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Chapter 1


"Ihre Fahrkarte, bitte" ich würdigte den Zugangestellten nicht eines Blickes und lehnte verträumt meinen Kopf an die Fensterscheibe. Lautlos flossen die Regentropfen an ihr hinunter. "Ihre Fahrkarte, bitte!!!" Der Angestellte wurde lauter, laut genug um selbst mich zurück in die Realität zu holen. "Mh? Oh, achso, verzeihung" Verlegen wühlte ich in meiner Handtasche herum und übergab dem Mann meine Karte. Er schien nicht gerade der jüngste zu sein, was mir unter anderem sein langer Bart am Kinn und die vielen Falten in seinem Gesicht sagten. Sonderlich viel Lust schien er auf seine Arbeit auch nicht zu verspüren, anstatt eines verständnisvollen Lächelns kassierte ich kalte Blicke die mir gerade so unter die Haut gingen. Finster schaute er auf mich herab und drückte einen Stempel auf meine Karte. Ich wusste nicht genau, was er damit bezwecken wollte, aber das interressierte mich auch gar nicht weiter. Plötzlich beugte er sich über mich und drückte mir meine Karte wieder in die Hand. Danach ging er zügig die restlichen Fahrgäste durch. Die Luft roch nach Bier und ungewaschener Kleidung. Ich wusste nicht genau, ob dieser unangenehme Geruch von dem Mann stammt oder eventuell doch von jemand anderem. Wenn ich genauer drüber nachdachte, wollte ich das auch gar nicht so genau wissen. Neugierig blickte ich auf meine Fahrkarte und bemerkte, dass der Typ mir doch tatsächlich eine Telefonnummer auf die Karte gestempelt hatte. Doch nicht etwa seine Telefonnummer? "Ich glaube, ich bin im falschen Film" murmelte ich, steckte die Fahrkarte in meine Jackentasche und lehnte meinen Kopf wieder unbeteildigt gegen die Fensterscheibe, während der Zug los fuhr und der Regen gerade so gegen die Scheiben hämmerte. Der Mann schien ziemlich einsam zu sein, wenn er sich schon einen Stempel mit seiner Telefonnummer bastelte und 15 jährige Jugendliche anbaggerte. Nach endlosen 30 Minuten holpriger Zugfahrt nahm ich plötzlich ein schrilles Klingeln und die Vibration in meiner Hosentasche wahr. Fast der komplette Wagon zuckte zusammen und musterte mich mit Blicken. Ich konnte die Erleichterung in ihren Gesichtern sehen, anscheinend hatten sie sich genau so gelangweilt wie ich. Die Landschaft durch die wir fuhren gab nicht sonderlich viel neues preis, aber ein fremdes Telefonat zu belauschen wär eine gute Abwechslung. So dachten sie sicherlich. Überrascht griff ich in meine Hosentasche, hielt mir das schlichte Handy gegen das Ohr und drückte auf den grünen Hörer. "Hallo?" nuschelte ich. Inzwischen hatten die Gäste ihre Augen schon von mir abgewandt, doch ich fühlte mich immer noch beobachtet. Ich wusste genau, dass sie zuhörten und der Gedanke gefiel mir nun wirklich nicht. "Sabrina hier, mit welchem Zug fährst du?" Als mein Anrufer seine Identität aufdeckte zuckte ich leicht zusammen und musste mich stark zusammen reißen nicht gleich laut loszulachen. "Ach du bists, ich fahre mit der 689, ich sollte bald ankommen" gab ich mich möglichst unbeeindruckt und beobachtete weiter die vorbei ziehende Landschaft. "Stehst du schon am Bahnhof?" fügte ich neugierig hinzu. "Nein, aber ich mache mich jetzt auf den Weg. In welchem Wagon sitzt du? Nachher finde ich dich nicht" lachte die Stimme am anderen Ende der Leitung. "Im vorletzten, gleich rechts" hielt ich mich kurz und beobachtete genervt einen kleinen Jungen aus dem Augenwinkel, der mich mit verstohlenen Blicken musterte. "Was!?" fuhr ich ihn an und vergaß dabei komplett, dass ich noch Sabrina am Hörer sitzen hatte. "Was was?" meldete diese sich zu Wort, worauf ich ein lautes Lachen nicht vermeiden konnte. Der Junge schaute mich verwundert an, er schien es sich nicht erklären zu können warum eine fremde Person ihn erst böse anfunkelte und dann laut auflachte. Für einen kleinen Moment setzte ich meinen Todesblick auf, worauf der kleine sich verängstigt wegdrehte und sich an seine Mutter kuschelte. Diese musterte mich noch einmal stirn runzelnt und witmete sich wieder ihrem iPhone. "Also in einer Stunde müsste ich wohl da sein. Spätestens." Stellte ich fest, worauf Sabrina mit einem "Ist gespeichert" antwortete. "Wo gespeichert?" fragte ich verwirrt, während sie bloß wieder anfing zu lachen. Ich verstand nicht wirklich warum, doch das war mir auch wie so vieles wieder mal herzlichst egal. "Na in meinem Kopf, du baka" sagte sie und fügte ein "Bis gleich dann" hinzu. Dann legte ich mit den Worten "Bis denne" auf und verstaute mein inzwischen warmgelaufenes Handy wieder in meiner Hosentasche.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 21.10.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch Olga, Sabrina & Lydia. Danke für alles.

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