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Spuk in Guissen

Wer von Ahlen aus in Richtung Süden, am blauen Wasserturm vorbeifährt, kommt zwangsweise auf die Guissener Straße. Nach der langgezogen rechts Kurve trifft man nach einigen Hundert Metern auf das alte Zechengelände  von Schacht 3.  Nur den wenigsten fällt das kleine Heiligenhäuschen auf der linken Seite auf. Es liegt zwischen dem alten Schachtgelände und der Bankampstraße, am Ende einer Hecke, die zwei Felder trennt.   Dieses Heiligenhäuschen, spielt in dieser Geschichte ebenso eine Rolle wie die alte Zechenbahn Linie, welche heute ein beliebter Rad und Wanderweg ist.     Es war eigentlich ein ganz normaler, leicht nebliger Abend, als eine junge Bäuerin von einem der Höfe auf der Bankampstr. beschloss, noch einen Rundgang zu machen. Die Sonne hatte die Felder den ganzen Tag so weit aufgeheizt, dass sich jetzt in den späten Abendstunden ein Nebelschleier aus ihnen erhob. Diese zogen, vom Wind getragen, von den Felder hinüber zur Straße und den Höfen, wo sie sich dann langsam auflösten. Die junge Bäuerin  hatte so eine Ahnung, die sie beunruhigte. Sie hatte ein noch nie dagewesenes Gefühl, irgendetwas schien nicht zu stimmten und aus diesem Grund wollte sie sich vergewissern, dass mit Haus, Hof und Vieh alles in Ordnung war.  Die Nachbarn auf der Bankampstr. Achteten zwar sehr aufeinander, aber heute Abend war alles irgendwie anders. Der Nebel, der hier öfter im Jahr auftrat, war heute Abend irgendwie anders als sonst. Eigentlich wusste sie selber nicht, warum sie in Richtung Radweg und Guissener Straße ging.  Irgendwie wurde in Richtung des neu errichteten Aussichtsturms gezogen, der nur wenige hundert Meter von der Stelle entfernt errichtet worden war, wo die Bankamp Strasse die alte Zechenbahn und damit den frisch angelegten Rad und Wanderweg kreuzte.   Plötzlich verspürte sie ein ungutes Gefühl im Magen und auf der Brust, zudem breitete sich ein unangenehmes Kribbeln auf ihrer Haut aus. Ängstlich und verunsichert schaute sie sich um und sah plötzlich eine Gestalt in dem jetzt dichter werdenden Nebel.   Bildete sie sich das ein?  Spielt der Nebel ihr einen Streich?  Dennoch schien die Gestalt leicht zu schweben und ihre Konturen verschmolzen förmlich mit dem Nebel, der sie umgab.  War das eine Frau in einem weißen Kleid?  Sie stand zunächst einfach nur regungslos da, auf dem Feld, direkt an dem Rad- und Wanderweg, der früher einmal die alte Zechenbahn war.  Doch dann schien die Gestalt die Bäuerin bemerkt zu haben, schaute diese an und bewegte sich auf die Bäuerin zu.   Der Nebel stob auseinander und jetzt konnte die Bäuerin die Gestalt einer weißen Frau, die dicht über dem Boden schwebte, erkennen. Ihre Augenhöhlen waren schwarz und ihr Mund weit aufgerissen, so als versuchte sich zu schreien.   Blankes Entsetzen stieg in der Bäuerin auf und sie ergriff sofort die Flucht.   Als einige Tage später, in geselliger Frauenrunde mit ihren Nachbarinnen das Thema Wetter aufkam, fasste sie ihren Mut zusammen, von ihrem Erlebnis zu berichten.  Sie glaubte noch, einem Irrtum aufgesessen zu sein, aber als ihre Nachbarn allesamt verstummten und die Älteste unter ihnen gebannt anschauen, regte sich Unbehagen in ihr.  Zunächst lachte die junge Bäuerin laut los, denn sie hatte erst vor einigen Monaten in diese Gemeinschaft eingeheiratet und war es schon fast gewohnt, von den anderen öfter mal auf den Arm genommen zu werden.   Aber das schien heute nicht der Fall zu sein und deswegen verstummte die junge Bäuerin schlagartig.   Die alte Frau, die in einem Schaukelstuhl saß, sah die junge Bäuerin, welche ihre Schwiegertochter war, gelassen an.   "Das, was du gesehen hast, Kind, war keine Einbildung, es war der Geist der Hannah.", sagte die alte Frau.  "So ein Quatsch!", entgegnete die junge Bäuerin und schaute in die immer noch schweigende Runde.   Aber nichts außer dem Knarren des Schaukelstuhls war jetzt zu hören.   Nach wenigen Augenblicken begann die Alte dann zu erzählen, ihre Stimme war laut und klar, aber dennoch hatte die junge Bäuerin das Gefühl, die Worte der Alten wären scharfe Messer, die die Luft durchschnitten.   "Vor über einhundert Jahren, geschah hier an der Bankampstraße ein Mord. Ein junger Knecht von einem der Höfe hier wurde brutal von einem anderen erschlagen." Sie machte eine Pause und sah, wie einige der Anwesenden nickten.  "Damals verlief der Weg dort, wo heute die Hecke mit dem kleinen Heiligenhäuschen steht. Was die wenigsten wissen ist das es Mal in der Mitte der Hecke stand, genau dort wo der Mord geschah. Erst vor einigen Jahren wurde es aus der Hecke, in der es fast in Vergessenheit geraten und total zugewuchert war, herausgeholt und unten an die Guissener Straße gestellt."  "Und was hat das alles mit diesem Geist der Hannah zu tun?", unterbrach die junge Bäuerin ihre Schwiegermutter.   "Nun du musst wissen, dass es, dort wo heute an dem Radweg der Aussichtsturm steht, Mal einen kleinen Hof gab, welcher von Hannah nach dem Tod ihrer Eltern, alleine bewirtschaftet wurde. Hannah und der Knecht hatten eine Liebschaft und wollten auch heiraten, doch es gab einen Nebenbuhler, der dem Knecht, als dieser auf dem Weg aus dem Dorf zu Hannah war, auflauerte und ihn erschlug. Man erzählte sich, dass er an diesem Tag zu Hannah wollte, um sie zu sagen, dass sie nun endlich heiraten konnten, da er die Erlaubnis seines Dienstherrn eingeholt hatte.  Doch als Hannah vom Tod ihres Liebsten erfuhr, wurde sie sehr krank und starb ebenfalls. Einige meinten, dass sie an einem gebrochenen Herzen verstarb, andere, dass sie sich selbst das Leben nahm. Hannahs kleinen Hof wollte niemand haben oder übernehmen, da man sich erzählte, er sein verflucht. So begann er zu verfallen und wurde schlichlich beim Bau der Zechenbahn ganz abgerissen. Viele sind seit dem der Meinung das sie Hannahs Geist gesehen haben und dass sie keine Ruhe findet, weil sie immer noch auf ihren Liebsten wartet."  "Schöne Geschichte, aber das glaubt ihr doch nicht wirklich.", sagte die junge Bäuerin und schaute in die immer noch schweigende Runde.   "Was glaubt ihr nicht?", wurde jetzt das Schweigen durch eine raue Männerstimme unterbrochen. Es war der Mann der jungen Bäuerin, der eben den Raum betreten hatte.   "Deine Mutter will mir erzählen, dass es hier spukt.", grinste die junge Bäuerin.   Verlegen löste sich die Nachbarschafts Runde jetzt auf und die drei blieben alleine zurück.   Der Mann setzte sich und schaute erst seine Frau und dann seine Mutter an.  "Na ja, einige glauben fest daran, andere halten es für Humbug."  "Und du? Was glaubst du?", wollte seine Frau wissen.   "Ich glaube, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde  gibt die wir nicht verstehen.", versuchte er auszuweichen.   "Du glaubst also auch daran, ich meine, dass dort draußen der Geist einer jungen Frau herumspukt, der auf die Rückkehr seines Partners wartet?"  "Was ich glaube oder nicht spielt keine Rolle, feststeht, dass es auch heute noch immer wieder Menschen gibt, die nicht von hier sind und behaupteten, den Geist einer Frau gesehen zu haben."  "Ach ja? Wer denn zum Beispiel?"  "Nun da sind z.b. die Arbeiter die damals die Gleise für die Zechenbahn verlegten."  "Ach hör auf, die wären doch bestimmt hier aus Gegend und kannten diese Geschichte", wandte seine Frau ein.   "Die beiden Amerikanischen Soldaten, damals im Krieg, aber bestimmt nicht."  Die junge Bäuerin runzelte die Stirn. "Meinetwegen, aber wenn es die Tage wieder neblig ist, gehen wir beide eine Runde um die Pöste und wir werden sehen, ob wir einen Geist sehen oder nicht."  Ob die beiden wirklich irgendwann wirklich im Nebel den Geist der Hannah sahen, ist mir nicht bekannt. Ich kann aber sagen, dass ich einige Jahre auf einem der Höfe auf der Bankamp Straße zur Miete gewohnt habe. In  dieser Zeit habe ich oft den Nebel gesehen und in ihm einige Erscheinungen, die ich mir nicht oder nur schwer erklären kann.  Den Geist der Hannah aber, habe ich dabei nie bewusst wahrgenommen.  Aber vielleicht machst du lieber Leser, einmal einen Spaziergang über den Radweg bis hin zum Aussichtsturm hinter der Bankamp Straße und begegnest dabei dem Geist, der dort noch heute spuken soll.      

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Tag der Veröffentlichung: 09.02.2023

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