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Mit dir


Barfuss laufe ich über den weichen Sand. Salziges Wasser umspült meine Füße und zieht sich dann geräuschlos wieder zurück. Sterne spiegeln sich auf der ruhigen Meeresoberfläche.
Niemand ist zu sehen, alle Menschen haben sich zurückgezogen, liegen sicher in ihren Betten, lesen oder sehen noch fern. Das Rauschen der Brandung in der Dunkelheit und der schwache Wind in den Büschen ist das Einzige was zu hören ist. Keine Autos, keine Menschen, die lachen, keine Vögel die rufen.
Und plötzlich komme ich mir furchtbar alleine vor, klein und unbedeutend. Ich weiß nicht, was mich treibt, hier mitten in der Nacht herzukommen. Alleine.
Vielleicht sind es deine unglaublich schönen Sätze, die du mir im Internet geschrieben hast, vielleicht aber auch nur die Neugierde. Die Neugierde, das Unbekannte zu erforschen. Und das Unbekannte bist du.
Wo bist du?
Ich kann dich nicht sehen. Bist du noch nicht da? Unruhe kommt in mir auf und plötzlich habe ich Angst. Ich will umkehren, doch ich kann nicht. Ich will dich sehen, einmal nur dich berühren. Ich will deine Stimme hören.
Plötzlich sehe ich dich. Du sitzt da, wo wir uns verabredet haben. Ich fange an zu lächeln. Warum? Ich weiß nicht. Vielleicht aus Erleichterung?
Wortlos stehst du auf, als du mich siehst. Ich möchte etwas sagen, doch ich kann nicht. Zu sehr bin ich damit beschäftigt deine Bewegungen einzufangen. Du verlagerst dein Gewicht von dem einem Bein auf das andere, unsicher fährst du dir mit der Hand durch dein Haar.
Auch du sagst nichts, stattdessen nimmst du mich an der Hand und gehst. Bei deiner Berührung halte ich die Luft an. Deine Hand ist so weich und warm, ich möchte sie nie wieder loslassen.
Wir laufen über den warmen Sand, immer weiter, bis sich immer mehr Steinchen dazu mischen und mich beim gehen behindern.
Ich weiß, ich bin verantwortungslos. Ich sollte mich nicht mit dir, einem Fremden treffen. Doch all diese Sorgen sind tief vergraben irgendwo in meinen Gedanken und können mich nicht erreichen. Ich bin dankbar dafür, denn ich würde mir nie verzeihen, jetzt umzukehren.
Außerdem fühle ich mich bei dir sicher und geborgen. Ich vertraue dir. Was sollte schon passieren?
Du lässt meine Hand los. Verständnislos blicke ich dich an, doch du fängst an, über einen Felsen zu klettern. Ich brauche keine Aufforderung, dir hinterher zu klettern. Nein, ich komme von selbst nach. Als ich zurückblicke, erschrecke ich. Das kleine Touristendorf ist kaum noch auszumachen. Nur ein schwacher Lichtschimmer ist zu sehen.
Wie lange sind wir gegangen? Der Strand hier ist mir nicht vertraut, ganz leise regt sich eine Stimme in meinem Kopf dass, das, was ich hier mache, nicht gut ist.
Doch als du mich wieder bei der Hand nimmst, ersticke ich sie und schiebe sie zurück in die tiefen Abgründe meiner Gedanken.
Wir laufen nebeneinander über den nackten Felsen. Die Wasseroberfläche liegt ein paar Meter unter uns. Wasser schwappt immer wieder gegen die Steine und zieht sich mit einem unterdrückten Seufzen zurück.
Dann geht es wieder bergab und wieder lässt du meine Hand los. Zweige eines Busches verdecken mir die Sicht, doch dann fühle ich wieder Sand unter meinen Füßen.
Doch hier ist er anders, so viel feiner und weicher. Erstaunt blicke ich auf.
Es ist eine kleine, einsame Bucht. Hinter uns in dem hohen Gras, dass vor einer Steilwand wächst, singen Zirpen ihr Lied. Angeschwemmtes Treibholz liegt da in dem fahlen Licht der Sterne. Kein Abfall liegt herum und stört das friedliche Bild.
Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Kurz vergesse ich zu Atem. Es ist wunderschön. Die Sterne hier kommen mir größer vor, die Luft würziger, der Sand wärmer.
Irgendwann blicke ich zu dir, du hast dich auf den noch warmen Sand sinken lassen.
„Das ist also dein Lieblingsplatz“, sage ich leise eher zu mir selbst, als zu dir und setze mich neben dich. Du schaust mich nur an und an deinem Blick erkenne ich, dass ich Recht habe.
Eine Weile sitzen wir so da, schweigend jeder für sich. Dann verändert sich etwas. Das Licht wird heller, weißer. Dann schiebt sich langsam der Vollmond hinter dem Felsen hervor. Gleißendes Licht breitet sich aus und alles wirkt versilbert und rein. Das Wasser, der Fels, der Sand, die Gräser, ja sogar du.
„Du hast recht, es ist wunderschön.“ Sage ich zu dir und denke an die vielen Zeilen in meinem Computer in denen du mir genau diesen Moment geschildert hast.
Das du keine Reaktion zeigst, finde ich schade. Ich möchte dich reden hören. Ich möchte deine Stimme hören!
„Warum sagst du nichts?“ Frage ich stattdessen und sehe dich aus dem Augenwinkel heraus an. Ich spüre wie du dich neben mir versteifst. Zu meiner Verblüffung ziehst du nach einem Moment einen kleinen Block und einen kleinen Bleistift hervor. Dann schreibst du etwas auf. Gespannt warte ich. Doch in meinen Gedanken regt sich etwas, nur ein Gefühl, nichts bedeutsames, dass irgendetwas nicht mit dir stimmt und ich stelle mir noch einmal die Frage, warum du nicht mit mir redest.
Dann zeigst du mir was du aufgeschrieben hast.
‚Weil ich stumm bin.’ Steht da in einer wunderbaren Handschrift. Einen Moment muss ich darüber nachdenken, muss jedoch feststellen, dass es mir nichts ausmacht. Dass es mich nicht überrascht, so als hätte ich es schon gewusst.
Ich nicke und sehe dich an. Auch du siehst mich an. Doch du blickst verwundert, dann lässt du dich in den Sand zurück sinken, ich tue es dir gleich.
Hast du gedacht, ich reagiere anders? Hast du gedacht, ich würde in Tränen ausbrechen, einen Wutanfall bekommen? Hattest du Angst vor meiner Reaktion? Konnten wir uns deswegen nicht eher sehen? Hast du mir deswegen nur im Internet geantwortet? Musste ich deswegen meinen Urlaub hier her verlegen?
Keine dieser Fragen stelle ich dir.

Regentropfen klopfen an das große Fenster und laufen in dünnen Bächen daran herunter. Ich spiegele mich in dem Glass. Doch mein Blick ist in die Dunkelheit gerichtet, nach draußen, auch wenn ich nichts sehe, dazu regnet es zu stark, außerdem habe ich das Licht angeknipst, weil mich die Dunkelheit so sehr an dich erinnert.
Weißt du noch, wie schön es war? Wie schön es war, still nebeneinander zu liegen. Dabei in den Sternenhimmel zusehen, während wir in dem silbernen Mondlicht badeten.
Weißt du noch, als du irgendwann meine Hand in deine genommen hast? Du hast meine Ferien dort zu den schönsten meines Lebens gemacht.
Bald ist wieder Vollmond.
Ich werde da sein.
Was ist mit dir?

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Tag der Veröffentlichung: 25.06.2009

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