Martina und ich hatten endlich unseren Abi-Abschluss in den Händen. Besser gesagt die Zeugnisse. Endlich! Keine Schule mehr! „Ich freue mich sehr auf die Abschlussreise nach Italien. Rom ist bestimmt eine tolle Stadt. Vor allem im Sommer.“ sagte ich schon total aufgeregt und freut mich riesig. „Und die italienischen Jung. Die sind bestimmt voll der Hammer.“ kicherte Martina, wobei sich ihre Backen leicht rot färben. „Schade nur, dass unsere Jungs auch mitkommen müssen. Darauf könnte ich verzichten. Die sind einfach so unreif.“ „Komm schon Steffi. Nur weil du dich die ganzen sechs Abi-Jahre mit Matthias gefetzt hast, heisst das noch lange nicht, dass alle unsere Jungs in der Klasse doof sind.“ „Aber wenigstens die Clique um Matthias ist doch doof, oder?“ ich lachte mit einem Augenzwinkern. Martina und ich sind seit der ersten Klasse beste Freundinnen.
Obwohl wir grundverschiedene Typen sind. Martina ist gross, sportlich und dunkelhaarig und eine ruhige Person. Nichts und Niemand kann sie aus der Ruhe bringen. Deshalb wurde sie auch zur Klassensprecherin gewählt und ist es jetzt schon seit drei Jahren. Ich dagegen bin ein richtiger Chaot und kann mich extrem schnell über etwas oder jemanden aufregen. Auch äusserlich bin ich das Gegenteil von Martina. Kleiner als Martina, obwohl sportlich, eher kräftig gebaut und blond. Keine Ahnung weshalb Martina es mit mir aushält, aber irgendwie kommen wir sehr gut klar.
Ich komme zwar mit allen in unserer Klasse gut zurecht, aber Matthias bringt mich mit seiner rotzigen und ziemlich überheblichen Art immer zur Weissglut. Ich kann mich schon alleine an seinem Anblick den ganzen Tag über aufregen. Die meisten Mädchen an unserer Schule finden ihn ja den tollsten Typen überhaupt. Was ich wiederum gar nicht verstehen kann. Er ist überheblich, hat immer einen coolen Spruch auf der Zunge, was ich langweilig finde, ist um keine Antwort verlegen (langweilig!!) und die Lehrer mögen ihn auch noch. Hinzukommt, dass er ein sehr guter Schüler ist. Er ist nicht einmal ein Streber – er kann es einfach und er weiss es! Aber ich kann ihn nun mal nicht ausstehen. Er ist einfach nur doof!! Deshalb bin ich froh, dass das Abi vorbei ist. Ich werde ihm nicht mehr jeden Tag über den Weg laufen und mich aufregen. Darauf freue ich mich riesig. Und auf die Zukunft.
„Na Steffi? An wem lässt du deine schlechte Laune aus, wenn ich nicht mehr da bin?“ fragte mich Matthias mit seinem breitem Grinsen. Ich könnte ihm schon jetzt wieder eine reinhauen. Nicht mal auf der Klassenfahrt nach Rom habe ich meine Ruhe vor ihm. Dabei habe ich peinlich genau darauf geachtet, dass Martina uns für den Flug Sitzplätze möglichst weit weg von ihm gebucht hat. Aber auch der grösste Trottel muss mal und der Weg führt unweigerlich an unserer Sitzreihe vorbei. „Irgendwie schade. Ich werde deine Gehässigkeiten vermissen. Darauf habe ich mich jeden einzelnen Tag in der Schule gefreut.“ „Hau bloss ab du aufgeblasener Gockel.“ Ich war zu müde um mich jetzt mit ihm zu streiten und wollte mir die Reise nach Rom nicht verderben lassen.
Unsere Lehrer hatten einige wenige Pflichtpunkte vorgemerkt. Zum Beispiel das Kolosseum und den Vatikan. Ansonsten hatten wir freien Aufenthalt in Rom und konnten den Tagesablauf selbst gestalten. Das war super. Da konnte ich Matthias gut aus dem Weg gehen und bekam auch keine schlechte Laune. „Was bildete der sich ein. Ich habe nur schlechte Laune wenn er mich ärgert.“ dachte ich noch, da blinkte schon das Anschnallzeichen. „Bella Italia wir kommen!“ gröllte Heiner in der Sitzreihe hinter uns. „Bella Chiccas!“ jubelte Atze. „Mensch Atze. Chiccas ist spanisch. Du Idiot! Das heisst Bella Signoras“ Atze hiess eigentlich Thomas, aber mit seinem Lockenkopf und den unmöglich engen Hosen, die er gerne trug, erinnerte er total an Atze. Er war auch nicht gerade der Hellste, aber seine Gutmütigkeit machte es wieder wett.
„Du hast recht Martina. Es ist und bleibt nur ein doofer Typ in unserer Klasse. Über die anderen kann man richtig lachen.“ Das musste ich ihr einfach sagen. „Kinder wir treffen uns bei der Gepäckausgabe wieder. Und benehmt euch gefälligst.“ Herr Händel musste laut werden, um das Rudel wild gewordener Männlein und Weiblein zu übertönen. „Wenn das mal gut geht hier in Rom“ lächelte er vor sich hin. Die Klasse war ihm ans Herz gewachsen und er würde sie vermissen. Wie jedes Mal, wenn die Abschlussreise anstand. Aber es hatte Alles ein Ende. Soweit war es noch nicht und jetzt wollte auch er Rom geniessen.
Er war vor Jahrzehnten das letzte Mal in der Stadt der Liebe. Die Fahrt zum Hotel verlief ruhig und einigermassen gesittet. „Ich freue mich auf das Bett. Hundemüde bin ich. Hoffentlich kann ich schlafen.“ quasselte es aus mir raus. „Sei mal nicht so nervös. Die Stadt läuft dir ja nicht davon, oder so.“ nuschelte Martina noch kurz bevor sie einschlief. Ich stehe am Fenster, aber das einzige was ich sehe, ist die Wand vom Haus gegenüber. „Ciao Rom. Wir sehen uns dann am Morgen“ Ich muss binnen Sekunden eingeschlafen sein, denn als der Wecker mich aus dem Schlaf riss, wusste ich nicht sofort wo ich war. „Looooosssss!!!! Raus aus den Federn und rein ins Vergnügen. Rom wartet nicht ewig auf uns“ Wie immer war Martina ein ausgesprochen unangenehmer Morgenmensch, der dem Morgenmuffel keine Chance liess, sich über den Morgen aufregen zu können. „Wie schaffst du es nur, am Morgen schon gute Laune zu haben?“ „Indem ich mich auf den neuen Morgen oder genauer gesagt, auf den neuen Tag freue. Wie schaffst du es überhaupt, dich Tag für Tag mit so mieser Laune aus dem Bett zu quälen und deine Mitmenschen mit deiner aggressiven Leck-mich-am-Arsch oder der Tag-ist-die-Hölle-Stimmung zu vergraulen?“ kicherte sie mich an. Sie warf ein Kissen auf mein Gesicht und verschwand im Bad. „Ich mag nun mal den Morgen nicht. Noch weniger mag ich gutgelaunte Menschen am Morgen. Und fang jetzt bitte nicht auch noch an zu singen!“ Zu spät. Sie trällerte schon „Amore mio“. „Blabla bla blaaaa“ murmelte ich und stand auf.
Eine gute halbe Stunde später hatten wir den Stadtplan eingepackt und machten uns auf den Weg. Es war herrlich. Das Wetter war toll. Das dolce vita noch besser und der Latte Macchiato der absolute Hammer. Es fehlten nur noch die Männer! „Hallo Mädels. Dürfen wir uns setzen?“ Matthias wartete die Antwort nicht ab, sondern setzte sich selbstgefällig an unseren Tisch. Im Schlepptau Heiner und Atze. „Es hätte so perfekt sein können, aber nein, ausgerechnet der überheblichste Trottel findet uns in dieser grossen Stadt.“ fluchte ich vor mich hin. „Ich muss mal“. Ich wollte einfach weg hier und da fiel mir nichts Besseres ein. Als ich zurück an den Tisch wollte, blieb ich kurz im Restaurant stehen und beobachtete Martina und die Jungs. Eigentlich sah Matthias echt gut aus und ein tolles Lachen hatte er auch. Weshalb ärgerte ich mich dann immer über seine Anwesenheit? „Weil er ein Arsch ist, deshalb ärgerst du dich.“ Ich schüttelte das leichte Kribbeln ab das mich überkam, als Matthias mich ansah und mir zulächelte. „Die paar Tage hier werde ich noch überstehen und danach werden wir uns für lange Zeit nicht mehr sehen. Für sehr lange. Für immer!“ hoffte ich.
„Hey da bist du ja.“ Martina schien sich gut amüsiert zu haben. „Wir wollten noch ein bisschen zu Fuss gehen und ein schönes gemütliches Restaurant zum Essen suchen.“ „Also Abmarsch. Ich bin am verhungern“ antwortet ich. Erstaunlicherweise habe ich mich in den ganzen Tagen in Rom nicht ein einziges Mal über Matthias geärgert. Es war sogar recht angenehm mit seiner Clique. „Ich hätte nicht gedacht, Steffi, dass du es so lange ohne Knatsch mit ihm aushalten würdest.“ meinte Martina und stupste mich von der Seite an. „Er lächelt dich immer an. Geärgert hat er dich auch nicht so oft wie in der Schule. Ich denke, er mag dich sogar.“ „Quatsch. Er ist und bleibt ein Doofi und nach dieser Abschlussreise muss ich ihn nie mehr sehen. Das ist Fakt.“ „Er mag dich“ flüsterte Martina mir ins Ohr und grinste. „AUA!! Das hat Weh getan! Du sadistisches Monster!“ Ich musste Martina einfach in die Schulter boxen. Es nervte wie sie mich aufzog, weil sie meinte Matthias könnte mich mögen. „Nein es ist Ganz und Gar nicht so.“ Warum nur hatte ich ein so kribbeliges Gefühl im Bauch, der Hals wurde trocken und meine Hände feucht?
„Du glaubst nicht was heute mit der Post gekommen ist“ Martina ist total aufgeregt am Telefon. „Die Einladung für eine Klassenzusammenkunft. Mensch Steffi. Ein Treffen der Abschlussklasse.“ Ich muss den Telefonhörer gute dreissig Zentimeter von meinem Ohr weg halten, sonst hätte ich einen irreparablen Hörschaden gekriegt. „Ich habe dich klar und deutlich verstanden. Du brauchst nicht zu schreien. Ich bin nicht in Afrika, sondern nur um ein paar Ecken entfernt.“ sprach ich laut, damit sie mich überhaupt verstand, nervös und hibbelig wie eine Hummel, war Martina.
„Warum führst du dich eigentlich auf wie eine Irre?“ „Könntest du mal bitte deine Hirnzellen zum Nachdenken verwenden. Ich bin Mutter von zwei süssen, aber sehr nervenden Kindern, habe einen Mann der soviel arbeitet, dass ich Hin und Wieder ein neues Foto von ihm auf den Nachttisch stellen muss, damit ich überhaupt noch weiss wie der Kerl aussieht, der mir meine Figur ruiniert hat und komme von Zuhause mit der Fusskette nie weiter als in den Supermarkt zum einkaufen, in den Kindergarten oder die Schule.
Meine sozialen Kontakte sind Mütter-Kind-Treffen, Elternabende, und wenn es Hoch kommt, dann alle sechs Monate einmal ein Nachtessen mit meinem Mann ohne die Kinder und das ständige „Mami dies, Mami das“. An Sex kann ich mich nur noch erinnern, wenn ich meinen Mann frage, ob es gut war, weil wenn ich mich auch nur für eine Sekunde auf den Rücken lege, bereits eingeschlafen bin. Und ausgerechnet meine beste Freundin fragt mich, die sich immer darüber beklagt, ich würde sie vernachlässigen, weshalb ich so aus dem Häusschen bin?“
Ohne das ich auch nur den Hauch einer Chance habe mich zu verteidigen, ergiesst sich der nächste Wortschwall von Martina in mein Ohr. „Endlich habe ich die Möglichkeit das Haus, den Herd, den Mann, - wie sah der schon wieder aus ?- und die Kinder für eine kurze Zeit sich selber zu überlassen. Ich komm wieder unter Menschen, und ich meine welche, die nicht entweder mit mir schlafen wollen, wenn ich schon schlafe oder aus der direkten Blutlinie stammen und ständig sabbern, babbeln oder kacken.“
Unweigerlich musste ich lachen. Martina war die beste Ehefrau und Mutter die ich mir vorstellen konnte. Bei ihr ging alles Hand in Hand und sah kinderleicht aus. Ihr Mann Patrick ist selbstständig und führt ein gut gehendes Unternehmen im Bereich Sicherheitstechnik. Er ist viel unterwegs und kommt spät nach Hause. Darüber beschwert sich Martina immer mit Witz, denn grundsätzlich weiss sie ja, wofür er arbeitet und sie können sich ein gutes Leben leisten. Martina selber hat sich damit abgefunden, den Mann ihrer Träume gefunden zu haben und das Heimchen am Herd zu spielen, obwohl sie eine promovierte Anwältin ist.
Sie arbeitete in einer grossen Anwaltskanzlei in München und wurde gerade zur Partnerin vorgeschlagen, als ihr Patrick über den Weg lief. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er lief ihr vor das Auto. Er ist direkt auf ihre Motorhaube und in die Windschutzscheibe gedonnert und seit diesem Tag sind die beiden unzertrennlich. Alles ging schnell. Verliebt, schwanger, verlobt und verheiratet. Nicht gerade ein langsamer Weg, aber seit nunmehr sieben Jahren sind die beiden ein Paar. Sie hat es nie bereut. Und so glücklich wie Martina im Kreise ihrer Familie ist, muss man ihr es einfach glauben.
„Ja schon gut, ich finde auch du hast es verdient, wieder einmal unter die Leute zu kommen. Wann hast du die Einladung erhalten?“ „Heute Morgen. Ich hätte dich schon eher angerufen, aber hier ging alles wieder drunter und drüber.“ „Ich bin erst nachhause gekommen und habe die Post noch nicht durchgesehen, aber ich werde es gleich tun.“ „Diesmal kommst du aber mit, versprochen?“ ihre Frage war leise und zögerlich ausgesprochen. Vor fünf Jahren war auch ein Klassentreffen an unserem alten Gymnasium und ich wollte nicht teilnehmen.
Der Grund weshalb ich nicht hingehen wollte war pure Feigheit. Auch wenn es bedeutete, dass ich nach einem viermonatigem Auslandaufendhalt meine beste Freundin Martina nicht treffen würde. Matthias hatte sich als einer der ersten angemeldet. Ich wollte ihn auf keinen Fall wieder sehen. Das hatte ich mir nach der Abi-Reise geschworen und hielt mich strikt daran. Warum auch immer!
„Ja ich verspreche dir, dass ich dich begleiten werde.“ Obwohl ich es jetzt schon bereue. Aber ich hielt mein Wort immer und das wusste Martina. Und deshalb hat sie mir auch den Schwur abgeluchst. „Du bist die beste beste Freundin ever! Ich liebe dich und wir hören bald wieder voneinander. Ich glaube da ist ein Einbrecher in unserem Haus. Ach, na so was – stell dir vor Steffi – der sieht aus wie mein Mann.“ Ich bekam noch so was wie Gekicher und Geknutschte mit, dann war die Leitung tot. So verliebt sollte man sein, dachte ich und machte mich an den Stapel Post.
„Du heilige Scheisse!!“ ich konnte mich fast nicht erholen und las die Einladung immer und immer wieder. „Ein verlängertes Wochenende in Rom als Klassentreffen“ das war viel mehr als ich jemals erwartet habe. Viel zu viel. „Scheisse noch mal. Jetzt muss ich wirklich mit Martina da hin.“ Ich knallte die Einladung auf die Küchentheke und öffnete eine Flasche Rotwein. Goss mir ein Glas ein und trank es auf Ex. Goss mir noch eines ein. Auf Ex. Und ein weiteres. Auf Ex. „Was soll’s. Alles oder Nichts“ sagte ich mir und soff den Rest aus der Flasche. Ich nahm die Karte mit der Einladung wieder in die Hand und las sie zum x-ten Mal durch.
„Einladung zum zweiten Klassentreffen in Rom. Lassen wir die alten Zeiten noch einmal aufleben und erinnern uns an das Jahr 2002. Über ein zahlreiches Erscheinen freuen sich bestimmt alle unserer Klasse. Anmeldungen bis zum 31. März 2012 unter folgender Telefonnummer oder E-Mail. Weitere Informationen erhaltet ihr nach Anmeldeschluss per Post zugestellt.“
Wer organisiert das Ganze eigentlich? Kein Name und auch aus der E-Mail-Adresse ist nicht zu entnehmen, um wen es sich handelt. Das machte mich nun neugierig und nachdenklich zugleich. Würde er sich auch anmelden? Muss ich mich wieder über ihn ärgern oder hat er sich verändert und ist vom Arschloch zum Gentlemen mutiert? „Aber doch nicht der. Der ist und bleibt ein aufgeblasener Gockel und ein Trottel. Was soll sich daran schon ändern“ Sagte ich, torkelte ordentlich angesäuselt und mit diesem kribbeln im Bauch, dem trockenen Hals und feuchten Händen, ins Schlafzimmer und knallte mich auf das Bett. Zwei Sekunden später war ich im Reich der Träume und schnarchte mich ohrenbetäubend und sägend laut durch den nahe liegenden Wald.
Vollgesabbert wachte ich auf. Mir lief der Sabber immer aus dem Mund, wenn ich besoffen ins Bett kippe. Ich schnarche mit offenem Mund, was dann das sabbern augenscheinlich erklärt. In meinem Kopf hämmerten sich die Bauarbeiter von Deutschland nach Australien durch und ich knallte mir zu allererst zwei Schmerztabletten mit einem Espresso in den nüchternen Magen. Konnte gut sein, dass der sich in wenigen Minuten meldet und ich mir das alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen musste. Ich hoffte es nicht, denn die Kopfschmerzen sind von der üblsten Sorte. „Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Die Antwort kannte ich ja. Noch bevor ich überhaupt klar denken konnte, krallte ich mir mein Handy und wählte blind die Nummer von Martina. Mehr ein Reflex als eine Überlegung.
„Guten Morgen Liebes. Schon auf?“ Ich könnte ihr den Hals umdrehen. Immer dieser gutgelaunte Morgenmensch. „Mmmhhh. Du hättest mich auch vorwarnen können, dass die Reise nach Rom geht und kein kleines Zusammentreffen ist!“ krächzte ich, wobei ich darauf achten musste, dass mir nicht mehr als die Stimme aus dem Hals sprach. „Oh, daran habe ich nun wirklich nicht mehr gedacht. Tut mir seeehhhhhrrrr leid.“ Mit der Betonung auf dem sehr, was seeeehhhhhhrrrrr in die Länge gezogen ist.
„Nö tut es nicht, aber wird es dir noch. Und wie ich dich kenne, hast du uns auch schon bereits angemeldet.“ „Habe ich. Und ich habe darum gebeten, dass wir unbedingt das Zimmer teilen möchten.“ Sie kicherte. „Also gut. Du hast mich erwischt Kleine. Aber ich werde mich rächen. Irgendwann und irgendwie.“ hustete ich ins Telefon. „Geht es dir gut?“ „Nicht wirklich. Mein Schock habe ich mit einer Flasche Rotwein runtergespült und fühle mich nun auch dementsprechend.“ „Dann erhol dich mal gut. Wir sehen uns am Sonntagabend zum Essen bei uns. Und sei pünktlich. Die Kinder mögen es gar nicht, wenn sie auf Tante Steffi warten müssen.“ „Bis dann und Bussi an die Kinder.“ Ich musste mich unbedingt wieder hinlegen. Ich hoffte, der Schlaf bekäme meinem Magen besser als der Wein.
„Sehr geehrte Damen und Herren. Wir erwarten noch zwei Passagiere von einem Transferflug aus Südamerika zum Boarding und müssen Sie um noch etwas Geduld bitten. Die Startzeit verzögert sich um zirka zehn Minuten.“ Den Rest der Durchsage vom Kapitän bekam ich nicht mehr klar mit, denn Martina rammte mir ihren Ellenbogen so hart in die Flanken, dass ich kurz vor der Ohnmacht stand. „Na sieh einer an wer doch noch mitkommt!“ Innert Sekunden wurde mir speiübel und mein Herz raste wie wild. Nicht weiter nötig zu erwähnen, dass ich einen trockenen Hals und feuchte Hände bekam.
Er war doch gekommen. „Aber er hat sich nicht angemeldet. Du hast mir gesagt, er hätte sich NICHT angemeldet!“ Die Panik stieg in mir auf. „Kann ich doch nichts dafür, wenn er es sich anders überlegt. Aber er sieht super aus.“ Ich hatte noch keine Zeit mich um sein Aussehen zu kümmern, als er direkt auf uns zusteuert und mich angrinst. „Dieser Platz müsste dann wohl meiner sein. Das freut mich aber, dass ich neben dir sitzen darf, Steffi.“ Es würde der längste und schlimmste Flug meines Lebens werden. Und ich war mir so einiges gewohnt. Aber dieser würde alles an Grausamkeiten übertreffen.
„Du hast die Reise organisiert?“ verschlug es mir fast die Sprache. Seit sich Matthias auf den Sitz neben mich gepflanzt hat, habe ich mich erstaunlicher Weise kein einziges Mal über ihn aufgeregt. Im Gegenteil. Ich wurde zusehends nervöser. Er sieht unverschämt gut aus. Durchtrainiert und gebräunt, was die grünblauen Augen noch mehr strahlen lässt. „Erstaunt dich das so sehr?“ gibt er zur Antwort. „Ich kenne den Hoteldirektor sehr gut und wollte schon immer noch einmal nach Rom. Beim letzten Mal hat mir eindeutig die richtige Begleitung gefehlt und das möchte ich jetzt ändern“ Dabei blickte er mich eindringlich an und sein Blick wich nicht eine Sekunde von mir ab.
„Ich wollte dich nicht als Organisationstalent in Frage stellen, aber“ „du kannst dir nicht vorstellen, dass ich aufgeblasener Gockel überhaupt etwas zustande bringe!“ beendete er den Satz. Sein verschmitztes Lächeln liess mich ganz und gar nicht kalt. Und musste lächeln. Er packte mich auf der Stelle an den Schultern und schüttelte mich leicht durch. „Wer bist du und was hast du mit Steffi gemacht! Die Steffi die ich kenne hat mich während der ganzen Schulzeit nicht einmal angelacht. Raus mit der Sprache!“ Wieder musste ich lachen. Und zwar laut. Martina schien die Welt nicht mehr zu verstehen und glotzte mich mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund an. Ich klappte ihr die Kinnlade zu.
Den ganzen Flug über genoss ich doch tatsächlich seine Anwesenheit. Matthias hat einiges zu erzählen. Über seine Arbeit als Ingenieur für Umwelttechnologie, vorwiegend in Südamerika, seine vielen Reisen und die dadurch entstandene und anhaltende Liebe zu Australien. Von einer Beziehung oder Frau sprach er kein einziges Wort. Was mich erstaunlicherweise zu interessieren begann. War das nun gut oder nicht? Der Flug endete viel zu schnell, aber das Wochenende lag noch vor uns.
Das Hotel war eine riesige und alte Stadtvilla von 1840 und lag mitten in Rom. Versteckt hinter einer Heckenmauer und von der Strasse nicht sichtbar. Der umliegende Garten ist wunderschön mit vielen Blumen und Bäumen versehen und lässt einem in eine andere Zeit versinken. Martina und ich sind daran unsere Koffer auszupacken, klopft es an die Tür. „Zimmerservice“ ruft es an der Tür. Ich zucke mit der Schulter und Martina öffnet die Tür. „Tut mir leid, wenn ich euch schon stören muss, aber ich würde euch beide gerne auf einen kleinen Willkommes-Apéro entführen.
„Ach, lass mal gut sein Matthias, aber ich muss mich echt hinlegen und entspannen.“ meinte Martina und macht es sich auf dem Bett gemütlich. „Bis zum Abendessen möchte ich diese Ruhe einfach geniessen. Geht ihr mal alleine und lasst einer Mutter den Frieden ohne Kinder.“ Sie gähnte noch theatralisch dazu und winkte uns hinaus. „Kannst du dich wenigstens durchringen mit mir auf ein kleines Apéro in die Stadt zu gehen?“ fragte Matthias mich und sah mir direkt in die Augen. „Wenn es denn sein muss“ grinste ich ihn an und warf Martina beim Hinausgehen einen scharfen Blick zu. Sie zwinkerte kurz und schloss die Augen.
Das war’s dann wohl. Ich war alleine mit dem Mann, der mich in der Schule den letzten Nerv gekostet hat, den ich auf keinen Fall in meinem Leben wieder treffen wollte und nun das. Ich werde meinen Prinzipien untreu, denn ich genoss es alleine mit Matthias zu sein. Ich will allein mit ihm sein. „Wohin entführst du mich?“ „Willst du entführt werden Steffi?“ „Welche Frau möchte nicht in der Stadt der Liebe romantische Zweisamkeit geniessen können?“ rutschte mir raus. Zu laut. Wie peinlich war das denn jetzt. Der Boden soll sich doch bitte auftun, damit ich auf der Stelle versinken kann. „Stefanie? Flirtest du etwa mit mir?“ „Wie kommst du darauf!“ gab ich gespielt, aber spürte auch die aufsteigende Röte in mir. Das musste er bemerkt haben, denn er wechselte gekonnt das Thema.
„Erzähl mir was von dir! Was hast du nach dem Abi gemacht, deine Arbeit, deine Freizeit, dein Freund, Ehemann, Familie. Einfach Alles!“ Wir liefen neben einander durch die Strassen, wobei ich keine Ahnung habe wohin und wie wir jemals wieder zurück finden würden. Es war mir egal. Aber ich vertraute ihm und erzählte von mir. „Nach dem Abi hab ich ein Austauschjahr in Amerika gemacht. Davon bin ich vier Monate durch die USA gereist und habe einfach Nichts getan. Zurück in Deutschland, begann ich mit Tiermedizin. Ich habe schon immer gerne mit Tieren gearbeitet. Die sind mir mitunter manchmal lieber als die Menschen.“ Er blickte mich ein wenig verwirrt an. „Versteh das jetzt bitte nicht falsch. Ich mag deine Gesellschaft und geniesse es auch, aber ich bin nicht so gut in Beziehungsgeschichten. Ob nur Freundschaft oder mehr.“ Meine Stimme wurde leiser und ich senkte den Blick auf den Boden. Es war mir unangenehm so persönlich mit jemanden zu reden. Und dann noch mit Matthias. Trotzdem fühlte ich es sich gut an. Eigentlich ging es wie von alleine. Ich erzählte ihm meine Geschichte und mein Leben nach dem Abi. „Du siehst, es ist alles ziemlich normal in meinem Leben.“
„Und du?“ fragte ich konkret. „Was ist bei dir alles Spannendes passiert? Keine gebrochenen Herzen auf deinem Weg zurückgelassen?“ Ich hätte mich direkt ohrfeigen können und biss mir auf die Lippen. „Sorry. War ein bisschen direkt.“ „Nun, wir reden jetzt schon so offen miteinander. Soviel haben wir in der ganzen Schulzeit nicht gesprochen.“ Matthias erzählte mir, dass er nach dem Abi Umwelttechnologie studiert hat und direkt danach nach Südamerika ging, um ein Praktikum zu absolvieren. Dort blieb er dann für fünf Jahre. Danach wollte auch er eine Ausszeit und bereiste Australien.
Aus den geplanten sechs Monaten wurden es achtzehn Monate. Dabei hatte er auch eine Frau kennengelernt, die er eigentlich heiraten wollte. Aber es war anders gekommen und so flüchtete er zurück nach Deutschland, um alles hinter sich lassen zu können. Trotzdem blieb Australien tief im Herzen verwurzelt und er wollte unbedingt wieder zurück. Wenigstens zum reisen. „Ich bin also auch Singel.“
Er blickt nervös auf den Boden. „Komischerweise habe ich mir immer gewünscht, du würdest dich ein bisschen für mich interessieren.“ Die Worte kamen zögerlich und leise aus ihm heraus. Bevor die ganze Situation noch beklemmender werden konnte, zeigte er mit einem Finger auf etwas und lächelte wieder entspannt. „Da ist es. Mein Lieblingskaffee in Rom.“ Meine Gedanken schlagen Purzelbäume. Meine Nerven liegen blank und ich hyperventiliere fast. Ich war froh, mich bald setzen zu können.
Das Kaffee lag in einem kleinen begrünten Innenhof. Die Strasse vor dem Haus war fast nicht mehr zu hören und die Menschen sprachen gedämpft miteinander. Alles sehr modern ausgestatten, aber nicht kalt. Mit viel italienischem Flair. Wir setzten uns in einer Ecke auf eine Lounge. „Was möchtest du bestellen?“ Matthias sieht mir kurz in die Augen. Er wirkt immer noch angespannt. „Einen gespritzten Weisswein wäre toll.“ „Süss oder sauer?“ „Gerne süss.“
Er geht an die Bar und bestellt die Getränke. Ich habe Zeit ihn zu beobachten. Matthias ist ein toller Mann geworden. Sehr attraktiv und gut gebaut. Er war es immer schon, aber ich habe ihn zur Schulzeit aufgrund seines Äusseren verurteilt. „Sexy“ finde ich. Findet übrigens auch die Bedienung. Und das wiederum gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht. „Wow, was ganz Neues.“ tuschle ich vor mich hin und geniesse den Anblick von Matthias, als er zu unserem Platz zurückkommt. Ich lächle ihn an. Freiwillig. Und es fühlt sich gut an.
„Ich wollte dich eigentlich mein ganzes Leben lang nie mehr treffen. Das habe ich mir bei der Abi-Feier geschworen. Deshalb bin ich vor fünf Jahren auch nicht zum Treffen gekommen.“ Ich versuchte langsam zu sprechen, um nicht nervös zu klingen. „Darf ich ehrlich sein?“ „Das hoffe ich doch, bitte.“ antwortet er sanft und sah mich an. „Du hast mich in der Schule immer so auf die Palme gebracht und derart genervt. Warum? Ich habe dir doch nie etwas getan?“
„Vom ersten Tag am Gymnasium warst du das einzige Mädchen, dass sich nie auch nur einen Deut um mich geschert hat. Bis anhin war ich mir sehr wohl, und das war schon ganz schön überheblich, darüber bewusst, dass ich ein Typ bin, den die Mädchen einfach mögen.“ „Na das ist ja wohl untertrieben. Wenn die sich schon hätten ein Ich will ein Kind von dir Matthias auf die Brüste tätowieren lassen können, dann hätten sie es getan und wären den ganzen Tag oben ohne durch die Schule gelaufen. Soviel zum Thema mögen. Die waren alle, wie würde man das heute nennen, heiss oder scharf auf dich.“ „Jetzt mach mal halb lang. So schlimm war es nun auch wieder nicht.“ Ich verdrehte die Augen und sah ihn auffordernd an.
„Ok, ok. Du hast mich ertappt. Also. Ich war schon ein ziemlich arroganter Schnösel. Aber bei dir hat es nie funktioniert. Keine Anmache, kein dummer Spruch, rein gar Nichts. Du schienst so ein Anti-Matthias-Charmefeld um dich zu haben. Und das hat mich immer irritiert. Alle meine Versuche an dich ranzukommen verliefen im Sand. Du hast mich immer im Regen stehen lassen.“ Er knibbelte nervös an seinen Fingern rum. „Dabei war ich die ganzen sechs Jahre in dich verknallt.“ Ich muss ausgesehen haben wie ein völlig verstörtes Huhn. Oder wie ein vor Schock erstarrtes Monster. Aufgerissene Augen, offener Mund und ein Blick, der bei einer Geschworenenjury als Nichtzurechnungsfähig durchgegangen wäre. Einfach nur Blöd.
„Du waar waaarrrss waaarrrsssst was?“ stotterte ich. „Verknallt. Die ganze Schulzeit über. Total verknallt in dich.“ Jetzt machte es auch Sinn, dass Matthias die ganze Zeit über nie ein Mädchen als Freundin hatte. Erstaunlicherweise dachten alle immer, keine wäre gut genug für den Mister Obermacker. „Ooohhhhhhhh klar.“ Ich begann zu kichern, dann zu gackern und Sekunden später laut raus zulachen. Vor lauter lachen rannen mir die Tränen über das Gesicht und ich konnte mich nur mit Mühe wieder beruhigen. „Der war gut, Matthias. Echt der war richtig gut. Das hätte ich dir jetzt fast abgenommen. Du und verknallt in mich. Ja klar!“ antwortet ich und stiess ihm meinen Ellenbogen in die Seite. Ich nahm mein Weinglas und leerte es auf Ex. Mal wieder. Schien zu einer Angewohnheit zu werden.
„Du glaubst mir nicht?“ fragte Matthias sichtlich nervös. Da bemerkte ich, dass er kein einziges Mal mitgelacht hatte und mich ein bisschen traurig ansah. Jetzt war es wirklich peinlich. „Bitte entschuldige, aber das kann doch nicht wirklich dein Ernst sein. Was bitte schön soll den an mir schon dran sein, dass man sich in mich so verlieben könnte?“
„Alles. Du bist sehr intelligent, extrem cool, völlig unkompliziert, unprätentiös und überaus attraktiv. Du bist es auch heute noch.“ Ich hustete den Schluck vom neu bestellten Glas Weisswein über den Tisch, weil ich mich an seinen Aufzählungen verschluckte. Ich sah ihn völlig entgeistert an. „Alles in Ordnung?“ „Klar doch.“
Hypernervös winkte ich die Bedienung an den Tisch, die sichtlich erfreut darüber und in der Hoffnung zu sein schien, Matthias würde sie endlich eines Blickes würdigen. Sie tänzelte fast katzengeschmeidig an und schnurrte ein lasziv-erotisches Prego. Matthias blickte kurz auf, nachdem ich meine Bestellung aufgegeben hatte, bestellte einen Martini Bianco und war wieder voll auf mich konzentriert. Das vollbusige Schnurrekätzchen interessierte ihn wirklich nicht die Bohne. Hätte die arme Schöne einen Schwanz und Ohren wie ein Kätzchen gehabt, dann wäre alles komplett eingezogen gewesen.
Innerlich freute ich mich über Matthias Gleichgültigkeit der jungen Italienerin gegenüber. Nachdenklich machte es mich aber auch. „Hatte er wirklich die Wahrheit gesagt? Oder wollte er einfach nur höfflich sein, um den tollen Nachmittag nicht zu ruinieren? Schliesslich redeten wir ununterbrochen miteinander, lachten, witzelten über Dies und Das und hatten einfach eine sehr gute Zeit.“ dachte ich für mich. Ich musste zugeben, er hatte sich verändert. Positiv sogar. Ich begann ihn wirklich zu mögen. Sehr sogar. Aber ich war überfordert mit der Tatsache, dass ausgerechnet er sich in mich verknallt hatte. Das war dann doch wirklich sehr unrealistisch. Und was empfand ich für ihn?
Ich schoss mir den Weisswein auf Ex ein. Das war Realität und langsam begann er sich auch bemerkbar zu machen. „Signora ancora uno.“ rief ich über den kleinen Hof zur Bar und wedelte dabei mit dem Glas. „Wow, du hast aber einen Zug drauf! Da sollten wir aber schleunigst mal was zwischen die Kiemen bekommen, sonst muss ich dich noch ins Hotel tragen.“ meinte Matthias und blinzelte mir zu. „Das halte ich für eine tolle Idee. Essen. Ich liebe italienisches Essen. Und möglichst viel davon.“ „Dann weiss ich den perfekten Ort dafür um zu essen wie bei Nonna.“
Unsere letzte Bestellung kam, wir redeten noch mehr über unsere Leidenschaft für das italienische Essen. Für einmal exte ich mein Weinglas nicht aus, sondern genoss es. Matthias orderte die Rechnung und endlich bekam auch die junge schöne Italienerin ihr wohlverdientes Lächeln. „Endlich ist sie erlöst.“ quasselte ich und schaute der glückseligen Dame hinterher, wie sie mit einem frisch aufpoliertem Selbstbewusstsein zurück an die Bar schwebte.
Er schüttelte den Kopf und sah mich doch aufrichtig irritiert an. „Oh bitte, Matthias!“ gab ich gespielt entrüstet. „Diese sexy vollbusige Italienerin hat gerade eben ihr gesamtes Repertoire an weiblicher Verführungskunst an dir ausgelassen und du willst mir Glauben machen, dass du es nicht einmal bemerkt hast?“ und zog die Augenbrauen hoch. „Echt jetzt? Warum sagst du mir das erst jetzt.“ antwortete er, machte einen auf extrem beleidigt und schürzte seine Unterlippe vor. Wir mussten beide lachen und standen auf zum gehen.
Auf einen Schlag war mir ganz kurz nicht mehr zum lachen. „Scheisse……dieser verdammte Alkohol haut mir immer rein.“ Matthias bot mir seinen Arm zum einhaken an und ich musste mich daran festhalten. „Frauen und Alkohol. Keine gute Mischung. Nicht gut. Nein, gar nicht gut!“ labberte ich eher unverständlich vor mich hin. „Lass uns was essen gehen. Danach geht es dir bestimmt wieder besser.“ Gesagt, getan und Abmarsch zum Essen.
Auf dem Weg zu eben diesem Essen à la Nonna liefen wir gefühlte Stunden durch Rom. Nicht das es mir viel ausgemacht hätte, am Arm eines wirklich tollen Mannes durch die Stadt der Engel zu marschieren, aber ich hatte wirklich Hunger. Und wenn ich Hunger habe, dann kann ich bisweilen ziemlich zickig werden.
Immer wieder musste ich mich fester an Matthias klammern, denn mein Gang war nicht mehr der sicherste. Nicht der ärgste Seegang, aber eben so genug, dass ich einen Anker benötigte, um nicht aus dem Gleichgewicht zu kippen. Aber was richtig fies war, war sein Duft. Er roch einfach himmlisch. Ich mochte sein Aftershave, Parfum oder was auch immer es war. Keine dieser süssen, ich bezeichnete sie gerne als schwule Note, Düfte. Eher ein bisschen herb und erfrischend. Männlich eben. Ich verabscheue diese Unisexdüfte.
Schliesst man die Augen und atmet ein, dann hat man doch immer eine gewisse Vorstellung vom Träger des Duftes. Wenn ich jetzt davon ausgehe, dass es ein Mann sein muss, weil der Duft einfach männlich erscheint, dann bin ich immer völlig durch den Wind, wenn es denn eine Frau trägt. Ich mag klare und definierte Grenzen, die Männer- von Frauendüften unterscheiden. Und nicht dieses Wischiwaschi-Zeugs, das durch diesen Androgenmodel-Hype ausgelöst worden ist.
Ich will Männer die nach Männer und Frauen die nach Frauen riechen. Kein es könnte entweder oder sein. Matthias roch über und über männlich. Und ich liebte diesen Geruch. „Mmmhhh, du duftest gut.“ Ich hatte wohl laut gesprochen, dabei wollte ich doch nur denken. Uupps. Ich merkte, dass die röte in mein Gesicht stieg und vermied es, ihn anzusehen. „Danke sehr.“ mehr gab er nicht zurück. Wir gingen noch eine Weile schweigend neben einander her. Naja, er ging, während ich mehr an ihm hing.
Ein Handy klingelte. „Deins oder meins?“ fragte Matthias. Für mich war es in weiter Ferne zu hören, also nahm ich an es wäre seins. „Ich glaube nicht, dass mich jemand sucht.“ sagte ich noch. Da wurde mir schlagartig bewusst, dass Martina im Hotelzimmer auf uns wartete. Wir hatten vereinbart, dass wir bis zum Abendessen wieder zurück sein würden. „Oh nein. Martina. Die haben wir ja völlig vergessen. Oh nein. Die wird uns die Hölle heiss machen.“
Ich wühlte orientierungslos in meiner grossen Tasche herum, um endlich dieses dämliche Telefon zu finden. „Oh, wo ist es denn nun. Ich kann’s einfach nicht finden.“ „Hey, ganz langsam. Wir haben die Zeit vergessen. Was soll’s. Kann passieren. Martina ist cool. Die wird das verstehen.“ „Was cool. Die ist total die hysterische Mama. Wenn ich mich nicht alle paar Stunden bei ihr melde, dann dreht die noch komplett durch und hetzt uns die Polizei auf den Hals. Oder ruft alle Notfallstationen der umliegenden Spitäler durch, nur um sicher zu gehen, dass sie nicht zur Identifikation der Leichen hinbestellt wird. Du hast keine Ahnung, wie die überreagieren kann, wenn es um geliebte Menschen geht. Und da macht sie wahrlich einen Unterschied zwischen Blutsverwandt oder nicht. Oh Scheisse. Die wird so was von wütend sein. Da kannst du dich aber mal auf was gefasst machen!“
Endlich hatte ich mein Telefon gefunden, da klingelte es auch schon wieder. Ich sah auf das Display. „Acht Anrufe in Abwesenheit. Gehst du ran.“ Ich halte Matthias das Handy hin.
Er nimmt es und eine Sekunde später höre ich schon die Schimpftirade von Martina. Matthias hält das Telefon mit einem respektablen Schutzabstand vom Ohr weg und lässt Martina austoben. Erst als sie keine Reaktion zurückbekommt, wird sie leiser und ich kann nichts mehr verstehen. „Martina, hey, hier ist Matthias. Steffi ist gerade auf der Toilette und ihr Telefon hat wie irre geklingelt, da habe ich mir erlaubt zu sehen, wer da anruft und als ich deinen Namen auf dem Display gelesen habe, dachte ich, ich nehme den Anruf an.“ Pause.
„Nein, es ist uns nichts passiert. Steffi und ich hatten einen wunderschönen Nachmittag und wollten zum Abschluss noch was kleines Essen gehen, da wir auch schon einige Apéritives intus haben.“ Pause. Eine sehr lange Pause. Matthias blickte schmunzelnd zu mir und zwinkerte mir zu. Ich streckte meinen Daumen erst nach Oben, dann in die Horizontale und dann nach Unten. Sein Daumen ging nach Oben. „Sei mir nicht böse Martina, aber ich würde es sehr geniessen, wenn ich den Abend mit Steffi noch alleine verbringen könnte. Es läuft gerade sehr gut zwischen uns und ich bin froh, dass wir uns nicht mehr ständig in den Haaren liegen. Kannst du das verstehen?“ Pause. „Keine Ursache. Und ja, ich werde sie unversehrt ins Hotel zurück bringen.“ Pause.
„Was! Oh, dass kann ich dir nicht versprechen, aber ich werde versuchen mein Bestes zu geben. Tschüss und Danke.“ Matthias gab mir das Handy zurück. Er grinste. „Was ist?“ fragte er scheinheilig. „Was kannst du nicht versprechen und worin wirst du dein Bestes geben?“ Ich war neugierig auf die Antwort. „Das verrate ich dir nicht. Und jetzt lass uns endlich essen gehen.“ Dabei kam er meinem Gesicht gefährlich nahe. Mein Herz begann zu rasen und die Beine wurden noch schwabbeliger als sie durch den Alkohol schon waren. Ich schluckte heftig.
Das Restaurant war richtig schnuckelig. Gemütliche Atmosphäre wie in einer Küche bei Nonna. Es gab nicht viele Tische. Sie alle waren mit einer rot-weiss karierten Tischdecke bedeckt. In die Küche konnte man direkt hinein sehen. Und da sah ich sie. Die Nonna. Wie sie im Buche steht. Eine kleine, rundliche, pausbackige aber sehr rüstige Frau in einer mehlbestäubten und mit Tomatensauce befleckten Schürze. Sie trug ihr lockiges und schwarzes Haar kurz und eine kleine runde Brille sass auf ihrer Nase. Und es roch einfach göttlich. Mein Magen machte sich sofort bemerkbar. Wir setzten uns an einen der hinteren, der Küche nahe gelegenen Tische. Ein älterer Herr kam zu uns und lachte herzlich, als er Matthias erkannte. „Matthias. Schön dich wieder zu sehen. Bist du schon lange in Rom? Wie lange bleibst du?“ Meine Italienisch Kenntnisse reichten gerade dafür, dass ich es verstand, aber sprechen konnte ich nicht gut. Deshalb war ich umso mehr überrascht, als Matthias fliessend antwortete.
„Paolo, auch schön dich wieder zusehen. Ich bin seit heute Morgen hier und werde bis am Sonntag bleiben. Aber ich konnte es nicht auslassen, euch nicht zu besuchen. Zumal ich eine wundervolle Begleitung habe.“ Als Matthias mich ansah und Paolo ein Ohhhh von sich gab, wusste ich es ging bei Bellissima tatsächlich um mich. „Ich habe ihm gerade erklärt…“ „dass du heute Morgen angekommen bist, bis Sonntag bleibst und eine wundervolle Begleitung dabei hast. Ach ja, und du konntest es nicht auslassen nicht hier zu essen.“ Es war selten, dass Matthias keine Antwort oder einen Spruch auf Lager hatte, aber diesmal war er derjenige mit offenem Mund. Ich konnte nicht anders, als ihm die Kinnlade sanft nach oben zu schieben. „Ich habe nicht gewusst, dass du Italienisch sprichst.“ „kann ich auch nicht wirklich gut, aber verstehen tu ich viel.“ „Woher?“ „Keine Ahnung. Das ist wohl eine Begabung von mir. Ich lerne Sprachen ziemlich einfach und wenn ich in ein Land reise, dann möchte ich mich auch ein bisschen verständigen können. Ich lerne beim zuhören. Das war schon immer meine Stärke. Und woher kannst du so fliessend Italienisch?“
„Während des Studiums hatten wir einen Austauschstudenten aus Italien bei uns zuhause untergebracht. Giuseppe war echt cool und wurde ein toller Freund. In den Semesterferien bin ich dann mit ihm nach Rom, er ist der Sohn von Paolo und Luisa, die in der Küche steht. Hier konnte ich ein bisschen Geld verdienen und gleichzeitig habe ich auch die Sprache gelernt. Es waren zwar nur drei Monate, aber es reicht, um sich durchzuschlagen.“ Luisa kam völlig verzückt aus der Küche gerannt und umarmte Matthias. Sie drückte ihn so fest an sich, dass ich meinte die Knochen würden brechen. Er lächelte sie an und gab ihr die drei Küsschen auf die Wangen. „Schau dich an, Matthias. Kriegst du zuhause denn nichts anständiges zu Essen?“ Sie kniff ihn in die Wangen und knuddelte ihn. Ein bisschen peinlich schien es ihm zu sein, denn er wurde doch tatsächlich rot im Gesicht.
„Und wer ist deine hübsche junge Begleitung? Deine Freundin oder Frau?“ „Oh…nein…nichts dergleichen.“ wollte ich antworten, aber die Wörter wollten mir einfach nicht einfallen. „Wir haben ein Klassentreffen und sind dazu nach Rom gefahren. Ich wollte Steffi die Schönheit der Stadt zeigen und sie mit hervorragendem Essen überzeugen, dass ich nicht mehr dieser Vollidiot aus der Schulzeit bin, sondern mich geändert habe und ein anständiger Kerl geworden bin.“ gab Matthias zur Antwort. Dabei blickte er mir die ganze Zeit in die Augen. Luisa verabschiedete sich höfflich in die Küche, jedoch nicht ohne uns noch den Tipp des Tages erklärt zu haben. Es war ein Kalbsschnitzel mit Salbeiblatt gebraten (Saltinboca) und Polenta. Zur Vorspeise ein gemischter Salat und zum Nachtisch die Auswahl aus selbstgemachtem Eis, Tiramisu oder der Panna Cotta. Dazu bestellte Matthias eine Flasche des Hausweines. „Der passt fabelhaft zum Essen.“ „Darüber das der Wein zum Essen passt macht mir keine Sorgen. Aber passt er auch zu meinem Magen?“ „Solange du die Flasche nicht auf Ex trinkst, dürfte eigentlich nichts passieren.“ „Ha, ha...“ ich musste unweigerlich lachen.
Das Essen schmeckte hervorragend und wir unterhielten uns über seine Arbeit und die meine. Gelegentlich kam Paolo herbei und setzte sich zu uns an den Tisch. Matthias übersetzte, wenn ich etwas nicht vollständig verstanden hatte und Paolo gab sich sogar die Mühe auf Deutsch zu sprechen. Es war unterhaltsam und interessant, denn die beiden Männer schienen sich viel zu erzählen zu haben. Später kam Luisa noch hinzu. Mittlerweile hatte ich auch mitbekommen, dass Giuseppe in den Vereinigten Staaten an einem Projekt arbeitete und deshalb nicht in Rom wäre. Schade, denn ich Paolo und Luisa richtig gern bekommen. Es war ein wirklich wunderschöner Abend. Aus einer Flasche Wein wurden viele und zum Kaffee gab es Grappa. Viele Grappa. Und ich wurde immer angetrunkener. Zu guter Letzt musste ich wirklich nachgeben und mir eine Cola bestellen.
„Ich muss mal kurz auf die Toilette. Wo ist die?“ „Hier gleich um die Ecke und dann die Treppe hinunter?“ Völlig besoffen torkelte ich in die angewiesene Richtung und blieb dann wie angewurzelt stehen. „Heilige Scheisse!“ rief ich aus. „Wie soll ich denn da verdammt noch eins runterkommen!“ Die Treppe vor mir war gefährlich steil und lang. In meinem Zustand konnte ich nicht klar erkennen, wo sie überhaupt aufhörte und die Decke nahtlos in sie überging. Es schien ein Ding der Unmöglichkeit da heil runter zu kommen. Mein Drang endlich meine Blase entleeren zu können war so gross, dass ich mich zusammen nahm, die Hände links und rechts an die Wand drückte und eine Stufe nach der anderen nahm.
„Sachte Mädel, sachte. Nur nichts überstürzen. Oder stürzen. Sonst wird das nichts mit uns beiden.“ Eine gefühlte Ewigkeit später war ich auf der Toilette angelangt und heilfroh, dass ich endlich meine Notdurft verrichten konnte. Vor lauter Erleichterung wäre ich fast eingeschlafen. So lange hatte das gedauert. „Mensch und jetzt auch noch diese Treppe wieder hoch.“ stöhnte ich vor mich hin. Als ich es fast geschafft hatte, konnte ich hören, dass im Restaurant ein ziemliches Durcheinander herrschte. Grosses Stimmengewirr und viele Emotionen. „Was ist den hier los.“ dachte ich mir und ging um die Ecke. „Ne echt jetzt? Das ist wie in einem schlechten Film.“ flashte es in meinen Kopf.
Die Szenerie war total irre. Luisa stand vor eine jungen Frau und hinderte diese daran, irgendwen zu massakrieren. Paolo stand vor Matthias, der wiederum weibelte mit seinen Armen umher und zeigte fortwährend auf die junge Frau. Und ich stand da wie ein Statist in der Requisite eines schlechten Bühnenstückes, der jetzt nicht genau wusste, wann sein Einsatz sein würde. „Hey! Was ist hier den das Problem?“ schrie ich.
Doch niemand schien sich im Geringsten für mich zu interessieren. Da machte ich, was ich immer tue, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich pfiff. Das half auch immer dann, wenn ein Rudel Hunde oder eine Meute Katzen sich in die Haare bekommen haben. Augenblicklich standen alle Mucksmäuschen still am Platz und glotzten mich verwundert an. „Kann mir mal bitte jemand erklären, was hier genau abgeht. Da bin ich nur für ein paar Minuten weg und dann so was.“ Dann traf mich der Blitz. Oder der Hammer! „Weg hier. Ich muss weg hier.“ ging mir durch den Kopf. Ich packte meine Tasche, verabschiedete mich von Paolo und Luisa und rannte aus dem Restaurant.
„Steffi! Warte doch, bitte!“ Matthias schrie hinter mir her. Aber ich wollte nicht warten. Ich wollte einfach nur weg von hier. Weg von der Szene und weg von Matthias. Wie konnte ich nur so dämlich sein. Mit einem Schlag war mir klar geworden, dass es in der ganzen Sache um Matthias und die unbekannte Schöne ging. „Steffi, jetzt bitte warte.“ Er hatte mich eingeholt und hielt mich am Arm fest. „Lass mich einfach in Ruhe.“ schrie ich ihn an und wollte meinen Arm los reissen. Aber Matthias hielt ihn fest. „Sieh mich an und lass es mich erklären.“ „Ich will dich nicht ansehen und ich brauche keine Erklärung. Ich hab genug gesehen und das reicht mir voll und ganz.“ Ich wollte ihm nicht in die Augen sehen, denn er sollte nicht mitbekommen, dass ich geweint hatte. „Was genau hast du gesehen? Oder besser gesagt, was meinst du denn gesehen zu haben? Erklär es mir?“ „Ich hab gesehen, dass eine schöne und sehr wütende Frau auf dich losgehen wollte und wäre Luisa nicht dazwischen gegangen, dann hätte sie dich übel zugerichtet. So wütend war die auf dich. Und du, du, du hast……“ „Was hab ich, Steffi. Los sieh mich an. WAS hab ich.“ Er hob mein Gesicht an, dass ich ihm direkt in die Augen schauen musste.
„Das war die Tochter von Paolo und Luisa. Antonella. Sie ist die jüngere Schwester von Giuseppe. Während meines Aufenthaltes hier in Rom hat sie sich in mich verliebt und es mir auch gestanden. Aber sie war die Tochter von Paolo und Luisa, die Schwester von Giuseppe und ich fühlte eher wie ein Bruder für sie. Selbstverständlich ist sie eine schöne Frau, aber ich habe mich nicht in sie verliebt. Ich habe es ihr versucht so schonend wie möglich beizubringen. Zumal sie da erst achtzehn Jahre alt war.“ erklärte er mir. Es sah mich direkt an. „Paolo und Luisa wussten von der Schwärmerei von Antonella mir gegenüber, aber ich habe ihnen versichert, dass ich Antonella wie eine Schwester liebe und da nicht mehr ist.“ „Und warum hat sie dann dort drinnen einen solchen Affenzirkus abgezogen? Du hast ihr ja deutlich genug gezeigt, dass du nichts von ihr willst.“ „Eine ihrer tollen Freundinnen“ dabei formte er mit den beiden Zeige- und Mittelfinger Klammern, „hat uns im Restaurant gesehen und ihr eine MMS geschickt. Sie wurde sauer, weil ich sie nicht angerufen habe, dass ich in Rom bin und bei ihren Eltern essen würde. Sie ist impulsiv und kann mir immer noch nicht vergeben, dass ich sie abgewiesen habe.“ „Welcher Idiot würde das auch bei so einer tollen Frau wagen.“ schmollte ich vor mich hin. „Ein verliebter.“ Matthias flüsterte es kaum merklich und hielt den Blick zum Boden gesenkt.
„Ich bin echt viel zu dicht, als das ich das jetzt gelten lassen könnte. Du beeinträchtigst mein Urteilsvermögen weil ich unter Einfluss von Alkohol stehe. Das könnte fatale Folgen haben.“ Ich wollte nur noch nach Hause. Oder ins Hotel. Besser gesagt ins Bett. „Lass uns morgen darüber weiter reden. Bitte bring mich ins Hotel zurück.“ sagte ich leise. Den ganzen Weg über gingen wir schweigend. Matthias wollte ein Taxi rufen, aber mir tat die frische Luft gut. Ich war durcheinander und verwirrt. Mal wieder. Und ich mochte es überhaupt nicht. Ich musste meine Gedanken sammeln und mir über einiges klar werden. Ich hoffte, der Spaziergang würde lange genug dauern. Die Gedanken schwirrten durch mein Hirn wie ein Bienenvolk durch den Stock. Zum ersten Mal in meinem Leben, wollte ich nicht rational an die Sache ran gehen. Nein, denn mein Herz hielt die Antwort schon längst in den Händen. Nur mein Hirn war noch viel zu sehr damit beschäftigt, mal wieder diesen kontrollsüchtigen Boss rauszuhängen. Und dieser Boss war heute ein ausgesprochen fieses Arschloch. Kein bisschen Kritikfähig oder Kooperativ. Einfach nur ignorant und Macht besessen.
„Matthias ist charmant, herzlich, spontan, humorvoll, sexy (und wie sexy – bleib bei der Sache Mädel…) und hat sich von einer Seite gezeigt, die ich in den ganzen Schuljahren nie an ihm entdecken konnte. Er ist einfach der Hammer. Und ich verknallt. Das volle Programm mit Schmetterlingen im Bauch und Herzschläge die sich wie Purzelbäume anfühlen.“ Mein interaktives Selbstgespräch führte mich noch in den Wahnsinn. Und – ich musste höllisch aufpassen, dass ich nicht wie eine Irre laut vor mich hin redete. „Shit Steffi. Riskier doch einmal im Leben etwas.“ dachte es weiter in mir. „Fuck, fuck, fuck….“ „bitte was?“
Du lieber Gott. Ich hatte schon wieder laut gedacht. „Ehmm Nichts. Ich habe nur gerade laut gedacht. Scheint eine weitere schlechte Angewohnheit von mir zu sein. Nebst dem auf Ex saufen.“ gab ich kleinlaut von mir. Es war mir wirklich peinlich und auf einmal wünschte ich mir von Herzen, dass dieser Spaziergang endlich ein Ende nehmen würde. „Ich habe eine Menge schlechter Angewohnheiten, verdammte Kacke. Siehst du – schon eine weitere. Fluchen, Saufen und Selbstgespräche führen.“ Gerade wollte ich noch etwas hinzufügen von wegen da kann man es ja nicht mit mir aushalten oder so, aber Matthias unterbrach meinen sinnlosen Redeschwall. „Wir sind da.“ Er klang ein bisschen enttäuscht. Na wenn mich da mal mein Urteilsvermögen nicht täuscht. Oder hätte ich einfach gerne das er enttäuscht klingt?
Matthias blieb vor der Eingangstür stehen. Ich wollte schon durch gehen, da fiel es mir erst überhaupt auf. Respektive ich wurde sehr unsanft zurückgezogen. Kein Wunder. Hatte ich mich doch bei ihm eingehakt und vergessen den Arm zurück zuziehen.
Ich blieb hängen, geriet in eine sehr schiefe Rücklage und fiel. Volle Kanne auf meinen Allerwertesten. „Autsch!“ kreischte ich erschrocken. Das hat jetzt gerade noch gefehlt, um die Liste der abendlichen Peinlichkeiten von Steffi zu vervollständigen.“ „Daass, daaa, dssss tut miiir jettzz abbeerrr ffuuuchhhtbaa leeiiid.“ Matthias konnte sich vor Lachen kaum beherrschen. Er wollte nicht lachen, das konnte ich ihm ansehen, aber es gelang ihm nicht. Es platzte aus ihm heraus. Da konnte ich mich auch nicht mehr zurück halten.
Viel peinlicher konnte es wirklich nicht mehr werden und wenn er diesen Abend mit mir schon soweit überstanden hatte, dann bekam er ein Gütesiegel mit Bestnote. Er half mir auf die Beine und wir kamen uns sehr nahe. Sein Gesicht war unmittelbar vor meinem und unsere Körper berührten sich. Ich lachte immer noch. Wieder einmal liefen mir die Tränen über das Gesicht. „Du bist einfach bezaubernd wenn du lachst.“ Matthias sah mich an und für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, er wollte mich küssen.
Ich machte einen kleinen Schritt zurück und löste mich sanft aus seiner Umarmung. „Danke für deine Hilfe und den wunderschönen Abend mit dir.“ flüsterte ich. Dieses Mal blickte ich ihm direkt in die Augen. Ich spürte, wie nun er nervös wurde. Seine Hände begannen leicht zu zittern. „Eine Antwort bist du mir noch schuldig, Matthias.“ „Welche?“ „Was konntest du Martina nicht versprechen und worin würdest du dich bemühen?“ „Diese Antwort kann ich dir noch nicht geben.“ dabei lächelte er etwas verhalten. Ich drehte mich um und ging durch die Drehtür. Matthias folgte mir. „Darf ich dich noch bis zur Tür bringen?“ „Wir sind in einem Hotel. Da wird mir ja bis zur Zimmertür wohl nichts mehr passieren. Oder meinst du ich könnte mich wohlmöglich noch verlaufen?“ Er stiess mich mit dem Ellenbogen in die Seite. Ich lächelte still vor mich hin.
Wir warteten also auf diesen Aufzug, der uns dann zu unserer Etage bringen würde. Unsere Zimmer lagen auf dem gleichen Stockwerk. Mein, also unser Zimmer lag am rechten Ende des Flurs und Matthias Zimmer genau gegenüber. Zirka zwanzig Meter von einander entfernt. Der Aufzug wurde mit einem leisen Bling angekündigt und die Tür öffnet sich. „Du hast jetzt noch gute zwanzig Sekunden Zeit um dir zu überlegen wie das hier enden wird.“ Mein Hirnkino lief auf Hochtouren. Nur mit dem kleinen, aber entscheidenden Unterschied, dass ich bereits meine Antwort darauf kannte. Ich hatte mich entschieden. Es würde die Situation nicht gerade erleichtern. Und – ich hoffte Matthias würde es auch so sehen und akzeptieren.
„Es war ein schöner Tag mit dir und ich habe mich sehr gefreut, dass ich du mich begleitet hast.“ brach er das Schweigen. Endlich! Ich hätte diese auf tausend Volt geladene Situation nicht mehr lange ausgehalten und wäre fast geplatzt vor Spannung. „Geht mir genau so. Ich habe es auch sehr mit dir genossen und danke dir, für dein ganz persönliches Rom. Das hätte ich alles gar nie entdecken können, wenn du es mir nicht gezeigt hättest“ Matthias sah mich eher verwundert an. „Oh, klar. Das war mir ein Vergnügen.“ antwortete er höfflich und mit neutraler Stimme. Seine Gedanken konnte ich, wie auf einem Display, an seiner Stirn lesen. Sie schrieen mich förmlich, nein, sie flehten mich richtig gehend an, ihn jetzt nicht alleine zu lassen. Ein weiteres Bling und die Etage war erreicht.
Endlich! Ich wollte nur noch raus aus diesem verfluchten Aufzug. „Dann wünsche ich dir eine gute Nacht, Steffi. Wir sehen uns morgen beim Frühstück.“ Das hoffentlich kam leise hinterher, aber noch so laut, dass ich es hören konnte. „Das wünsche ich dir auch. Gute Nacht und nochmals Danke für Alles.“ Er drehte sich höfflich um und ging zu seiner Zimmertür, schloss sie auf, ohne sich noch einmal umzudrehen und liess sie ins Schloss fallen. Die Tür war zu. Zum Glück.
Einen kurzen Augenblick dachte ich, Matthias würde sich umdrehen. Aber er hat es nicht getan. Zum Glück. Sonst hätte er bemerkt, dass ich noch immer auf dem Flur stand und ein dämliches Grinsen im Gesicht habe. „Eine kleine Strafe musste einfach sein, nach all den Jahren der Qualen in der Schule. Und du hast mich vorher am Eingang angelogen.“ Ich holte mein Handy aus der Tasche und schaute mir noch einmal die SMS von Martina an.
Gleich nachdem Matthias mit ihr gesprochen hatte, um sich für die vergessene Zeit zu entschuldigen, bekam ich folgende Nachricht von ihr. „Süsse, sei ein gutes Mädchen. Er ist in dich verknallt.“ „Ich weiss.“ simste ich zurück. „Er ist es immer noch. Seit der Schule!“ „Ich weiss.“ „Woher?“ „Er hat es mir gesagt.“ „Glaubst du ihm?“ „Ja, möchte es gerne.“ „Magst du ihn wenigstens ein bisschen?“ „Ja“ gesendet und sofort „sehr.“ hinterher gesimst. „Aber?“ „Kein Aber. Ein bisschen Leiden soll er auch.“ „Böses Mädchen. Hab ihm gesagt er soll sich nicht wieder in dich verknallen, um dann abserviert zu werden und dich dann nicht auch noch deswegen ärgern. Er meinte, er könne es nicht versprechen (sich nicht zu verknallen), aber werde sich bemühen, dich nicht zu ärgern falls du ihn zurückweist. Scheint nicht der Fall zus sein. Geniess es und ich werde nicht auf dich warten. lol“ „Danke für die Info und nein, brauchst nicht warten. lol“
Ich wartete noch einen Moment und ging dann ganz langsam in Richtung Zimmer. Nicht mein Zimmer. Matthias Zimmertür war mein Ziel. Obwohl ich ganz klar im Kopf war, ausgenüchtert durch den langen Spaziergang, war mir dennoch schwindelig. Es lag aber nicht am Alkohol. Es lag daran, dass mir schon alleine der Gedanke daran mit Matthias alleine in seinem Zimmer zu sein, ganz schwummerig wurde. Ich liebte es! Ich wollte es und noch viel mehr wollte ich ihn. Ich stand vor der Tür, drehte mich um, zwei drei Schritte weg von der Tür, biss auf die Zähne, schüttelte meinen Kopf und drehte mich wieder zur Tür zurück. „Komm schon. Los!“ Klopf, klopf, klopf. Ich wartete. Und Nichts passierte. „Bitte lass das jetzt nicht wahr sein. In den Filmen sind das immer die Szenen, in welchen der sexy Typ die Tür öffnet und seine Eine da steht. Dann lächelt er und sie, er zerrt sie in sein Zimmer und ohne grosse Worte gehen sie sich an die Wäsche, reissen sich die Kleider vom Leib und kommen gleich zur Sache?“ fluche ich verzweifelt vor mich hin.
Ich schliesse dich Augen und klopfe noch einmal. Ein bisschen fester als zuvor. „Biiitttteeeee öffne endlich die verdammte Tür.“ forme ich den Satz mit meinen Lippen und halte die Augen immer noch geschlossen. „Bitte, bitte, bitte…“ Wieder stilles formulieren. In der vollen Hoffnung, öffne ich langsam die Augen, behalte den Blick aber nach unten gerichtet. Als würde es mich nicht so sehr schmerzen, wenn die Tür verschlossen blieb. Ich hatte nicht mitbekommen, dass sie längst offen war und Matthias mich verwundert, aber äusserst amüsiert beobachtete. „Eine weitere schlechte Angewohnheit von dir?“ „Hääähh.?“ „Sich auf dem Flur zu verirren und an fremde Zimmertüren zu klopfen?“ Ich brauchte eine gute Weile, bis ich begriff, dass er sich über mich lustig machte. „Oh nein. Das ist keine schlechte Angewohnheit von mir. Aber das ist eine.“ gab ich zur Antwort und ging direkt auf ihn zu, ohne meinen Blick von seinen Augen zu nehmen, umfasste mit der einen Hand seinen Nacken und drückte ihn mit der anderen Hand am Oberkörper sanft ins Zimmer zurück. Ich schloss mit einem kurzen Tritt die Zimmertür.
Matthias blieb keine Zeit zu reagieren und er liess sich widerstandslos von mir an die Wand pressen. Sein kurzes Zucken bei meinen Berührungen konnte ich entnehmen, dass er genauso ein Verlangen verspürte wie ich und seine Hände begannen leicht zu zittern. Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen, Matthias war einen Kopf grösser wie ich, zog seine Lippen auf meine und küsste ihn endlich. Er erwiderte meinen Kuss. Erst zögerlich, als könne er nicht glauben, dass dies hier eben geschah, dann aber, als ich meine Lippen einen Spalt öffnete und meine Zunge, gierig nach seiner suchend, auf seinen Lippen bewegte, war die pure Leidenschaft von ihm zu spüren. Er sog mich richtig gehend ein. Seine Küsse wurden bestimmender und gieriger nach Mehr. Gleichzeitig wanderten seine Hände über meinen Körper. Es fühlte sich an, als wären sie überall. Mein Herz raste im Doppelgalopp und mein Verlangen nach seinem Körper brennte sich förmlich in meine Lenden. „Ich habe so sehr gehofft, du würdest kommen.“ flüsterte er mir schwer nach Atem ringend ins Ohr und küsste gleichzeitig meinen Hals, die Schulter und wieder meinen Mund. Er war überall. Aber es war nicht genug. Ich wollte ihn ganz.
„Wo ist das Bett.“ keuchte ich. Er hob mich hoch und trug mich in ein weiteres Zimmer. Es war mir bis jetzt noch nicht aufgefallen, dass er eine Suite hatte und das Schlafzimmer von einem Wohnraum getrennt hinter einer Schiebetür lag. „Heb dir ja keinen Bruch. So leicht bin ich nun auch wieder nicht.“ faxte ich ein bisschen. Sein leichtes Stöhnen hatte so gar nichts mit dem Tragen zu tun. Viel mehr mit der Tatsache, dass ich ihn immer wieder auf den Mund küsste, an seinen Ohrläppchen knabberte, seine Schultern und den Nacken streichelte. „Du riechst so gut. So sexy.“ raunte ich Matthias ins Ohr und küsste ihn forsch auf den Mund, wobei unsere Zungen ein kleines Hickhack abhielten.
Er war ein fabelhafter Küsser und es verzerrte mich fast vor Lust. Sanft legte er mich auf sein Bett. Er war über mir und stützte sich mit beiden Armen ab. Ich zog ihm sein T-Shirt aus und rang nach Luft. Ich hatte vieles erwartet, aber nicht das. Sein Oberkörper war durch und durch trainiert. „Oh mein Gott.“ rutschte mir heraus. „Was ist los?“ „Was bist du, Spitzensportler, Nacktmodel?“ sagte ich und staunte über seinen durchtrainierten und super definierten Oberkörper. Ich musste ihn einfach anfassen und jede einzelne Partie mit meinen Fingern berühren. Matthias schloss die Augen und genoss es sichtlich. Er bekam Hühnerhaut und sein Atem ging schwerer als üblich. „Du bist unglaublich schön, Matthias.“ Ich musste ihm das sagen und lächelte ihn an.
Er beugte sich zu mir runter, küsste mich auf den Mund und flüsterte „darf ich dich nun ausziehen oder wollen wir hier noch lange reden?“ „Mach was du nicht lassen kannst.“ Matthias setzte sich ein wenig auf, zog mir zuerst meine Hose aus und dann mein Oberteil. „Wer ist jetzt unglaublich schön, meine Dame?“ Ich überspielte meine kleine Unsicherheit mit einem Lächeln zu überspielen. Er grinste mich an, zog mich zu sich hoch und vergrub seinen Kopf zwischen meinen Brüsten. Er küsste meinen ganzen Oberkörper, wobei er mir sanft mit einer Hand den BH öffnete, ihn abstreifte und mit der anderen über den Rücken streichelte. Seine sanften und zärtlichen Berührungen liessen mich stöhnen und ich beugte mich ihm entgegen. Er zog sich vollständig aus, entledigte sich meinem Slip und legte sich neben mich. Ich lag rücklings auf dem Bett und sah ihm in seine schönen Augen. Normalerweise waren sie tief blau, aber jetzt schienen sie grünblau zu schimmern.
„Weißt du überhaupt wie wunderschön du bist? Seit Jahren geht mir dein Gesicht nicht aus dem Kopf. Und jetzt bist du endlich hier bei mir.“ Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und küsste meine Stirn. Er streichelte sanft meine Brüste und meinen Bauch. Er küsste mich am ganzen Oberkörper. Seine Zunge vergrub sich in meinem Bauchnabel und die Küsse kitzelten leicht auf meiner Bauchdecke. Die Hände liebkosten mich überall und meine Erregung war nicht mehr zu übersehen. Als er die Küsse weiter nach unten ausweitete, konnte ich meine Lust nicht mehr zurückhalten und stöhnte lauter als mir lieb war. Seine Zunge berührte sanft und zaghaft meine intimsten Regionen. Ich presste mich erwartend an seine Lippen.
„Ich will dich jetzt. Ganz und gar, Matthias.“ Ich zog seinen Kopf gierig nach oben, seine Küsse waren fordernd und seine Erektion hart spürbar. Ich öffnete meine Beine und erwartete Matthias zitternd und begehrend zugleich. Als er in mich eindrang, durchzuckte mich ein Verlangen, dass ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr wahrgenommen hatte. Ich biss ihn leicht in die Schulter und hielt ihn fest zwischen meinen Beinen gefangen. Jede einzelne gemeinsame Bewegung brachte uns näher. Unsere Körper pressten sich aneinander und liebten uns intensiv, bis die Leidenschaft im gemeinsamen Höhepunkt endete. Matthias küsste mich schwer atmend auf den Mund. „Du bist dir wohl bewusst, dass ich dich nie mehr wieder gehen lasse. Nicht nachdem was jetzt hier gerade passiert ist.“ sagte er und legte sich neben mich. Er hob seinen Arm, um mir anzudeuten, meinen Kopf auf seine Brust zu legen und mich an ihn zu kuscheln. Ich streichelte Matthias eine ganze Weile ohne ein Wort zu sagen.
Irgendwann sind wir wohl gemeinsam eingeschlafen.
„Meine sehr geehrten Fluggäste, wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit. Leider wird sich unser Abflug um zirka zehn Minuten verspäten, da wir noch auf einige Transfergäste warten müssen. Wir bitten Sie um Ihr Verständnis. Herzlichen Dank.“
Ich sass im Flugzeug von München nach Singapore und warf immer wieder nervös einen Blick auf die Eingangstür des Flugzeuges. Langsam wurde es knapp und ich war mir nicht sicher, ob es reichen würde. Ich hoffte es sehr, denn noch einen weiteren Tag würde ich nicht aushalten. „Ist dieser Platz neben Ihnen noch frei?“ erkannte ich eine mir noch so bekannte Stimme. Mein Herzschlag raste und die Hände zitterten. Ich atmete tief durch und antwortet cool ohne meinen Blick zu heben „Tut mir leid, dieser Platz ist reserviert für meinen Mann.“ „Was für ein Glückspilz ihr Mann doch ist.“ Matthias setzte sich neben mich und ich konnte ihn endlich in die Arme schliessen und küssen.
Seit drei Monaten waren wir jetzt verheiratet. Aber in die Flitterwochen konnten wir nicht sofort fahren, da er noch für ein Projekt nach Paraguay fliegen musste und erst heute zurückgekommen ist. Sein Flug war einer der Transferflüge für diesen nach Singapore. „Ich wäre durchgedreht, wenn es nicht geklappt hätte mit dem Transfer. Echt jetzt. Drei ganze Monate ohne dich waren die Hölle. Ich bin so was von froh, wenn wir endlich in Australien angekommen und drei Monate für uns alleine sind.“ „Uupss. Also die Firma meinte drei Monate werde wohl nicht gehen.“
„WAAAAASSSSSS!“ kreischte ich und so ziemlich jeder einzelne Passagier hatte wohl jetzt eine Hörschädigung, denn diese Tonlage sprang jeden erdenklichen Rahmen der Höhe und Lautstärke. „Bitte! Du willst mir hier, vor dem Abflug in unsere gemeinsamen Flitterwochen, erklären, dass deine Firma diese drei Monate nicht vollumfänglich akzeptiert!“ meine Stimmelage wurde abermals eine Stufe höher geschraubt. „Wir haben sie schon seit Monaten geplant und sie waren damit einverstanden, als du sie eingegeben hast! Wow, echt jetzt.“ Ich beendete meine Schimpftirade damit, mein Nackenkissen mit Schlägen und Knautschgriffen zu drangsalieren. Wäre es ein lebendes Huhn gewesen, dann würde dieses arme Ding jetzt gerupft, geknautscht und wie eine undefinierbare Knetmasse aussehen. Aber zusätzlich furchtbar blutverschmiert.
„Man bin ich froh, eben nicht dein Nackenkissen zu sein.“ meinte Matthias ziemlich ruhig. Ich wollte schon wieder einen Einwand anbringen, aber da hob er seinen Zeigefinger. Ich mochte es gar nicht wenn er das tat. Dann musste ich immer ganz artig sein. Naja, es gab schon Situationen bei denen ich diesen Finger gerne sah, aber das ist eine andere Sache. Da geht es meist auch zur Sache. „Mmmmmrrrrrr.“ knurrte ich ihn an. „Würdest du nicht immer gleich an die Decke gehen, dann hätte ich dir erzählen können, dass die drei Monate auf maximal Fünf ausgeweitet worden sind. Was wiederum bedeutet, dass wir viel mehr Zeit zusammen verbringen können, um Australien zu bereisen." Er sah mir fest in die Augen.
"Und schau mich jetzt nicht an als wär ich der Weihnachtsmann. Falls du dich nämlich nicht augenblicklich zu benehmen weißt, dann wird ich mir das mit der Flitterwochenverlängerung überlegen müssen.“ „Da hast du’s mir jetzt aber gegeben.“ blaffte ich zurück und lächelte ihn scheinheilig an. „Wer kann diesen Augen schon widerstehen?“ „Oh Mann. Manchmal wünschte ich mir doch tatsächlich die Schulzeit zurück.“ Matthias nahm mich in die Arme, eigentlich eher in den Schwitzkasten und knuddelte meinen Kopf. Er hob mein Gesicht an, nahm es in seine beiden Hände und küsste mich sanft auf die Lippen. „Frau Lorenz, ich liebe Sie.“ Schnurrend kuschelte ich mich an meinen Mann und war gespannt auf die Zukunft.
„Meine Damen und Herren wir starten in Kürze. Bitte schnallen Sie sich an, bringen Sie die Rückenlehne in die aufrechte Position und schalten Sie alle elektronischen Geräte aus.“ Blaaaa, blllaaa....weiter folgte ich der Durchsage nicht mehr. Ich schloss die Augen und war einfach nur glücklich.
Es war der Start in eine wundervolle Zeit zu Zweit. Endlich! Und zum Glück!!
Tag der Veröffentlichung: 11.04.2013
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