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Ich tanzte wild zu der Musik. Schweiß lief mir den Nacken runter. Die laute Musik hüllte mich ein, wie ein sicherer Kokon. Aus weiter Ferne, wie es mir schien, vernahm ich Stimmen. Leute die sich unterhielten, die lachten. Alles andere nahm ich gar nicht mehr richtig wahr. Ich wollte nichts hören, nichts sehen. Einfach nur vergessen. Dass war das, was ich wollte, und was ich brauchte. Von Problemen wollte ich nichts hören. Davon hatte ich genug. Ich wollte nach dem Thema leben „Gute Morgen liebe Sorgen, leckt mich am Arsch bis über morgen“. Leider war das gar nicht so einfach.
Ich ließ meinen Blick über die vielen Leuten gleiten, die auf dem Steg und auf dem hell erleuchteten Hausbooten zusammen standen, tanzten, lachten und sich unterhielten. Die verschiedensten Menschen feierten zusammen. Leute mit anderen Religionen, Styles, Persönlichkeiten und aus den unterschiedlichsten Nationen. Hin und wieder sah man ein knutschendes Pärchen in der Ecke.
Wir alle feierten Tanz in dem Mai. Irgendjemand kam auf die Idee, eine Party bei den Hausbooten zu feiern. Die Idee war da, also wurde sie auch umgesetzt. Ich war froh, dass in der Nähe keine Häuser waren, sonst hätte sonst noch jemand die Polizei geschickt. Ich wunderte mich, dass noch keine hier war. Die Musik war so laut, dass der Boden unter mir vibrierte, und ich mir ziemlich sicher war, dass man die Musik auch bis in die Stadt hören musste.
So eine Hausbootparty war schon was Besonderes. Nicht nur, weil ich Hausboote so liebte, wie sie harmonisch in Wasser schaukelten, und sie das Gefühl von Sicherheit in mir auslösten, sondern weil sie auch immer wieder die Friedlichkeit der Menschen symbolisierten. Sie zeigten auch, dass Leute aus Kriegs führenden Ländern, friedlich zusammen leben konnten.
Auf einmal zog ein Paar meinen Blick auf sich. Sie standen zusammen in einer Ecke, in einer leidenschaftlichen Umarmung und küssten sich. Ich kniff die Augen zusammen, um genauer sehen zu können. Im nächsten Augenblick wünschte ich, ich hätte es nicht getan. Der Junge, der das Mädchen stürmisch küsste, war Sebastian, mein Freund. Entschuldige, mein Ex Freund. Er hatte sich heute von mir getrennt, nach gerade mal 2 Wochen, weil es angeblich eine andere gab. Meine Freunde haben mich vor ihm gewarnt, weil er es mit jedem Mädchen treibt, aber ich wollte es nicht glauben. Und ich glaube es immer noch nicht. Oder ehr ich will es nicht glauben. Ich drehte mich weg, um diesem Anblick nicht länger ertragen zu müssen. Ich hatte Angst, dass mir sonst noch die Galle hochkommt, mit meinen Frühstück von heute morgen und den drei Tequilas.
Ich ging ins Innere eines Hausbootes, das einer meiner Freunde gehörte. Bevor ich jedoch das Hausboot überhaupt betreten konnte, hielt eine spöttische mich auf.
„Och, die arme Kleine. Hat dich etwa dein Held allein gelassen?“ Es war Yusuf, aus meiner Nebenklasse. Er hielt sich für den Größten, besonders wenn er andere fertig machte.
„Lass mich in Ruhe, Yusuf“ sagte ich zu ihm, ohne mich umzudrehen. Ich wollte nicht sein hämisches Grinsen sehen, wie er sich über mich lustig machte.
„Ach, komm schon. Als ob du nicht gewusst hättest, dass du eine von Vielen warst“ Sein Stimme wurde lauter, er schien nähr gekommen zu sein. Langsam drehte ich mich um. Da stand er mit ein paar Freunden und anderen Schaulustigen. Sie waren nur ein paar Schritte entfernt. Als ich in Yusufs Gesicht sah, hatte ich irgendwie das Bedürfnis, ihn anzuspucken.
Yusuf hatte gerade den Mund geöffnet, um etwas zu sagen, als eine Hand sich von hinten auf seiner Schulter legte.
„Hör auf, Yusuf.“ Es war Shane. Er ging in meiner Klasse. Ich kannte ihn nur flüchtig, aber ich wusste, dass er im Großen und Ganzen ein ganz netter Typ war.
„Hör auf sie zu demütigen.“ meinte er, aber Yusuf schenkte ihn nur einen kurzen Blick, grinste ihn hämisch und hinterlistig an, und drehte sich wieder zu mir um.
„Also, Shane“ fing Yusuf an „Als ob sie nicht wüsste, dass nur eine naive, billige Schlampe währ. Die will eh keiner mehr.“
Das war zu viel für mich und meine strapazierten Nerven. Ich ging auf ihn los, holte aus, und schlug ihn mitten ins Gesicht, um sein verdammtes Grinsen weg zu wischen. Dann dreschte ich meine Faust in seinem Magen, und er ging zu Boden, vor Schmerzen gekrümmt. Ich wirbelte herum, lief zum Hausboot, zu der Bar. Jetzt brauchte ich wirklich einen Tequila. Hinter mir hörte ich einige aufgebrachte Stimmen, die alle durcheinander redeten. Es war mir so, als hörte ich jemanden meinen Namen rufen, aber das bildete ich mir bestimmt nur ein. An der Bar nahm ich gleich zwei Tequilas auf einmal und trank sie in einen Schluck aus.
Auf einmal fühlte ich mich eingeengt. Die Musik, die mich vorher so in den Bann genommen hatte, war plötzlich viel zu laut. Der Raum schien sich zu drehen, enger zu werden. Das Einzige, war ich jetzt wollte, war, von hier wegzukommen. Ich wollte nicht mehr hier sein. Bei den vielen Leuten, die mich alle anzugucken schienen. Frisch Luft, ich brauchte frische Luft, und zwar sofort.
Ich stürmte wieder nach draußen, an den Leuten vorbei, an Yusuf vorbei, ohne jemanden anzugucken. Heiße Tränen rannen mir die Wangen hinab. Blind vor Verzweiflung, rannte ich irgendwo hin, um alleine zu sein. Ich wollte alleine sein. Meine Schritte verlangsamten sich, als ich ein abgelegenes Hausboot sah. Es schien älter zu sein, aber noch gut im Takt. Niemand schien da zu sein. Vor dem Hausboot stoppte ich kurz, in der Überlegung, ob ich das wirklich tun sollte. Eine Sekunde später ging ich aufs Hausboot. Langsam ließ ich mich aufs Deck hinab, und schlang die Arme um meine Beine. Ich schloss die Augen. Das Hausboot schaukelte sanft. Ein kalter Wind kam auf, der mich umhüllte, und mir meine Haare ins Gesicht blies. Es war wunderbar ruhig. Der Geruch des Salzwassers stieg mir in die Nase. Aus weiter Ferne, hörte ich noch die Musik, die der Wind zu mir trug. So langsam beruhigte ich mich. Das Hausboot, auf dem ich saß, gab mir Geborgenheit. Ich fühlte mich behütet und beschützt. Geschützt vor den neugierigen Blicken, der anderen. Ich merkte, wie meine Tränen versiegten.
Bedacht öffnete ich die Augen und schaute in die Ferne. Tausende Sterne standen am Himmel. Ich lächelte. Auf einmal hörte ich Schritte. Erschrocken schaute ich mich um. Mein Atem beschleunigte sich vor Angst. Was passiert, wenn jemand versucht, mir etwas anzutun? Ich fing an zu zittern und schrie auf, als sich eine Hand auf meiner Schulter legte.
„Keine Sorge“ raunte eine samtige Stimme. „Ich bin es nur.“ Es war Shane. Erleichtert atmete ich auf.
„Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt“ meinte ich zu ihm und merkte, dass meine Stimme etwas zitterte.
„Entschuldige, dass wollte ich nicht“ Shane lächelte mich an. Unweigerlich musste ich zurück lächeln. „Darf ich?“ fragte er und zeigte auf dem Platz neben mir. Ich nickte und rutschte ein Stück zu Seite, als er sich neben mir nieder ließ. „Alles in Ordnung?“ Shane musterte mich besorgt. „Geht schon“ meinte ich und versuchte zu lächeln, obwohl ich wusste, dass es mir nur kläglich gelang.
„Du siehst nicht besonders gut aus.“ meinte er. Er hob die Hand und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Diese Berührung fühlte sich überraschend gut an.
„Yusuf ist ein Arsch. Und Sebastian ebenfalls. Er weiß gar nicht, was er verpasst, so ein hübsches Mädchen wie dich, einfach abblitzen zu lassen.“ meinte Shane. Er ließ seine Hand, mit der er meine Haarsträhne gerade noch zurück gestrichen hatte, über meine Wange gleiten, und wischte die Tränen weg. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mir wieder die Tränen gekommen waren.
„Sagt man das nicht immer zu einem verzweifelten, heulenden Mädchen?“ fragte ich ihn. „Was bin ich denn auch so doof, und lass mich verarschen? Meine Freunde haben mich vor ihm gewarnt, aber ich wollte ja nicht hören! Ich musste mich ja in so einem Arsch verlieben. Ach, das ist doch alles Scheiße. Yusuf hatte Recht. Ich bin eine billige, naive Schlampe, die eh keiner mehr will.“ Ich schlug die Hände vors Gesicht und badete im Selbstmitleid.
„Hey“ sagte Shane zu mir, und nahm mir die Hände vom Gesicht. Mit seiner Hand griff er nach meinem Kinn und drehte es zu sich um, damit ich ihm in die Augen schaute. Das war das erste Mal, das mir auffiel, wie gut er eigentlich aussah.
Shane hatte sanfte Gesichtszüge, goldblonde Locken und wunderschöne jadegrüne Augen.
„Hör auf dir selber Vorwürfe zu machen. Yusuf hat mit nichts recht gehabt, was er zu dir gesagt hat. Und bei Sebastian… Naja, er hat schon vielen Mädchen den Kopf verdreht und sie dann fallen gelassen. Du bist nicht die Einzige. Hörst du? Außerdem stimmt es nicht, dass dich keiner mehr haben will.“
„Was meinst du damit?“ fragte ich verwirrt. Langsam nahm Shane mein Gesicht zwischen seinen beiden Händen.
„Ich will dich, Clary, Ich habe mich in dich verliebt, aber du hast es nicht bemerkt, weil du die ganze Zeit nur Augen für Sebastian hattest. Ich wollte es dir schon immer sagen, aber ich hatte Angst, dass du mich nicht lieben würdest. Aber jetzt… Es fühlt sich einfach richtig an. Wenn du mich nicht liebst, brauchst du es einfach nur zu sagen, dann werde ich gehen“ Als Shane den letzten Satz ausgesprochen hatte, hatten sich seine Augen verdunkelt und blickten nun traurig drein. Doch in seinen Augen war auch ein Schimmer Hoffnung.
Mein Herz setzte einen Moment aus, doch dann fing es wieder an und schlug noch viel schneller als zuvor, als sich Shane langsam, beinahe unsicher, zu mir nach vorne beugte und seine Lippen meine streiften. Als ich mich nicht dagegen wehrte, wurde er mutiger. Er küsste mich erst sanft, bedacht, als hätte er immer noch Angst ich könnte ihn abweisen. Doch dann erwiderte ich seinen Kuss, und seine Anspannung schien mit einen Schlag weggewischt zu sein. Er zog mich enger an sich und umfasste meine Taille. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn heftiger. Unsere Zungen spielten ein Spiel miteinander. Ich war rundum glücklich. Wir küssten uns. Stundenlang, wie es mir schien. Bis sich auf einmal Shane von mir löste. Seine Pupillen waren riesengroß, seine Wangen gerötet und seine Lippen waren angeschwollen. „Schau mal“ sagte er. Er zeigte in die Ferne. Die ersten Lichtstrahlen brachen heraus und versetzen die Nacht in einem Dämmerzustand.
„Wunderschön“ raunte ich. Dann sah ich zu Shane. Sein Blick war in die Ferne gerichtet
„Weißt du was?“ fragte mich Shane, in Gedanken weit weg. „Dieses Hausboot hier, gehörte meinem Großvater. Er hatte es für sich und meine Oma gekauft. Es war so eine Art Liebesnest für sie. Sie haben hier viel Zeit verbracht. Das tun sie sogar manchmal heute noch. Ich glaube, dass war Schicksal, dass wir ausgerechnet so zusammen kommen.“ meinte er und sah mich an. Ich lächelte und murmelte ein Ja. Shane und ich legten uns hin und beobachten die Sonne, wie sie langsam aufging, und die Nacht vertrieb. Das Hausboot schaukelte ein wenig. Dann schliefen wir beide Hand in Hand ein.

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Tag der Veröffentlichung: 23.05.2011

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