Sebastian von Nagaroon
Tagebuch eines Reenactors
oder Überleben auf Mittelaltermärkten
Widmung
Ich widme dieses kleine Buch meiner Familie, die mich seit nun mehr als 15 Jahren bei meiner Darstellung und meinen Ideen unterstützt,
allen Leuten, die ich bewusst und unbewusst
hier und jetzt nicht erwähne,
sowie jenen Darstellern, die mit uns bei Wind und Wetter lagerten, bei Minusgraden mit uns froren, die uns mit ihrer Musik und ihrem Gesang unterhielten, die uns an den Geheimnissen ihrer Handwerkskunst teilhaben ließen und natürlich jene, Veranstalter die uns immer freundlich und fair behandelten.
Und natürlich jenen, die mich durch ihr Verhalten erst auf die Idee zu diesem Buch gebracht haben.
Tagebuch eines Reenactors
oder überleben auf Mittelalter Märkten
Das kleine, aber wichtige Vorwort
Mit diesem Buch möchte ich keinem zu nahe oder auf die Füße treten. Obwohl alle diese kleinen Geschichten wahr sind, habe ich darauf verzichtet Orte und Namen zu nennen. Aus diesem Grund sollte man nicht jedes Wort und jede hier beschrieben Tat auf die Goldwaage legen. Denn ich weiss, dass sich diverse Darsteller, Besucher und Veranstalter mit Sicherheit angesprochen und beleidigt fühlen wollen. Jenen kann ich nicht helfen, denn Sie sind es, die mich dazu brachten, dieses Buch zu schreiben.
Deswegen an dieser Stelle noch einmal ein kurzer Warnhinweis:
Zu Risiken und Nebenwirkungen, lesen Sie dieses Buch oder besuchen Sie einen Mittelaltermarkt oder historische Feste.
Wie alles begann
Bereits seit der 5. Klasse interessiere ich mich für Geschichte. Besonders die Römer und Germanen hatten es mir angetan. Das brachte mich dazu, viel über diese Völker nachzudenken und oft machte ich mir Gedanken darüber, wie das Volk der Germanen die Römer besiegen konnte. Laut meines Geschichtslehrers Herr Galle, waren die Germanen Hörnerhelm tragende und nur mit Fellen bekleidete, Keulen schwingende Wilde, die den ganzen Tag nur Met und Bier tranken. Irgendwie hatte er ja schon recht, wenn man Tacitus liest. Der ein ähnliches Bild dieses Volkes zeichnet. Zwar tragen die Germanen laut diesem römischen Historiker keine Hörnerhelme, dennoch sollen sie ständig mit Dingen wie Bier und Met trinken beschäftigt gewesen sein. Für den Germanen wohl ein echter Vollzeitjob. Wie konnten also diese Wilden, die zwar Eisenhelme herstellen und diese mit Rinderhörnern verzierten, aber nicht in der Lage waren Stoffe zu weben und deswegen nur Felle trugen, eine Hochkultur wie die Römer besiegen?
Erst gut 15 Jahre später änderte sich mein Bild schlagartig.
Ich kam zum ersten Mal mit dem Reenactment und dem Living History in Berührung.
Reenactment ist, so kann man bei Wikipedia, dem wohl bekanntesten Internetlexikon nachlesen, das Nachstellen oder Nachspielen einer historischen Szene oder Begebenheit. Als Beispiel werden dort immer berühmte Schlachten aufgeführt. Living History (gelebte Geschichte) hingegen ist das Nachstellen des täglichen Lebens einer früheren Epoche.
Mein Blutsbruder Falk von Tyrwik sagte einmal: „Reenactment ist: Sich verkleiden, den ganzen Tag saufen, im Schlamm pennen und schön auf einem Dixi scheißen.“
Was er aber meinte, war eher das „Living History“ wie man es heutzutage auf den meisten allgemeinen Mittelaltermärkten und historischen Festen zu sehen bekommt.
Seit nun mehr als 16 Jahren fahre ich aktiv als Darsteller auf Mittelaltermärkte. Aber auch als Besucher bin ich oft auf diversen Veranstaltungen unterwegs.
Und wie so manch Anderer weiss ich viele Dinge zu berichten, doch das soll nicht Hauptbestandteil dieses kleinen Buches sein.
In diesem Buch möchte ich echt wichtigen philosophischen Fragen nachgehen, welche sich nicht nur mir, sondern auch andern Darstellern und Besuchern oft genug stellen.
Ich möchte das Verhalten und die Beweggründe einiger Aktiver und auch meist gewandeten Besuchern untersuchen.
Was bewegt Menschen, das zu tun, was sie auf diesen so genannten historischen Veranstaltungen so treiben?
Ist es einfach Unwissenheit oder doch schlichte Dummheit?
Wer also die Wahrheit nicht vertragen kann und nicht gerne den Spiegel vorgehalten bekommt, der sollte an dieser Stelle aufhören zu lesen, denn das was ich dem Leser bieten möchte und werde, wird nichts als die reine „Wahrheit“ sein.
Aus dem Tagebuch eines Reenactors
02.05.2014
Liebes Tagebuch,
heute auf den Tag sind es genau 14 Jahre, dass ich zum ersten Mal aktiv an einem Mittelalterfest teilgenommen habe.
Jetzt, vierzehn Jahre später, sitze ich nach langer Zeit mal wieder auf einem Mittelaltermark der Stufe III und versuche meine Erinnerungen der letzten Jahre aufs Papier zu bringen.
Gerade noch bin ich in Gedanken bei der allerersten Veranstaltung, an der ich aktiv teilgenommen habe, da werde ich auch schon wieder aus meinen Gedanken gerissen. Ich erinnere mich an den 01.05.2000, auf einer Burg in Sachsen-Anhalt lagerte ich zum ersten Mal mit einer Mittelaltergruppe. Die Freie Ritterschaft zu irgendwas beherbergte uns 3 Tage lang auf ihrem Lager. Doch bevor ich dazu komme meine Gedanken an diese edlen und tapferen Ritter niederzuschreiben, geschieht in dem Lager, welches mir gegen übersteht, Seltsames.
Es ist Freitagabend und die Dunkelheit ist schon angebrochen, als plötzlich, wie auf einen Befehl, in den meisten Lagern elektrische Lampen angehen.
Na ja denke ich – ist halt ein Mittelaltermarkt der Stufe III. Diese Klassen habe ich für mich selbst festgelegt. Eigentlich sind es ja mehr als drei Stufen, denn was für Mittelaltermärkte gilt, gilt ebenso für Museen. Dazu aber an anderer Stelle mehr und Genaueres.
So oder so, die Stufe III ist die vorletzte Stufe und bedeutet elektrisches Licht, sehr viele nicht mittelalterliche Waren wie z.B. indianische Traumfänger, Modeschmuck aus Plastik, sowie Wikinger in Pannesamt und aus grauer Wolle gestrickten Kettenhemden. Kurz gesagt, in Stufe III ist alles erlaubt, was Spaß macht und meistens absolut nichts mit dem Mittelalter zu tun hat.
Doch während mein Blick noch über die jetzt zum Teil mit Strom hell erleuchteten Lager und Stände wandert, bleibt er unweigerlich an einem Zelt hängen.
In diesen Zelt steht in der Ecke eine elektrische Lampe, ein Bauscheinwerfer. Er erhellt das weiße Zelt wie eine Leinwand eines Schattenspiel-Kabinetts.
So werde ich unweigerlich Zeuge wie eine Frau beginnt sich bettfertig zu machen.
Liebes Tagebuch, die Einzelheiten möchte ich dir dann doch nicht weiter vorenthalten. Auch, dass, ich nicht der einzige Zeuge dieser abendlichen Strip-Show bin. Aus einem Lager, in dem einige Ritter zusammen an einer Tafel sitzen, erschallen laute Pfiffe.
Auch sie sehen das Schattenbild der Dame, die im Moment noch auf ihrem Bett sitzt und an ihrem Kleid herumfummelt. Die Recken scheinen nicht zu wissen, dass diese Dame gute 140 Kilo bei einer Körpergröße von 160 cm aufbringt. Denn im Moment sitzt sie auf der Bettkante und bürstet sich das Haar. Es wird laut gegrölt. Die Jungs hoffen auf mehr und eine gute Show. Einer der Ritter wird von seinen Gefährten dazu aufgefordert, ihr den Hof zu machen.
Die Dame scheint das nicht weiter zu interessieren. Vielleicht ist sie taub, oder legt es bewusst darauf an, gesehen zu werden und genießt das Ganze selber. In jedem Fall lässt Sie sich mit ihrer Haarpflege Zeit. Mein Blick richtet sich wieder auf das immer noch fast weiße Blatt vor mir und ich beginne einige Sätze im Kopf zu formulieren. Dabei versuche ich das Jaulen und Grölen der Ritterschaft gegenüber zu ignorieren. Plötzlich herrscht Stille. Ich schaue verwundert zu den Rittern herüber. In diesem Moment schient die erste Begeisterung in blankes Entsetzen umzuschlagen. Rufe wie – Ah mache das weg – oder - ich bin blind – und - nein das will ich nicht sehen - ertönten.
Doch das alles hilft nichts. Die Ritter werden Zeuge, wie die Dame vom Bett aufsteht. Sie zeigt sich jetzt in ihrer vollen Pracht und beginnt, sich ihres Gewandes zu entledigen. Jetzt herrscht im Ritterlager Ruhe. Die Jungs sind so geschockt von dieser Schatten-Show, dass sie einige Minuten brauchen, um das Gesehene wirklich zu verarbeiten. Die Dame zeigt wahrlich ein gewagtes Schattenspiel. Entledigt sich ihres BH´s und beginnt mit einer Pflegelotion ihre Brüste einzureiben. Dann zeigt sich noch mal in voller Breitseite, streift ihr Nachtgewand über, dann löscht sie das Licht. Die Ritter schweigen einige Minuten lang. Erst dann brechen sie in lautes Gelächter aus.
Ja, liebes Tagebuch, man muss nicht immer dem gesehen Zeit geben, zu beweisen, ob es auch wirklich und echt ist. Oft muss man es hinnehmen, wegschauen oder einfach mal die Augen für einige Minuten vor der Wirklichkeit verschließen.
Man sollte in jeden Fall aber auf 250 Watt Scheinwerfer im Zelt verzichten.
Nach dieser kleinen, peinlichen, lehrreichen und auch lustigen Einlage wende ich mich wieder meinen Erinnerungen zu, um diese weiter niederzuschreiben.
Allerdings dauert das einige Zeit, denn immer wieder steigen die Bilder der letzten Augenblicke in meinem Kopf empor und verursachen einen einige Minuten anhaltenden Lach Flash. Ob es an der mir gegenüber lagernden und völlig verblüften Ritterschaft, oder an dem Verhalten der Dame liegt, kann ich gar nicht sagen.
Bevor ich jetzt damit beginne von verschieden Erlebnissen der vergangen Jahre zu berichten, möchte ich kurz die von mir selber eingeführten Stufen der verschiedenen Veranstaltungen auflisten.
An dieser Stelle sei gesagt das ich das Buch eigentlich schon abgeschlossen hatte, als wir im Dez. 2014 doch noch mal auf einem Mittelaltermarkt unsere Zelte aufschlugen. Hier kamen wir zu der Erkenntniss, dass die von uns gewählte Klassifizierung um mindestens 1 Stufe erweitert werden muss. Die Stufe IV. Vielleicht gibt es eine Stufe V, aber ich selber habe diese bis heute nicht kennen gelernt und muss auch sagen, dass ich sie nicht unbedingt kennenlernen muss.
Stufe IV – Mittelaltermarkt auf einem gepflasterten Platz. Vorzugsweise wird diese Veranstaltung gerne auf den Parkplätzen bekannter Discounter veranstaltet. Auch Innenstädte wie Marktplätze sind gern genutzte Plätze. Elektrisches Licht für jederman gehört ebenso dazu wie eine große Bühne mit riesen Boxen, bei denen man sich nicht mal die Mühe macht, sie zu verstecken. Neben Modeschmuck und Plastikspielzeug findet man hier auch oft einen Bierwagen, der mit etwas Jute auf mittelalterlich getrimmt wird. Die Verkaufsstände sind mit irgendwelchen Stoffen getarnte Gartenpavillons. Hier kann man auch Handwerker finden, die z.B. Laubsägearbeiten oder Bauernmalerei machen. Die Versorger bieten Speisen wie Currywurst und Pommes an. Die Orga dieser Veranstaltung ist überfordert und stresst damit nicht nur sich selbst, die Teilnehmer und Aktiven sondern auch die Besucher.
Stufe III – Teilweise gepflasterter oder auch geschotterter Platz mit Wiesenfläche dazwischen. Elektrisches Licht für jedermann. Die Stände sind meistens aus Holz und sehen mittelalterlich aus. Das Warenangebot ist zwar alles andere als mittelalterlich, aber einiges wirkt schon glaubwürdiger als in der Stufe IV. Die Handwerksdarstellungen kommen den historischen schon näher. Z.B. Glasverarbeitung. Auch wenn hier mit einem Glasbrenner Glasfiguren moderner Art gefertigt werden. Es gibt keine Bierwagen, sondern Bierstände aus Holz. Die Versorger bieten mittelalterlich anmutende Speisen an wie Ritterschnitzel und Braten vom Spies. Auch wenn dieser in einem Brötchen serviert wird, ist es glaubwürdiger als Pommes. Auch das Angebot an modernen Softgetränke ist in dieser Stufe vielfältig.
Stufe II – Der Veranstaltungsplatz ist in jedem Fall eine Wiese oder ein Ort wie z.B. ein Park. Nur die Versorger und die Bühne werden mit Strom versorgt. Keine Plastiksonnensegel oder ähnliches, welches als moderne Dinge zu erkennen sind. Wirklich mittelalterlich wirkende Stände und Lager, die bei Einbruch der Dunkelheit mit Fackeln und Kerzen beleuchtet werden. Das Warenangebot erscheint ebenfalls mittelalterlich und hier findet man keine Waren wie Dekoschwerter aus diversen Fantasy-Filmen oder indianische Traumfänger und Co. Oft gibt es an einem Abend ein Höhenfeuerwerk.
Die Stufe II ist neben der Stufe III die wohl am weitesten verbreitetste Form der historischen Veranstaltungen. Auf den Getränkekarten findet man keine Softgetränke.
Stufe I – Der Veranstaltungsplatz ist in jeden Fall eine Wiese oder ein historischer Ort wie z.B. eine Burg. Strom bekommen nur die Versorger, die Lebensmittel kühl halten müssen.
Die Spielleute spielen unplagged. Bei Einbruch der Dunkelheit erstrahlt der Mark in einem Meer aus Fackel und Kerzenlicht. Die Markstände sind meistens aus grob zusammen gebundenen Hölzern oder dicken Ästen gebaut. Gewandete Besucher werden nicht zugelassen. So trifft man auf diesen Veranstaltungen auch keine Orks oder anders fantasievoll Gewandete. Hier findet man wirklich altes Handwerk, neben einer Schmiede die man auch oft auf den anderen Stufen findet, findet man z.B. Mollenhauer oder Holzschuh Schnitzer. Ihre Stände sehen wild und unorganisiert aus. Aber man fühlt sich viele hundert Jahre zurück versetzt wenn man ihnen bei ihrer Tätigkeit zuschaut. Das gilt übrigens auch für das Betreten dieser Veranstaltung. Hier kann man am ehesten sagen, dass es sich hier bei um eine wirklich authentische historische Veranstaltung handelt.
Doch nun wird es Zeit in Erinnerungen zu schwelgen. Also gehen wir gut 14 Jahre zurück und begeben uns auf einen Mittelaltermarkt der Stufe II ...
Mai 2000
Liebes Tagebuch, wenn ich an den 01.05.2000 zurück denke, fällt mir ein Name auf Anhieb ein. Connor McGörken. Mich würde echt mal interessieren was der Gute heute so treibt. Seinen wirklichen Namen habe ich leider nie erfahren.
Die freie Ritterschaft zu irgendwas (der Name ist mir zwar bekannt, ich möchte ihn hier aber aus verschieden Gründen nicht nennen) war ein bunter Haufen der wohl auch gut und gerne 1000 Jahre Geschichte in sich vereinte. Heute kann ich nicht mehr sagen, wie gut oder schlecht sie waren, nur dass sie eine für mein damaliges Verständnis gute Show boten. Schaukämpfe und Interaktivität mit den Besuchern.
Ich erinnere mich noch, dass Ihre Schilde aus Ribbel- oder - wie wir sie nennen - Tränenblechen gemacht waren. Fünf bis sechs Millimeter stark, dahinter waren zwei Lederriemen genietet und als Polsterung jede Menge Schaumstoff.
Diese Bleche waren in einer dreieckigen Wappenform geschnitten und bunt bemalt. Nach dieser Veranstaltung waren sie durch die kräftigen Schläge nach vorne gewölbt. Ein Zeichen dafür dass sie sich bei diesen Schaukämpfen nichts schenkten. Davon zeugte der gebrochenen Finger eines der Teilnehmer.
An Showeffekten sparte diese Gruppe ohnehin nicht. In einer Szene in ihrem täglichen Programm, wurde einem Ritter ein Zahn gezogen. Natürlich wurde das mit einer großen Schmiedezange und reichlich Theaterblut gemacht. Der arme Ritter wurde dazu unter heftiger Gegenwehr zunächst mal mit vier Leuten auf dem Boden fixiert. Dann kam der Medicus mit seinem Gehilfen um in dem ganzen Gewühl den Zahn zu ziehen. Das Publikum sah nun nur noch eine Traube aus Gewandeten die einen der Ihren auf dem Boden festhielt. Der Patient schrie und wand sich am Boden bis der Medicus einen übergroßen gezogenen Zahn präsentierte. Dann ließen alle von dem am Boden liegenden ab. Dieser sprang fluchend auf und spuckte literweise Theaterblut. Das Publikum war geschockt und begeistert zugleich.
Doch ich schweife schon wieder ab, liebes Tagebuch, denn ich wollte dir ja eigentlich was über Connor McGörken schreiben.
Er war ein großer, kräftiger Kerl, gekleidet in einen rot karierten Kilt und ein weißes Piratenhemd, so machte er einen auf Hochland-Schotte. Seine langen, zotteligen Haare hatte er an den Schläfen zu zwei schmalen Zöpfen zusammen geflochten. In der Mitte seines breiten Gesichtes wucherte ein dichter Vollbart.
Nach jeder Vorstellung stellten sich die aktiven Teilnehmer in einer Reihe auf und wurden mit Rang und Namen dem Publikum vorgestellt. Als letztes war immer Connor dran. Denn als besonderen letzten Gag wurde immer die gleiche Frage gestellt.
Was trägt der Schotte unter dem Rock?
Diese Frage beantworte Connor nach einigem Drängen und Jubelrufen aus dem Publikum dann immer gerne.
Er hob nach einigem Hin und Her dann schließlich doch den Kilt ganz hoch. Zum Vorschein kam dann ein besonderer String-Tanga für Männer. Connors bestes Stück steckte in einem Elefanten Kopf, dessen Rüssel lustig hin und her schwang.
Bei diesem Anblick gerieten die Zuschauerinnen fast in Verzückung. Das ganze wurde nur noch dadurch getoppt, dass der Chef der Ritterschaft ihm einige Erdnüsse zwischen die Füße warf, um den Elefanten zu füttern.
Doch bereits nach der zweiten oder dritten Show gab es keine Erdnüsse mehr, die man dem Schotten zwischen die Beine werfen konnte. So kam einer der Lagerleute, eine junge Frau, auf eine Idee. Zwar wollte man die Elefantenfütterung mangels Erdnüssen ausfallen lassen, doch dazu kam es nicht. In dem Moment, als er seinen Kilt in die Höhe hob und der Elefanten-Slip sichtbar wurde, warf ihm eine Freundin, statt der Nüsse, ein paar Gurkenscheiben zwischen die Füße. Dabei schüttete sie sich aus vor Lachen und rief. „Lang lebe Connor McGurke oder wie die die Schotten sagen: McGörken!“
In diesem Moment hatte der von dieser Aktion völlig überraschte Connor einen neuen Namen bekommen.
Connor nahm es gelassen und hörte von nun an auf den Namen Connor McGörken.
Der größte Teil der Ritterschaft verbrachte die Nacht im Rittersaal der Burg auf der sich das Lager befand. Dieser wurde in der Regel für Veranstaltungen wie Ritteressen, Hochzeiten und andere Festlichkeiten genutzt.
Liebes Tagebuch, hast du jemals mit ca. 30 angetrunken Rittersleuten in einem Saal geschlafen? Ich bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch nicht. Es wurde gerülpst, gefurzt und geschnarcht. Jedenfalls gingen wir kurz nach Mitternacht als eine der Ersten zu Bett. Nach und nach trafen auch die andern ein und so war es wirklich schwer in den Schlaf zu kommen. Als letztes kam, wie konnte es auch anders sein, Connor McGörken, so gegen vier Uhr in der Früh in den Rittersaal. Gerade eingeschlafen wurde ich dadurch aus dem Schlaf gerissen, dass das Licht eingeschaltet wurde und Musik erklang.
McGörken war der Meinung, dass er es durch den Rittersaal nicht im Dunkeln schaffen konnte und hatte sowohl die Licht- als auch die Beschallungsanlage, die für bestimmte Festlichkeiten vorgesehen war, eingeschaltet.
So tönte aus den Lautsprecher – Hier kommt die Flut - von Joachim Witt.
Ich stand senkrecht im Bett und sah gerade noch wie sich Connor in voller Montur auf sein Feldbett fallen ließ und ein erleichtertes Stöhnen von sich gab.
In mir kochte die Wut.
Ich setzte mich mit einem Ruck auf und schrie laut los:
„Wenn du die Scheiße nicht sofort ausmachst, dann wünsche ich dir so viele hässliche Pickel an den Hintern, das du in Clearasil* ein Sitzbad nehmen musst, um die wieder los zu werden!“
Connor schreckt hoch, sah mich entsetzt an und nicht mal 5 Sekunden später hörte man nur noch das schnarchen der Ritter im Saal.
Michaela zupfte an meinem Schlafsack.
„In Clearasil?“ lacht sie leise.
„Ja – damit es nicht billig wird.“ antwortete ich.
„Hilfe jetzt habe ich Kopfkino.“ Und sie begann lauter zu lachen.
„Warum?“
„Ich stell mir vor, wie der in eine Badewanne voll Clearasil steigt und …“ hier brach sie in einem erstickten lachen ab.
„Badewanne? Der ist Schotte und die sind geizig, der hat höchstens eine Dusche.“
Michaela beginnt in ihren Schlafsack zu beißen, um das Lachen zu unterdrücken.
Dabei murmelt Sie etwas unverständliches.
„Was lachst du so?“ will ich wissen.
„Zinkwanne …“ japst sie jetzt unter immer stärker werden Lachen.
Zinkwanne?“ frage ich nach.
„Ja … ich habe Kopfkino … ich kann gleich nicht mehr.“ Lacht sie weiter.
Jetzt entstehen in meinem Kopf auch Bilder. Bilder von McGörken und einer alten Zinkwanne, wie ich sie aus dem Keller meiner Großeltern kenne.
Auch ich fange an zu lachen.
Ich beginne Michaela zu schildern was sich gerade vor meinem inneren Auge abspielt.
Da sehe ich Connor McGörken in einer Zinkwanne sitzen. Die Knie auf dem Rand liegend und die Beine außerhalb der Wanne baumelnd. Den Kilt noch an und über die Wannenränder geworfen schaut sein Oberkörper aus der kleinen Wanne heraus. So als wäre er rücklinks in das Behältnis gestolpert.
Jetzt gibt es kein Halten mehr. Wir lachen beide laut los.
Unter Tränen in den Augen fangen wir an über einige grundlegende Dinge in so einem Fall zu philosophieren.
Wie erkläre ich dem Arzt die Pickel am Hintern?
Zahlt so was die Krankenkasse? Denn auch wenn es nur eine Zinkwanne voll Clearasil ist, wird das ja nicht billig.
Dann stellt einer von uns beiden die alles entscheiden Frage:
Ob das wohl brennt am Hintern oder gar am Geschlecht? Das können wir uns selber nicht mehr beantworten. Der Lachanfall treibt uns aus dem Bett und raus aus dem Rittersaal, denn dort haben wir jetzt angefangen den Unmut derer, die schlafen wollen, auf uns zu ziehen.
Eine geschlagene halbe Stunde sitzen wir im Burghof auf einer Bank und versuchen uns weitere Fragen zu diesem Thema selber zu beantworten. Schließlich gehen wir wieder zu Bett, aber die Bilder in Kopf bleiben und immer wieder müssen wir das eine oder andere Lachen unterdrücken.
Am nächsten Morgen kommt einer der Ritter zu uns und sagt:
„Hey Leute, egal was ihr da gestern Abend genommen habt, aber das nächtse Mal möchte ich auch was davon haben!“
Anfang Mai 2014
Liebes Tagebuch du fragst dich jetzt bestimmt, warum ich mir das alles antue. Nun, der Grund ist einfach: jede Subkultur - und so kann man die Mittelaltermarkt Szene getrost nennen verfügt über mehr oder weniger skurrile Typen.
Fragt man die aktiven Darsteller, warum sie sich in „Kostüme“ zwängen, ja, ich weiss es heißt Gewandung, bekommt man in der Regel nur zwei bis drei Antworten.
- Aus Spaß.
- Um das Lebensgefühl der damaligen Zeit nach zu empfinden.
- Um dem interessierten Besucher etwas beizubringen (Lehrauftrag)
Wobei es gerade mit dem 3. Punkt, dem sogenannten „Lehrauftrag“ sehr oft hapert und oft nur als Ausrede gesehen werden kann. Die Frage, wer ihnen diesen besagten Lehrauftrag erteilt hat, bleibt meistens unbeantwortet.
In Wirklichkeit aber hat es etwas mit Abenteuerlust zu tun.
Sein Essen kann und will man zwar nicht mehr selber erjagen, aber dafür über dem offenen Feuer zubereiten.
Na ja, wird der eine oder andere jetzt sagen, das tue ich sowieso im Sommer fast jedes Wochenende, wenn ich den Grill anwerfe.
Das ist aber nicht Dasselbe. Feuer und Grill wahrscheinlich schon, aber die Stimmung und die Atmosphäre sind eine ganz Besondere. Abends am Lagerfeuer sitzen kann der eine oder andere in seinem eigenen Garten wahrscheinlich auch. Auf einem Mittelaltermarkt hat das aber noch einen besonderen Reiz von Freiheit.
Zudem kommt, das man im Garten meistens nicht bis um 4.00 Uhr in der Früh sitzen und feiern, geschweige denn auch seine Dudelsack und Trommelspielkünste zum Besten geben kann. Leider reagieren die meisten Nachbarn verstört und oft bösartig auf solche Aktionen. Kurz gesagt, Sie gönnen einem so was nicht.
Also sucht man sich ein cooles Hobby, in dem man das alles hat.
Feuer, Bier, Spaß, den gewissen Hauch von Abenteuer und natürlich die Möglichkeit zum schrägen Musizieren. Doch wo findet man das heute noch?
Eine derartige Atmosphäre und entsprechenden Möglichkeiten bietet einem da nur noch der sogenannte Mittelaltermarkt.
Nicht nur die Aktiven Teilnehmer, die sogenannten Heerlager, werden von diesem einmaligen Möglichkeiten angezogen. Nein auch die passiven, welche im Allgemeinen als Besucher bezeichnet werden. Auf diese werde ich, liebes Tagebuch, ebenso wie auf die aktiven Teilnehmer später noch genauer eingehen. Neben den Heerlagern und den verschieden Besuchern gibt es eine ganze Reihe von anderen Aktiven. Händler, Handwerker und Künstler. Auch zu diesen werde ich dir meine Gedanken anvertrauen und versuchen zu ergründen, warum sie das tun was sie tun.
Und vor allem – warum sie es so machen, wie sie es machen.
An dieser Stelle sei dir, liebes Tagebuch, schon mal gesagt das man nicht alle, sowohl die Einen als auch die Anderen, über einen Kamm scheren kann. Jede Medaille hat immer zwei Seiten. Aus genau diesem Grund möchte ich dir auch von beiden Seiten berichten.
Doch bevor ich auf die einzelnen Typen von aktiven und passiven Teilnehmern eingehe, berichte ich dir liebes Tagebuch, erst mal wie so ein Typischer Mittelaltermarkt überhaupt aussieht und aufgebaut ist.
In der Regel handelt es sich bei so einem Markt um eine Ansammlung von Zelten und Holzständen, welche auf einer Wiese aufgestellt sind. Oft findet man dort auch noch eine auf historisch getrimmte Bühne, welche aber leider und das all zu oft, über eine nicht so historische elektrische Licht- und Verstärkeranlage sowie Mikrofone verfügt.
Meistens wird dieses gesamte Areal von einem schnöden Bauzaun umsäumt. Dieser ist nur an einer einzigen Stelle unterbrochen.
Dort befindet sich die Kasse.
Doch was ist eigentlich ein echter Mittelaltermarkt?
Ein Markt ist ein Platz an dem man Dinge kaufen und verkaufen kann. Meistens Dinge des täglichen Lebens. Dort wird sich mit dem eingedeckt, was man zum täglichen Leben braucht.
Ein Ort also, an dem man Geschäfte macht.
Daraus erwächst die Frage, was brauchte der Mensch im Mittelalter zum Leben?
Obst, Gemüse, lebendiges Nutzvieh wie Rinder, Kühe, Ochsen, Hühner, Gänse, Schweine und anderes Getier. Wenn ein Gewässer in der Nähe war, wurde wahrscheinlich auch Fisch angeboten.
Mit Sicherheit wurden auch Pferde oder Esel zum Kauf angeboten.
Natürlich gab es auch die Dinge, welche man sonst noch so im täglichen Leben brauchte. Tonwaren, Töpfe und Pfannen, Stoffe und der Gleichen.
Man kann also sagen, dass das, was wir auf den heutigen Mittelaltermärkten sehen, nichts mit der realen Welt jener Zeit zu tun hat, es ist eine Fantasiewelt in die wir da eintauchen und die wir vorgegaukelt bekommen.
Statt der gerade beschrieben Szene, sehen wir so genannte Heerlager, Fressbuden, Bierstände, die sich Tavernen nennen und zum Teil sogar Cocktails anbieten. Stände mit Modeschmuck, der auf mittelalterlich getrimmt ist und Handwerker, die Ihr können vorführen. Wobei man die Handwerker mit Sicherheit auch auf den echten mittelalterlichen Märken zu sehen bekam.
Doch widmen wir uns nicht dem, was mal war, sondern dem was heute ist.
Die moderne Variante des mittelalterlich anmutenden Marktes.
Wer heutzutage das Ereignis Mittelaltermarkt erleben möchte muss zunächst mal seinen Geldbeutel öffnen und Eintritt zahlen.
Hier wären wir bereits bei einem Punkt, welcher so nicht ganz korrekt ist. Es ist zwar durchaus legitim, dass bei der heutigen Art des mittelalterlichen Showevents ein Eintritt zu verlangen ist, doch wird man Sie an der Kasse in de meisten Fällen schräg anschauen, wenn sie fragen: „Wie hoch ist denn der Eintritt?“
Die Antwort wird dann meistens lauten: Der „Wege Zoll“ beträgt xy Euronen, Goldrand Taler oder einfach nur Taler. Denn wir befinden uns bereits hier in der Welt der Fantasie, beziehungsweise in der, des modernen Mittelalters. Wobei die Frage offen bleibt, ob man auf einem Markt des 12. oder 13. Jahrhunderts (oder welcher Zeit auch immer) einen Wege Zoll oder Eintritt zahlen musste. Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass der Eintritt nicht immer zwischen 3 und 20 Euro pro Person liegen muss und es durch auch gute Veranstaltungen gibt die Eintritt frei sind. Das Gaudium in Dortmund Mengede ist z.B ein solcher Markt der keinen Eintritt kostet.
Ist man also bereit, den geforderten Betrag an der Kasse zu entrichten, betritt man dieses eingezäunte Areal von Zelten und Ständen und taucht in eine fremde Welt ein.
Viele Besucher versuchen als sogenannte Gewandete in diese besondere Atmosphäre einzutauchen.
So möchten sie das Gefühl bekommen, ein Teil dieser mittelalterlichen Szenerie zu werden, oder sogar zu sein.
Das ist der Punkt an dem ich dir, liebes Tagebuch, schon ganze Romane erzählen könnte.
Zunächst mal kann man nicht nur die Märkte, sondern auch deren Besucher in verschiedene Kategorie einteilen. So wie es für mich die Stufen 1-4 bei historischen Veranstaltungen gibt, so kann man auch den Besucher in interessiert, dumm und dreist einteilen.
Liebes Tagebuch, zunächst musst du wissen, das die meisten aktiven Darsteller den allgemeinen Besucher als Touri bezeichnen, das wohl daher kommt das viele Besucher das für Touristen typische Verhalten an den Tag legen. Sie fotografieren ständig und fingern alles an, was sie in die Hände bekommen können. Sie haben wenig Respekt vor fremdem Eigentum und ihre Kinder sind meisten schlecht erzogen, zumindest scheinen diese Kinder ihre gesamte gute Erziehung an der Kasse beim Eintritt in den Mittelaltermarkt abgegeben zu haben, so wie auch viele Besucher das wohl mit ihren Gehirn und ihren Gedächtnis getan haben. In jeden Fall, liebes Tagebuch, kannst du mir glauben, dass nicht nur ich immer wieder diesen Eindruck vermittelt bekomme.
Ein Besuch auf einem historischen Fest bedeutet zwangsweise immer, auf den einen oder anderen bewaffneten Ritter oder gar deren Lager zu stoßen. Ritter zu treffen bedeutet auch immer, Waffen zu sehen. Leider, so muss man sagen, liebes Tagebuch, üben Waffen ja bekanntlich schon seit dem Anbeginn der Zeit eine fast magische Faszination und Anziehung aus.
Dieses dürfte wohl der Hauptgrund sein, dass die Waffenständer und Schautische der Heerlager stets vom Markbeginn bis zum Veranstaltungsende von Besuchern umringt sind. Solche Publikumsmagneten werden natürlich sowohl von den aktiven selber, als auch vom Veranstalter gerne gesehen.
Allerdings liegen hier auch eine Vielzahl von Knackpunkten im Verhalten aller Beteiligten.
Eine beliebte Unsitte von Touris ist es zum Beispiel, besagte Waffen - und hier sind es am liebsten die Schwerter - anzufassen. Was zunächst mal nichts Verwerfliches darstellt. Viele Aktive Darsteller zeigen gerne ihre Waffen (Schwerter, Lanzen, Äxte anderes Zeug) und geben diese auch dem interessierten Besucher gerne mal in die Hand.
Ja und genau da liegt schon das erste Fehlverhalten des Touris. Die wenigsten fragen, ob sie das „schöne Ritterschwert“ mal genauer anschauen dürfen oder es auch mal in die Hand nehmen können.
Nein, liebes Tagebuch, sie nehmen es sich einfach.
Posen damit rum, reichen es an ihre Begleiter weiter und grapschen am liebsten auf die blanken Klingen.
Der Spruch der dann meistens folgt ist:
„Das ist ja gar nicht scharf“
Dabei Verführen sie am liebsten noch einen schneidende Bewegung über die offene Handfläche. Dieses kleine Ritual ist sehr beliebt bei Kindern und Jugendlichen. Aber auch ältere und wohl weislich erfahrene Erwachsene Menschen vollziehen gerne dieses mir immer noch unverständliche Ritual.
Aber glaube mir, mein liebes Tagebuch, so manches Mal habe ich mir da schon gewünscht, dass die Klinge doch scharf wäre.
Mein Lieblingsspruch ist bei Kindern dann immer: „Die Klinge ist nicht scharf, weil es immer wieder so dumme Kinder wie dich hier gibt, die sich damit sonst in die Hand schneiden würden!“
Dann, liebes Tagebuch, erntet man von diesen besagten Kindern meistens ein verächtliches und erzwungenes Grinsen, welches mit nicht erklärbaren und wohl auch sinnlosen Lauten untermalt wird.
Den erwachsen Besuchern wird ihr Fehlverhalten meistens dann selbst bewusst und sie legen das Messer oder Schwert peinlich berührt und kommentarlos zurück.
Oft ziehen sie dann auch ihre Kinder unter dem Vorwand, dass es ja noch so viel zu sehen gäbe, weiter an den nächsten Stand, oder zum nächsten Lager, wo es wieder was zum anfingern gibt.
Das aber, liebes Tagebuch ist nur eine Sorte von Besuchern.
Köln 2004
Im September
Liebes Tagebuch, im Kölner Raum gibt es von Zeit zu Zeit ein großes Mittelaltertreffen auf dem die verschieden Darsteller und Zeiten zu sehen sind.
Als wir diese Veranstaltung besuchten waren wir als Kelten mit dabei. Von den Römern bis hin zu den Piraten war alles vertreten. Ja sogar eine Gruppe, die einen schwarzafrikanischen Stamm darstellte. Das Ganze ging zwar ziemlich in die Faschings und Karnevalsrichtung, aber alles war mit viel Liebe zum Detail hergestellt und gestaltet worden.
Allerdings kann man das nicht von allen so genannten Darstellern sagen. Die Hunnen, die dort vertreten waren, waren nicht mal schlechte Karnevals-Hunnen.
Sie trugen Perücken, schminkten ihre Gesichter leicht gelb und zogen ihre Augen mit schwarzem Eyeliner nach um sich ein mongolisches Aussehen zu verpassen. Einige waren so stark geschminkt das man meinen könnte, sie würden eine Plastikmaske tragen.
Aber der Hammer, liebes Tagebuch, ist dass es hier vom Veranstalter immer wieder Lautsprecherdurchsagen gibt. Was bei der Größe des Veranstaltungsgeländes auch wahrscheinlich Sinn macht. Immer wieder gibt es Durchsagen nach verloren gegangenen Sachen oder Personen, die sich bitte bei der Orga melden sollen.
Jetzt gerade um 9.00 Uhr, werden wir als Darsteller daraufhin gewissen, dass die offizielle Eröffnung um 11.00 Uhr ist und das jeder Aktive um 10.30 Uhr fertig gewandet und die Lager frei von nicht mittelalterlichen Dingen wie Plastikflaschen usw. sein sollen.
Auch sollten die Lager bis zu diesem Termin auf mittelalterlich getrimmt sein. Keine in Zivil gekleideten Personen sowie keine elektrischen Geräte durften dann mehr offen und sichtbar herumstehen. Gesagt getan, liebes Tagebuch.
Diese Durchsagen werden alle Halbestunde wiederholt.
9.30 Uhr. Wieder diese Durchsage. Wir sitzen beim Frühstück und haben im Moment noch die Ruhe weg.
9.45 Uhr. Jetzt noch schnell einen Kaffee und schnell das Lager auf Vordermann bringen.
10.00 Uhr. Panik macht sich breit. Denn aus dem letzten Kaffee sind zwei oder drei geworden und nun beginnen wir schnell alles wegzuräumen und uns die Gewandung anzulegen. Der Abwasch vom Frühstück muss auch noch gemacht werden. Alleine das Müllwegbringen dauert hier schon fast 20 Minuten, denn der Weg zu den Mülltonnen ist hier sehr weit.
10.45 Uhr.
Alle sind in Gewandung, das Lager frei von elektrischen Geräten und allem, was sonst noch so nicht mittelalterlich aussieht. Sogar der Müll ist weggebracht.
11.00 Uhr.
Die Durchsage verkündet den Einlass der Besucher und wir stehen jetzt bereit unser übliches Programm abzuspulen.
Liebes Tagebuch, dass was ich dir jetzt erzähle, ist wirklich die Wahrheit.
In den Lagern der Hunnen, die uns gegenüber stehen, tat sich zu diesem Zeitpunkt absolut nichts.
11.15 Uhr.
Die Veranstaltung läuft seit 15 Minuten und die ersten Besucher betreten den Plan.
11.18 Uhr.
Das Hunnen Zelt uns gegenüber bewegt sich. Es handelt sich hierbei um eine schwarze Korte wie sie die Pfandfinder benutzen.
Der Eingang geht auf und eine Person tritt heraus. Sie regt sich, gähnt, stemmt die Hände in die Hüften und schaut sich um.
11.20 Uhr.
Die Person ist gekleidet in eine blaue Jogging Hose mit weißen Streifen und ein Feinrippunterhemd.
11.21 Uhr.
Wir fangen an zu lästern. Na Hunne, verpennt? Gestern zu viel vergorene Stutenmilch gehabt? Jetzt aber hopp, die Veranstaltung läuft schon gut eine halbe Stunde.
Doch der Hunne dreht sich um und schiebt einen Campingtisch und Stühle vor das Zelt. Während wir uns fragend anschauen,
beginnt der Hunne, den Frühstückstisch zu decken. Jetzt erst fällt uns auf, dass in den anderen Hunnen Lagern ähnliches passiert. Kaffeemaschinen werden aufgestellt und angeschaltet. In Mikrowellen werden Tees und andere Getränke erhitzt ja sogar Brötchen aufgebacken.
Während wir uns immer noch fragend anschauen, sitzt der Hunne von gegenüber immer noch im Feinrippunterhemd und Jogginghose an einem reich gedeckten Frühstückstisch. Die Kaffeemaschine brummt und mehr und mehr Besucher ziehen an den Lagern und Verkaufsständen vorbei.
11.45 Uhr.
Wir führen erste Vorträge zu unserer Darstellung und Ausrüstung während die Hunnen langsam damit beginnen, ihr Frühstück zu beenden. Andere sieht man jetzt schon mit Kulturbeuteln in Richtung Waschblock gehen.
11.50 Uhr.
Jetzt kommt eine Durchsage das es technische Probleme gibt und die offizielle Markeröffnung sich um eine Stunde verschiebt.
Wir tippen auf Sabotage von Seiten der Hunnen, damit die es pünktlich, gewandet und geschminkt zur Eröffnung schaffen.
Liebes Tagebuch, das Interessante an dieser Veranstaltung ist, das die Markteröffnung nicht so abläuft, wie man das von anderen Veranstaltungen gewöhnt ist. Hier kann man sagen, dass es sich um eine Zeremonie statt um eine herkömmliche Markteröffnung handelt.
Zunächst versammeln sich alle Stammesführer und Häuptlinge sowie die Priester und Schamanen der einzelnen Lager vor einem großen Stapel Holz.
Die Clanchefs geloben feierlich dafür zu sorgen, dass der Frieden während der Veranstaltung gesichert bleibt. Dann treten die Priester und Schamanen vor um gemeinsam die Himmlischen Mächte anzurufen. Sie bitten um schönes Wetter und gute Geschäfte für die Händler.
Danach wird das aufgeschichtete Holz entzündet. Traditionell mit Feuerstein und Schlageisen, was zwar, wie man uns versichert, immer klappt, aber heute einige Minuten dauert. Dann endlich lodert die Flamme zwischen den dicken Holzbalken empor. Dieses Feuer brennt Tag und Nacht über den gesamten Zeitraum der Veranstaltung.
Da dass Ganze in eine Art religiöse Zeremonie verpackt ist, ist es für die Teilnehmer und Besucher eine sehr interessante und spannende Sache. Diese Art der Markteröffnung würde ich mir persönlich auch für andere Veranstaltungen mal wünschen, denn leider laufen die herkömmlichen Eröffnungen immer irgendwie nach ein und demselben Schema ab.
Auch unser Lager schickte seinen Priester zu diesem Spektakel. Mit weißem Gewand und roten Umhang sowie einer Sichel im Gürtel, schickten wir unseren Druiden nach Vorne zur besagten Eröffnung.
Nachdem alles vorbei war und das Marktfeuer hoch in den Himmel loderte machten wir uns auf zu den Toiletten.
Dort angekommen, stellten wir fest, dass jetzt auch die Hunnen langsam munter wurden und schon bereits gut zwei Stunden nach Beginn der Veranstaltung zum Teil gewandet sind.
Vor den Spiegeln der Toiletten beider Geschlechter drängelten sich die Hunnen um ihr Make-up aufzulegen. Hierbei konnte ich das Gespräch zweier Damen hören. Die eine war wohl eine Besucherin die andere eine Hunnin. Die Hunnin war dabei sich zu schminken während die Besucherin sich nach dem Toilettengang die Hände wäscht.
Besucherin: „Und was stellen sie dar, wenn ich mal so fragen darf?“
Hunnin: „Eine Hunnische Kriegerin.“
An dieser Stelle, liebes Tagebuch, muss ich dir sagen dass diese besagte Hunnen-Kriegerin wohl schon ihr Rentenalter erreicht hat. Die Dame trägt einen schwarzen Lederpanzer der auf den Schultern mehrere Lederplatten angebracht hat. Dieses machte nicht nur sehr breite Schultern sondern wirkte wie aus einen Fantasie Film aus den frühen 80ziger Jahren. Auf der Brustplatte, welche mit einer Art keltischen Motiv verziert ist, ist ein großer Löwenkopf befestigt. Einen solchen Kopf kannte ich nur von Gürtelschnallen. Besagte Schnallen wurden in den späten 1980 Jahren gerne von Halbstarken Jugendlichen getragen.
Besucherin: „Das ist ja interessant, und woher haben sie diese ganzen Sachen? Aus einem Museum oder so?“
Hunnin: „ich bin jetzt 68 Jahre alt und war noch nie in einem Museum. Diese Rüstung habe ich einem Barbaren abgekauft.“
Das war der Moment, in dem ich mich einschalten wollte, doch in diesem Moment kommt unser Druide aus einer Kabine der Damen Toilette. Da die Herren Toilette wegen einer sehr langen Wartschlange nur schwer zu besuchen war, hat er sich entschieden das Damen WC zu benutzen.
Das blieb aber von der Hunnischen Kriegerin nicht unbemerkt.
Hunnin: „Hören sie mal, das hier ist die Damen Toilette. Können Sie nicht lesen?“
Empört und immer noch keifend deutet sie auf das D für Damentoilette, das auf der Tür prangte.
Unser Druide blieb stehen, richtete sein Gewand, wäscht sich in aller Ruhe die Hände und hört der Hunnin eher gelangweilt zu. Dann dreht er sich um und schaute die Frau streng an.
Druide: „Gute Frau!“ sprach er mit ruhiger und ernster Stimme.
„Mir scheint, meine Dame, Ihr könnt nicht lesen! Denn nicht ich bin hier falsch sondern eure Person!“
Jetzt deutete er mit ausgestrecktem Zeigefinger auf das große D auf der Tür.
„Da steht D!“ sagt er halb laut und streng.
„D wie Druiden! Wie ihr sehen können bin ich ein Druide und somit hier richtig. Ihr seid es die hier falsch ist. Ihr müsst rüber zu H gehen. H wie Hunnen! Also fragen Sie mich bitte nicht, ob ich nicht lesen kann, denn es liegt ja wohl klar auf der Hand wer hier nicht lesen kann und falsch ist.“
Die Dame schaute ihn an und will gerade protestieren, da drehte sich unser Druide um und sagt noch im Weggehen. „Bei allen Göttern, wann werden diese barbarischen Hunnen endlich zivilisiert und lernen lesen?
Dorsten 2005
Im Sommer
Liebes Tagebuch, heute muss ich dir was berichten, was mir gerade von unserem Nachbarlager erzählt wurde. Ich hatte zwar mitbekommen, dass es dort eine Diskussion mit einer Besucherin gegeben hatte, wusste aber nicht, worum es ging. Gerade aber berichtet man mir, dass Eltern ihren Kindern erlaubten, sich einfach an den Getränken, welche sich auf dem im Lager stehenden Tisch befanden, zu bedienen.
Dumm nur, dass das besagte Lager kein Fan von Apfelsaft war. In der Karaffe die auf dem Tisch stand war Met. Hieraus folge eine deftige Diskussion, warum man Alkohol einfach so herumstehen lassen würde und nicht für Kinder unzugänglich auf bewahren würde.
Liebes Tagebuch, es entbrannte folgender Dialog zwischen einem Darsteller (DS) und einer Besucher Frau (BF)
Nachdem das Kind einen kräftigen Schluck Met aus einem Becher nahm, welcher zuvor von der Mutter eingeschenkt wurde. Die Dame war wohl der Meinung dass sie sich einfach mal so ohne zu fragen an den Lebens- und Genussmitteln des Lagers bedienen zu können.
DS: „Niemand hat dem Kind erlaubt aus meinem Krug und Becher zu trinken!“
BS: „Doch ich.“
DS: „Sie erlauben ihrem Kind, aus fremden Bechern und Krügen zu trinken, ohne zu wissen was da drin ist?“
BS: „Das Kind hatte nun mal Durst.“
DS: „Ach, und deswegen meinen sie, sie können hier hereinspazieren und sich einfach bedienen?“
BS: „Das ist ja wohl eine Frechheit, wir sind nicht einfach hereinspaziert und überhaupt, warum steht hier der Alkohol einfach so herrum, dass sich jedes Kind daran vergreifen kann?“
DS: „Entschuldigen sie, aber das hier ist mein Lager. Mein Met und sie haben sich nicht einfach am fremden Eigentum zu vergreifen! Meinem Eigentum wohlgemerkt.“
BS: „Das ist ja eine Unverschämtheit. Das muss ich mir nicht bieten lassen!“
Es folgte eine weitere Diskussion darüber, wem der besagte Met in dem besagten Lager gehörte und warum er da so stand, wie er stand.
Sicher ist dieser Fall eine Ausnahme. Aber solche und andere Szenen spielen sich in ähnlicher Art und Weise leider auf jeder Veranstaltung ab und ich werde hier noch einige Male über derartige Vorkommnisse zu berichten wissen.
Duderstadt 2005
25.-26.06.2005
Liebes Tagebuch, immer wieder muss ich dir von negativen Erlebnissen berichten. Aber an diesem Wochenende auf dem Pferdeberg gab es auch mal wieder sehr schöne und positive Momente. So habe ich heute zwei Heidschnucken-Hörner geschenkt bekommen. Von einem älteren Herrn. Er war von dem was wir machen so begeistert und interessiert, das er extra nach Hause fuhr um uns das Horn zu bringen.
Heute war ein Kind am Stand. Ein sechs bis sieben Jahre alter blonder Junge beobachtete interessiert, wie ich einige Kleinigkeiten schmiedete. Obwohl ihn seine Mutter mehre male aufforderte, mit ihr weiter über den Markt zu bummeln verharrte er vor unserer Schmiede. Er stellte einige wirklich interessante Fragen. Schließlich, nach gut zwei Stunden, fragte ich ihn dann ob er auch mal etwas schmieden wollte. Das Leuchten in seinen Augen war unglaublich und so schmiedete er mit meiner Hilfe einen S-Haken.
Ein fataler Fehler, wie sich herausstellte, denn wenn ein Kind sieht, dass ein anderes etwas macht, dann will es das auch tun. So bildete sich in wenigen Minuten eine Schlange von nicht weniger als 10 Kindern vor der Schmiede. Doch wer kann dann schon nein sagen, wenn ein Kind sich voller Erwartung in eine Schlange einreiht. Einige von Ihnen warteten bis zu einer Stunde um ca. 10 Minuten lang mit mir einen Haken zu schmieden. Alle diese Kinder trugen den Haken dann mit stolz nach Hause.
So wurde aus unserer kleinen Schmiede, eine Schmiede für die Kleinen. Es dauerte auch nicht lange bis sich die ersten Erwachsen an den Amboss wagten. So entstand dann auch unser Motto:
**Wer sich traut den Schmied zu fragen kann sich hier selber an den Amboss wagen. Kann er den Hammer dann auch wirklich heben, kann er altes Handwerk selber beleben.**
Duderstadt 2006
24.06-25.06
Liebes Tagebuch, Duderstadt ist immer eine Reise wert und jedes Jahr kommen wir immer wieder gerne auf den Pferdeberg.
Leider muss man sagen, dass hier auf dem Pferdeberg am Samstag nie wirklich was los ist. So saßen wir einige Zeit in Lager herum und fingen gerade an, uns zu langweilen, als uns was auffiel. In dem von uns mitgeführten Schwertständer, in welchen, die Schwerter aufgehängt sind, die wir zum Verkauf anbieten, hängen Schwerter aus verschieden Epochen. So beobachteten wir ein sich immer wiederholendes Szenario. Die Leute blieben vor den Ständer stehen, schauten die Schwerter an und zogen dann eines heraus um es sich genau an zusehen.
Irgendwie kamen wir so auf die Idee daraus ein Spiel zu entwickeln. Das Schwert-Roulette. Die Regeln sind einfach. Jeder im Lager sucht sich ein Schwert aus, auf das er setzt. Der Einsatz beträgt 50 Cent. Wird das Schwert als erstes ausgewählt, erhält derjenige, dessen Schwert gewonnen hat, den Pott. Nach jedem Durchgang werden die Schwerter neu sortiert. Gewinnt keiner die Runde, so bleibt das Geld für die nächste Runde im Pott. Mit solchen Spielen kann man sich den Samstagvormittag wunderbar vertreiben. Denn in Duderstadt und Umgebung ist der Samstag wohl immer noch der Putz und Badetag. Da scheinen die Leute wenig raus zu gehen. Was am Samstag zu wenig ist, ist dann am Sonntag meistens zu viel.
Na wie gesagt, liebes Tagebuch, wenn nicht viel los ist, dann wissen wir schon, wie wir uns die Zeit vertreiben.
Der heutige Samstagabend war ein echtes Highlight. Den ganzen Tag war es sehr warm und so sitzen wir vor dem Zelt unter unserem Sonnensegel und genießen ein kühles Bier aus unserem Camping Kühlschrank. Dabei schauen wir, den wenigen Besuchern zu, die jetzt noch an den Ständen und Lagern vorbei bummeln. Die meisten sind jetzt unten an der Bühne, wo das abendliche Showprogramm mit Feuershow und Konzert läuft.
Zwei Jugendliche bleiben bei uns stehen und bewundern unsere Ausstellungsstücke. Schwerter, Helme, Schilder und zwei römische Rüstungen. Diese Rüstungen heißen Lorica Segmentata. Jetzt läuft wieder das typische Besucher Verhaltensprogramm ab. Schwert in die Hand nehmen, damit angeben, Helm und Schild dazu nehmen und noch ein weiteres Heldenfoto machen. Mein Bruder stellt sich mit einer frischen und kalten Flasche Bier zu den Jungs und beobachtet ihr Treiben. Da wird einer plötzlich auf das Bier aufmerksam. Neidisch fragte er, wo man denn jetzt hier so was bekommen könnte. Ohne mit der Wimper zu zucken erzählte mein Bruder ihm, dass man sich das verdienen könnte, wenn man den sogenannten Segmentatalauf gewinnen würde. Die beiden waren sofort interessiert, obwohl selbst ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, was dieser Lauf sein soll. Lässig an den Waffenständer gelehnt und mit dem Bier in der Hand gestikulierend, erklärte mein Bruder ihnen die Regeln, welche sich jetzt just in diesem Augenblick in seinem Kopf formten.
„Also, ihr zieht jeder eine Segmentata an. Helm aufsetzten und Schild und Schwert in die Hand nehmen. Dann lauft ihr beide in einem Wettrennen hier einmal um den Platz. Dabei müsst ihr natürlich laut und wild schreien so als würdet ihr in einer Schlacht auf den Feind zu rennen!“
Liebes Tagebuch, du musst wissen das wir direkt an dem Platz stehen auf dem dass Ritter Turnier immer stattfindet und dass es zu diesem Zeitpunkt noch 30 Grad warm war.
Die Jungs scheinen begeister zu sein, Sie werfen sich die Segmentata über, greifen nach Schwert und Schild und lassen sich bereitwillig die Helme aufsetzen.
Auf das Kommando los rennen die beiden die über hundert Meter lange Strecken als wären tollwütige Hunde hinter ihnen her. Sie schreien und fuchteln mit den Schwertern herum und scheinen unsichtbare Feinde bekämpfen zu wollen.
Wir sitzen im Lager und schauen uns nur fragend an. Wie doof muss man sein um sich auf so was einzulassen? Ja liebes Tagebuch, es gibt Menschen die machen für ein kühles Bier alles. Man kann ja sagen was man will, aber die beiden geben wirklich alles. Ohne schlapp zu machen rannten sie die Runde und gaben dabei alles. Völlig erschöpft fallen sie fast in unser Lager. „Wahrlich Jungs“ sagt mein Bruder „ihr seit Echte Helden! Und das hier habt ihr euch wirklich verdient.“ Mit diesen Worten reicht er den beiden jeweils eine kalte Flasche Bier und hilft ihnen aus den Rüstungen. Dann ziehen die beiden mit ihrem Preis ab und wir realisieren erst jetzt das die beiden sich, für ein Bier, hier vor uns zum Affen gemacht haben. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnten war, liebes Tagebuch, das diese kleine und lustige Aktion schon bald Konsequenzen für mindestens zwei Mittelalter Feste nach sich ziehen sollte.
Freilichtmuseum Ratingen
Juli 2006
Aber wenn du, liebes Tagebuch, jetzt denkst, dass es so was nur auf den Mittelaltermärkten gibt, dann muss ich dich leider enttäuschen. Im Zeitalter von Fernsehen und Internet sollte man eigentlich davon ausgehen das die Menschen über eine Art von Grund- bzw. Allgemeinbildung verfügen. Zu dem, wenn man diese Leute in einem Museum trifft.
In jedem Fall sollte man z.B. wissen, dass ein Römer kein Ritter im eigentlichen Sinne ist. Man sollte auch wissen, dass es neben dem, was wir allgemein als Mittelalter bezeichnen, noch andere Epochen gibt. Das Früh- Hoch- und Spätmittelalter und das dieses wiederrum nichts mit der Antike oder der Spätantike oder gar der Steinzeit zu tun hat.
Dass weder Wikinger, noch Germanen Helme mit Hörnern trugen, wissen eigentlich dann auch schon nur noch die etwas interessierten Besucher.
Aber auch diese einfachen und für mich selbstverständlichen Dinge wissen viele Besucher von Mittelalter Veranstaltungen nicht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Qualität der Darsteller auf den meisten Veranstaltungen mehr als dürftig ist. Doch hierzu gibt es später noch mehr und näheres. Zunächst möchte ich dir, liebes Tagebuch, aber berichten, was sich heute zugetragen hat.
Wir sind zu Gast im eisenzeitlichen Gehöft in Ratingen.
Gerade standen wir vor dem Lager eines Wikingers und redeten über eine wunderbare Sitzbank mit herrlicher Schnitzerei im Wikingerstil. Zwei ältere Damen standen ca. 3 Meter von uns entfernt und warteten auf einen älteren Herrn der einige Meter weiter weg mit einem Darsteller im Gespräch war.
Die beiden Damen nahmen wir nicht wirklich war und wurden auf sie erst aufmerksam als ein Handy klingelte.
Das war das Handy des Wikingers. Es steckte in seiner Gürteltasche und er begann es dort hinaus zu fischen. Als er das Gespräch annahm begab er sich einige Meter hinter sein Zelt um das gesamt Bild der Veranstaltung nicht durch einen telefonierenden Wikinger zu stören. Denn ein mit dem Handy telefonierender Wikinger wirkt alles andere als authentisch. Also unglaubwürdig.
In diesem Moment bekommen wir mit wie die eine Dame zu der anderen folgendes sagt:
Dame 1: „Sag mal, hatten die damals auch schon Handys?“
Dame 2: „Ach was – bestimmt nicht, die kannten nur das Festnetz.“
Dame 1: „Ich wollt auch schon sagen, so was konnte ich mir auch nicht vorstellen.“
Das ist kein Scherz, liebes Tagebuch. Dieses Gespräch hat wirklich so stattgefunden.
Oft gibt mir so was das Gefühl, dass Deutschland langsam verblödet. Noch während ich hier sitze und das ganze zu Papier bringe, steigen einige Bilder in meinem Kopf auf, welche ich dir, liebes Tagebuch, natürlich nicht vorenthalten möchte.
So sah ich vor meinem geistigen Auge einen bärtigen und schwer bewaffneten Wikinger, wie er zu einem Telefon mit Wählscheibe greift und eine Nummer wählt. Auf der Wählscheibe sind allerdings keine Zahlen, sondern Runen.
In einem anderen Langhaus, vielleicht einen Fjord weiter, klingelt dann ein Telefon und eine Wikingerfrau hebt ab.
„Hallo, hier spricht Helga, die Frau von Ragnar dem Tyrannen … nein er ist gerade nicht da … er wollte vor dem Abendessen noch ein paar Dörfer plündern … „
Ja liebes Tagebuch, so war das damals bei den Wikingern.
Liebes Tagebuch, heute am Sonntag dem zweiten Tag der Veranstaltung, spielte sich wieder eine weitere fragwürdige Szene ab.
Michaela sitzt im Lager und spinnt Wolle mit der Handspindel.
Eine Frau bleibt stehen und schaut einige Zeit zu.
Dann sagt sie mit trauriger, belegter Stimme:
„Ist ja schon schade.“
Michaela schaut auf und fragt.
„Was ist schade? Das so ein altes Handwerk langsam ausstirbt?“
„Nein – dass das arme Scharf sterben musste.“
„Wieso musste das Schaf sterben?“
„Na damit Sie hier die Wolle verspinnen können.“
Mit diesen Worten wendete sich die Frau ab und ging weiter.
Sag mir, liebes Tagebuch, was soll man dazu sagen? Wir wissen ja alle, dass auch z.B. Menschen sterben müssen, wenn man ihnen die Haare schneidet – oder?
Delbrück 2006
Im August
Liebes Tagebuch, an diesem Wochenende sollte ich die Konsequenzen der Aktion aus Duderstadt direkt am eigenen Leib erfahren.
Am Freitagabend saßen wir mit mehreren Lagern zusammen und natürlich gab es reichlich Bier.
Liebes Tagebuch, du kannst dir nicht vorstellen, wie diese Hobby- Ritter und Amateur-Krieger so drauf sind, wenn sie genügend Alkohol gehabt haben. Dann wird aus dem Büro Angestellten, Fabrikarbeiter und Handelsvertreter ein echter Held. Dieser weiß genau, wo die Schwächen seiner Gegner und damit natürlich seine überragenden Stärken liegen. Er weiß genau, dass er sich in seiner Rüstung wie eine tanzende Elfe auf einer Blumenwiese bewegen kann. Während sein Gegner in der Vollplatten Rüstung sich dagegen bewegt wie ein Flamingo im Regen. Nämlich so gut wie gar nicht. Dann werden die Für und Wieder der verschieden Rüstungen abgewogen und die Vor- und Nachteile eingehend diskutiert. Ja liebes Tagebuch, sie sind alle wahre Helden und das sollen die Jungs doch auch mal unter Beweis stellen.
Also klinke ich mich in das Geschehen ein und stelle zu nächst mal fest, dass diese großen Krieger alle Waschlappen sind.
„Ich wette keiner von euch kann mich schlagen!“ behaupte ich frech.
Sofort wurden mir nach alter Sitte einige Handschuhe vor die Füße geworfen.
Ich aber lache nur laut. „Nein Freunde so nicht – wir machen ein Segmentata Rennen! Ein Rennen in dem wir alle voll aufgerüstet – also quasi bereit zum Kampf gegen einander laufen. Da könnt ihr Helden dann mal beweisen wie fit und beweglich ihr wirklich seid.“
Eigentlich hatte ich gedacht dass sich dazu keiner bereit erklärt, denn zunächst mal fanden das alle ziemlich abwegig und albern. Dann aber schaltete sich Hauptmann Dieter ein. Er fand die Idee klasse und machte daraus gleich einen offiziellen Programm Punkt. Samstag 12.00 Uhr Segmentata Rennen der Ritter und Krieger.
So wurde aus einer Bierlaune heraus, ein Programmpunkt geboren und wir fanden uns alle am Samstagmittag voll aufgerüstet vor der Bühne wieder.
Das Rennen wurde von Hauptmann Dieter lauthals angekündigt und so versammelten sich fast alle Besuche vor der Bühne und am Rand der Strecke. Diese führte einmal um den gesamten Markt herum.
Mein wohl einziger Vorteil war, dass alle meine Gegner noch ziemlich verkatert waren und deswegen wohl nicht alles geben konnten.
Dann standen wir an der Start und Ziellinie und warteten auf das Startsignal um loszurennen.
Liebes Tagebuch, jetzt darfst du mal raten wer dieses echt harte Rennen gewonnen hat.
Ja – ich habe gewonnen. In der letzten Kurve wollte mich ein Wikinger noch abdrängen, dabei konnte ich ihn aber mit meinem großen Römerschild bei Seite drängen und so lief der Gute leider in einen Haufen Strohballen. Diese und einige andere ähnliche Showeinlagen brachten das Publikum zu rasenden Beifall und Jubelstürmen.
Einige Minuten später standen alle Teilnehmer des Rennens hustend und pustend total fertig auf der Bühne und wurden noch einmal mit Namen, Rang und Titel vorgestellt. Du fragst, liebes Tagebuch, was ich als Sieger bekommen habe? Na ja- neben Ruhm und Ehre noch einige Blaue Flecken und die Erinnerung, der zu sein, welcher das erste offizielle Segmentata Rennen gewonnen hat. Eine Weltpremiere so zusagen.
Ja liebes Tagebuch, ich fühle mich als erster Weltmeister im Segmentata Rennen.
Lippstadt Hansetage
10.05.-13.05.2007
Liebes Tagebuch, an diesem Wochenende stehen wir auf einem besonderen Event: Den Hansetagen in Lippstadt.
Wie wir aus der Vergangenheit wissen, sind Besucher hier mit unter dreist und mehr als anstrengend.
Du musst wissen, liebes Tagebuch, dass viele Darsteller in ihren Lagern die Zelte offen stehen lassen.
Oft wird das Wohnzelt, also das Zelt, in welchem der Darsteller die Nacht verbringt, offen stehen gelassen. So kann der Besucher hineinschauen und sehen wie die Menschen „früher“ geschlafen haben. Um zu verhindern, dass es zu mehr kommt als zu einem bloßen hineinschauen von Unbefugten, wird das Zelt mit einem quer gespannten Seil mehr oder weniger abgesperrt. Jeder normale Mensch sollte auf eine solches Hindernis reagieren und sich selber sagen: Ok bis hier her und nicht weiter. Denn derartige Absperrungen kennt wohl jeder aus seinem alltäglichen Leben wie z.B. aus dem Eingangsbereichen der Kinos oder auch aus Museen.
Aber liebes Tagebuch, glaube jetzt nicht, dass funktioniert auch auf einem Mittelaltermarkt, da liegst du falsch. Wie bereits oben erwähnt, scheinen die meisten Besucher ihr Gehirn und ihr gutes Benehmen an der Kasse gelassen zu haben.
Sie scheinen der Meinung zu sein, dass eine derartige Absperrung zwar im realen Leben zu beachten sei, dieses aber nicht für einen solchen Event zu gelten hat. Ohne zu zögern wird besagte Absperrung entfernt oder einfach überstiegen, um dann frei von der Leber weg und ohne Scharm sich auf Betten zu legen oder in Truhen zu stöbern.
Ja liebes Tagebuch, sogar Gewandung wird anprobiert oder an der Beleuchtung herum gefummelt.
Spricht man solche Besucher an und weist darauf hin, dass es sich um einen privaten Bereich handelt, in dem sie sich bewegen, bekommt man die unglaublichsten Antworten und Kommentare. Da kann ich dir, liebes Tagebuch, eine Geschichte erzählen die sich gerade heute hier auf den Hansetagen in Lippstadt ereignet hat.
Da überquerte doch ein älterer Herr ganz ungeniert unsere Lager Absperrung und schaute sich in unserem Wohnzelt um. Als er eine Truhe öffnete und darin rum wühlte sprach ich ihn an.
Ich: „Entschuldigen Sie, kann ich ihnen helfen?“
Der Mann: „Nein, ich schau mich nur um“
Ich: „Das sehe ich, das hier ist aber mein Wohnzelt, in dem ich schlafe und das ist eigentlich nicht für Besucher zugänglich.“
Der Mann: „Wieso? Ist doch offen!“
Ich: „Nein – deswegen war das Seil davor gespannt.“
Der Mann: „Ich habe schließlich Eintritt bezahlt da darf man sich ja wohl auch alles anschauen!“
Ich: „Würden sie jetzt bitte mein Zelt verlassen, das ist meine Wohnung und das ganze hier ist privat.“
Der Mann: „Wohnung? Sie haben doch gar keine Wohnung, Sie leben wie die Zigeuner, kommen hier her, sauen den ganzen Park zu und wollen dann noch 3 Euro dafür, das man sich nicht mal in Ruhe umschauen darf.“
Liebes Tagebuch, ich kann dir sagen in diesem Moment fehlten mir die Worte. Dem Mann aber nicht. Denn es folgten einige Beleidigungen gegen meine Person und schließlich verlies er mit dem Hinweis, sich direkt beim Veranstalter zu beschweren das Zelt und auch das Lager.
So ein Benehmen leider, liebes Tagebuch, ist kein Einzelfall. Fast jedes Darstellende Lager, das schon einige Jahre Erfahrung hat, kann von solchen Szenen berichten.
Dorsten 2007
Im Juli
Liebes Tagebuch, an diesem Wochenende stehen wir mit unserem Lager direkt in der Ecke des Marktes am Bauzaun. Nur ca. 2 Meter hinter dem Zaun befindet sich der Bürgersteig und die Straße mit einer Ampelkreuzung.
Was ich aber letzte Nacht erlebt habe, liebes Tagebuch, ist echt nur noch sehr schwer zu toppen. Also liebes Tagebuch, mitten in der Nacht wurde ich durch das laute Stöhnen und ein klatschendes Geräusch geweckt. Es war nicht schwer festzustellen, dass unsere Nachbarn, ein Junges Pärchen, gerade Sex hatte.
Als ich gerade nach ein paar Ohrenstopfen suchte, um weiterschlafen zu können, wurde ich auf zwei Männerstimmen hinter meinem Zelt und jenseits des Zaunes aufmerksam.
Ich schaute durch einen Spalt im Zelt nach draußen und sah zwei älteren Herrn auf der anderen Straßenseite stehen. Um 3 Uhr Morgens warteten sie geduldig darauf dass die Fußgängerampel grün wurde.
Schließlich wurde sie grün und sie kamen über die Straße.
Jetzt konnte ich hören worüber sie sprachen.
„Was ist den hier los? Ist schon wieder so ein Zirkus oder sowas in der Stadt?“
„Nein - das sind doch diese Ritter die auch gestern da auf dem Markplatz Reklame gemacht haben!“
„Ritter? Zigeuner sind das, schau sie dir doch an!“
Die beiden gehen weiter und bleiben zwischen meinem und dem Nachbarzelt auf dem Bürgersteig stehen.
„Heinz, sag mal, hörst du das“
„Nee – was denn?“
„Na hör doch mal!“
„Was soll ich hören?“
„Da bumsen welche.“
„Wo bumsen welche?“
„Na da in den Zelten!“
Beide lauschen angestrengt. Obwohl das Treiben unüberhörbar war. Wahrscheinlich war das Gehör der beiden Herren nicht mehr ganz so gut.
„Hörst du das nicht? Das Stöhnen und das Klatschen?“
Wieder lauschen die beiden.
„Hört sich an als würden die da Bumsen.“
„Na das sag ich doch die ganze Zeit.“
„Das ist ja eine Unverschämtheit, können die das nicht zu Hause machen?“
„Heinz, das sind Rumtreiber, das ist denen ihr Zuhause.“
„Na dann lass sie doch bumsen.“
Damit wenden sie sich ab und gingen weiter.
Telgte 2007
August
Liebes Tagebuch,
letztes Wochenende habe ich auf einem Flohmarkt ein Antikes Waffeleisen gekauft. Ein rundes, das eigentlich in einen alten Holzküchenofen gehörte. Das Waffeleisen wurde ursprünglich in die runde Öffnung der Kochmaschine gelegt durch welche eigentlich das Brennmaterial nachgelegt wurde. An dem Waffeleisen sind zwei lange eiserne Stangen mit Griffen aus Holz. Damit konnte man das heiße Eisen wenden und vom Feuer nehmen. Gerade dieses bewegte mich zum Kauf dieses Antiken Waffeleisens, denn wir haben ja immer mal wieder Kinder im Lager und die wollen auch irgendwie beschäftigt werden. Dieses Ding eignete sich wunderbar um auf einem offenen Feuer oder Grill Waffeln zu backen.
So kam es, dass wir heute das Waffeleisen auf dem Grillrost über der Feuerstelle liegen hatten um Waffeln zu backten.
Eine ältere Frau blieb stehen um sich das ganze näher anzuschauen.
„Die Kelten hatten damals aber noch kein Waffeleisen!“
Stellte Sie mit entschlossener Stimme fest.
„Doch hatten die schon.“ antwortete ich.
Die Dame war nicht überzeugt und begann eine Diskussion.
Doch bevor Sie richtig loslegen konnte hielt ich ihr einen Vortrag und du weist ja, liebes Tagebuch, wie ich bei sowas in Fahrt kommen kann.
„Das Waffeleisen ist eine keltische Erfindung und wurde schon 1970 in Scherzingerrode ausgegraben. Allerdings unterschiedet sich das Original etwas von unserem Replik hier. Das Original war nämlich nicht Rund und Herzförmig sondern einfach vier- oder rechteckig.“
Das Ganze schmückte ich dann noch mit frei erfunden Geschichten aus Gallien, Vercingetorix und Julius Cäsar aus. Die Dame lauschte meinen Ausführungen und saugte das neu erworbene Wissen wie ein Schwamm in sich auf. Danach ging sie mit ihrem neu erworbenen Wissen weiter. Schließlich bekam ich mit wie sie ihrem Mann übereifrig davon erzählte dass die Kelten das Waffeleisen erfunden haben und das dieses von den Römer in der ganzen damalige Welt verbreitet wurde.
Eine andere Dame die das Gespräch mit bekommen hatte zwinkerte mir zu und sagte dann:
„Ja - Scherzingerrode, das liegt bestimmt im Harz.“
„Ja richtig, direkt neben Spassenbach.“ antwortete ich.
Die Frau lachte laut und erzählte mir dann dass ihre Oma genau so ein Waffeleisen hatte und dass sie heute noch im Besitz einer Kochmaschine sei.
Solche Geschichten sind zwar lustig, liebes Tagebuch aber sie können auch zum Selbstläufer werden. Denn wenn man nicht aufpasst glauben die Menschen so was und es verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Aus diesem Grund klärte ich die kleine Geschichte auch auf. Die Dame war erstaunt und ich entschuldigte mich dass ich sie etwas auf den Arm genommen hatte. Aber sie nahm es mit Humor.
Lippstadt
19.07-20.07.2008
Liebes Tagebuch, erinnerst du dich noch daran, dass ich dir von dem Segmentata Rennen berichtet habe?
Das Ganze ist zu einem echten Event geworden, denn der Veranstalter hat daraus in diesem Jahr einer Art ritterlich- sportlichen Wettkampf gemacht. Neben dem Rennen, das den Höhepunkt dieses historischen Zehnkampfes markiert, steht auch ein Kupp Spiel Turnier. Kupp ist ein altes Spiel, dabei geht es darum mit Wurfhölzern eine Reihe von Holzklötzen umzuwerfen welche auf der Grundline des Spielfeldes aufgestellt werden.
Na ja, liebes Tagebuch, eigentlich wollten ich an diesem Zehnkampf ja gar nicht teilnehmen, doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Da man Kupp mit zwei Mannschaften spielt und die Teilnehmerzahl der Gruppen die an dem Zehnkampf teilnahmen ein ungerade war lies ich mich dazu überreden, zumindest an dem Kupp Turnier teilzunehmen. Wir haben Kupp schon sehr oft gespielt und so schafften wir es mit der Mannschaft aus unserem Lager bis ins Finale.
Ja wir standen im Finale gegen eine Mannschaft die einen Deutschritter Orden stellte.
Die Jungs machten eine wirklich gute Show. Vor jedem Spiel knieten sie vor einem kleinen Tisch nieder. Auf diesem lag eine Bibel und stand ein großes Kreuz. Vor jedem Spiel baten sie also den Herrn um göttlichen Beistand.
Na liebes Tagebuch, was die können, können wir doch besser oder?
Also machte ich mich auf die Suche nach Dingen, die ich für unsere Finalspiel Show verwenden konnte. Wie heisst es noch gleich? Wer sucht, der findet und auch ich wurde fündig. An einem Stand mit Esoterik Artikeln bekam ich ein paar Räucherstäbchen. In einem anderen Keltenlager borgte ich mir eine Bronzeplatte auf der die keltische Gottheit Taranis abgebildet war. Taranis ist der keltische Donnergott und perfekt für unsere Sache. Von meiner Idee waren so Viele begeistert, dass wir kurzerhand eine ganze Taranis Prozession organisierten.
Doch zunächst überließen wir es unseren Gegnern ihre Show abzuziehen. Was diese auch wie schon einige Male zuvor taten. Doch dieses Mal kamen sie in voller Stärke, alle 10 Deutschritter geben sich die Ehre. Mit Kreuzbanner und ins Gebet vertieft. Ja, sie hatten sogar einen Mönch dabei, der Weihrauch schwenkte. So kamen sie auf das Spielfeld, als sie vom Veranstalter angesagt wurden. Dann knieten sie wie immer zum Gebet nieder und bekreuzigten sich. Danach sagte der Veranstalter uns als heidnische Gegner an und das es hier wohl zu einer Art Glaubenskrieg kommen wird.
Das Publikum hatte sich bereits um das Spielfeld versammelt als sich unser Zug von mehr als 30 Kelten in Bewegung setzte. Vorne Weg ging jemand mit einer Rahmentrommel auf der er einen einfachen Rhythmen schlug dahinter trug einer die Taranis Platte, dann folgten zwei Leute mit Räucherstäbchen. Darauf ein Mädchen das eine gefüllte Trinkschale andächtig in die Höhe hielt. Sie wurde von zwei Fackelträgern begleitet. Dahinter gingen wir mit unseren Wurfhölzern und jubelten den Besuchern zu um uns selber zu feiern und heiß auf das Spiel zu machen. Am Spielfeld angekommen stellten wir einen Altar auf. Auf ihn stellten wir das Abbild von Taranis, die Fackeln wurden links und rechts in den Boden gesteckt. Das gleiche taten wir auch mit den Räucherstäbchen. Jetzt wurde Taranis um Beistand angerufen und ihm die Trinkschale, welche mit Met gefüllt war als Opfer dargebracht.
Jetzt waren wir bereit in die Kupp Schlacht zu ziehen. Gespielt wurde immer bis eine Mannschaft 3 Mal gewonnen hatte. Also mindesten 3 Runden. Ja was soll ich sagen liebes Tagebuch, Taranis hat uns nicht im Stich gelassen. Die ersten 2 Runden gewannen wir fast zu Null und das obwohl die Deutschritter immer wieder ihren Gott um Beistand baten. So spielten wir die Letzte Runde und warfen gleich im ersten Versuch 3 der 5 gegnerischen Kupps um. Die Deutschritter schaften in ihrem ersten Versuch nicht einen einzigen. In der nächsten Runden fiel bei den Deutschrittern ein weiter Kupp. Sie trafen wieder nichts auf unserer Seite.
„Oh Herr – so darf es nicht enden!“ Rief der Deutschritter Chef, fiel auf die Knie und reckte flehend die Arme in den Himmel. Wir berieten uns kurz und kamen zu dem Schluss das die armen Ritter doch mindestens eine ehren Runde gewinnen müssen. Also warfen wir die nächsten 4-5 Runden absichtlich schlecht um nicht den letzten Kupp auch noch umzuwerfen.
Doch was nicht sein soll, liebes Tagebuch, das soll nun mal nicht sein. Die Deutschritter trafen nicht einen einzigen Kupp auf unserer Seite und nach 2 weiteren absichtlich vergebenen Runden und immer noch keinen gefallen Kupp auf unserer Seite beendetet ich mit zwei gezielten Würfen das Spiel. Lauter Jubel brannte auf als der letzte Kupp auf der Seite der Deutschritter fiel und er wurde noch lauter als die Königsfigur in der Mitte des Spielfeldes ebenfalls getroffen wurde und umfiel.
Ja liebes Tagebuch, wir gewannen das Spiel gegen die Deutschritter mit 3:0 und das ohne im letzten Durchgang auch nur einer unserer Kupp Soldaten fiel. Wahrlich ein historischer Sieg für die Kelten.
Halle/Saale
04.07.-06.07.2008
Liebes Tagebuch, Highland Games sind eine besondere Variante von Veranstaltungen.
In den meisten Fällen gesellt sich zu den sportlichen Wettkämpfen noch ein Mittelaltermarkt dazu. Das Ganze wird dann von verschieden Musikcorps begleitet. Diese bestehen zum größten Teil aus Dudelsackspielern und Trommlern.
So erleben wir einmal mehr eine Veranstaltung in Halle. Dort finden die Wettkämpfe zu einer professionellen Meisterschaft der Highland Games statt.
Nebenbei bildet ein Mittelaltermarkt das Rahmenprogramm. Wir stehen mit unserer Schmiede und dem Lager in einer langen Reihe von anderen Lagern und Händlern. Hunderte von Besuchern werden an uns vorbei auf das Wettkampf Gelände geschleust. Der Besucher Strom ebbt erst am Nachmittag ab, als es eine Wettkampfpause gibt. So hatten auch wir mal Zeit uns etwas zurück zu lehnen. Während wir den vereinzelten Besuchern zuschauten, die auch während der Pause an der langen Reihe von Zelten und Ständen vorbei bummelten fiel uns eine Gestalt besonders auf. Liebes Tagebuch, wir haben ja schon sehr viel miteinander erlebt, was sich heute aber abgespielt hat, ist mal wieder ein echtes Highlight.
Hinter einer Gruppe von Rentnern tauchte heute Nachmittag immer mal wieder ein Hörnerhelm auf.
Auch unser Nachbar war bereits darauf aufmerksam geworden und gesellte sich zu uns unter das Sonnensegel. Von hier aus konnten wir den Hörnerhelm besser ausmachen.
Plötzlich, als er nur noch wenige Lager entfernt war, sagen wir alle wie aus einem Mund: Was ist das denn? Asterix persönlich?
Jetzt konnten wir erkennen das es sich um einen Herrn handelte welcher einen Plastikhelm mit Hörnern auf dem Kopf hatte. Dazu eine Art Piratenhemd über dem er eine Lederweste trug. Auf der Rückseite prangte eine dreistrahlige Triskele. Seine groß Karierte Hose in gelben und orangen Tönen setzte dem Ganzen dann schon fast die Krone auf. Der Herr sah wirklich aus als währe er gerade aus einem besagten Comic entsprungen. Er trug selbstverständlich ein mittelgroßes Trinkhorn am Gürtel. Dann sahen wir etwas, was wir zuerst nicht glauben konnten. Das Schwert, das er bei sich trug, trug er mit dem Griff unter der Axelhöhle. Erst später wurde uns klar warum. Der Herr war nicht sehr groß, so dass, wenn er das Schwert normal am Gürtel tragen würde, es auf dem Boden schleifen würde.
Dann stand er plötzlich vor unserem Lager. Ich kann jetzt nicht mehr sagen wie wir ins Gespräch gekommen sind, nur, das es im Laufe dieses Gespräches sehr kurios wurde.
Der Herr hielt sich für einen Kelten. Er war der Meinung, dass er wirklich Ahnung von den Kelten hat, denn in dem Ort in der er beheimatet ist, gibt es schließlich keltische Funde.
Stolz erzählte er uns von den Ausgrabungen und was man alles da raus ersehen könne. In jedem Satz kam mindestens einmal vor: „Wir haben ja schließlich die Funde!“
Er berichtete uns auch stolz von einer Druidensauna. Einer Druidensauna, liebes Tagebuch, doch es wurde noch viel schräger. So berichtete er uns von merkwürdigen Zeremonien, die von einem angeblichen Saunadruidenmeister durchgeführt wurde. Die regelmäßigen Saunagänger, wurden in druidische Grade einteilt und konnten mit jedem Sauergang, einen Grad, auf der Kariere Leiter des Druidischen Saunagängers aufsteigen. Besagter Saunadruide hielt während des Schwitzens nicht nur Vorträge über Kräuteraufgüsse sondern auch über Dinge wie Ayurveda, vegetarische Ernährung und Heilsteine.
Auf die Frage woher dieser besagte Druide sein umfangreiches Wissen hätte bekamen wir immer nur eine Antwort:
„Wir haben ja schließlich die Funde!“
Angemerkt sei hier noch, liebes Tagebuch, das besagte Druidensauna selbstverständlich nur an Vollmonden stattfand.
Während wir immer noch den Ausführungen des Comic Galliers lauschten, verdrehte unser Nachbar immer wieder die Augen. Schließlich unterbrach er den Herrn und fragte ihn nach seinem Schwert.
„Oh, das ist Excalibur, oder besser gesagt eine Kopie davon. Das wohl bekannteste keltische Schwert der Geschichte.“
Auf den Hinweis das König Artus, wenn überhaupt möglich, bei weitem viel später datiert wird als die Kelten und das diese da schon mehrere hundert Jahre in anderen Kulturen aufgegangen waren, antwortete er nur:
„Ja schon, aber wir haben ja die Funde.“
Auf die Frage was das denn für tolle Funde seinen aus denen man so viel ableiten könnte wurden wir präzise aufgeklärt.
Es handelte sich um eine Handvoll Keramik Scherben, ein Bruchstück eines Glasreifens und einem Reststück einer Bogenfiebel, alles wurde auf das 1. und 2. Jahrhundert nach Christus datiert.
Da brach es aus unserem Nachbarn heraus.
Sachlich und ruhig erklärte er ihm dass das Zeitalter der Kelten um die Jahrtausendwende zu ende ging und die Kelten in anderen Kulturen wie z.B. der römischen aufgingen.
Er begann Bilder aus einer Mappe zu ziehen um so typischen Schmuck und Waffen zu verdeutlichen. Es folgte ein einstündiger Vortrag über Kelten und ihre Kultur. Ich konnte zusehen wie die keltische Weltanschauung des kleinen Mannes sich nicht nur veränderte sondern total zusammenbrach. Irgendwie tat er mir schon leid, aber wer rum läuft als sei er gerade aus einem Asterix Comic gesprungen und sich für den besten Keltenkenner der Welt hält, der verdient aufgeklärt zu werden.
Dann kamen noch einige Verbesserungsvorschläge bezüglich seiner Gewandung.
„So, Helm weg. Hörnerhelme hatten die Gallier nicht und schon gar nicht aus Plastik. Dann das Piratenhemd ausziehen. Ebenso die komische Weste. Schuhe und Hose gehen grade so. Auch wenn die Bundschuhe eine Gummisohle haben und blau sind. Aber das Schwert geht gar nicht.“
Der kleine Mann schaute recht traurig drein, seine schöne romantische Keltenwelt war zerstört worden.
Ich holte aus meinem Zelt eine Replik eines Keltenschwertes des 1. Jahrhundert vor Christus und reichte es ihm.
„Das hier wäre ein passendes Schwert für Ihre Zeit.“
Jetzt begannen seine Augen wieder zu leuchten und er wollte wissen wo man so was bekommen könnte. Da ich es nicht brauchte und sowie so von der Kriegerdarstellung weg wollte machte ich ihm einen Preis und er schlug sofort zu. Bei unserem Nachbarn kaufte er noch 2 Fibeln und verschwand schließlich in der Untergehenden Sonne.
Liebes Tagebuch, du wirst es nicht glauben. Heute am Sonntag, stand er wieder vor unserem Lager und war nicht wieder zuerkennen. Tunika, Rechteckmantel und Fibeln, sowie das Schwert ließen ihn schon eher wie einen echten Kelten aussehen. Wir lobten und ermutigten ihn weiter zu machen denn er wäre jetzt auf dem richtigen Weg.
Als der Mann sich dann schließlich von uns verabschiedete und verschwand, nickte mir unsere Nachbar zu lächelte und sagte: „Wieder einen gerettet und auf den richtigen Weg gebracht.“
Keltendorf Gabreta , Archäologischer Erlebnispark
August 2008
In einem Lied, eines in der Mittelalter Szene bekannten Barden heißt es: „Touri schauen uns in die Töpfe, dann zeigt sich sie haben leere Köpfe, esst ihr das da? Oder ist das alles nur Show? Wir gehen zu MC Donalds, glaubt wie blöde Sau.“
Und heute Liebes Tagebuch, habe ich genau das erlebt.
Wir kochten einen Eintopf, da wir hier nicht im Zelt wohnen sondern in einem Haus kochen wir wie üblich draußen unter freiem Himmel. Das Wetter ist klasse und sehr viele Besucher sind auf dem weitläufigen Gelände des Archäologischen Erlebnisparks unterwegs.
Da kommt ein älteres Ehepaar aus dem von uns bewohnten Haus und bleibt vor der Feuerstelle stehen. Die beiden scheinen Wanderer zu sein, denn beide haben Nordic Walking Stöcke dabei. Außerdem tragen sie jeder einen mittelgroßen Rucksack. Einen Moment schauten die beiden in den vor sich hin kochenden Eintopf. So wie immer, wenn wir in einem Museum zu Gast sind, kochen wir nur mit dem, was es zu der dargestellten Zeit auch gab und bekannt war. Wie du ja weist, liebes Tagebuch, sind einige Zutaten sehr schwer zu bekommen und auch sehr teuer. In diesem Fall war es ein Rehgulasch das wir extra über einen einige Kilometer weit entfernten Wildhandel bezogen hatten. Breits am Freitag freuten wir uns auf dieses Festmahl am Samstagabend. Denn Wild gibt es, wenn überhaupt, bei uns nur zu Weihnachten. Aus diesem Grund wirst du, liebes Tagebuch, auch meine Reaktion auf die folgende Szene verstehen. Die Beiden bleiben also am Feuer stehen und schauen in den vor sich hin kochenden Topf über dem Feuer.
Da beginnt plötzlich der Mann mit der Spitze seines Nordic Walking Stock in dem Topf herum zu rühren.
Dabei sagte er zu seiner Begleiterin: „Guck mal, hier tun sie so als würden sie kochen!“
Man mag sich gar nicht vorstellen wo dieser Stock und seine Spitze schon überall gewesen sind. Oder was dieser so schon alles angehaftete.
Jedenfalls wurde ich in diesem Moment zum Berserker, welcher den Mann in einer Art anging die wahrscheinlich noch heute ihres Gleichen sucht.
Jedenfalls war der arme Mann und das tut mir im nachhinein auch wirklich leid, liebes Tagebuch, nach dieser Attacke so fertig das er bereit war, uns zum Essen einzuladen. Er entschädigte uns so großzügig das wir an zwei Tagen in einem Restaurant im Ort essen gehen konnten.
Ein sehr teurer, aber wohl lehrreicher Spaß. Welcher so manchen als Warnung gelten sollte.
Ja liebes Tagebuch, oft möchte ich nicht wissen was in den Köpfen einiger Besucher vorgeht, wenn man sich ihr Verhalten mal so anschaut.
Landesmuseum Frankfurt
April 2009
Liebes Tagebuch, heute waren wir, einen Tag lang, in Frankfurt zu Gast im Landesmuseum. Hier hat sich mal wieder gezeigt, dass auch interessierte Besucher dumm sein können, oder sich als dreist entpuppen. Mit unserer Keltendarstellung führen wir mal wieder einen Schautisch mit, mit dem wir den Salzbergbau der Kelten und die Ernährung der Menschen zu jener Zeit erklären. Für die Ernährung haben wir kleine Tonschalen in denen Erbsen, Linsen, verschiedene Getreidearten und einige andere Lebensmittel liegen.
Wir fragen uns schon lange nicht mehr, warum die Leute unbedingt immer in den Erbsen, Linsen oder Nüssen usw. mit den Fingern herumrühren müssen. Was wir uns aber fragen ist, warum sie unbedingt an den Salzsteinen lecken und die genannten Lebensmittel im rohen Zustand in den Mund stecken müssen. So mussten wir auch nach dieser Veranstaltung die Lebensmittel wieder einmal weg werfen und auch das Salz wird nur mit spitzen Fingern angeekelt wieder verpackt. Nun die Lebensmittel lassen sich in der Regel für wenige Euro neu besorgen, aber die Steinsalzbrocken welche wir einst in dem Besucher Bergwerk in Hallein selber geschlagen haben werden wir vielleicht nie mehr so besorgen können. Im Jahre 2007 schlugen wir unsere gezeigten Salzbrocken unter realistischen Bedingungen wie einst die alten Kelten.
Das war ein einmaliges archäologisches Experiment, da den Museen aber immer mehr das Geld ausgeht, wird es immer schwerer solche Aktionen machen zu können.
Jeder der mal eine trockene Linse, Erbse, Dinkel, oder eine der verschieden Salzsorten und Co. probieren möchte ist ja eingeladen dieses zu tun.
Nur, warum fragen die Leute nicht?
Es ist kein Problem aus einer Kiste unter dem Tisch das entsprechende Produkt zu hohlen und dem Interessierten zu reichen. Auch haben wir die meisten verschiedenen Salzsorten in Gläsern unter dem Tisch und auch diese kann man von dort aus, dem Besucher, zum Probieren auf die Hand schütten.
Aber nein – die meisten Besucher fingern in den Tonschalen herum, lecken an den Salzsteinen ohne zu fragen. Das ist nicht nur ziemlich unhygienisch sondern auch ekelerregend.
Das Alles wäre weniger nervig für uns, wenn der Besucher nur eine einfache Frage stellen würde z.B.: „Kann man so was mal probieren?“
Überleben auf Mittelaltermärkten
Warum überleben auf Mittelaltermärkten? Nun, dieses Kapitel ist kein Überlebenshandbuch im herkömmlichen Sinne, es soll nur den einen oder anderen Besucher und natürlich auch den aktiven Teilnehmer vor diversen Fettnäpfchen bewahren. Denn davon gibt es auf historischen Veranstaltungen und Festen jede Menge. Dieses kleine Kapitel wird wahrscheinlich auch dem Einen oder Anderen einmal einen Spiegel vorhalten in dem er etwas sieht, was er eigentlich nicht sehen möchte.
Gewandete Besucher
Auf den meisten Veranstaltungen sind sie willkommen, die gewandeten Besucher. Jene, die sich in mittelalterlicher Kleidung als Besucher auf die Veranstaltung wagen. Und wagen ist schon das richtige Wort. Oft werden da die kuriosesten Verkleidungen zusammen gestellt, die man für mittelalterlich hält um eventuell einen Rabatt auf den Eintritt zu bekommen. Oft sitzen wir in unserem Lager und schauen den vorbei strömenden Massen zu. Immer wieder fallen uns dabei die komischsten und nicht mehr zu definierenden Gewandungen auf. So manches Gewand glich eher einem Faschingskostüm als einer historisch korrekten Gewandung.
Der Barbar
Das ist wohl die beliebteste Verkleidung von Marktbesuchern.
Als Barbar bezeichnen sie sich in den meisten Fällen sogar selber, weil sie glauben, dass die sogenannten Barbaren ein wildes unkultiviertes Volk waren.
Doch wer mal einen Blick in ein Lexikon geworfen hat, wird feststellen, dass es für den Begriff Barbar eine ganzeinfache Erklärung gibt.
Barbar kommt aus dem griechischen und bezeichnet jene Völker die keine Griechen sind und auch nicht die griechische Sprache beherrschen. Später wurde dieser Begriff von den Römern so übernommen und bezeichnete die Völker die nicht dem römischen Reich angeschlossen waren.
Ein Barbar ist also je nach dem entweder ein nicht Lateinisch oder Griechisch sprechender nicht Römer oder Grieche.
Also Völker wie die Germanen, Gallier, Skythen und alle Völker des damaligen bekannten Orients, galten, soweit sie nicht dem römischen Reich angehörten, zu den Barbaren.
Diese Völker haben aber alle ihre eigene Kultur, Bewaffnung, Schmuck und Kleidung. Sie sind klar von einander zu unterscheiden. Das einzige was sie verbindet ist das sie keine Römer oder Griechen sind.
Doch die meisten „gewandeten“ Besucher, welche sich als Barbaren bezeichnen gewanden sich wie folgt.
Der typische Marktbarbar ist meistens ein Mann.
Er trägt einen freien Oberkörper, egal wie das Wetter ist. Über die Schultern hat er sich ein Schaffell geworfen, was seine breiten Schultern betonen soll, auch wenn diese nicht vorhanden sind. Denn in seiner Vorstellung ist der Barbar ein großgewachsener Krieger mit sehr breiten Schultern.
Dazu trägt er eine Leder Jeans. Seine Füße stecken am liebsten in Springerstiefeln.
Diese umwickelt er, wenn er meint eine gute Barbaren Darstellungen zu machen, mit Kaninchenfell. Oft handelt es sich bei diesen Waden-Wickeln aber um Webpelz, welcher in seiner eigentlichen Verwendung wohl eher mal ein Bettvorleger war.
So gekleidet fehlen dem Barbaren nur noch zwei wichtige Dinge.
Ein Trinkgefäß und eine Waffe.
Als Trinkgefäß dient dem Barbaren ein Trinkhorn, denn jeder weiss ja, dass echte Barbaren nur aus Hörnern getrunken haben. Aus großen, sehr großen Trinkhörnern. So hängt am Gürtel eines echten und wahren Barbaren natürlich ein Trinkhorn. Dieses muss aber eine Mindestgröße von 0,7 oder besser 1,0 Liter haben. Denn dieses Maß entspricht genau einer Flasche Met.
Dass alle bekannten Völker und Kulturen bereits seit der Steinzeit Ton verarbeiteten und einzigartige Trinkgefäße schufen, interessiert diese Barbaren Darsteller nicht. In ihrer Vorstellung und nicht nur in ihrer, tranken die Menschen aus Rinderhörnern. So kommt es, dass der Barbar ein gewaltiges Trinkhorn am Gürtel tragen muss. Oft so groß das es fast vom Gürtel bis zum Boden reicht.
Aber was wäre ein echter Barbar ohne seine Waffe? Am liebsten trägt er ein Schwert auf dem Rücken. Da, wie wir ja schon fest gestellt haben, der Barbar ein gewaltiger Krieger ist, versteht es sich von selbst dass das Schwert ebenfalls sehr groß sein muss.
Die Lieblingswaffe des Barbaren ist der Zweihänder.
Meistens ein Model, welches aus dem 30 Jährigen Krieg bekannt ist. Dieses wird dann quer über dem Rücken getragen und nur so ausgestattet, kann der Barbar unter seinen Feinden Angst und schrecken verbreiten.
Der König der Barbaren
Getoppt wird das Ganze nur durch den König der Barbaren. Hier besagt wohl eine ungeschriebene Regel, dass das Schwert, welches dieser trägt mindestens zwei cm. Größer sein muss als seine eigene Körpergröße.
So trafen wir mal einen Barbaren-König, der uns stolz erklärte, das sein Schwert ganze 178 cm lang sei, er selber aber nur eine Körpergröße von 172 cm hat. Das hatte zur Folge, dass er beim Gehen, immer eine leicht nach vorne gebeugte Haltung einnehmen musste, damit das Schwert mit seiner Spitze nicht auf der Wiese oder der Straße schleift.
Ja, diese leicht nach vorn gebeugte Haltung und Gangart ist eines solchen Barbaren Königs wirklich würdig und verbreitet auch heute noch Angst und Schrecken. (Oder sorgt dafür, dass unser eins vor Lachen abends nicht in den Schlaf kommt)
Der Marktschotte
Eine ebenfalls weit verbreitete Darstellung ist die des so genannten Marktschotten.
Marktschotten treten ähnlich wie die Barbaren auf. Nur glauben sie, dass es sich bei ihrer Art der Darstellung um eine belegbare Sache handelt. Sie stehen auf dem Standpunkt, dass Schotten, in welcher Zeit auch immer, wirklich so herumgelaufen sind.
Nur sind Springerstiefel und ähnliches Schuhwerk kein historisches Schuhwerk.
Zwar mag in dem einen oder anderen Fall die karierte Decke, die nicht nur um die Hüften geschlungen, sondern auch über die Schulter getragen wird, glaubwürdig erscheinen, allerdings trifft dieses nicht für die dargestellte Trinkfestigkeit zu. Auch ist es für einen echten Marktschotten Pflicht, sich sein Gesicht blau zu bemalen. Denn, so weiss man ja aus diversen Hollywood Filmen, haben die Schotten das ja auch gemacht.
Markschotten zeichnen sich in der Regel auch dafür aus, dass sie, ähnlich wie die Barbaren, ein Trinkhorn am Gürtel tragen. Zwar ist es oft kleiner als das der Barbaren, aber dafür ist es immer gefüllt.
Viele Markschotten sind Neulinge in der Mittelalterszene und obwohl sie schon vielleicht ein dutzend oder mehr Veranstaltungen besucht haben, benehmen sie sich immer noch wie die Axt im Walde.
Sie grölen, geben gerne mit ihren Schwertern an und verlassen ihren Platz in der Taverne nur sehr ungern und auch eher selten.
Eine spezielle Sorte von Marktschotten sind die so genannten Sitzschotten. Wir prägten diesen Begriff vor einigen Jahren schon. Denn wir machten, in unserer Anfangszeit, nicht nur einmal den Fehler und luden einen oder mehrere Marktschotten in unser Lager ein. Diese Spezies stellte sich dann leider als sehr gesellig heraus. So blieben sie von Marktbeginn bis oft weit nach dem Ende der Veranstaltung im Lager sitzen. Auch das Vortäuschen des zu Ende gehenden Trinkvorrates an Met und Bier konnte sie nicht davon abbringen unser Lager wieder zu verlassen. In einem Fall blieb ein Sitzschotte bis weit in die Nacht an unserem Lagerfeuer sitzen und wurde von mir dann regelrecht gewaltsam aus dem Lager entfernt, nachdem alle anderen Lagermitglieder bereits zu Bett gegangen waren. Leider war das kein Einzelfall. Später hörten wir, dass eine Gruppe von Markt- und Sitzschotten den Bader terrorisierten.
Während die eine Hälfte den Badezuber fast 6 Std. lang belegte, standen die anderen an der Theke der dazugehörigen Taverne und machten einen normalen Tavernenbetrieb fast unmöglich. Zwar tranken sie viel und sorgten für Umsatz, ließen sich aber ständig über die angeblich schlechte Qualität des dort ausgeschenkten Whiskys aus. Dieses und das laute Gehabe dieser Gruppe verschreckte dann doch wohl einige andere Gäste und Marktbesucher. Am nächsten Morgen überlegte der Bader ob er nicht ein Schild aufhängen sollte, auf dem zu lesen ist: Schotten sind hier unerwünscht.
Der Markt Wolpertinger
Der Wolpertinger. Eigentlich handelt es sich hierbei um ein Fabelwesen. Im 19. Jahrhundert fügten findige Präparatoren Tierteile zusammen um sie gutgläubigen Touristen zu verkaufen.
Genauso ist es mit einigen gewandeten Marktbesuchern. Sie sehen zwar irgendwie mittelalterlich aus, sind aber keiner Zeit oder Region zu zuordnen. Sie tragen oft mehr als 1000 Jahre Geschichte am Körper und wollen den gutgläubigen, unwissenden Besuchen weiss machen, dass genau so die Menschen im Mittelalter herum gelaufen sind. Er ist z.B. eine Mischung aus Ritter, Wikinger und Landsknecht.
Wodurch dann folgendes Bild entsteht. Er trägt einen Topfhelm, Kettenhemd, Wikingerrundschild, einen Degen aus dem späten 17. Jahrhundert oder wahlweise eine nicht zu definierende Doppelaxt. Seine Hose ist kariert oder aus schwarzen Leder. Dazu trägt er Schnabel oder Bundschuhe. Das Auffälligste an einem Wolpertinger ist das er zu 90% zwar historisch korrekte Kleidung und Ausrüstung trägt, diese aber zeitlich nicht zusammen passt. Wie der Barbar trägt auch er oft ein Trinkhorn am Gürtel. Allerdings in einer kleinen Ausführung.
Wolpertinger bilden wohl den größten Anteil der gewandeten Besucher auf den allgemeinen Mittelalter Veranstaltungen. Schade ist hier nur, dass jene, wie das geschulte Auge sehen kann, viel Geld und Liebe in ihre für sie authentische Gewandung stecken. Uns stellt sich dann immer die Frage warum sie sich nicht etwas mehr über die Historie schlau machen und so gleich eine wirklich gute und authentische Darstellung aufbauen.
Der LARPER
LARP – hierbei handelt es sich um ein Rollenspiel das reale Personen in der realen Welt spielen. Erlaubt ist alles, was Spaß macht. Denn der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Meistens werden Charaktere aus einer reinen Fantasie Welt dargestellt. Seit der Herr der Ringe Verfilmung sind Darstellungen von Zwergen, Orks, Zauberern und sogenannten Waldläufern am weitersten verbreitet. Aber auch Krieger und Kriegerinnen kann man oft sehen. Auffällig hierbei ist, dass sie oft mit Pfeil und Bogen bewaffnet sind und große Schwerter und Äxte aus Latex mit sich führen. Derartige Waffen könnte, wären sie aus Eisen geschmiedet, kein Mensch mehr heben. Bei den Frauen fällt immer wieder auf, dass sie zwar edel gewandet sein wollen, aber auf den kriegerischen Aspekt nicht verzichten wird.
Da werden wunderschöne Kleider mit Tüten oder Fledermaus Ärmeln getragen und dazu Pfeil und Bogen. Ich möchte denjenigen mal sehen der mit einem solchen Kleid in der Lage ist einen Pfeil schnell und präzise ins Ziel zu lenken, so wie es sich für einen guten Krieger gehören würde. Das eigentliche Elend bei dieser Sache ist, dass es zum einen mit einer realen Darstellung des Mittelalters nichts zu tun hat und zum anderen, dass der LARPer nicht auf Plastik und Kunststoff verzichtet.
Derartiges hat nichts auf Veranstaltungen zu suchen, auf denen man versucht das Mittelalter oder das Antike Leben so genau wie möglich darzustellen. Doch die meisten LARPer kommen als Besucher und zahlen unter umständen den Eintritt mit welchem die Veranstaltung finanziert wird.
Doch es gibt nicht nur die Plastik LARPer. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass es auch LARPer gibt die sehr viel Arbeit, Zeit und Geld in ihre Kostüme stecken.
Da werden Lederrüstungen verziert und selbst gebaute Dinge gezeigt die handwerklich ihres Gleichen suchen. Doch so gut das Ganze auch gemacht ist und obwohl man einigen LARPern dafür Respekt zollen muss, es bleibt reine Fantasie.
Patchwork Darstellung
Patchwork ist eine Textilverarbeitung, bei der Reste zu etwas Neuen verarbeitet werden.
Ähnliches gibt es auch in einigen mittelalterlichen Darstellungsversuchen. Dieses kann sowohl auf eine einzelne Person zutreffen, sowie auch für ein ganzes Lager.
In den meisten Fällen sind es Lager mit klangvollen Namen die eigentlich niemand aussprechen beziehungsweise schreiben kann, da sie in der Regel lateinisch verfasst sind. Dieses wird wahrscheinlich mit Absicht so gehandhabt, damit sie später im Internet nicht wieder gefunden werden können. Denn was Lateinisch angeht weiss Google auch nicht alles. Auch die größte Suchmaschine des WWW findet nicht wirklich alles, wenn man nicht annähernt weiss wie es geschrieben wird.
In jedem Fall zeichnen sich derartige Lager durch ihre Vielfalt aus. Einige dieser Lager haben zwar einen sehr hohen authentischen Level, dennoch hätten sich ihre Bewohner so nie getroffen. Da leben in einem Lager Wikinger mit Kelten, Römer mit Tempelrittern oder Rittern in Voll-Platte zusammen. Für den Besucher ein wahrlich buntes und schönes Bild. Oft sind diese Lager mit so genannten Königstafeln und anderem prächtigen Möbeln, sowie großen farbenfrohen Zelten ausgestattet.
Für den wirklich Geschichtsinteressierten aber wirkt das Bild geradezu komisch. Fünfhundert oder mehr Jahre Geschichte in einem Lager wirkt dann schon wie eine Patchwork Decke aus dem Textilunterricht. Bunt, schön anzusehen aber nie wirklich irgendwie zu gebrauchen. Die Einzel Person trägt da zwar schon einige Merkmale, die andere Darsteller oder gewandete Besucher nicht haben. Dennoch ist der Grad zwischen den beiden sehr schmal und man muss mit Bedacht zwischen einem Patchwork Darsteller und einem Markt Wolpertinger Darsteller unterscheiden. Der Unterschied liegt meist darin, dass der Patchwork Darsteller zwar historisch korrekte Dinge trägt diese aber ebenfalls aus verschieden Zeiten und Regionen sind. Zwar sind diese Darsteller auf eine bestimmte Epoche festgelegt und vermitteln ein nach aussen hin glaubwürdiges Bild, was aber nicht stimmt. Ein Kelte der eine Lanze mit einer Bronzespitze aus der frühen Keltenzeit trägt, hat niemals ein Kettenhemd aus Gallien (La Tene Zeit 1. Jahrh. v. Chr.) besessen und ein Bronzeblech (Hallstattzeit 6. Jahrh. v. Chr.) darüber getragen. Auch keinen Halsreifen aus England (1. Jahrh. n. Chr.). Zwar alles belegbare Fund und in die Keltenzeit zu datieren, aber leider bunt zusammen gewürfelt. Das Argument, dass die älteren Stück ja so was wie Erbstücke seien, kann hier nicht geltend gemacht werden. Kein Kelte oder wer auch immer hatte zu dieser Zeit Erbstücke die 600 Jahre oder älter waren. Bleib zu sagen: Darstellung gut – aber leider Patchwork.
Altertums Transe
Eine der wohl, aus unserer Sicht gesehen, komischsten Darstellung ist die der sogenannten Altertums-Transe.
Der Begriff Transe dürfte den meisten Lesern geläufig sein. Es handelt sich hierbei um Männer, die Frauenkleider tragen und sich als Frau darstellen.
Bei der Altertums Transe liegt die Sache etwas anders. Zunächst mal müssen wir sagen, dass es sich hierbei um Männer handelt, die gar nicht wissen, dass sie eine Frau darstellen.
Sie halten sich in der Regel für mächtig authentisch und sind in den wenigsten Fällen eines Besseren zu belehren.
Das besonders Auffallende daran ist, dass diese Spezies bis jetzt nur in den Altertumsdarstellungen zu finden ist. Zwar gibt es wohl bei den Wikingern einige Frauen, die Männer darstellen, dieses aber sehr wohl bewusst und nur für bestimmte Zwecke tun. So habe ich mir berichten lassen, das dieses zum Beispiel bei der Nachstellung der Schlacht von Hastings der Fall ist. Hier dürfen nur Männer teilnehmen und so kommt es vor, dass Frauen sich in Männergewandungen hüllen um ebenfalls an dem Schlachtenspektakel teilnehmen zu können.
Dieses stellt seitens der Veranstalter wohl so lange kein Problem dar, so lange man nicht erkennt dass sich unter dem Helm und dem Kettenhemd eine Frau befindet und kein Mann.
Wie also schon erwähnt, gibt es in keiner anderen Darstellungsepoche solche Fälle.
Die Frauen, welche bewusst Kriegerinnen darstellen, kann man getrost in das Reich der Fantasie stecken. Sie kommen immer aus der LARP oder Wolpertinger Ecke, auch wenn sie etwas anderes behaupten.
Die Darstellung, um die es hier jetzt aber gehen soll, ist die der Altertums-Transe, welche auch nur in den Bereichen des Altertums vorkommt.
Man trifft sie eigentlich und meist nur ausschließlich bei den Leuten, die sich für die Keltendarstellung entschieden haben.
Wie sieht also so eine keltische Altertums-Transe aus?
Zunächst mal sind sie als Kelte nicht in eine Hose gekleidet, sondern tragen einen Rock.
Hierbei handelt es sich um ein einfaches Rechteckiges Stück Stoff, meistens kariert, das einfach um die Hüften geschlungen wird. Dieses ist wohl eine Anlehnung an den im 18. Jahrhundert in Schottland aufkommenden Kilt.
Dieser wird dann von einem keltischen Kettengürtel gehalten. Dieser wurde aber bisher nur in Frauengräbern gefunden und wird oft mit den Schwert Gurten der Männer, die ebenfalls aus Kettengliedern gearbeitet wurden, verwechselt.
Ein weiteres Detail ist der so genannte Torques. Der keltische Halsreifen. Dummerweise stammt das Model, welches in der Keltenszene am weitesten verbreitet ist, auch aus einem Frauen Grab.
Und so läuft der Darsteller dann in einer Gewandung herum, die zu neunzig Prozent aus Bestandteilen einer Frauengewandung stammt.
Die Restlichen zehn Prozent, der Rock ist dann wohl eher in das Reich der Fantasie zu verbannen, ebenso oft auch das mitgeführte Schwert. Wie eingangs schon erwähnt, trugen die keltischen Männer Hosen.
Was treibt also einen gestandenen Mann, sich ein Stück Stoff umzubinden, welches aussieht wie Omas altes Tischtuch oder Fenstervorhänge?
Oder Schmuck zu tragen, von dem man weiss das er eigentlich zu einer Frauenausstattung gehört?
Ist es Dummheit oder Unwissenheit?
Ich glaube, es ist Faulheit. Man nimmt das, was man als, in diesem Fall halt als keltisch kennt, ohne weitere Recherchen anzustellen.
Hinzu kommt, dass man sich in einer derartigen Verkleidung wohl recht stark, wichtig oder cool vorkommt. Hierbei wird das Klischeehafte Bild des wilden unzivilisierten Kelten besonders untermalt, der Besucher einer Veranstaltung bekommt so ein falsches Bild.
Hinzu kommt das, diese Darsteller meistens als besonders feierfreudig herausstellen. Hierbei beziehen sie sich auf ein Fachbuch das vor einigen Jahren erschienen ist. Dies Buch behandelt das Thema der frühen Kelten und der Hallstattzeit. In diesem Fachbuch ist zu lesen, dass der Fürst von Hochdorf mit einem reich ausgestatteten Trinkgeschirr bestattet wurde. Was so auch richtig ist. Nur bedeutet dieses jetzt auch, dass die Kelten dieser Zeit ein reines Party-Volk waren? Ich denke nicht - aber so interpretiert das nicht nur der besagte Darsteller, sondern auch das genannte Fachbuch. Was wiederrum diese Darsteller zum Anlass nehmen, sich als gute Keltendarsteller anständig zu betrinken.
Gewandungscamper
Die wohl am weitesten verbreitetste Lagerform. Meistens handelt es sich um Anfängerlager, also solche Lager, die zum ersten Mal aktiv an einem Mittelaltermarkt teilnehmen. Man muss ihnen also zu Gute halten dass sie es oft nicht besser wissen.
Sie haben sich für eine Darstellungsform entschieden und nutzen dazu alles, was ihrer Meinung nach dazugehört oder passt.
Leider sind das auch Dinge wie Teleskop Stangen aus Aluminium, die man aus dem Camping Bedarf kennt.
Hiermit wird dann das Sonnensegel, welches zwar weiß ist, aber auch leider aus Polyester besteht, abgespannt.
Typisch für den Gewandungscamper ist auch, dass er viel und oft mit Jute arbeitet. Hiermit werden dann z.B. Camping Stühle abgedeckt oder ganze Campingzelte, um sie zu verstecken, oder ihnen ein mittelalterliches aussehen zu verpassen.
Wir nennen solche Lager dann 1-2-3 Lager. Hin und wieder werden auch alte Felle verwendet, was das Ganze nicht mittelalterlicher sondern eher steinzeitlicher erscheinen lässt.
Darsteller solcher Lager tragen meistens eine einfache, selbstgenähte Gewandung. In der Regel die Männer eine Art Waffenrock. Darunter tragen sie oft Jeans oder Lederhosen und leider auch oft Turnschuhe.
Woran diese Lager niemals sparen, sind Waffen.
Sie führen oft mehr Waffen mit, als sie selber tragen oder benutzen könnten. Dieses gewaltige Waffenarsenal wird dann stolz vor dem Lager aufgebaut und dem interessierten Besucher gezeigt. Das es sich dabei oft um Waffen handelt, die viele hundert Jahre auseinander liegen, oder in Mitteleuropa so nie zum Einsatz kamen und oft der reinen Fantasie entsprungen sind, spielt für ein solches Lage keine Rolle.
Hier gilt nur: je mehr Waffen sie haben um so mittelalterlicher sind und besser sind sie als alle anderen.
Denn wie ich oben schon erwähnte, drängen sich die Besucher am Liebsten um solche Lager, da Ihr Waffenpotenzial riesig ist und sie ihre Waffenkammer auch gerne befingern lassen.
Der Eroberer
Wer wie wir meistens schon einen Tag früher als alle anderen sein Lager aufbaut, hat oft viel Zeit und Gelegenheit, diverse Typen auszumachen, die einem während des normalen Markttreibens gar nicht auffallen.
So gibt es Lager die folgendes und für mich persönlich seltsames Verhalten an den Tag legen.
Ein voll gepackter PKW mit Anhänger fährt auf den Platz. Nach kurzer Rücksprache mit dem Veranstalter ist der Platz, an dem man sein Lager errichten soll, schnell ausgemacht.
Man schreitet zunächst den zu gewiesenen Platz in Länge und Breite ab um sicher zu gehen, dass die vertraglich zugesicherte Größe des Platzes auch wirklich stimmt.
Danach wird das Auto mitten auf das zu gewiesene und jetzt für gut und ausreichend befundene Territorium gefahren.
Jetzt folgt ein Ritual das einzigartig ist.
Statt damit zu beginnen, sein Zelt aufzubauen, sucht der Eroberungstyp erst mal nach einer bestimmten Sache. Das vollbeladene Auto wird soweit entleert und die Ausrüstung überall darum verteilt, bis man besagten Gegenstand in dem Chaos gefunden hat.
Das Banner des Lagers oder der Gruppe.
Dieses wird nun aufgezogen und samt den dafür vorgesehenen Stab in die Mitte es Lagerplatzes gepflanzt.
Frei nach dem Motto: Hier bin ich und das hier ist mein Platz. Also akzeptiert es oder ihr bekommt Ärger mit mir.
So entstand folgendes Bild welches sich für immer in mein Gehirn einbrannte.
Auf einer Wiese, im leichten Nieselregen, steht ein Auto mit offener Hecklappe und halb ausgeräumten Anhänger.
Um das Auto und den Anhänger herum stehen Holzkisten, liegen Tüten, Säcke, Felle und vieles mehr.
Auf einer Kiste Bier in Mitten diese Berges, aus Ausrüstungsgegenständen, sitzt ein Mann mit einer Flasche Bier und schaut bewundernd auf das von ihm gerade errichtete Banner.
Während er einen Schluck aus der Bierflasche nimmt schaut er sich zufrieden um und freut sich über sein Banner, welches majestätisch im Wind weht.
Ein wahrer Eroberungstyp, welcher sogar dem Regen trotzt.
Das schwarze Volk
Ein weiterer Typus, welchen man auf jedem Mittelaltermarkt trifft, ist der Gothic - look.
Dieses, meist schwarz gekleidete Volk, treibt sich gerne auf historischen Veranstaltungen herum. Die Kleider der meisten Damen dieser Bewegung könnten gut und gerne aus dem Barock oder der Renaissance stammen. Aufwändig gearbeitete Kleider mit Reifröcken, Tüll und Rüschen bestimmen hier oft das Bild. An sonnigen Tagen träg die Gothic Dame auch gerne einen Sonnenschirm aus Spitze um sich vor der grellen Sonne zu schützen. Die Herren bevorzugen oft einen Gehrock, welcher ebenfalls mit Rüschen und Spitze besetzt und verziert ist. Bei diesen Leuten könnte man fast in den Glauben versetzt werden, dass sie wirklich eine gute Barock oder Renaissance Darstellung machen. Leider sind sie meistens in schwarz gekleidet, was den Ganzen dann einen Abbruch tut.
Doch auch in dieser Szene gibt es kauzige und schräge Typen.
Da werden Netzstrumpfhosen und enge Ledernieder getragen, zu fast kniehohen Lackstiefeln, welche Absetze haben die Ihresgleichen suchen.
Ketten, Lederbänder mit Nieten, Tattoos und Gesichtsschmuck aus Metall, so genannte Piercings sind hier wohl ebenso unverzichtbar wie eine schwere Parfümwolke aus Patcholi.
Dennoch sind es bei Weitem angenehmere Zeitgenossen, als so mancher andere Besuchertyp. In all den Jahren, in denen ich jetzt solche Veranstaltungen fahre, habe ich noch nie erlebt, dass ein Gothic sich voll laufen lies, randalierte oder in irgendeiner anderen Art und Weise negativ auffiel.
Cosplayer
Das so genannte Cosplay ist ein Verkleidungstrent der vor einigen Jahren aus Japan hierher kam. Dabei geht es darum, sich wie eine Manga oder Anime Figur zu verkleiden. Hierbei soll die Figur so original wie möglich in Kostüm und Charakter dargestellt werden.
Was hat das jetzt mit einem Mittelaltermarkt zu tun?
Nun, da die Anhänger des Cosplay immer mehr werden und auch die Mittelaltermärkte wie Pilze aus dem Boden schießen, beginnen sich diese beiden Subkulturen immer öfter zu begegnen.
Längst bezieht sich das Cosplay nicht mehr nur auf Manga- und Anime Charaktere aus japanischen Comics, sondern auch auf Videospiele, Filme und frei erfundene Figuren.
So kann man z.B. oft den Helden Link aus dem Videospiel Zelda auf Veranstaltungen treffen.
Auch die Kriegerprinzessin Xena aus der gleichnamigen TV Serie, so wie viele Charaktere aus dem Herrn der Ringe sind oft auf solchen Veranstaltungen zu finden.
Einige dieser Kostüme sind sehr aufwendig und mit viel Liebe gemacht und verdienen einen entsprechenden Respekt. Auch wenn diese nicht mittelalterlich sind, passen sie zum Teil gut in das Bild einer solchen Veranstaltung.
Der Pirat
Seit dem Fluch der Karibik sieht man auch immer mehr Piraten.
Immer mehr Piraten?
Eigentlich sehe ich immer nur einen Piraten und diesen gleich in mehrfacher Ausführung oder besser gesagt Gestalt.
Ja es handelt sich hier bei um keinen anderen als Kapitän Jack Sparrow.
Jener Pirat, der zum gefühlten 38. Male über die Leinwand flimmerte.
Ich verstehe ja, dass man einem solchen Typen gerne seinen Cosplay Stempel aufdrückt. Aber unter gezählten 89 Sparrow Darstellern fand ich nur einen, der seinem Original sehr nah kam.
Rasterzöpfe, lange Haare, ein rotes Kopftuch, Perlen im Haar und ein Dreispitz machen noch lange keinen Jack Sparrow. Die Meisten wirkten eher peinlich als eindrucksvoll.
Noch nie sah ich einen Klaus Störtebeker. Einen echten und historischen Piraten. Warum muss es immer Jack Sparrow sein?
Ja sogar Frauen versuchen sich zeitweilig an dieser Figur.
Mädels, es gab auch Piratinnen. Anne Bonny und Mary Read waren in ihrer Zeit geflüchtete und echte Piratinnen. Über sie gibt es reichlich Material und man kann so eine echte gute Darstellung aufbauen und muss nicht einem billigen Abklatsch einer Hollywood Fantasie hinterher jagen.
Die Welt der Banner, Fahnen und Standarten
So wie jeder edle Ritter sein Wappen mit Stolz trägt, so hat auch wohl jede Gruppe, die auf einem Mittelaltermarkt ihr Lager aufschlägt, ein Banner.
Denn jeder will ja erkannt werden. Am besten schon von weitem.
Zunächst gibt es da mal die Ritter, welche sich sehr oft auch mit dem Thema der Heraldik, also der Wappenkunde auseinander setzen und sich häufig sehr schöne und aufwändige Wappen gestalten oder auch gestalten lassen.
Was man ja alles noch als echt mittelalterlich bezeichnen kann. Auch wenn es mit den echten Wappen jener Zeit nichts zu tun hat. So entsprechen sie im Stil, Farbe und Form meisten jener aus längst vergangenen Tagen.
Die Römer z.B. haben immer ihre Feldzeichen. Diese Legionszeichen sind meistens sehr gute Kopien von Originalen, die man heute noch in Museen bewundern kann.
Auch sie sorgen für ein glaubwürdiges Bild einer Römergruppe. Zudem kommt noch, dass der Standartenträger eine eigene Darstellung ist und seine Gewandung auch nach originalem Vorbild gefertigt wurde.
Bei den Kelten Gruppen mit einer meist hohen Stufe der Authentizität, findet man oft ebenfalls so genannte Feldzeichen.
Hier werden dann meistens skelettierte Tierköpfe, Felle, Geweihe oder Dinge, welcher der Archäologe als Kultobjekte bezeichnet, verwendet.
In einigen Fällen finde sich darunter noch ein Stück Leder mit dem Namen der Gruppe.
Diese Feldzeichen, Banner oder wie man sie auch immer nennen soll, weisen sich meistens auch durch ihre Form und Größe aus. Was durchaus auch Sinn macht, wenn man bedenkt, dass sie im Schlachtengetümmel immer noch gut zu erkennen sein sollen und als Schlachtengetümmel kann man das Treiben auf einem gut besuchten Mittelaltermarkt allemal bezeichnen.
Bei den Germanen und Wikingern frage ich mich eigentlich oft, was das soll. Da werden oft schöne und aufwändige Banner erstellt und der Gruppenname in Runen geschrieben.
Meiner Meinung nach ist das ziemlich unsinnig, denn wer, außer einer Handvoll Menschen, kann überhaupt Runen lesen? Selbst wenn man davon ausgeht, das es in der Germanen und Wikingerszene fast jeder kann, so kann es der Besucher mit Sicherheit nicht.
In jedem Fall sieht es nicht nur schick aus, sondern auch wichtig und das ist es, worauf es ja auch wohl ankommt.
Denn schon damals wollten die Krieger mit ihrem Banner auffallen und womöglich Angst und Schrecken verbreiten.
Die Banner der so genannten Gewandungscamper, Barbaren- und 1-2-3 Lager sind für mich die Interessantesten.
Zunächst mal scheint hier ein wichtiger Grundsatz zu bestehen: Je größer das Banner, umso besser. Die Standard Größe scheint hier mind. Ein ¾ großes Bettlagen zu sein.
Dieses wird dann an einer ca. 2 Meter oder längeren Stange mit einer Querstrebe befestigt. An diesem so entstandenen Kreuz wird das große Stück Stoff dann befestigt.
Der Name der Gruppe prangt dann meistens im Halbkreis im oberen oder unteren Teil dieser Stoffbahn.
Auf solchen Bannern sind oft sehr merkwürdige Dinge zu entdecken. Wenn es gerade keine Tiere wie Füchse, Raben, Wölfe oder Bären sind, dann sind es gekreuzte Schwerter oder Äxte. Dies alles stellt oft einen hohen Wiedererkennungswert dar. Auch kann man sagen, dass eine solche Motivwahl nicht schlecht ist. Sie wirkt in den meisten Fällen mittelalterlich und verleiht dem ganzen einen Hauch von glaubwürdigem Mittelalterlichem Ambiente.
Es gibt aber auch Lager, die auf merkwürdige Art und Weise ihre Banner verzieren.
Das hier wohl beliebteste Motiv ist das Pentagramm.
Jener fünfzackige Stern, der als das Hexen und Magier Symbol schlechthin gilt. Denn wie jeder weiss waren ja Hexen und Magier im Mittelalter äußerst beliebt und wurden ja auch nicht über 500 Jahre lang verfolgt. Da ist ein Marktspektakel ja genau der richtige Platz, um sich zu zeigen und stolz als Hexe und dergleichen zu präsentieren: – Hallo, wir sind Hexen! So wie die damals im Mittelalter!
Da stellt sich mir die Frage: Habt ihr in Geschichte immer blau gemacht?
Na, wie auch immer. Auf fast jedem Mittelaltermarkt kann man derartige Fantasiebanner sehen. Richtig lustig wird es dann, wenn dieses Banner mit zum Marktumzug genommen wird. Stell dir vor, eine Gruppe mit einem Pentagramm im Banner, läuft direkt hinter oder vor einer Templergruppe. Ein aus historischer Sicht gesehenes lustiges und vor allem unglaubwürdiges Bild.
Aber es gibt noch ganz andere Dinge, bei einem solchen Umzug, zu sehen. Da weht, dann das schon erwähnte Bettlaken große Banner, dann unkontrolliert herum, streift Gesichter von Besuchern und anderen Teilnehmern, oder versperrt seinem Träger ganz und gar die Sicht. Um das unkontrollierte Hin und Her wehen zu stoppen, befestigen viele die Stoffbahn unten an der Tragestange oder an einer weiteren Querstrebe.
Das hat dann zum Ergebnis, dass jetzt nicht mehr das Banner ungewollt herumflattert, sondern auch nur bei geringem Wind sein Träger. Das Banner wirkt jetzt wie ein Segel. Wird es nun einmal vom Wind erfasst, bewegt sich sein Träger stetig nach links und rechts, um das Ganze stabil zu halten und auszugleichen. So entsteht nicht nur für den Besucher der Eindruck, als hätte dieser Bannerträger schon 2 oder mehr Promille intus.
Hinzu kommt, das viele Gruppen der Meinung sind, das solch ein Banner nur von den Kleinsten und Zierlichsten, meist männlichen Person getragen werden muss. Denn diejenigen, die das Banner im wahrsten Sinne des Wortes bändigen könnten, sind ja die Großen, kräftigen. Diese sind aber viel zu sehr damit beschäftigt, wilder Krieger zu spielen.
Also Leute, wenn ihr schon keine historisch belegten Banner, Standarten oder Feldzeichen verwendet, dann doch welche die klein aber fein sind. Denn gerade hier gilt: weniger ist bei weitem mehr und man erinnert sich nicht unbedingt an euch, als das Lager mit den besoffenen Fahnenträger. Auch wenn er das niemals war.
Werbebanner in Lagern
Auf verschieden Veranstaltungen habe ich diverse Gruppen gesehen, deren Lager glichen eher einem Infostand in der Fußgängerzone, als einem annähernd historisch Lager.
Da prangen im Hintergrund Werbebanner die bis zu 2 x 3 Meter groß sind. Auf ihnen sind dann Dinge wie: „Gruppe Dingsbums“ gelebte Geschichte - www Punkt Gruppe-Dingsbums Punkt irgendwo“ zu lesen. Hinzu kommt eine ganze Menge an aufklappbaren Werbeaufstellern, wie man sie oft vor den Supermärkten oder Boutiquen in der Fußgängerzone sieht. Auf ihnen kann man dann zwar auch einige Informationen bezüglich historischer Fakten oder Fundstücke lesen, dennoch künden sie mehr davon wie toll die Gruppe ist und wo sie bereits überall war und was sie alles kann.
Der Informationswert solcher Gruppen ist nicht selten sehr hoch. Hier kann der interessierte Besucher wirklich was lernen. Ihm wird dort kein Blödsinn über die dargestellte Epoche erzählt. Dennoch stört so viel Plastik das gesamt Bild einer historischen Veranstaltung. Derartige Schau- und Infostände gehören, wenn überhaupt, nur zu einem Infotag in ein Museum oder auf eine fachbezogene Messe. Dort stören Werbedisplays aus Kunststoff niemanden. Aber auf einem Mittelaltermarkt oder auf einer Museumsveranstaltung mit Belebung solle man in jeden Fall auf Dinge wie Werbebanner mit Webseiten und Werbeaussteller jeder Art verzichten.
Religion in der Darstellung
Religion und Darstellung sind wohl der strittigste Punkt, wenn es um eine historisch korrekte Darstellung geht. Viele Gruppen versuchen in ihrer Darstellung auch die Religion darzustellen. Doch über die wenigsten religiösen Handlungen und Kulte wissen wir heute etwas. Das gilt besonders für die religiösen Handlungen und Traditionen der Antike. Bei den Römern kann man durch Bilder und vereinzelte schriftliche Quellen noch einige rekonstruieren. Aber für die Germanen und Kelten ist das nicht möglich.
Anders sieht es da bei den mittelalterlichen Darstellungen aus. Die Kreuzritter sind hier wohl die Gruppe, welche z.B. auf garkeinen Fall auf die Darstellung von Religion verzichten kann oder darf.
Ich habe Tempel- und Deutsch Ritter Gruppen erlebt, die sich voll in die religiöse Seite der Darstellung hineingehängt haben.
Da wurden Sonntagsmorgens Messen in lateinischer Sprache gehalten. Alle Teilnehmer, ob Ritter oder nicht, knieten 45 bis 60 Minuten vor einem Altar. Vor diesem stand, mit dem Rücken zu seiner Gemeinde, der Priester und las die Messe auf Latein.
Auch durfte ich mal eine so genannte Schwertweihe, die Aufnahme eines neuen Ritters in die Gruppe miterleben.
Der Novize kniete die ganze Nacht vor einem Altar, dabei stützte er sich die ganze Zeit auf sein Schwert und war im Gebet vertieft. Wer jetzt glaubt, dass das Ganze nur Show war, der liegt falsch. Wir saßen bis nach Mitternacht in unserem Lager und konnten von dort aus das Templerlager die ganze Zeit beobachten. Der Novize verlies seinen Platz nicht ein einziges mal.
Als ich gegen vier Uhr morgens mal auf die Toilette ging, kniete er immer noch vor dem Altar. Auf dem Rückweg zu meinem Zelt sah ich, wie einer seiner Kameraden ihm einen Wollumhang gegen die Kühle und Feuchtigkeit der Nacht überwarf.
Derartige Rituale sind authentisch und machen eine Darstellung nicht nur für den Besucher interessant, sondern auch für alle anderen Teilnehmer.
Dieses gilt auch für die Römer. Auch hier kann Religion und religiöse Handlungen gezeigt und wiedergegeben werden. Denn es gibt schriftliche und bildliche Zeugnisse.
Allerdings ist die Religionsdarstellung bei den Keltengruppen wohl am beliebtesten und auch am verbreitetsten.
Obwohl man so gut wie nichts über die religiösen Ansichten und Handlungen der Kelten und auch Germanen weiss, werden ganze Riten und Zeremonien dem Publikum dargeboten.
Schade an dieser Sache ist, dass es kaum Gruppen gibt, die im Vorfeld darauf hinweisen, dass nur sehr wenig über die religiösen Handlungen dieser Völker bekannt ist.
Trotzdem werden da Hochzeits- Bestattungs- oder Erntedankrituale aufwendig zelebriert und dem Besuch als original und echt vorgeführt.
Ich habe nichts gegen derartige Zeremonien, sie können durchaus sehr spirituell sein. Aber sie haben absolut nichts auf Historischen Festen oder gar in Museen zu suchen.
Das Negative an dieser Sache ist, dass es leider immer öfter von Veranstaltern gewünscht wird. Der Show und Unterhaltungswert wird für die meisten Veranstalter immer wichtiger. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen einfachen Mittelaltermarkt oder ein Museum handelt.
Vor einigen Jahren sprach ich genau über dieses Thema mit einem Archäologen. Der schimpfte über diverse Gruppen, die ihre Darstellung auf diese Art und Weise verwässern und unglaubwürdig machen. Das Ganze wäre ja nur esoterischer Mumpitz und sowie so nur was für Spinner, die man nun wirklich nicht ernst nehmen kann.
Ein Jahr später durfte ich Zeuge werden, wie eine Keltengruppe mal wieder dem Publikum vorgaukelte, wie die Kelten religiöse Feste feierten.
An dieser Stelle darf sich der Leser mal fragen, wer als Priester in angeblicher druidischer Gewandung mit Räucherschale den Tross zum Ritualplatz anführte?
Ja – richtig. Es war der besagte Archäologe.
Als ich ihn nach der Veranstaltung darauf ansprach, meinte er nur, dass so was nichts mit Esoterik zu tun habe, sondern es sich um Brauchtumspflege handle.
Hier kann man sehen, was einigen Leuten ihre Darstellung wert ist, wenn nur die Gage stimmt.
Vor einiger Zeit waren wir zu Gast in einer römischen Villa. Dort fand eine überlieferte Hochzeitszeremonie statt. In dieser Villa, so belegen römische Quellen, wurde besagte Hochzeitzeremonie also wirklich abgehalten. Zu diesem Ereignis versammelten sich nicht nur Römer, sondern auch Freunde und Verbündete germanische Stämme. Die italienische Gruppe, die das ganze durchführte, scheute sich nicht, das in Italienisch zu tun. Für uns, die eine nicht römische Gruppe darstellen, machte es keinen Unterschied, ob es in Italienisch oder Latein war. Wir verstanden es so oder so nur mit einem Dolmetscher. Wahrscheinlich wäre es uns in römischer Zeit genauso ergangen. Das gab dem ganzen irgendwie einen authentischen Eindruck.
Richtig peinlich finde ich wird es, wenn derartige Zeremonien nicht in der eigenen Muttersprache zelebriert werden.
So erlebten wir oft, dass von Gruppen diverse Anrufungen und angebliche Zaubersprüche z.B. in gälischer Sprache durchgeführt wurden. Dummerweise ist das Gälische eine sehr komplexe Sprache und wer sich damit nicht wirklich auskennt, vermark auch die Aussprache und Bedeutung nicht zu kennen. Auch wenn diese selbsternannten Priester alles andere von sich behaupten. Eine Kauderwelsch CD mit gälischen Grundsprachkurs, macht noch lange keinen Sprachexperten.
Noch alberner wirkt das Ganze dann, wenn man es als deutschsprachige Gruppe nicht auf gälisch versucht, sondern in einem primitiven Englisch.
Leider ist es mir nicht mehr möglich es so wieder zu geben wie es wirklich war. Aber wer die Englischkenntnisse eines bekannten Ex Fußballnationalspielers Namens Lothar M. kennt, der weiss wovon ich rede und was ich meine.
Warum also muss ich so was in einem mehr als schlechtem Englisch machen, wenn mein Publikum der deutschen Sprache mächtig ist?
Wie gesagt, meiner Meinung nach sollen solche Gruppen auf derartige Showanlagen verzichten, denn sie machen damit nicht nur sich sondern auch ihre Darstellung in gewisser Weise unglaubwürdig.
Heiler
Neben den Rittern ist der so genannte Heiler die wohl am verbreitetsten Darstellung auf einem Mittelaltermarkt. Wenn man das was da geboten wird überhaupt als Darstellung bezeichnen kann. Es gibt wohl kaum ein Lager, das keinen Heiler, Schamanen oder eine Hexe kennt, oder in der Gemeinschaft hat. Ja sogar an vielen Verkaufsständen sind die Betreiber Heilkundige.
Wie ich ja schon an anderer Stelle angemerkt habe, war Religion im Mittelalter ein zentraler Punkt im täglichen Leben. Und wenn man den Darstellungen der heutigen Mittelaltermärkte glauben soll, war es ja völlig normal, das diese Heilkundigen, wie z.B. Hexen ihr Handwerk offen und für jeden sichtbar ausübten. Die Hexenverbrennungen und die Inquisition hat es demnach ja nie gegeben.
Warum auch? Ist ja überhaupt nicht angesagt. Viel geiler ist es doch, wenn man mit seinen Kräutern und Salben oder Homöopathischen Mitteln einen auf allwissenden und immer hilfsbereiten mittelalterlichen Heiler machen kann. Oh, bitte jetzt nicht falsch verstehen, ich selber habe auf diversen Veranstaltungen schon die Dienste von Heilern in Anspruch genommen. Das waren aber keine esoterischen, Weihrauch räuchernden und indianische Mantra singenden Ökotypen, sondern ausgebildet Heilpraktiker mit staatlicher Zulassung. Über diese kann man sich auch streiten, sicher gibt es da auch gute und schlechte, ich aber habe mir einige Male von einem Chiropraktiker den Rücken oder die Schulter wieder gerade biegen lassen und habe damit gute Erfahrungen gemacht. Wo von ich rede, sind die gescheiterten Existenzen, welche an der staatlichen Heilpraktiker Ausbildung gescheitert sind, oder das Geld bis dato für eine vernünftige Ausbildung in einer Heilpraktikerschule nicht aufbringen konnten. Sie versuchen mit ihrem umfangreichen Wissen, welches sie aus dem einen oder anderen Buch für Kräuterkunde haben, den Menschen zu helfen. Doch zu 90% läuft es darauf hinaus, dass diese Behandlung wie folgt endet: Entweder man ist seine Beschwerden nicht und dafür einen Haufen Geld los, oder man bekommt dann einen gut gemeinten Rat der besagt, dass man damit doch wohl dann mal einen richtigen Arzt aufsuchen sollte.
An dieser Stelle wird es wohl Zeit für einen kleinen Beispiel Test:
Wer mutig ist, der stellt sich z.B. an einem Samstagnachmittag mal auf einen Mittelaltermarkt. Am besten barfuß. Dann beginnt er laut zu schreien und auf einem Bein zu hüpfen. Am besten schreit er dabei Sachen wie: Verdammt ich bin in eine Biene, Wespe oder noch besser Hornisse getreten. Das wird folgendes Szenario zur folge haben.
Aus 10 Zelten werden 11 Leute gestürmt kommen. Nicht irgendwelche Ritter, sondern heilkundige Hexen und Schamanen. Die erste Frage wird sein: Bist du allergisch? Wahrscheinlich eine berechtigte Frage, nur wenn jemand weiss das er gegen Wespen- oder Bienenstiche allergisch ist weiss er in der Regel selber was zu tun ist oder trägt ein entsprechendes Medikament mit sich. Worauf aber die Frage eigentlich abzielt ist eine angebliche allergische Reaktion des Körpers auf den besagten Stich. Er schwillt an und tut weh. Das ist schmerzhaft und unangenehm, aber noch lange keine „lebensbedrohliche“ allergische Reaktion. Na ja, für das Volk der Heiler aber in den meisten Fällen schon.
So kommen aus besagten 10 Zelten 11 Leute gestürmt, die bereit sind, jemanden das Leben zu retten. Na ja, das ist schon übertrieben, aber ich habe das oft genug selbst erlebt, dass solche Leute angelaufen kamen, als seien sie der Notarzt selbst um dann den weisen Rat zu erteilen: Da kann ich auch nichts machen. Damit musst du zum Arzt. Doch bleiben wir bei dem Insektenstich. Hier haben besagte 11 Leute 12 Meinungen, wie es gilt, diesen zu behandeln. Die Palette reicht vom energetischen Hand auflegen, über diverse homöopathische Mittelchen bis zu demjenigen der sofort auf allen Vieren herum rutscht, um auf der Wiese nach Heilkräutern zu suchen. Was auf einer von mehren hundert oder sogar tausenden von Besuchern platt gelaufenen Wiese irgendwie keinen Sinn macht. Selbst wenn sie fündig würden, wer sollte sich das platt getretene und verschmutzte Kraut dann auf die Haut oder auf eine Wunde legen wollen? Ich jedenfalls nicht. Die Erfahrung hat gezeigt, das egal wie man sich behandeln lässt, es gleich lange dauert bis die Beschwerden, die solch ein Stich hervorruft abgeklungen sind. Ich bevorzuge die einfache Kühlung durch einen feuchten Lappen.
Nein, nicht alle dieser Heilkundigen sind Quacksalber oder währen gerne Medicus. Einige von ihnen wissen wirklich was über Heilkräuter und ihre Anwendung. Doch diese Leute wissen, was sie können und dürfen. Sie halten sich im Hintergrund und gehören nicht zu denen, die beim ersten Aua-Ruf mit der Tasche voller Wunderlicher Dinge los laufen.
Handwerker
Auf jede gute Historische Veranstaltung gehört der eine oder andere Handwerker. Sie sind oft Publikumsmagneten und vor so manchem Handwerkerstand bilden sich oft genug Menschentrauben. Interessiert schauen sie demjenigen zu, der dort das vorführt was er selber Handwerk nennt.
An dieser Stelle möchte ich mal einige Hand- oder besser gesagt sogenannte Handwerker vorstellen, welche mir immer wieder auffallen.
Alibi Weber
Das sind die Weber und Weberinnen die im Lager meist mehrere Webrahmen oder auch Webstühle stehen haben, diese aber während des Marktes nur selten oder gar nicht benutzen. Sie haben zuhause etwas vorgearbeitet und stellen nun das begonnene Werkstück im Lager dem Publikum zur Schau. Oft sind das Leute, die irgendwann mal mit viel Begeisterung an dieses Handwerk gegangen sind und dann die Lust verloren haben. Denn sie haben bemerkt, dass es Zeit und Geduld braucht, etwas zu weben. Ob Tuch oder Brettchenborte spielt dabei keine Rolle. Auf den Webseiten dieser Leute kann man nachlesen, dass sie sich auf Grund ihrer Darstellung mit altem Handwerk beschäftigen und auf Veranstaltungen vorführen. Deswegen steht der Webrahmen im Lager und kann vom Publikum bestaunt werden. Wer sich, auch als Besucher, länger auf einem Mittelaltermarkt aufhält wird schnell merken, dass er an solchen Lagern mehrere Male am Tage vorbei gehen kann und niemals jemanden sehen wird, der an diesem Rahmen arbeitet. Gute Alibiweber sitzen aber dann doch schon mal über den Tag verteilt einige Minuten lang am Webstuhl oder Rahmen und weben. Das Ergebnis des Tages sind dann einige wenige Zentimeter. Was dazu führt, das die Antwort auf die Frage, wie lange man dafür gebraucht hat, oft – mehrere Monate – oder fast ein Jahr – lautet.
Nein, es sind nicht alle so. Aber diese Ausnahmen bestätigen leider die Regel.
Der Tavernen Schmied
Das ist ebenfalls eine sehr verbreitete und beliebte Handwerksdarstellung. Ich habe es selber oft erlebt, dass eine große, gut ausgestattete und schön dekorierte Schmiede aufgebaut wurde. Nur sah man in den seltensten Fällen jemanden darin arbeiten. Auf dem Amboss liegt dann kein Hammer und kein glühendes Eisen, welches bearbeitet werden soll, sondern ein Schild mit der Aufschrift „Bin gleich wieder da!“ oder „Nächste Vorführung um … Uhr“. Im zweiten Fall kann man Glück haben das es wirklich eine Vorführung gibt und besagter Schmied während dessen das eine oder andere Werkstück auch fertigt. Darauf verlassen kann man sich weniger. Denn besagte Schmiede halten sich meistens den größten Teil des Tages in der Taverne auf. So ist es ihnen meistens nicht möglich, pünktlich, oder überhaupt, ihre Vorführung durchzuführen. Selbst wenn eine Vorführung dann auch stattfindet, kann man am Ende eher selten ein fertiges Werkstück betrachten.
Der „indische/pakistanische“ Lederer
Meistens ein Handwerker mit Verkaufsstand. Gut sichtbar hat er einige zu bearbeitende Lederstücke und Werkzeug an einer Art Arbeitsplatz platziert. So meint jeder der vorüber geht, dass es sich hierbei um einen fleißigen Handwerker handelt, der alle diese tollen und schönen Sachen an seinem Stand im Schweiße seines Angesichtes selber hergestellt hat. Die Wahrheit ist aber, dass diese Waren in Wirklichkeit aus Indien oder Pakistan stammen. Wer oft historische Feste und Mittelaltermärkte besucht, wird auch feststellen, dass er dieselben Waren immer wieder sieht. Obwohl diese ja eigentlich von Hand und individuell hergestellt sein sollen.
Dem normalen Besucher wird das aber eher weniger auffallen, da man als Besucher auf derartige Dinge nicht achtet und oft vom Warenangebot an diesen Ständen schier erschlagen wird.
Aber nicht alle Handwerker sind Mogelpackungen. Viele betreiben ihr Handwerk ehrlich und fleißig. Sie arbeiten an ihren Werkstücken mit Leidenschaft und Ausdauer. Diese Leute stehen dem Interessierten Zuschauer mit Rat und Tat zur Seite und verfügen über ein umfangreiches Fach- und Geschichtswissen. Das sind auch die Handwerker, die z.B. auf der Stelle Änderungen oder Reparaturen vornehmen. Die so genannten Riemenschneider sind hier wohl das beste Beispiel. Sie fertigen Gürtel auf Maß und Wunsch des Kunden direkt an oder punzieren auf Wunsch Armstulpen und Taschen. Bei einigen anderen Handwerkern hat der Besucher sogar die Möglichkeit selber, einmal Hand anzulegen und selber sein Geschick zu probieren. Das Motto meiner Schmiede lautet: Wer sich traut den Schmied zu fragen, kann sich selber an den Amboss wagen!
Und diesen Rat kann ich nur jedem Besucher geben. Fragt die Handwerker ob ihr selber einmal Handanlegen dürft. Ihr werde schnell merken, wer ein Alibi Handwerker ist und wer nicht.
Versorger
Was kann man über diejenigen schreiben, die den Marktbesucher und zum Teil auch die Aktiven mit Speise und Trank versorgen? Nicht viel, außer vielleicht, dass die Wenigsten der angebotenen Speisen mittelalterlich sind. In einem Lied heißt es: Weist du noch, wie es früher war, damals im Mittelalter? Da waren Kartoffel noch nicht da, auch keine Tomaten und kein Paprika. Nur schade, dass das von den wenigsten Versorgen berücksichtig wird. Allerdings findet man, wenn man Hunger hat, hier allerlei Ausgefallenes und durchaus kulinarisch Interessantes. Neben Spannferkel oder dem üblichen Dingen vom Grill kann man z.B. neben Falafel eine ganze Reihe anderer leckerer Gerichte bekommen.
An dieser Stelle auch ein kleiner Tipp:
Wer Hunger hat sollte sich den Bauch nicht am ersten Stand voll hauen. Sondern zunächst mal eine oder besser auch zwei Runden über das Marktgelände gehen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es die Besonderheiten oft am Rand oder in den Ecken des Marktes versteckt gibt. Das gilt besonders für Veranstaltungen auf Burgen oder in Innenstädten, wo die Stände oft in viele Seitenstraßen und Gassen verteilt sind. Also merke: Erst alles anschauen, dann entscheiden. Dein Gaumen und dein Bauch werden es dir mit Sicherheit danken.
Händler
Oft habe ich mich gefragt, was Modeschmuck, nicht nur aus Glas sondern auch zum Teil aus Kunststoff, auf einer solchen Veranstaltung zu suchen hat. Aber auch Dinge wie Glasvasen oder moderne Töpferwaren wie Gartenfiguren gehören nicht auf derartige Veranstaltungen. Wenn man so was sieht, kommt einem schon der Gedanke, ob der Veranstalter mit aller Macht unbedingt seinen Platz mit Händlern füllen wollte, oder ob es Händler und Veranstalter letzten Endes egal ist, was verkauft wird, solange die zu zahlende Gebühr für den Stand stimmt. Diese Einstellung führte für uns dazu, die oben genannten Stufen für Mittelaltermärkte für uns persönlich einzuführen. Sicherlich soll das Warenangebot so vielfältig wie möglich sein, aber einen Stand mit Dildos, auch wenn diese aus Holz sind, braucht dann wohl keiner.
Das ist kein Scherz, einen solchen Stand haben wir schon einmal auf einem Mittelaltermarkt gesehen. Abgesehen davon, dass dieser Stand aussah, als gehörte er auf einen Wochenmarkt, werde ich mich jetzt darüber nicht weiter auslassen.
Die meisten Stände verkaufen wirklich das, was man am ehesten als mittelalterlich bezeichnen kann. Dazu gehören die so genannten Krämereien. Der mittelalterliche Gemischtwarenladen. Wer nette Souvenirs oder etwas für den Einstieg in dies Hobby sucht, der wird hier in der Regel immer fündig. Neben Rüstungsteilen, mittelalterlich aussehendem Schmuck oder Küchenütensilien wie Töpfe und Pfannen, kann man hier viele brauchbare Dinge erwerben. Auch wenn das meiste oft aus Indien oder Pakistan stammt. Diese Dinge sind preiswert und für den Anfänger, sowie Gewandteten Besucher zu gebrauchen. Besonders die Stahlwaren, aus Osteuropa, sind oft von guter und langlebiger Qualität.
Dem kauffreudigen Besucher und natürlich auch Händler sollte an dieser Stelle geraten sein, immer zu handeln. Sie sind auf einem Markt und da macht das einkaufen mehr Spaß, wenn man um das begehrte Objekt feilscht. Ich selber habe mal über mehre Tage um einen Bogen gefeilscht und ihn am Ende 30% billiger bekommen. Ich selber kaufe übrigens nicht bei Händlern, mit denen man nicht um den Preis feilschen kann. Es geht dabei nicht um den Nachlass von ein paar wenigen Euro, sondern einfach um den Spaß den man dabei hat.
Künstler
Neben den Gauklern gibt es eine ganze Reihe von weiteren Künstlern, die das Publikum unterhalten.
Leider muss ich sagen, dass ich persönlich immer wieder das Gefühl habe, dass die Musiker, egal ob namenhafte Band oder Hobbymusiker, nicht mehr als 5-6 Lieder spielen können.
In Gelsenkirchen, wo wir mal 5 Tage über Ostern lagerten, spielten mehrere Musiker. In diesen Tagen mussten wir 42 mal das Palästinalied hören und nicht nur das. Immer und immer wieder die gleichen Lieder. Warum spielen sie nicht eigene Lieder? Einst bekam ich eine CD einer bekannten Band geschenkt und fragte mich, was soll ich denn damit? Doch nachdem ich sie nach einigen Wochen zu Hause mal wieder in die Hände bekam, schob ich sie dann doch in den Player und wurde überrascht. Nie gehörte Klänge und wunderbare Musikstücke bekam ich zu hören.
Einige Wochen später traf ich den Sänger dieser Band auf dem Teilnehmerparkplatz einer bekannten Mittelalterveranstaltung. Mein Auto stand neben dem Wohnwagen der Band. Frech wie ich bin, sprach ich ihn an und sagte ihm, dass ich mir die CD angehört habe und mich jetzt fragen muss, warum sie nicht sowas, sondern nur drittklassiges auf den Veranstaltungen spielen. Die Antwort kam zögerlich. Der Sänger schaute sich um so als wollt er sicher gehen dass wir nicht beobachtet oder gehört wurden. Dann sagte er: „Ganz einfach, der Veranstalter (Er nannte ihm beim Vornamen) will nicht viel zahlen und wenn, dann müssen wir oft hinter unserer Gage herlaufen. Also spielen wir so, wie wir bezahlt werden.
Damals konnte ich das nicht verstehen. Heute aber schon. Denn das kann man auf fast jede Veranstaltung umlegen.
Nicht nur diese Band gab sich wegen der schlechten Bezahlung nur wenig Mühe. Heute sind es auch die Handwerker und Lager, welche früher Gage oder Spritgeld bekamen, die sich heute kaum noch Mühe geben. Denn die meisten Veranstalter zahlen weder den Lagern, noch den Handwerkern eine Aufwandsentschädigung oder ein Spritgeld. Warum also sollen sie sich noch viel Mühe machen, wenn sie von dem Kuchen sowie so nur die Krümel bekommen?
Weiter kleine Geschichten von Besuchern
Ist das Feuer echt?
Oft wird unter Darstellern die Geschichte erzählt, dass man jemanden traf, der fragte ob das Feuer echt sei. In 16 Jahren die ich jetzt aktiv derartige Veranstaltungen besuche und an ihnen teilnehme, habe ich das allerdings noch nie erlebt. Deswegen halte ich die Frage: Ist das Feuer echt? Für einen Mythos. Auch wenn mich immer wieder Darsteller vom Gegenteil überzeugen wollen. Ich glaube, dieser Mythos entstand auf einem Mittelaltermarkt der Stufe III oder IV. Denn hier findet man auch oft Beleuchtungseinrichtungen die ein Feuer simulieren sollen. Hierbei handelt es sich um eine meist zweifarbige Lampe die nach oben strahlt. In ihr ist ein kleiner Ventilator der Luft nach oben bläst und dabei einen Seidenstoff in Form einer Flamme, manchmal auch mehrere solcher Stoffstreifen, aufrecht wehen lässt. Durch das zufällig wechselnde Licht von unten entsteht der Eindruck, als würde dort eine Flamme lodern. Derartige künstliche Feuer sind eigentlich für den Gebrauch in geschlossenen Räumen. Sie dienen als Kaminfeuer- oder Feuerschalensimulation. Ich persönlich glaube, dass irgendwann mal jemand auf einem Mittelaltermarkt so ein künstliches Feuer an seinem Stand hatte und obwohl man genau sehen kann das es nicht echt ist, gefragt wurde, ob dieses Feuer echt sei. Diese Geschichte wurde dann in leicht veränderter Form immer weiter erzählt. Irgendwann, wahrscheinlich schon nach dem 2. oder 3. Mal wurde aus der kleinen künstlichen Flamme ein echtes Lagerfeuer und der Mythos war geboren.
Holz wächst nicht auf Bäumen
Auch werden unter Darstellern viele Geschichten erzählt, in denen Besucher die Echtheit von Holzmöbeln oder Kisten anzweifeln.
Hierzu kann ich aus persönlicher Erfahrung sagen: Ja – man glaubt es nicht, es ist aber wirklich so. Das Kinder heute zum Teil nicht mehr wissen, das die Milch aus der Kuh und nicht aus einem Tetra Pack kommt, sei mal dahin gestellt. Wir trafen aber mal eine junge Frau, die eine ganz eigene Sichtweise der Dinge entwickelt hatte. Sie war wirklich der Meinung, das Holz ein Kunststoff sei. Sie begründetet das damit, dass ihre Sperrholzmöbel zu Hause ja alle bekanntlich eine Kunststofflaminierung haben. Folglich musste Holz also ein Kunststoff sein. Und unsere Kiste aus Massivholz? An der man die Maserung und sogar Asteinschlüsse sehen kann? Das ist Baum! Und Holz wächst nicht an Bäumen. An solchen Tagen muss ich mich wirklich fragen, ob Deutschland nicht wirklich langsam verblödet.
Wie beleuchten sie das?
Als ich vor einigen Jahren mit dem Schmieden begann, nutzte ich eine 130 Jahre alte Hufschmied-Esse. Über ein großes Schwungrad, welches mit dem Fuß bedient wurde, wurde ein Gebläse betrieben. Dieses sorgte für einen regelmäßigen Luftstrom, welcher das Schmiedefeuer in Gang hielt. Das viele glaubten, dass es sich dabei um einen Dynamo handelte, welcher wiederrum den Strom für ein Gebläse lieferte, das konnte ich noch nachvollziehen. Das aber jemand unter die Esse kriecht, um nach Kabeln zu suchen, schon nicht mehr. Als ich den Herrn dann fragte was er suchte, sagte er nur: „Interessant, wie beleuchten sie das? Man sieht gar keine Kabel.“ Dazu muss man sagen, dass es bereits dunkel war und in der Esse eine dunkelrote Glut vor sich hin glühte. Na ja – sagte ich, das wird genauso beleuchtet wie ihr Holzkohlengrill zu Hause.
Reservate für Ritter?
Ein sehr lustiges Gespräch zwischen Vater und Sohn bekam ich vor einiger Zeit eher zufällig mit. Der Junge war vielleicht 5 oder 6 Jahre alt.
Vater und Sohn standen vor Marktöffnung am Zaun zu einem Marktgelände und schauten zu wie dort Zelte und Stände aufgebaut wurden.
Vater: Schau da sind die Ritter.
Sohn: Sind das echte Ritter?
Vater: Glaube schon.
Sohn: Ich dachte, die wären schon alle ausgestorben.
Vater: Na, wie du siehst sind sie wohl noch nicht alle ausgestorben.
Der Sohn überlegt und schaut sich den Bauzaun an, welcher das Marktgelände einzäunt.
Sohn: Dann hat man denen bestimmt auch das Land weggenommen, wie bei den Indianern und sie in Reservate gesteckt, in denen sie jetzt leben müssen.
Als ich das hörte, musste ich lachen und mischte mich in das Gespräch mit ein: Ja mein Junge, genau so ist es und sie lassen uns immer nur 2-3 Tage an einem Platz, dann müssen wir weiterziehen. Wie die Indianer, die den Bisons hinterher zogen.
Der Junge schaut erst mich und dann seinen Vater an.
Sohn: Papa? Der Mann macht doch Quatsch oder?
Ich: Ja natürlich ist das Quatsch – aber du hast es zuerst doch geglaubt – nicht war?
Der Junge grinst frech und sagt. Nein das habe ich nicht.
Oh doch das hast du!
Die Bogenbahn
Zu beginn unserer aktiven Zeit hatten wir eine Bogenschießbahn mit dabei. Damit verdienten wir uns unser Spritgeld.
Als Ziel hatten wir eine 1x1 Meter große und ca. 10 cm dicke Strohscheibe auf der verschiede Ziele gemalt waren. In der Mitte war ein 2 Euro Stück großer Kreis aufgezeichnet. Wer diesen mit einem der 3 Pfeile traf, bekam seinen Obolus zurück, oder durfte 3 weitere Pfeile verschießen.
So kam ein 12-jähriges und ziemlich arrogantes Mädchen an den Stand.
Ich: schon mal geschossen?
Sie: ICH bin deutsche Jugend und Junioren Meistern im Sportbogenschießen.
Ich: Dann wirst du hier nichts treffen. Das Traditionelle Bogenschießen ist …
Sie: Man, ich weiss schon, wie das geht!
Ich: Ok – aber du wirst nichts treffen, denn das hier ist was anderes als ein Sportbogen.
Ich reiche ihr den Bogen und einen Pfeil. Sie legt auf und bemerkt, dass der Bogen ja gar keine Zielvorrichtung hat. Deswegen ankert sie mit dem Pfeil irgendwo auf der Brust statt im Gesicht auf Augenhöhe. Der Pfeil fliegt ca. 2 Meter über das 4 Meter hohe Fangnetz.
Dazu muss man sagen, dass die Bogenbahn an einer Böschung stand, die ca. 5 Meter steil, nach unten, abfiel. Die Böschung endet an einer Bundesstraße. Hier standen an einer Ampel immer Autos.
Der Pfeil, welcher also sein Ziel verfehlte, flog jetzt in Richtung Bundesstraße und wartender Autos. Mir entwich bei diesem Anblick nur ein lautes: Ups …
Wir rannten sofort in Richtung Böschung und schauten hinunter. Da rief das Mädchen von hinten: Ist was passiert?
Ich: Nein. Den Pfeil können wir wieder holen. Wir müssen dafür nur kurz nach Amsterdam fahren.
Sie: Nach Holland?
Ich: Ja – da kommt der LKW her, in dessen Plane der Pfeil jetzt steckt.
Nach 2 weiteren Fehlschüssen und einem roten Striemen auf dem Unterarm, welcher durch das Zurückschnellen der Bogensehne verursacht wurde, konnte ich mir meinen Spruch nicht verkneifen.
Ich: Ich habe es ja gesagt …
Sie: Das ist doch voll Assi, so ein Bogen!
Ich: Ja - wenn der Bauer nicht schwimmen kann, liegt das immer an der Badehose.
Leider war es uns nicht möglich, nach Holland zu reisen um unseren Pfeil wieder zu holen. Aber dennoch stelle ich mir immer noch gerne vor, was der Fahrer des LKW wohl gedacht hat, als er den Pfeil in seiner Plane steckend fand.
Ein anderes Mal auf einer anderen Veranstaltung schoss ein älterer Herr gerade mehrere Pfeile auf unser Ziel. Da kam die Markthexe um die Ecke. Sie war für das Kinderprogramm verantwortlich und gerade auch dem Weg zur Bühne. In ihrem spitzen schwarzen Hut steckte doch tatsächlich einer unserer Pfeile. Er steckte nicht wirklich in Hut sondern sie hatte den Pfeil, den sie zuvor unbemerkt aus unserem Köcher genommen hatte, unter ihr Hutband gesteckt. So entstand im ersten Augenblick der Anschein dass in dem Hut ein Pfeil steckte. So kam sie plötzlich um die Ecke und schrie mit schriller Stimme den Mann mit dem Bogen in der Hand an.
Hexe: Wenn Sie schon auf eine Hexe schießen, dann doch bitte so das sie diese richtig treffen. Sehen sie sich das doch jetzt mal an. Mein schöner Hut. Also wirklich, das ist ja eine Unverschämtheit!
Der Mann senkte sofort den Bogen und wurde kreidebleich. Auch ich muss zugeben, dass ich im ersten Moment mir nicht sicher war, ob sich da nicht doch ein Pfeil verirrt hatte.
Die Hexe lief an unserem Stand vorbei, ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen. Sie deutete immer wieder auf den Pfeil an ihrem Hut und rief:
Das sage ich dem Marktvogt! Also so geht das ja nicht! Mein schöner alter Zauberhut!
Der Mann schaute der Hexe, die auf dem Weg zur Bühne war und immer noch keifte, sprachlos hinterher.
Ich schaute ihn nur verständnislos an und zucke mit den Schultern.
Heute noch würde ich jede Wette eingehen, dass der Mann immer noch glaubt er habe den Pfeil wirklich verschossen und dabei die Hexe getroffen.
Ja ich liebe diese spontanen Einlagen kreativer Markteilnehmer.
An dieser Stelle ein kleiner Tipp für den nächsten Marktbesuch:
Glaube auf einem Mittelaltermarkt nicht alles, was du siehst und schon gar nicht alles was man dir erzählt.
Auf dem 6 Zylinder
An andere Stelle habe ich ja schon von diversen Erlebnissen im Toilettenwagen in Köln berichtet.
Wer jetzt nicht wirklich hart ist, sollte dieses Kapitel besser überspringen, denn es wird unter Umständen etwas ekelig.
Auf einer Veranstaltung ging ich früh am Sonntagmorgen zum Toilettenwagen: Super, denke ich, keine der 6 neben einander liegenden Kabinen ist besetzt. Alles sauber. Ich nehme eine in der Mitte. Kaum sitze ich auf dem Klo, höre ich, wie die Tür in der Kabine neben mir auf und zu geht. Der Klodeckel wird hochgeklappt. Jemand nimmt stöhnend Platz. Die Klobrille knarrt. Mein Nachbar hustet, stöhnt. Ein langsam beginnendes plätscherndes Geräusch ertönt. Na denke ich, Probleme beim Pipi machen? Dann rauschte es förmlich los in der Kabine neben mir. Also doch keine Probleme beim Pipi machen. Der Nachbar stöhnt, drückt. Ah, Verstopfung denke ich und versuche nicht zu lachen.
Da geht die nächste Tür auf. Die Kabine auf der anderen Seite wird belegt. Oh, bei allen Göttern, denke ich, noch einer. Man hat nicht mal Sonntagmorgens seine Ruhe auf dem Klo.
Der Neue Nachbar hat es eilig. Die Tür knallt ebenso wie der Toilettendeckel. Er scheint sich mächtig zu beeilen, ein immer wieder kehrendes „ohooohooohoo“ scheint ihn förmlich anzutreiben. Dann das typische Knarren des Toilettensitzes, als er endlich Platz nimmt. Es folgt eine Reihe von pfeifenden und platschenden Geräuschen. Oh man, denke ich, der eine hat Verstopfung und der andere Durchfall. Es beginnt sich ein übler Geruch breit zu machen, während beide Nachbarn vor sich hin stöhnen. Der eine erleichtert der andere eher angestrengt.
„Was hast du denn gefressen, dass es so stinkt?“ fragt der mit der Verstopfung.
„Knoblauch Brot!“ entgegnet der andere. „Hier fallen die Fliegen schon tot von der Wand!“ sage ich halblaut und beende fix meine Sitzung. Dann verlasse ich fluchtartig den Toilettenwagen.
An solchen Tagen wünscht man sich dann wahrscheinlich doch ein Dixi Klo oder den Gang mit einem Spaten in den Wald.
Aber Dixis sind auch nicht wirklich toll. Sie stinken nach einiger Zeit und es wird zu einer wahren Herausforderung, sein Geschäft dort zu verrichten.
Warum, das sagte ein Spruch am Besten, den einmal jemand am Eingang zu einer ganzen Batterie von Chemietoilettenhäuschen anbrachte, welche auf einem Acker standen.
Dort war auf einem großen Schild zu lesen:
„Scheißen auf einem Dixi ist wie ein Hochseilakt! Es ist egal, was immer du gerade machst, schaue nie nach unten und behalte immer dein Gleichgewicht.“
Ein wirklich weiser Hinweis, für ein Dixi das auf einem fast frisch gepflügten Acker steht und deswegen nach allen Seiten hin wackelt.
Doch noch mal kurz zurück zum Toilettenwagen.
Auf einer anderen Veranstaltung standen die Dinger mit der Rückwand aneinander.
Auf der einen Seite die Herren und auf der anderen Seite die Damen Toiletten. Aus Platzgründen ja praktisch, aber nicht besonders klug, wenn es Fenster an den Rückwänden der einzelnen Kabinen gibt. Diese kleinen Fenster dienen der Belüftung, aber nur wenn der Wagen frei steht und nicht mit einem anderen Rücken an Rücken. So lagen die Fenster direkt parallel, nur wenige Millimeter getrennt voneinander entfernt. Solange sie geschlossen bleiben, kein Problem. Aber der Aufsteller hatte gut erkannt, dass diese Fenster ja der Belüftung dienen sollen und diese nicht nur geöffnet sondern auch gleich mal gegen Wiederverschließen gesichert. Das hatte zur Folge, dass Geräusche und Gerüche ungehindert von einem in den anderen Wagen ziehen konnten. Und nicht nur das.
Früh morgens, wenn noch kein Betrieb auf den Toiletten ist, kann man auch diverse Gespräche ungewollt mitverfolgen, welche auf der anderen Seite im anderen Wagen geführt werden.
So wurde ich unfreiwillig Ohrenzeuge eines Gespräches das ich hier nur ansatzweise und sinngemäß wieder geben möchte.
Auf der anderen Seite hatten zwei Frauen in den Kabinen direkt hinter mir Platz genommen. Munter begannen sie ein Gespräch über kneifende Unterwäsche, Stringtanga und Intimrasuren. Das sie sich über die Vor- und Nachteile einer solchen “Behandlung” ausliessen und nebenbei diverse Pflegetips austauschten, möchte ich hier nicht weiter vertiefen. Munter plauderten sie, dann über ihre Männer, die Vor- und Nachteile von Tampons und über die Bauchmuskulatur des Sängers der Band welche am Vorabend gespielt hatte.
An dieser Stelle möchte ich an die beiden Danke sagen, danke für Infos, die ich absolut nicht wollte und ja, jetzt weiss ich warum Frauen immer zu zweit auf das Klo gehen.
Museums Darstellung
Zum Schluss noch ein paar Worte über einige Dinge, welche wir in verschieden Museen in Deutschland und im angrenzenden Ausland erlebten.
In den meisten Museen trifft man auf eine besondere Spezies von Darstellern. Den sogenannten A-Papst. Ein A-Papst ist Darsteller, der eine sehr authentische (dafür steht das A) Darstellung betreibt. Er trägt und benutzt nur Dinge welche historisch belegbar sind. Belegt durch Ausgrabungen oder historische Quellen. Das beginnt beim Essen und endet in der Regel irgendwo zwischen dem getragen Stoff, Schmuck und den für das Handwerk benutzten Werkzeugen und Materialien.
Das Motto eines echten A-Papstes lautet: Was nicht ausgegraben wurde, hat es nicht gegeben.
Die wohl verbohrtesten A-Päpste sind die Wikinger Darsteller. Was wohl daran liegt, das die Fundlage in diesem Bereich wirklich vielfältig und damit sehr gut ist.
Jeder Darsteller kann Geschichten über ihm bekannte A-Päpste erzählen. Oft sind da so skurrile Geschichten, dass man sie kaum glauben kann.
Ein solcher Fall ist z.B. meinem Blutsbruder Falk von Tyrwik passiert. Auf einer Wikinger Veranstaltung saß er morgens, lange vor Veranstaltungsbeginn vor seinem Zelt und frühstückte, als ein anderer Wikinger Darsteller vorbei kam und stehen blieb. Er schaut sich Falks Frühstückstisch an und meinte dann ganz trocken und ernst, das gelber Käse (Gauda) und Tomaten auf so einer Veranstaltung nichts zu suchen hätten und das so ein Verhalten die Veranstaltung ja wohl unglaubwürdig erscheinen lasse. Unglaubwürdig? Zwei oder drei Stunden vor Veranstaltungsbeginn, zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht ein einziger Besucher das Gelände betreten hatte. Die folgende Diskussion artete so aus, dass Falk die Lust an solchen Veranstaltungen fast verlor und seitdem nur noch sehr selten auf solchen Veranstaltungen zu finden ist.
Wer jetzt meint, dass es schlimmer nicht mehr geht, der irrt sich. Schlimmer finde ich, wenn sich die A-Päpste selber nicht an die von Ihnen aufgestellten Regeln halten.
Vor vielen Jahren gab es in einem Freilichtmuseum ein Wikinger-Treffen zu dem extrem strenge Regeln gelten sollten.
Einige Regeln waren z.B:
- Es durften nur authentische Stoffe, wie Leinen oder Wolle, verwendet werden.
- Tätowierungen, egal welcher Art, sind verdeckt zu halten.
- Waffen und Schmuck mussten belegbar sein.
- Kein Verkauf von billiger Massenware, meistens Stahl- und Lederwaren aus Indien oder Pakistan, da diese in der Szene ja bekannt und verpönt sind.
- Usw.
Ja es ging sogar soweit, dass bestimmte Gewandungsschnitte von Kleidern und Tuniken, sowie entsprechende Borten nicht zugelassen waren, auch wenn sie nachweislich mit dem richtigen Stoff und der Hand genäht wurden. Alleine der Schnitt war schon entscheidend.
Besucher, die diese Veranstaltung in Gewandung besuchen wollten, mussten vorher bei den Organisatoren Bilder von sich und ihrer Gewandung einreichen. Falk tat dieses und wurde abgelehnt. Er wurde als nicht authentisch empfunden, obwohl er einen sehr hohen, nennen wir es A-Level, besitzt und eigentlich alle Kriterien die gefordert wurden erfüllte.
Eine Veranstaltung, die im Vorfeld einen solchen Zirkus veranstaltet, muss ja ein extrem hohes Niveau haben. Hier musst man die Elite der Wikingerdarsteller treffen können. Das dachen wir zu mindestens, denn was ja für den Besucher gilt, muss dann wohl auch schon lange für einen aktiven Teilnehmer gelten.
Aus diesem Grund machten wir uns, schön brav in Zivil, auf, diese Veranstaltung zu besuchen.
Was wir dann erlebten war traumhaft, besser gesagt albtraumhaft. Wir waren noch keine 5 Meter durch das Eingangstor, als uns der erste gewandete Teilnehmer über den Weg lief.
Ein „Wikinger“ in einer Tunika aus Baumwolle, welche mit einer aus Polyester maschinengefertigte Borte trug. Zu unserem entsetzten trug er auch noch ein Kurzschwert, von dem jeder halbwegs Informierte weiss, dass es ein billiges Produkt aus Indien ist. Ausserdem war genau dieses Model im Regelwerk als Beispiel und nicht erwünscht angegeben.
Die nächsten zwei Darsteller, auf die wir trafen, waren Frauen. Sie trugen entsprechende Kleider, die weder von der Art der Borte, noch vom eigentlichen Schnitt her erlaubt gewesen waren. Uns fiel auf, dass sich eigentlich kaum einer der Teilnehmer an die so genannten Kleider- und Ausrüstungsregeln gehalten hatte. Es war an diesem Tag sehr warm und so sahen wir „Wikinger“, die mit freiem Oberkörper und hoch gekrempelten Hosen vor ihren Ständen saßen. Dieses alleine wäre ja nicht weiter tragisch gewesen, wenn diese Herren nicht von oben bis unten tätowiert gewesen wären. Tätowierungen, die zudem noch nicht einmal als Wikinger Motive einzustufen gewesen wären.
Nicht nur uns fielen diese und andere Dinge auf. So wie wir waren wohl viele andere aktive Darsteller auch nur als Besucher gekommen und hatten sehr hohe Erwartungen an diese Veranstaltung.
Noch vor Veranstaltungsende am Sonntag, konnte man bereits am Samstag, in den Wikinger Foren im Internet die Kritiken lesen. Darsteller, die sich auch als gewandete Besucher oder sogar um eine aktive Teilnahme beworben hatten, machten ihrem Ärger dort Luft. Gewaltig Luft um es genau zu sagen.
Als die Organisatoren am Montag darauf reagierten, wurde die Diskussion noch weiter angeheizt. Seitens der Organisatoren hieß es, dass man auf zweit- und drittklassige Darsteller aus dem osteuropäischen Ausland zurück greifen musste, da es in Deutschland keine erstklassigen Darsteller gäbe.
Warum man dann keine zweit- und drittklassigen Darsteller aus Deutschland engagierte, blieb leider weitgehend unbeantwortet.
Vielleicht hatte man Angst vor Konkurrenz. Eine Darstellergruppe aus Polen oder Tschechien, wird kaum mit einem Deutschen Museum verhandeln und sagen: Wir können das besser und billiger. Zudem diese Gruppen auch, soweit wir das vor Ort mit bekamen, kaum deutsch und englisch sprachen.
Welche Gründe es auch immer waren, spielt heute keine Rolle mehr. Das Konkurrenzdenken gerade in den Museen und auf historischen Veranstaltungen war immer groß.
Heute hat sich das etwas geändert. Viele Gruppen sind bereit, ohne Gage aufzutreten um überhaupt Auftritte zu bekommen. Leider leidet die Qualität der Veranstaltungen darunter. Denn die Einstellung, wenn ich kein Geld bekomme, leiste ich auch nichts besonderes, ist weit verbreitet.
Zudem kommt, dass die meisten Veranstalter, gerade aus dem Bereich Mittelaltermarkt, auch nicht mehr daran interessiert sind, dem Besucher ein weitgehend authentisches Bild eines mittelalterlichen Marktes zu präsentieren. Oft bekommt man das Gefühl, das es den Veranstaltern nur noch ums Geld geht. Möglichst mit wenig Aufwand und finanziellem Einsatz den möglichst höchsten Profit zu erwirtschaften. Was ja eigentlich für ein Unternehmen, egal welcher Art, normal sein dürfte. Aber hier soll ein bestimmtes Produkt geliefert werden, das Produkt Mittelalter Erlebnis und dieses Produkt wird leider immer teurer (Eintrittspreise) und von der Qualität immer schlechter (Darstellung). Was letzten Endes leider zu sinkenden Besucherzahlen und damit weniger Umsatz führt. Was dann wieder steigenden Eintrittspreise und anderen Sparmaßnahmen zur Folge hat. Also weiteren Gruppen und Akteuren die kostenlos auftreten und damit schlechter ausgestattet sind, welche die Besucher dann auch wieder nicht ansprechend finden. Eine Spirale, die sich weiter dreht, bis es sich nicht mehr lohnt, eine Veranstaltung der historischen Art zu besuchen oder auszurichten.
Der kluge Veranstalter zahlt seinen Darstellern, egal ob einfaches Heerlager, Handwerker oder Künstler, eine Gage. Niemand erwartet dass einem Heerlager eine hohe Gage gezahlt wird, aber ein Spritgeld, welches die Kosten der Anreise deckt, wirkt bei den meisten Gruppen wahre Wunder.
Hobby oder nicht, eine gute Darstellung kostet Geld und ein Veranstalter, welcher eine für den Besucher attraktive Veranstaltung auf die Beine stellen möchte, sollte etwas von seinem Kuchen abgeben. Denn letzten Endes kann auch er nur Geld verdienen, wenn er gute Darsteller, Handwerker und Künstler hat.
Die kosten aber etwas Geld.
Zum Abschluss aber noch eine wirklich ernste Sache!
LFR die Modedroge
Liebe Leser, an dieser Stelle muss ich dir von einer erschreckenden Entdeckung berichten.
Es handelt sich hierbei um das so genannte Lagerfeuer rauchen. Eine durch alle Lager gehende Sitte, die man meistens bei schlechtem Wetter oder früh morgens beobachten kann. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich die Lagerleute dann noch unbeobachtet fühlen. Unbeobachtet von Besuchern und anderen Lagern.
Doch jetzt fragst du dich lieber Leser, was ist dieses Lagerfeuerrauchen? Wie raucht man ein Lagerfeuer?
Nun lieber Leser, wie gesagt, meistens kann man die Lagerfeuerraucher am frühen Morgen sehen. Da sitzen sie dann an ihrer Feuerstelle, starren wie in Trance auf das Holz, auf das qualmende Holz. In der Hand halten sie ein Rohr. Meistens aus Kupfer, in einigen Fällen auch aus Holunder oder Bambus. Dieses halten sie dann an das qualmende Holz und inhalieren den Rauch.
Dann, wenn noch alles schläft. Dann, wenn der Morgentau noch auf dem Gras und den Blättern liegt. Ja dann, lieber Leser, kann man die Leute Lagerfeuerrauchen sehen.
Das ist das Bild was sich einem oft bietet, wenn man morgens über den Markt läuft.
Das ist natürlich quatsch.
Diese Leute versuchen nichts anderes als ihr Feuer in Gang zu bekommen. Besonders an feuchten Tagen ist das oft nur möglich, wenn man kräftig in die Glut bläst. Das führt oft dazu dass man einen Hustenreitz bekommt. Dabei könnte man meinen, dass an dem Rohr gezogen und nicht in die Glut gepustet wurde. Irgendwann entstand ein Foto auf dem Falk mit einem Pusterohr vor einem Feuer saß und seelig in die Glut schaute. So entstand der Gag des Lagerfeuerrauchens. Auf Facebook gründete man sogar eine Gruppe in der Bilder von Lagerfeuerrauchern gepostet werden.
ENDE
P.S.
Dieses Buch ist nicht perfekt und soll es auch nicht sein. Es ist ebenso wenig perfekt, wie es die perfekte Darstellung, historische Veranstaltung oder den perfekten Mittelaltermarkt gibt. Ich hoffe trotzdem, dieses kleine Buch hat Dir etwas Spaß gemacht. Vielleicht hilft es Dir, auf einer solchen Veranstaltung zu “Überleben”, indem Du nicht in das Eine oder Andere Fettnäpfen trittst und das sowohl als aktiver Teilnehmer, sowie auch als Besucher.
Sebastian von Nagaroon
Jahrgang 1970
verh. 3 Kinder
Seit 1993 als Besucher auf Mittelaltermärkten unterwegs.
Seit 2000 auch als aktiver Teilnehmer, in verschieden Darstellungen.
- Kelten der Hallstattzeit um 600 v. Chr
- Alamannen im Südwesten um 600-700 n. Chr.
- römischer Zivilist am Limes um 200 n. Chr.
Mehr Infos auf: www.nagaroon.com
und Facebook/Sebastian von Nagaroon-Pokorny
Auf Facebook gibt es auch eine Seite zum Buch:
TagebucheinesReenactors
In diesem Sinn ...
Habt Spass und genießt die Märkte ... ;)
Tag der Veröffentlichung: 19.08.2016
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