Sicherheit: Zustand des Sicherseins, Geschütztseins vor Gefahr oder Schaden; höchstmögliches Freisein von Gefährdungen
11. November 2004
Krieg war schlimm. Krieg war Terror in seiner reinsten Form. Egal was die Medien darüber berichteten, wie viele Filmstreifen Hollywood aus dem Ärmel schüttelte oder wie ehrlich die Interviews von Soldaten waren, die in Zeitungen gedruckt wurden, die Öffentlichkeit würde nie im vollem Ausmaße verstehen, was 'schlimm' wirklich bedeutete. Sich vorzustellen, auf einem Schlachtfeld zu stehen und im aufgewirbelten Staub über Leichen zu stolpern, war eine Sache. Es zu erleben eine ganze andere. Kein Zivilist, kein Mann und keine Frau, kein Politiker oder Kriegshetzer würde das je begreifen. Sie trugen nicht die Last den Abzug zu drücken und Leben zu nehmen. Sie sahen keine Völker im Elend, keine Hunde auf der Straße, die so ausgehungert waren, dass sie die Überreste ihrer einstigen Herrchen fraßen, keine verwundeten Kameraden, bei denen man nur mit viel Glück noch das altbekannte Gesicht erkennen konnte. Das alles waren nur Bilder. Nichts davon kam der Realität auch nur im Entferntesten nah.
Wenn man Sniper fragte, dann war das verfickt noch mal auch gut so.
Als Soldat seinen Lebensunterhalt zu verdienen, war eine Entscheidung, die er in den letzten vierzehn Jahren nicht ein einziges Mal bereut hatte. Momente des Zweifels waren so schnell wieder gegangen, wie sie gekommen waren, und wenn er nachts die Augen schloss, dann tat er das mit einem reinen Gewissen. Manchmal waren es die noblen Gründe, die dafür sorgten, dass die erwartete Qual ausblieb. Das Wissen etwas für sein Land zu tun. Nicht nur in der Theorie, sondern in brutaler und ehrlicher Praxis. Wenn er seinen Arsch riskierte, dann mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es einen Sinn hatte. Schutz für das Vaterland und die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Grund hatte ihm immer schon gefallen.
Im Urlaub bereiste er sein Land, um sich genau anzusehen, was er schützte. Er konnte stundenlang in einem Café sitzen und Leute beobachten, ohne dass ihm langweilig wurde. Die familiäre Szenerie der liebenden Mutter, die ihrem Kind ein Eis kaufte, brachte ihn dabei genauso zum Lächeln wie das Bild eines Rüpels, der sich ohne Rücksicht drängelnd und schubsend seinen Weg durch die Menschenmenge bahnte. Freiheit bedeutete eben auch, dass man das Recht hatte, ein Arschloch zu sein.
Der englische Schriftsteller G.K. Chesterton hatte einmal gesagt: "Der wahre Soldat kämpft nicht, weil er hasst, was vor ihm ist, sondern weil er liebt, was sich hinter ihm befindet." Sniper hatte nie wieder eine so treffende Formulierung für seine Gefühlswelt gefunden. Schon gar nicht seit er Vater geworden war. Seine Tochter Madison mochte ein Unfall gewesen sein, der letzte, erbärmliche Beweis, sich selbst einzureden, ganz oben in der Liga der Heten zu spielen, und er würde mit Sicherheit keinen Preis für den Vater des Jahres bekommen, aber das änderte nichts daran, dass er seine Tochter liebte. Ab dem Moment vor zehn Jahren, wo er dieses kleine, hilflose Bündel zum ersten Mal im Arm gehalten hatte. Sniper konnte sich gut daran erinnern, wie seine Welt für einen Moment still gestanden hatte. Bei all dem Tod und Leid, dem er auch damals schon begegnet war, hatte ihn dieser Anblick puren Lebens zum Weinen gebracht.
Der zweite und absolut unehrenhafte Grund dafür, dass er seinen Job wirklich mochte, war die schlichte Tatsache, dass er nichts anderes konnte. Er hatte es versucht, wirklich. Wo andere Jugendliche ihre Highschooljahre mit Partys und Liebeleien verbrachten, hatte er seine Zeit damit verschwendet herauszufinden, worin er gut war.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Seth Ratio
Bildmaterialien: https://pixabay.com/de/users/tpsdave-12019/; Seth Ratio
Lektorat: ulla
Tag der Veröffentlichung: 19.07.2015
ISBN: 978-3-7396-0823-5
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