augen derer. Alleine mit Eurer geistlichen Kraft könnt ihr sie bewältigen. Ihr müsst nur an eure Fähigkeiten glauben und niemals nachgeben.“ Das war schon alles?, dachte Ruby, doch er getraute sich nicht nachzuhaken. „Ruby, und ich werde dich begleiten“, setze Jena nach. „Was du wirst mich begleiten? Aber warum das?“ „Weil ich es möchte, Ruby. Auch ich möchte die Erde vor dem Untergang bewahren. Als Jesus, dein Verwandter, die Menschheit von den Sünden erlöste, sollte es nicht so weit kommen. Doch es kam so weit. Die Menschen haben sich am Geld, an der Gier und an der Sünde vergriffen. Nun denke ich, ist es an der Zeit ein für alle mal das zu beenden. Zu was es führen wird wenn wir es nicht tun, will ich gar nicht denken. Ich möchte dir helfen und deshalb werde ich mitkommen.“ Ruby war sehr erstaunt von der Courage des Mädchens und willigte ein. „Aber, Herr Pfarrer, wird ihr nicht was passieren? Ich meine sie hat doch keine außergewöhnlichen Kräfte wie ich sie habe, oder?“ „Nein, Ruby hat sie nicht“, bestätigte er. „Aber in der heiligen Schrift steht geschrieben, dass derjenige, der sich auf diese gefahrvolle Reise begibt, eine weibliche Begleitperson mitnehmen wird. Beiden wird nichts geschehen und sie werden gesund aber erschöpft auf dem Heiligen Berg ankommen. Genau so steht es in den Schriften des Kornikischen Buches. Glaubet mit euch und Jena wird kein Unheil befallen.“ Der Pfarrer machte sich zum Abgang bereit. Ruby schaute nochmals das Mädchen, das ihn begleiten wird an. Beider wussten nicht was sie erwarten wird, wie sie an den unmenschlichen Wesen vorbei kommen sollten und wie sie auf dem Roten Berg den Code des Lebens knacken sollten. Doch alleine der Glaube daran, stärkte ihre Kräfte und ihren Mut. Sie waren bereit zum Aufbruch, bereit zur Rettung der Erde und der Natur. Komme was will!!!


Sie brauchten nicht lange, da waren sie auch schon auf dem Weg zum Roten Berg. Jena hatte zu vor allen Dorfbewohnern mitgeteilt, dass sie von nun an unterwegs wären – dass bald alles ein Ende hatte.
Zum Fuß der Berges waren es zirka 20 Kilometer, für die sie wahrscheinlich 3 Stunden brauchen würden. Vor ihnen lag die weite Welt, ihre Städte und die großen Wälder. Da sich Jena gut in der Umgebung auskannte, spielt sie abermals den Anführer. Ruby war froh sie an seiner Seite zu haben. Sie harmonierten super miteinander und hatten ständig etwas zu lachen.

Nach einer Stunde waren sie in einer Stadt angekommen. Hohe Gebäude streckten sich gen Himmel. Die Autos drängelten sich durch die engen, vollgestopften Straßen. Alles entsprach dem Großstadtklischee. Niemand sorgte sich um seinen Nächsten, der Lärm der Fahrzeuge war unerträglich und die Einkaufsläden waren vollgestopft. Jena und Ruby hielten Ausschau nach einem gemütlichen Restaurant um zu speisen. Beide hatten einen Bärenhunger und wollten so schnell wie möglich etwas zwischen die Zähne.
Als sie ein Restaurant, das den Namen „le bistro“ hatte, ausfindig machten, war der Hunger kaum noch zu zügeln. Schnell bestellten sie das nächst beste und verschlangen es…

Nach dem köstlichen Mahl machten sie sich wieder auf die Reise. Mit strammem Schritt durchquerten sie die Stadt und waren schneller auf dem Feldweg als sie gedacht hätten. Es war jetzt Nachmittag und die Sonne schien auf ihre Haut. Die lauwarme Luft machte die Wanderung anstrengend, aber da sie ein interessantes Gespräch führten, machte ihnen das nichts aus. „Du, Ruby ich muss dir mal eine Frage stellen“, sagte Jena. „Was ist der wahre Grund dafür, warum du unbedingt die Erde vor dem Untergang retten möchtest? Ich meine wir bezahlen ja schließlich mit unserem Leben dafür.“ „Ja das ist mir schon klar, Jena, aber es kann einfach nicht so weiter gehen. Die Menschen sind keine Menschen mehr, oh nein sie sind der Teufel in Person. Alle Normen und Tugenden sind in den letzten Jahren verschwunden, als wären sie nie da gewesen. Wenn man jetzt nichts dagegen tut, dann bricht früher oder später der atomare Krieg aus. Dann geht die Welt unter und alle Menschen und Lebewesen gleich mit. Wohin soll das führen?“ „Ja du hast ja Recht. Aber trotzdem verstehe ich dich nicht ganz. Das kann doch nicht nur dieser eine Grund sein. Denn ich glaube nicht, dass jemand anderes das auch machen würde.“ Die Unterhaltung unterbrach für ein paar Momente. Was sollte er darauf auch schon antworten. Irgendwie hatte sie ja auch Recht. Es war schon eine verrückte, wenn nicht sogar schwachsinnige Mission. Aber er hatte in seiner Lebenszeit viel Unheil erlitten und wollte sich jetzt rechen. Als seine Eltern starben war für ihn schon damals klar, als dreijähriger Junge, dass er es nicht einfach so vergessen könnte. Weil man ihm seine Eltern nahm, müssten die Menschen leiden. Die Welt wird untergehen, das war klar. Aber die Menschheit, die wird für immer verschwunden sein. Er wird genau das tun, was er tun musste. Egal was auf dem Weg dorthin passieren würde, er musste dadurch. Er war der Erlöser II. und er war auch derjenige, der immer dafür sorgte, dass es allen gut ging. Aber was bekam er? Kurz gesagt, bekam er nie etwas. Was er wusste, und an was er auch fest glaubte, war, dass es von der Evolution nicht gut durchdacht war, den Menschen so wie wir ihn heute kennen, zu erschaffen…

Von nichts kommt nichts! Das wusste er zu gut. Er selbst hat es oft genug gehört. Also handelte er nur so, wie es ihm in den Kragen passte, und nur so, dass er daraus Kapital schaffen konnte. Kapital?, fragten sich immer diejenigen, die es nicht begreifen wollten und machten sich anschließend lustig über ihn. Man sagte im Dorf und in der Schule, dass Ruby es in seinem Leben nicht weit schaffen würde. Er wird keine gute Ausbildung bekommen, keine Frau, keine Kinder und auch keine Liebe. Das alles hatte aber auch keine Bedeutung für ihn. Jesus hatte zwar auch eine Frau gehabt, wurde von allen verehrt und geliebt, aber für Ruby war es nichts Wert. Zwar gab es nichts Schöneres als die wahre Liebe, wahre Freundschaften und Geborgenheit, aber sein ganzes Leben hatte er es nicht bekommen. Als Alleinkämpfer und Alleingänger, ja so konnte man Ruby beschreiben, kämpfte er sich durch die harten Jahre seines Lebens. Woher sollte er wissen wie sich Gefühle der Liebe anfühlen, wenn er sie nie bekommen hatte. Und warum sollte er diese schätzen, wenn er nicht mal weiß wie diese sich anfühlen. Das alles waren Fragen, die in das Nichts führten. Fragen die zu überflüssig waren, um durchdacht zu werden. Jeder hat doch sein eigens Bild vom perfekten Leben. Für ihn war der Sinn des Lebens, nach etwas zu streben, dass nicht jeder konnte. Nach etwas zu suchen und zu lösen, was noch keiner oder nur wenige vor ihm versucht hatten. Oh ja das war es was Ruby wollte. Er wollte beweisen, dass er existierte, das er lebte und ja, dass er auch etwas kann. Er hatte Fähigkeiten, die noch nicht von der Wissenschaft dokumentiert worden waren. Fähigkeiten die noch in keinem Fachbuch vorzufinden waren. Ja diese hatte er. Er war der Nachfahren des Herrn Jesus Christus, das wurde ihm von Sekunde zu Sekunde klarer.


Der Weg zum Roten Berg war jetzt sehr öde und langweilig. Der Gesprächsstoff ging auch aus. Doch Ruby hatte noch ein Frage, die er unbedingt loswerden musste. „Jena, hast du eigentlich schon Erfahrungen mit solchen Dingen?“ „Mit solchen Dingen?“, antwortete sie. „Natürlich nicht. Wie sollte ich auch. So etwas macht man ja nicht jeden Tag!“ „Ja das ist mir auch klar. Aber ich meine, ob du Erfahrungen mit dem Weltcode hast. Also hast du schon mal darüber etwas gelesen oder gehört? Wie kann man ihn knacken oder was muss man tun? Ich kann mir das Ganze nicht vorstellen.“ Jena überlegte scharf nach. Hatte sie darüber schon mal was erfahren? Sie glaubte nicht. Aber sie bekam mal ein Gespräch von dem alten Pfarrer mit. Er sprach mit einem Priester aus einem anderen Dorf. Sie unterhielten sich wahrscheinlich über den Roten Berg. Das es dort oben einen großen Stein geben würde, der mit Hebräischen Zeichen bemalt worden wahr. Wahrscheinlich von Moses, als er von Gott die zehn Gebote bekommen hat. Der Legende nach kritzelte er alles was Gott ihm mitteilte mit einem scharfen Messer in den Stein. Aber nicht so, dass jeder es lesen konnte. Nein, er ritze es so hinein, dass es ein verschlüsselter Code ergab. Wie man ihn entschlüsseln konnte wusste niemand. Das war das Problem daran. Das erzählte sie jetzt auch Ruby, der erstaunt und gespannt zugleich ihren Worten lauschte.
„Oh ja, Jena. Das wird unser Problem sein, gleich nachdem wir den Bestien entkommen sind.“ Beide liefen jetzt schweigend den Pfad entlang. Die Nachmittagssonne wurde allmählich etwas kühler. Trotzdem war es alles andere als angenehm weiter zu laufen. Doch laut Wanderkarte waren sie fast schon am Dreieckspass angelangt. Von dort aus mussten sie nur noch den steilen Abhang hinunter klettern und dann Richtung Süden zum Fuße des Heiligen Bergs. Was sie noch erwarten würde waren die Bestien. Diese hatten ja ihre Quartiere dort angebracht, wo es zum Aufstieg ging. Waren sie erst einmal, mussten sie nur noch den Berg erklimmen. Jena schätze, sie würden ihn noch der totalen Finsternis zur Hälfte besteigen können, wenn sie dann schnell genug wären. Hier wurde es nämlich erst gegen 22.00 Uhr stockdunkel, was bedeutete, dass sie noch gute sechs Stunden Fußmarsch vor sich hatten.

Kapitel 3



Als sie am Dreieckspass ankamen genossen sie für wenige Sekunden die tolle Aussicht vom Hügel aus. Man konnte geschätzte 10 Kilometer weit sehen. Die Felder, den Fluss, der Ruby von Kornaki aus folgte, die Vögel, die unter ihren Köpfen flogen und natürlich die großen, hässlichen Bestien. Jetzt konnten sie die beiden Weltenbummler noch nicht erkennen, dafür standen Jena und Ruby einfach noch zu weit entfernt. Der Abstieg war gefährlich, das war ihnen klar. Sie mussten ihm Team arbeiten und jeden Schritt den sie machten, sollte haargenau überlegt sein. Gegenseitig mussten sie sich unterstützen. Vom Hügel war eine Art Seilleiter gespannt, die runter zum Felde führte. Diese machte den Abstieg erst realistisch. Trotzdem war es lebensmüde an der Leiter entlang, den Felsen zu verlassen. Aber sie machten es…

Zwanzig Minuten später waren sie dann auf dem Feld, auf dem so etwas Ähnliches wie Kartoffeln angepflanzt wurden, angekommen. Sie waren sichtlich erleichtert. Wahrscheinlich war ihr Puls weit über der Norm. Ihre Hände zitterten, beide hatten weiche Knie. Nachdem sie sich versichert hatten, dass alles noch beim Alten war, marschierten sie weiter. Sie liefen geradewegs in die Arme der grauenvollen Gestalten. Doch da beide wussten, dass ihnen nichts zustoßen konnte, legte sich die Anspannung teilweise. Es stand zwar im Kornikischen Buch, aber konnte man den Schriften wirklich vertrauen? Jena wollte sich erst gar nicht vorstellen was passieren würde, wenn es nur eine Reihe von Lügen wäre. Wahrscheinlich hätten die Bestien sie zu Boden gezerrt, mit einem Knüppel weich geschlagen und….
Gott sei dank unterbrach Ruby gerade Jena noch rechtzeitig, bevor sie ihre Gedanken vollenden konnte. „Also Jena, pass auf. Du wirst jetzt genau das machen was ich auch mache okay?“ Er wartete nicht auf eine Antwort und fuhr mit seinen Anweisungen fort. „Wir werden nun gleich bei denen dort drüben ankommen. Wahrscheinlich müssen wir ein paar blöde Blicke in Kauf nehmen, aber mehr dürfte nicht passieren. Sei einfach du selbst, und schau auf keinen Fall ihnen in die Augen. Hast du gehört? Auf keinen Fall ihnen in die Augen schauen, sonst wird dieser Tag dein letzter sein, an dem deinen Augen die Sonnenstrahlen aufnehmen können.“ Bei dem Gedanken daran, nie wieder sehen zu können, wurde es ihr ganz lau im Magen. Aber na gut, dachte sie. Sie dürfte einfach keinen Augenkontakt mit ihnen aufnehmen.


Ruby dagegen wusste war er zu tun hatte. Der Pfarrer sagte, nur alleine durch seine Gedanken konnte er den unmenschlichen Wesen davon kommen. Doch da gab es noch ein Frage: Wie um Himmels Willen sollte er das anstellen? Einfach denken wie immer? Oder musste er irgendeinen Schalter in seinem Inneren umlegen? Er hoffte, alles würde klappen, wie er sich es vorstellte.

Die Biester sahen aus wie Crizzly-Bären, die nur darauf aus waren endlich mal zartes Menschenfleisch in den Magen zu bekommen. Die Töne, die sie von sich gaben, waren alles andere als angenehm. Das Knurren und Ächzen glich einer defektiven Kreissäge aus dem Mittelalter. In einem komplizierten Schema bewegten sie sich auf die zwei unbekannten Wesen, Jena und Ruby, fort. Die Wesen nahem im drei schnelle Schritte und einen langsamen. Danach stoppten sie für wenige Sekunden und fielen dann wieder in dasselbe Fortbewegungsschema zurück. Jetzt waren sie nicht mehr weit von ihnen entfernt. Jena musste dem Drang ihnen in die Augen zu blicken mit ihrer gesamten Willenskraft widerstehen. Ruby dagegen fühlte, was in seinem Kopf abging. Er bekam nun Signale zugeschickt. Warnsignale. In seinen Gedanken ging es drunter und drüber. Seine Adern pochten so laut, dass Jena ihn fraglich anschaute, als würde sie sich informieren ob bei ihm alles im Reinen wäre. Nun wusste er, wie er vorgehen musste. In seinem tiefsten Inneren befehligte er die Biester wieder umzudrehen und sie vorbei zu lassen. Die Biester dagegen spürten mit welch einer Kraft dieser Kerl dort hinten auf sie einredete. Sofort wussten sie: Das ist der Messias. Der Wiedergeborene. Der Erlöser. Ihnen war bewusst geworden, dass bald alles vorbei wäre. Sie könnten wieder jagen, wieder sich selbst sein. Keiner würde mehr versuchen sie umzubringen oder zu verscheuchen. Dieser Gedanke gefiel ihnen und schließlich machten sie dem Messias und seiner Gattin den Weg zum Berge frei. Ruby war erstaunt. Alleine durch die Kraft seiner Gedanken hat er diese Wesen vertrieben. Auch Jena war erleichtert und sogar Stolz auf Ruby, das merkte er sofort.

Der Weg war also frei. Frei um endlich den Berg zu besteigen, der seit tausenden von Jahren die geheimen Akten der Menschheit beschützte. Nun gab es kein zurück mehr…


Kapitel 4



Der Aufstieg war für Ruby kein Problem gewesen. Schließlich gehörte er zu den begeisterten Wanderern die regelmäßig Wanderungen unternahmen. Für Jena dagegen war es schon fast unerträglich. Mit großer Mühe kämpfte sie gegen den Drang Pause zu machen. Meter für Meter bewältigte sie heldenhaft, doch man konnte ihr es ansehen, dass es ihr viel Kraft kostete nicht aufzugeben. Deshalb musste Ruby ein Gespräch beginnen. Er wusste aber nicht welches. „Jena, was machst du eigentlich so, wenn du dich mal nicht mit der Welt beschäftigst?“ , fragte er sie mit einem kleinen Lächeln im Gesicht. Sie schaute ein wenig verdutzt ihn an, wusste nicht wie sie antworten sollte. „Naja, du hast doch bestimmt Hobbys, Freunde, Bekannte….Es muss doch etwas geben, was dir Spaß macht.“ Sie schaute immer noch mit dem gleichen Hundeblick wie gerade zuvor noch. „Ja ich habe Hobbys. Freunde habe ich auch.“ Sie überlegte kurz, wie sie fortfahren sollte. „Ja also zu meinen Hobbys gehört das tanzen. Seit vielen, vielen Jahre tanze ich in einer Tanzschule für Latinotänze. Es macht mir eine riesige Freude das Publikum zu faszinieren. Ich fühle mich dabei so frei, so unangepasst und glücklich zugleich. Es ist einfach wunderschön.“ Das hatte Ruby jetzt nicht erwartet. Er hätte ihr vieles zugetraut, aber das Tanzen, nein das nicht. Jena war ja schließlich ein schüchternes Mädchen, redete nicht sehr viel über sich, sah dafür aber blendend aus. „Hey, das ist schön Jena. Und wie oft gibt’s du einen Auftritt?“ „Ja so cirka jeden Monat einmal in der Dorfkneipe.“ Ruby war sichtlich beeindruckt von ihr. Ihm wurde sie immer sympathischer…

Durch die interessanten Gespräche, die sie während des Gehens führten, verstrich die Zeit wie im Flug. Sie hatten ihr Tagesziel, die erste Station auf 1800 Metern, erreicht. Das einzige was ihnen noch bevorstand, war, dass sie sich noch einen Unterschlupf für die Nacht anfertigen mussten. Doch als wäre das Glück auf ihrer Seite gab es dort oben eine kleine Kappelle. Natürlich gingen sie ohne zu zögern hinein.
Innen gab es ein paar alte Bänke und ein kleines Altar. Dort konnten sie ihre Nacht verbringen.
Da Ruby und Jena sehr hungrig waren, packten sie ihre Essensvorräte aus und teilten es untereinander auf. Jetzt war die Gelegenheit gekommen, sich näher kennen zu lernen. Ruby hatte noch nie eine Freundin gehabt. Alle Mädchen denen er sich hingezogen fühlte, waren entweder schon vergeben oder hatten kein Gefallen an ihm gefunden. So kam die Einsamkeit von ganz alleine. Er musste sich auch eingestehen, dass er die Hoffnung auch schon lange aufgab. Doch er spürte, dass es bei Jena etwas anderes war. Bis zu dem Augenblick als er sie zum ersten Mal sah, war die Liebe für ihn nicht mehr als ein Wort. Ein Wort mit fünf Buchstaben, weiter nichts. Aber sie war anders als alle anderen Mädchen ihren Alters, die er kannte. Ihre Augen waren so aussagekräftig, dass Ruby sie auch verstand wenn sie schwieg. Wenn sie ihn anschaute, so fühlte er sich wie im Paradies. Wenn sie ihn anlächelte so schien es ihm, als würde er auf einer Wolke liegen und den meerblauen Himmel betrachten. Wenn sie ihm durch das Haar krauste, so waren seine Gedanken gelähmt. Ja, sie war eine Göttin.

Umso später es wurde umso besser verstanden sie sich. Bei einem Glas Wein lachten sie viel, über Dinge die Ruby zuvor noch nie ansprach, sie kamen sich immer näher und näher bis sie schließlich so nah beieinander waren, dass sie das Pochen des Herzens des anderen wahrnehmen konnten. Nun war es passiert. Ihre Lippen trafen sich. Ihre Finger trafen sich und untersuchten sich gegenseitig. Es war wie ein Neuanfang, wie ein Feuerwerk, das gerade ins neue Jahr einführte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Beide gaben sich einfach hin wie sie waren. Keine Gedanken an etwas anderes verschwenden, nein, es gab nur noch Jena und Ruby…

Am nächsten Morgen erwachten sie recht früh. Wahrscheinlich war es noch nicht einmal vier. Die Sonne war auf jeden Fall noch nicht aufgegangen. Was letzte Nacht passierte wird ihnen nie wieder aus dem Gedächtnis gehen, da war sich Ruby sicher. Ihm war es gelungen einmal sich selbst zu sein. So wie er war. Er konnte seinen Gefühlen und Emotionen freien Lauf lassen. Einfach nur er selbst zu sein. Das gefiel ihm. Jena ging es übrigens genauso. Beide haben sich lieben gelernt, beide haben sich vereinigt, zu Mann und Frau, wie Gott es wollte. Ja, da hatte Gott recht. Liebe braucht der Mensch genauso wie er Nahrung braucht um zu überleben.

Sie wussten jetzt nicht genau wie sie fortfahren sollten, mit der Mission. Letzt Nacht hat sich so einiges geändert, bei beiden. Vielleicht war es doch ein wenig übertrieben zu denken, dass die Menschheit abgeschafft werden sollte. Vielleicht gibt es doch einen anderen Weg, die Menschen wieder zu Vernunft bringen zu können. Für jedes Problem gab es doch eine Lösung. Es war ein Fehler von den Menschen, es so weit kommen zu lassen, das war klar. Aber man hatte Ruby immer gelehrt, es gäbe keine Fehler, sondern nur Erfahrungen. Die Menschen haben Falsches getan, dafür aber auch mehr oder weniger gebüßt. Mit Sicherheit haben sie auch daraus gelernt… Ruby überlegte und überlegte… Auch Jena tat es ihm gleich. Bis sie fast schon gleichzeitig sagten: „Man hat die Heiligen Schriften falsch gedeutet.“ Das war es. Wie konnten sie nur glauben, dass Gott wollte die Menschheit würde ausrotten? Wie konnten sie das die ganze Zeit glauben? Jetzt wurde ihm auch klar, was ihn zu dieser Reise verholfen hatte. Es war der Drang danach seinen Vater zu sehen. Gott, der auf dem Berg wartet, soll von seinem Sohn empfangen werden. Das war es. Ja genau so müsste es sein. Jena nickte ihm einwillig zu. Nun wussten sie, für was sie wirklich bestimmt war. Sie sollten auf den Berg gehen, mit Gott, dem Vater Rubys, sprechen und seine Neuen Zehn Gebote der Menschheit übermitteln, damit sie sich ändert. Ja, das machte mehr als Sinn. Wenn man doch von einem Problem wegrennt, dann wird es auch nicht gelöst. Beiden wurde in der letzten Nacht wirklich klar, wieso sie auf diesem Weg, auf dieser Reise waren. Es war vorherbestimmt worden, dass sie sich treffen. Damit sie endlich wieder Freude am Leben haben. Der Menschheit sollte und musste geholfen werden – Ruby und Jena waren die Auserwählten. Ruby als Sohn Gottes und Jena als Gattin Rubys. Je mehr sie darüber nachdachten umso mehr Puzzleteile fügten sie zusammen. Es war ein schweres Rätsel gewesen und wird auch noch dauern bis es voll ganz gelöst ist. Aber eines ist jetzt klar geworden: sie wussten nach was sie suchten, was sie zu tun hatten, und wie sie vorgehen sollten. Der Aufstieg zur zweiten und letzten Station konnte beginnen. Sie waren bereit Gott, dem Herrn, vorzutreten. Bereit die neuen Gebote zu übernehmen und auf die Menschheit zu übertragen. Ja, sie waren bereit!


Kapitel 5



Vor der Kapelle war es erstaunlich schön. Schöner als am Abend zuvor. Im aufgehenden Sonnelicht konnte man die vielen Pflanzen mit ihren wundervoll schönen Farben betrachten. Die tiefrote Farben der Rosen, das Hellgrün der Gräser und der Bäume, das braungelbe Gestein auf dem Weg, und dieser Duft, ein Duft der unbeschreiblich war, das alles glich einem verzauberten Garten. Entweder waren sie gestern einfach zu erschöpft gewesen um es zu realisieren was sie dort umgab oder es gab diesen Anblick gestern noch gar nicht. Es schien als hätte sich die Welt in nur einer einzigen Nacht in eine verzauberte Umwelt verwandelt. Es war auch gar nicht mehr so leise wie gestern, die Vögel sangen, die wilden Tiere des Waldes veranstalteten ein Rennen und spielten miteinander. Alles war anders – warum es so wahr, wusste Ruby schlagartig.
Er hatte wieder in sein Leben gefunden, hat sich über beide Ohren hinweg verliebt, und war einfach glücklich. Was für ihn nur ein kleines Geschenk war, war für die Menschheit ein großes. Von nun an würde alles besser werden. Die Reichen würden den Armen helfen, die Starken den Schwachen, die Klugen den nicht so Klugen – alles wird sich ändern, und zwar ins Positive. Wenn man vor einigen Stunden noch dachte, die Menschen könnten sich nicht mehr bessern, würden in ihrer Sünde krepieren, so wussten Jena und Ruby es besser. Bald schon wird ein Licht auf die Erde kommen und allen bewusst machen, um was es im Leben wirklich geht. Was wichtig ist und was nicht. Wie man seine Lebenszeit gestalten sollte und wie nicht. Wie man mit sich und der Umwelt umgehen sollte und wie nicht. Ja, das alles wird entlarvt werden, damit die Menschheit und die Erde niemals untergehen…

Sie waren also bereit das letzte Stück zurück zulegen. Das letzte Stückchen Arbeit lag vor ihnen. In cirka zwei Stunden wäre es dann vollbracht. Sie liefen in einem Tempo mit dem sie auf der ganzen Reise nicht liefen. Ach, nein, es war nicht laufen es war marschieren, ja fast schon rennen. Es gab nur noch sie und die Aufgabe, die beendet werden musste. Das Gefühl das durch sie beide ging, trieb sie umso mehr an, schneller zu werden. Sie nahmen einen Schritt nach dem anderen, überwältigten einen Höhenmeter nach dem andern und redeten nicht ein einziges Wort. Sie liebten sich, das war ihnen bewusst geworden. Sie waren für einander bestimmt und gehörten zusammen. Alleine durch ihre Gedankenströme hielten sie die ganze Zeit Kontakt. Ohne auch nur einen Laut von sich zu geben, kommunizierten sie die ganze Wanderung hindurch. Zwei Menschen wurden dafür auserwählt. Ein Mädchen und ein Junge. Voller Elan marschierten sie und marschierten. Es war einfach eine Situation, die es zuvor noch nie gab. Sie waren die Retter der Menschheit. Alle Säuglinge, die ab morgen zur Welt kamen, stünden ihr komplettes Leben in der Schul von Jena und Ruby. Aber sie machten es nicht für die Menschen, sie machten es für unsere schöne Welt. Man hat uns einen Platz geschenkt, auf dem wir als Gast sein dürfen. Wir dürfen träumen, dürfen uns Ziel setzten, können eine Familie gründen, ja, können alles Erdenkliche machen. Nur dürfen wir es nicht so weit kommen lassen, dass die Natur zerstört wird, weil irgendwelche Industriekonzerne den Kragen nicht voll genug bekommen. Klar, die Wirtschaft braucht die Menschen, genau so wie die Menschen die Wirtschaft benötigen. Sie versorgt uns mit Gütern aller Welt, ermöglicht uns einen wohlhabenden Lebensstandart, schafft Arbeitsplätze aber auch Arbeitslose. Sie hilft auch den armen Ländern im Leben Fuß zu fassen, gleichzeitig eröffnet sie aber auch Schwarzmärkte, Prostitution und den Drogenhandel. Sollte nicht daran geändert werden, so wäre es unheimlich sich vorzustellen, wo wir in ein paar Jahren stehen würden. Gäbe es noch Menschen? Wie würde die Technik voran streiten? Die Technologie ist das einzige Mittel, das sich schneller entwickelt als die Menschheit. Früher oder später würde die IT-Industrie ihr Grab selbst schaufeln. Schon jetzt gibt es Roboter zur Altenpflege, auch in Rubys Dorf gab es schon die ersten Prototypen von denen in den Firmen. Wie weit konnte es gehen? Wieso machen die Menschen alles Erdenkliche um jegliche Arbeiten sich zu ersparen? Auf der einen Seite möchte man einen möglichst hohen Beschäftigungsstand in der Marktwirtschaft, und auf der anderen Seite ersetzt man Arbeitskräfte durch irgendwelche elektrischen Monster. Macht das einen Sinn?

Wie schon zu oft auch der Wanderung Jenas und Rubys ging auch diese letzte Etappe recht zügig vonstatten. Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel und die beiden auf 2950m auf einer Art Plattform. Auf ihr gab es nicht viel. Es war keine spitziger Berg gewesen, nein, eher ein Berg der Seine Krone verlor. Man konnte ohne Probleme darauf stolzieren. In der Mitte stand ein riesiger Stein mit einer Inschrift. Ruby hatte mal vor zwei Jahren bei einem Steinmetz gearbeitet. Deshalb wusste er mit ihnen umzugehen. Als sie direkt vor dem Exemplar standen, schaute Jena erstmal ein wenig verdutzt drein. „Ruby, ich glaube die Schrift ist Hebräisch.“ Ruby überlegte kurz und sagte dann: „Ja, das ist sie. Ich habe mal ein Buch gelesen, das die hebräischen Schriften studierte. Ein bisschen kann ich sie lesen. Aber auch nur die wichtigsten Wörter, zum Beispiel die, die in der Bibel vorzufinden sind. Wahrscheinlich ist dies ein Erbanlage meines Großonkels Jesu.“ Er musterte Jena kritisch, da sie ihn unglaubwürdig anschaute. „Ja, Ruby ich glaube dir ja, dass du die Schriften lesen kannst. Das heißt aber nicht, dass du auch diesen Code entschlüsseln kannst. Das ist der Unterschied.“ „Jena, sage niemals nie!“, gab Ruby noch von sich, ehe er schon mit seinen Finger die eingemeißelten Buchstaben abtastete. Es war nicht die eigentlich Reihenfolge der Buchstaben. Man konnte sie nicht lesen. Wahrscheinlich hat der Verfasser sie durcheinander gebracht um es noch schweres zu machen. Vielleicht war auch nur die verkehrte Reihenfolge der Buchstaben das Rätsel. So leicht würde man es ihm aber doch nicht machen, kam es Ruby in den Kopf geschossen. „Und Ruby, hast du schon einen Hinweis gefunden?“, gab sie spöttisch von sich, und musste mit aller Kraft ein Lächeln verkneifen. „Ich bin auf einem Weg, der eventuell zum Ziel führen könnte. Aber ich brauche deine Hilfe.“ „Meine Hilfe? Wie kann ich dir den behilflich sein?“ Ruby schaute ihr direkt in die Augen. Er wusste, dass sie von der gleichen Sorte abstammte wie er. Und da sie jetzt ein Paar waren, hatte er wahrscheinlich seine Fähigkeiten ihr mehr oder weniger übertragen. Nun waren sie ein Dream-Team, wie man es umgangssprachlich in den Schulen verwendete. Daraus würden sie Kapital schlagen.
„Jena, hast du das Buch von Leonardo da Vinci gelesen?“ Leonardo da Vinci?, überlegte sie. Was hatte er, das Universal Genie, denn mit dieser Situation zu tun? Dennoch bejahte sie die Frage. „Gut, das wird uns weiter helfen. Er selbst hat seine gesamten Schriften und Rätsel, die er uns zurückgelassen hatte, auch mit einer ähnlichen Reihenfolge der Buchstaben verfasst.“ Das wusste Jena. Trotzdem konnte sie sich nicht mehr genau erinnern wie Leonardo dies anstellte. „Wir müssen nun in unser tiefstes Inneres gehen, Kontakt mir den übermenschlichen Kräften aufnehmen und fragen, ob wir vielleicht Zugang in das Himmels-Archiv bekommen würden“, Ruby fing an zu Schwitzen, als er dies aussprach. „In das Himmelsarchiv?“, brach es aus Jena heraus. „Was wollen wir denn da machen? Das dürfen wir doch gar nicht.“ „Natürlich kann nicht jeder in diese Archiv rein. Aber ich glaube, du hast dich mit unserer neuen Stellung noch nicht lang genug auseinander gesetzt. Wir sind nicht Jeder, wir sind Jemand. Wir sind die Götter auf Erden und Gott, na ja, er ist mein Vater. Wieso dürften wir also nicht dort hinein. Wir machen es ja schließlich nur mit unseren Gedanken. Mitnehmen können wir deshalb schon mal nichts. Aber auch nur weil wir im Auftrag Gottes Handel, sind wir befugt, uns dort kundig zu machen. Vertraue mir einfach, Jena. Uns wird nichts passieren.“ Jena wusste nicht mehr, was sie dazu sagen sollte. Sie war einfach nicht der Mensch dazu, solche Missionen zu erledigen. Aber gut, sie wollte mit gehen, hatte ihr Glück gefunden, und sie war sich dessen bewusst, dass Ruby immer das Richtige machte. „Okay Ruby. Ich bin bereit.“, sagte sie dann, auch wenn es ungern war, sie sagte es. „Gut, aber davor möchte ich dich noch mal was fragen, Jena. Liebst du mich wirklich oder spielst du mir nur etwas vor? Nicht das ich daran zweifeln würde. Aber wenn wir jetzt, im Archiv, nicht zu einem Wesen zusammenschmelzen, dann kann es gefährlich werden. Gefährlich für uns und allen anderen Lebewesen.“ Sie schaute ihn versetzt an. Was meinte er mit >Liebst du mich wirklich, oder spielst du mit nur etwas vor? < Das konnte er doch nicht ernst meinen. „Ruby, ich glaub die Sache hier macht dir noch mehr zu schaffen als mir. Natürlich liebe ich dich, das müsstest du doch merken. Wir haben uns doch nicht aus Zufall getroffen, sind nicht nur aus Zufall auf diesem Berg hier, und stehen auch nicht aus Zufall vor diesem Stein mit einer verschlüsselten Schrift. Oh nein, Ruby. Wir mussten uns finden und haben es auch. Aus dem einen Grund, weil wir zusammen gehören. Ich liebe dich und du mich auch. Wir werden jetzt in das Himmels-Archiv eindringen und zu Einem werden. Das kannst du mir glauben, Ruby.“ Dass sie es so deutlich zur Sprache bringen würde, wäre ihm nie in die Gedanken gekommen. Jetzt wusste er aber, was er an ihr hatte. Sie war definitiv in ihn verliebt. Genau so stark wie er in sie. „Okay“, begann Ruby zitternd am ganzen Leib. „Ich liebe dich auch, Jena. Wir werden jetzt uns via Telekinese in unseren Gedankenströmen treffen. Danach werden wir um Eintritt in das Archiv bitten. Bist du bereit?“ Jena wollte nichts mehr sagen, sie schüttelte einfach nur ihren wunderschönen Kopf. Es konnte beginnen…


Sie waren gegenseitig mit ihren Gedanken verbunden. Gleich sahen sie vor sich den Weg ins Archiv. Davor saß der Herr mit einem weißen Anzug auf einem goldenen Stuhl. „Seit gegrüßt liebe Kinder“, begann er seine Ansprache. „Ruby, das was ihr vorhabt ist eure Aufgabe. Ihr handelt im Namen der christlichen Kirchen und im Namen Gottes, in meinem Namen. Geht jetzt in das Archiv. Dort wird euch einen Hinweis gegeben wie ihr fortfahren sollt.“ Beide waren sprachlos. Es war tatsächlich Gott der zu ihnen sprach. Die Türe ging jetzt auf und sie traten ein, natürlich nur virtuell. Drinnen gab es drei riesige Bücherregale mit Büchern, die wahrscheinlich über Millionen von Jahren gesammelt worden waren. In der Mitte der Regale stand ein Bibliothekarstisch, der allerdings leer war. Okay, er war nicht ganz leer. Auf ihm war wahrscheinlich mit einem Messer etwas reingekritzelt worden. Regal 2, Fach 4, 2tes Buch von Rechts. Sie verstanden sofort um was es sich handelte. Dort mussten sie nach dem Buch da Vincis suchen. Sie gingen also rüber zum 2. Regal. Das vierte Fach war ungefähr auf Kopfhöhe, somit war es einfacher an es heranzukommen. Es war ein großes Buch, das mit Sicherheit ein paar Kilos auf die Waage brachte. Hochkonzentriert manövrierten sie es auf den Bibliothekarstisch. Sie wälzen darin, als hätten sie noch nie ein Buch gesehen. Als wäre es ein Innovation des Jahrhunderts. Es war kein gewöhnliches Buch, das war klar. Es war das Buch Leonardo da Vincis, mit allen seinen Werken. Er lebte vom 15. April 1452 bis zum 2. Mai 1519. Geboren in einer Stadt nahe Vinci, gestorben in dam Schloss Clos Lucé. Von Beruf war er Maler, Bildhauer, Architekt, Anatom, Mechaniker, Ingenieur und Naturphilosoph. Da konnte sich heut zu tage der einer und andere eine Scheibe abschneiden. Sie blätterten sich durch sämtliche seiner Werke. Ludovico Storza, der vitruvianische Mensch, Mona Lisa, Cenacole (das letzte Abendmahl) und die Angluarischlacht. Danach durchblätterten sie seine Anatomischen Studien, ständig auf der Suche nach dem Hinweis für Ruby und Jena. Da gab es die Anatomie der Frau, der Fötus in der Gebärmutter, die Männerkopf-Studien und Männergenitalien. Zu guter letzt gab es dann noch ein Kapitel über seine wissenschaftlichen Arbeiten. Die Wasserstudien, die Flugspirale, das Automobil, das Panzerfahrzeug und das Zahnradgetriebe. Beide waren sichtlich beeindruckt von den Leistungen, die dieser man zu seinen Lebzeiten, erbrachte. Doch sie hatten bis jetzt noch keinen Hinweis erhalten, wie sie die Schrift entziffern konnten. Das Lexikon war nun fast komplett durchblättert. Doch es gab noch eine letzte Seite, die sie umblätterten. Und siehe da, dort war der Hinweis. Das Testament, das er am Osterabend 1519 kurz vor seinem Tod verfasste:

Mein Testament- es darf nur an die allerwichtigsten Personen weitergereicht werden!

Zu meinen Lebenszeiten habe ich viel geschafft und erforscht. Bei den einen kam es gut an, bei den anderen eher nicht. Ich weiß, werde bald mein ende finden. Doch ich hatte noch so viel vor mir, was ich hätte gerne erforschen und entdecken wollen. Das alles muss ich jetzt jemanden überlassen. Diese beiden werden es bis sie das gelesen haben nicht verstehen. Aber so ist es. Ich brauch dringend zuverlässige Leute, die meine werke vollenden werden.
Als ich noch gut zu fuß war, ging ich auf den roten berg. Jener Berg auf dem Moses die 10 Gebote Gottes überreicht bekommen hatte. Doch ich schaffte es nicht den Stein wegzuschieben. Meine Kräfte waren auf einmal weg. Wahrscheinlich war dieses mal das glück nicht auf meiner Seite. Nun ja.
Es sollen zwei kommen, ein Mädchen und ein junge, die sich lieb haben. Diese sollen die Menschheit retten. Auf dem roten berg gibt es einen Stein mit einer Inschrift. Diese wird von rechts diagonal nach links gelesen. Das ist der Entschlüsselungs-code.

Zu guter letzt möchte ich noch ein Zitat loswerden, das mich durch mein leben führte, das mir immer neuen Anspurn und Zielstrebigkeit gab:


„Die Ungleichheit ist die Ursache aller örtlichen Bewegungen.“
Leonardo da Vinci

Ja ich war ein anderer Mann. Ich war anderes als die meisten. Ich war darauf aus, unentdecktes aufzudecken. Ich war anders und zugleich ungleich. Aber ich habe etwas geschaffen, etwas bewegt in der Geschichte. Mein letzter Wunsch soll deshalb in Erfüllung gehen. Die auserwählten müssen die Menschen wieder zu Vernunft führen, damit das jüngste Gericht nicht schon bald auf uns einbricht. Meine zeit ist gekommen, die der Welt aber noch lange nicht.

Abrupt waren sie wieder sich selbst. Sie waren auf dem Berg neben dem Stein. Man musste also die Schrift von recht oben nach links unten lesen. Das versuchte Ruby auch, der eigentlich mit Hebräisch nicht viel am Hut hatte. Es war ein Kuddelmuddel voll Buchstaben, ein Salat. An jeder der vier Ecken prang ein Zeichen, wahrscheinlich ein kirchliches. Aber das war zunächst erst mal irrelevant. Die Schrift musste entschlüsselt werden, nichts anderes. Langsam machte er sich aus dem Buchstaben Salat hebräischer Art einen Reim daraus…

Es braucht nicht lange bis beide den Code hatten. Es war ein einfacher Satz gewesen, der unverwechselbare Anweisungen gab:




Zu Deutsch:

ERLOESER SCHIEBE DEN STEIN FORT, DANN IST ES OFFENSICHTLICH

Das war es also was Leonardo da Vinci in dem Testament mit >ich konnte ihn aber nicht wegschiebenKapitel 6



In der Kirche:
Ruby trat vor ans Rednerpult. Er hatte sich schon ein paar Worte zu Recht gelegt. Somit konnte er sofort durchstarten.

„Liebe Gäste, liebe Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes Kornaki, und natürlich liebe Jena. Auf der Reise ist mir eines klar geworden. Wir Menschen sind nicht dafür bestimmt unterzugehen. Wir müssen die Welt pflegen und bevölkern. Jena und ich haben uns auf der Wanderung zu lieben gelernt. Haben gelernt was wirklich zählt, was wichtig ist und was wir gemeinsam alle tun müssen, um Veränderungen zu schaffen. Wenn man täglich nur fünf Minuten inne hält, in sich hinein geht, auf sein Herz hört, so weiß man, was zu tun ist. Es hört sich simple an, ist es aber auch. Das Problem ist aber nur, dass alle an einem Strang ziehen müssen. Wir dürfen nicht gegen die Quelle schwimmen, sondern mit ihr. Eines dürfen wir aber nicht vergessen: Wir sind auf der Welt nur GÄSTE. Deshalb müssen wir uns auch so verhalten. Die Regeln müssen eingehalten werden, die Natur geschützt werden. Die Menschen müssen lernen miteinander umgehen zu können, Krisen zu überstehen und immer nach einer Lösung Ausschau halten. Am besten wir fangen nochmal von ganz vorne an. Schließlich gibt es keine Fehler, sondern nur Erfahrungen.
Auf dem Berg erhielten wir überarbeitete, ja schon fast neue, Gebote von Gott. Es sind wieder zehn, die aber aussagekräftiger sind als die alten, so dass jeder sie verstehen kann. Ich werde Diese jetzt vorlesen und würde es willkommen heißen, wenn jeder genau zuhören würde…“


Er las sie nach dem Schema LLD vor. Also langsam, laut und deutlich. Zu jedem der Gebote sagte er ein paar Sätze dazu…


„So meine Lieben, wir brauchen jetzt genau zehn Freiwillige, die eines der Gebote aussuchen. Ihre Aufgabe wird es dann sein, dieses Eine zu verbreiten. Überall aufschreiben wo man es kann, überall vorsagen, wo es sinnvoll wäre und vor allem auch einhalten. Das wünsche ich mir, nur diesen einen Wunsch.“

Ruby konnte sich für glücklich schätzen. Es wurde umgesetzt. Alle fieberten ihm nach, als wäre er ein Nationalspieler des Deutschen Fussball Bundes. Sie liebten ihn. Und er liebte Jena. Beide suchten sich nahe am Dorf ein schönes Häuschen. Schließlich hatten beide keine Familie. Es vergingen Jahre, sowohl schöne als auch weniger schöne. Aber mit dem Glauben an ein besseres Leben überstanden sie alles! Die Reise war allemal nützlich. Für sie und vor allem für die Menschheit. Es war nichts mehr wie davor. Eine neue Ära war geboren und man freute sich am Leben. Keine Kriege mehr, keine Unterschlagungen oder Schwarzgeschäfte. Keine Prostitution, kein Drogenhandel mehr. Alles war friedlich und paradiesisch.

Ja paradiesisch konnte man das hier nennen! Das war das richtige Wort dafür.

PARADIESISCH.


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Tag der Veröffentlichung: 01.09.2010

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