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Prolog



Ich hörte Schreie.
Laut und qualvoll.
Schweißgebadet wachte ich in meinem Bett auf. Es war nur ein Albtraum sagte ich mir. Nichts weiter. Schon seit Tagen werde ich von Albträumen heimgesucht. Es ist immer der gleiche. Eine Frau auf der Straße, deren Gesicht ich nicht sehen kann. Ein Auto, das vor ihr eine Vollbremsung machte. Ein Mann in schwarzer Kleidung stieg aus. Er ging auf sie zu. Die Frau zitterte vor Angst. Der Mann zieht ein Messer und rammt es ihr ins Herz. Dann hörte man nur noch qualvolle Schreie. Ich schauderte bei der Erinnerung. An Schlaf war nicht mehr zu denken. So stieg ich aus meinem Bett und machte mich auf ins Bad, um mir einen Schluck Wasser zu gönnen. Als ich mein Wasser aus getrunken hatte, schaute ich in dem Spiegel. Mein Spiegelbild schaute leidend zurück. Unter meinen Augen zierten sich tiefe dunkele Augenringe. Kein Wunder, in den letzten Tagen hatte ich auch kaum schlafen können. Meine Haare standen wirr in allen Seiten ab. Mein Gesicht war total verschwitzt, wie auch mein Nachthemd. Eine verschwitze Haarsträhne klebte mir im Gesicht. Ich beugte mich über das Waschbecken, stellte den Wasserhahn an und schmiss mir Wasser ins Gesicht. Als ich wieder in dem Spiegel schaute, weiteten sich meine Augen vor Schreck, mein Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Im Spiegel hinter mir, sah ich eine dunkele Gestalt mit einem blutigen Messer in der Hand. Ich wirbelte herum. Doch hinter mir war nichts. Die Albträume tun mir gar nicht gut dachte ich. Ich habe ja schon Wahnvorstellungen. Auf einmal hörte ich Schreie. Sie kamen vom Dachboden. Mit klopfenden Herzen ging ich zu der Treppe, die zum Dachboden führte, und stieg hinauf. Als ich jedoch oben ankam, war da nichts außer einer Truhe, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Sie war alt und verrostet. Die Truhe war mit goldfarbenen Ornamenten geschmückt und sah sehr edel aus. Obwohl mir das Herz immer noch in der Brust zu zersprengen drohte, ging ich vorsichtig auf die Truhe zu. Erst jetzt fiel mir auf, dass dir Truhe mit einer dünnen Staubschicht übersät war. Neben der Truhe lag ein Gold überzogener Schlüssel. Ich nahm ihn an mich. Mit zitternden Händen öffnete ich die Truhe. Was ich dann sah, verschlug mir den Atem. In der Truhe lag ein Herz. Ein echtes menschliches Herz! Nicht das, das was ich sah, nicht schon beängstigend genug war. Nein. Was mich noch mehr erschreckte war:
Es schlug!
Es schlug wie ein lebendiges Herz. Auf einmal spürte ich einen kühlen Hauch auf meiner Haut. Darauf kam ein folgender Schrei. Ich zuckte vor Schreck zusammen und drehte mich um. Hinter mir stand eine helle Gestalt, in einem weißen blutverschmierten Kleid. Jetzt erst erkannte ich, dass es eine Frau war. Sie hatte ein Loch in der Brust. Ich schrie auf. Dann wanderte mein Blick in ihr Gesicht. Ihre Haut war so zart und hell wie Porzellan. Ihre Lippen waren voll und sinnlich. Eine zart geschwungene Nase stand gerade in ihrem Gesicht. Die Augen hatten einen jadegrünen Ton. Mahagonirote Locken umrahmten ihr hübsches Gesicht. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag: Das war die Frau aus meinen Träumen! Obwohl ich zuvor noch nie ihr Gesicht gesehen habe, wusste ich einfach das Es sie war. Auf einmal fing sie an zu sprechen. Ihre Stimme klang, als ob sie sie seit Jahren nicht mehr benutzt hätte. Dennoch klang ihre Stimme sehr melodisch. „Du musst hier ganz schnell weg, mein Kind“ sagte sie. „Du musst raus aus diesem Haus. Er wird dich holen. Er wird dir das Herz aus der Brust schneiden, genau, wie er es bei mir getan hat.“. Als ich anfing zu sprechen, zitterte meine Stimme. „Wer … Wer bist du? Oder was bist du? Was machst du hier? Und wer ist er?“.
„So viele fragen …“ murmelte sie. „Diese Fragen sind jetzt alle unwichtig. Das einzig Wichtige ist, in Moment, das du aus diesem Haus raus kommst!“ Als ich mich nicht bewegte, sagte sie mir schnell: „Ich bin Morgaine Malaysia. Ich bin ein Geist und ich bin hier, um dir zu helfen. Und er ist der schwarze Mann. Er hat mir mein Herz genommen, das jetzt in der Truhe verweilt. Und wenn du jetzt nicht aus diesem Haus verschwindest, wird dir das Gleiche passieren. Du musst … “ Den Rest des Satzes verstand ich nicht mehr, denn schon packte mich was von hinten und zog mich an sich. Das Letzte, was ich sah, war ein Blut verschmiertes Messer. Ich hörte einen qualvollen Schrei. Es war mein eigener.




Kapitel 1



„Hey, Laura. Wach auf.“
Ich wollte nicht aufstehen. Noch nicht. Ich drehte mich auf die Seite und zog die Decke über den Kopf.
„Laura steh jetzt auf!“
„Ich will nicht.“ murmelte ich in mein Kissen. Auf einmal wurde mir die Decke weggerissen, die wohlige Wärme war verschwunden und das Licht, das aus meinem Fenster strömte, blendete mich.
„Los, Laura. Wir wollen zu Oma. Sie hat uns zum Essen eingeladen.“ sagte meine Mutter.
„Ich komme ja gleich. Lass mich erstmal richtig wach werden, Mom.“ antwortete ich. Meine Mutter nickte kurz. Sie ging zur Tür, stoppte aber kurz und drehte sich zu mir um. „Wenn du in einer halben Stunde nicht unten bist, komm ich noch einmal hoch und schleife dich aus deinem Bett! Klar?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie durch die Tür. Ich hörte sie noch die Treppen runtersteigen und dann war alles still. Langsam setzte ich mich auf. Mir tat alles weh, als hätte ich die ganze Nacht durchgefeiert. Ich fragte mich, woher dass wohl kam, machte mir aber dann keine Gedanken mehr darüber und ging ins Bad, um mich fertig zu machen. Im Bad angekommen, schelte ich mich aus meinem Nachthemd und stieg erstmal unter die Dusche. Das Wasser prasselte warm meinem Körper hinab. Es war sehr angenehm, das Wasser auf meiner Haut zu spüren und am liebsten wäre ich noch Stunden unter der Dusche geblieben, aber dann fiel mir wieder die „Drohung“ meiner Mutter ein, dass sie rauf kommen würde, wenn ich mich nicht beeilte. Da mir sowieso nicht mehr viel Zeit blieb, griff ich schnell zu meinem Shampoo, massierte es ein und spülte es anschließend wieder raus. Ich entschied mich dafür, dass ich heute mal auf Duschgel und Eincremen verzichten könnte und stieg aus der Dusche. In einem Handtuch gehüllt, ging ich in mein Zimmer, um mir Klamotten aus meinem Schrank zu nehmen. Der kühle Wind, der durch mein geöffnetes Fenster wehte, streichelte über meinem feuchten Körper und verursachte bei mir eine Gänsehaut. Ich griff nach irgendwelchen Sachen und machte mich wieder schnell ins Bad. Dort angekommen, trocknete ich mich erstmal richtig ab. Dann fiel mein Blick auf den Spiegel. Etwas an meinem Spiegelbild verwunderte mich. Ein großer Kratzer prangte auf meiner Brust, knapp über meinem Herzen. Er hatte ein Ausmaß von ca. 10 cm. Ich fragte mich, woher ich diesen Kratzer wohl hatte, kam allerdings nicht auf die Antwort. Doch so eingehender ich den Kratzer betrachtete, kam es mir so vor, als müsste ich mich an irgendetwas erinnern, was von enormer Wichtigkeit wäre. Was es allerdings war, konnte ich nicht sagen. „War bestimmt nur Felix, mein Kater. Vielleicht hatte er in der Nacht wieder bei mir geschlafen und hatte mich da aus Versehen gekratzt.“ sagte ich zu meinem Spiegelbild. Somit war der Fall für mich erst einmal erledigt. Mein Blick fiel auf die Uhr, die über der Badezimmertür hing, und zeigte mir, dass ich nur noch 10 Minuten Zeit hatte. Ich zog mich schnell an, kämmte mir die Haare, putzte mir die Zähne und machte mich auf zur Küche. Gerade als ich an der Dachbodentreppe vorbei gehen wollte, stoppte ich. Da war wieder dieses Gefühl, das ich auch schon vorhin im Bad gehabt hatte. Dieses Gefühl irgendetwas vergessen zu haben… Ich schüttelte den Kopf. Was hab ich eigentlich für Drogen genommen?, dachte ich mir. Bestimmt hat mir mein Bruder was in meinem Getränk geschüttelt, ohne dass ich es bemerkt habe. Immer noch den Kopf über mich schüttelnd, ging ich die Treppe hinunter, die zum Erdgeschoss führte, wo ich mit einem liebevollen „Na, da bist du ja endlich. Eine Minute länger und ich wäre rauf gekommen.“ Von meiner Mutter begrüßt wurde. „Einen wunderschönen guten Morgen, ich hab dich auch lieb, Mom.“ sagte ich zu meiner Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Hey, ich will auch einen Kuss!“ entgegnete mein Vater, und sah mich über seiner Zeitung hinweg an. Ich ging zu ihm rüber und gab ihn einen Kuss auf die hingehaltene Wange. Dann sah ich zu meinem älteren Bruder Sebastian rüber, der gerade sein letztes Stück Marmeladentoast in sich hinein stopfte. „Bleib mir bloß vom Leib!“ sagte er, als er meinen Blick bemerkte. „Ich will nicht von dir abgeschlabbert werden“. Ein Grinsen stahl sich auf meinem Gesicht. Langsam pirschte ich mich an ihn heran, wie ein Löwe an seiner Beute. Gespielt verängstig riss er die Augen auf und schrie „Komm keinen Schritt nähr, du feindliche Bestie!“ Das letzte Stück, das uns noch trennte, überwand ich in einem einzigen Sprung. Meine Arme umfingen seinen Hals und dann knutschte ich ihn ab. „Igitt, hau ab!“ rief er. Er versuchte mich von sich wegzudrücken, was ihn aber nicht sonderlich gut gelang. Immer wieder knutschte ich ihn ab, bis das schließlich zu einer Rangelei führte. Dann wurden wir aber von meinem Vater unterbrochen. „Am Frühstückstisch wird nicht gekämpft.“ sagte er. „Sonst kriegt ihr heute nichts mehr zu essen.“ Sebastian und ich sahen uns an. Ein Grinsen stahl sich auf unseren Gesichtern. Wir beide richteten langsam unseren Blick auf unseren Vater. Dann stürmten wir zu ihm rüber und er musste sich jetzt auch eine Knutschorgie unterziehen. „Ist ja schon gut! War nicht so gemeint. Aber bitte lasst mich in Ruhe meine Zeitung lesen.“ Mein Vater rang mit den Händen und sah hilfesuchend zu meiner Mutter, die sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. „Naja.“ sagte sie, während sie sich die Tränen aus den Augen wischte. „Da wir jetzt alle wissen, dass wir uns lieb haben, könntet ihr jetzt vielleicht die Finger von euren Vater lassen? Er bekommt sonst noch eine Panikattacke.“
„Klar.“ meinte Sebastian. „Es wirkt sowieso etwas komisch, wenn ich einen Typen küsse. Was soll man denn da von mir denken?“ Sebastian verzog das Gesicht.
„Ist doch nicht schlimm. Du knutscht doch auch ständig mit Lukas rum“ grinste ich. Lukas war der beste Freund von Sebastian. Sie kannten sich seit dem Kindergarten. „Ach ja? Was ist mit Alex? Ich hab euch auf den Schulhof rumknutschen sehen.“ Sebastian lächelte teuflisch. Meine Eltern sahen mich neugierig an. Mist, dachte ich. Jetzt sitze ich in der Falle. Ich wurde rot. Ob vor Scham oder Wut wusste ich nicht. Natürlich hatte ich Alex nicht

geküsst. Hier und da war mal ein kleiner Flirt, aber sonst nichts. Ich… ich schwärme nur ein bisschen für ihn, wie jedes andere Mädchen auch. Irgendwie muss es Sebastian wohl gemerkt haben, weil seit einiger Zeit ärgerte er mich immer wieder mit dieser Alex-Sache. Mein Vater zog eine Augenbraue hoch. „Was ist den mit diesem Alex?“ fragte er. „Nichts.“ antwortete ich. Ich warf Sebastian einen Blick zu, der ihn sicher umgebracht hätte, wenn Blicke hätten töten können. Mein Vater sah mich immer noch, mit einem unergründlichen Blick, an. „Es ist wirklich nichts.“ meinte ich. „Nur eine kleine Schwärmerei. Nichts Ernstes.“ Puh. Ich hatte mich gerade noch so aus der Schlinge gezogen. Auf jeden Fall, wirkte mein Vater beruhigt. Nur meine Mutter grinste und mein Bruder blickte mich wissend an. Ich hob die Zeitung auf, die während der Knutscherei meinem Vater runter gefallen war, und gab sie ihm zurück. Dann sah ich zu meinem Bruder rüber, der sich inzwischen wieder hingesetzt hatte und mich belustigt anschaute. „Du wirst noch sehen was du davon hast.“ formte ich mit meinem Lippen. Jetzt schien mein Bruder noch belustigter zu sein. Als ich an ihn vorbei ging, raunte ich ihn noch zu „Rache ist süß“, was dazu führte, dass er in Gelächter ausbrach. Obwohl es mich fürchterlich aufregte, dass er anscheinend keinen Respekt vor mir hatte, lächelte ich meine Eltern liebevoll an und sagte „Ich geh dann mal nach oben. Ich muss noch ein paar Sachen weg packen, bevor wir zu Oma gehen“ Meine Mutter sah mich verwundert an. „Aber du hast noch gar nichts gegessen.“ meinte sie. „Wir essen sowieso später noch bei Oma. Also ist das doch kein Problem, oder?“ fragte ich. Obwohl man merkte, dass das meiner Mutter überhaupt nicht gefiel, dass ich ohne gefrühstückt zu haben, aus dem Haus gehen wollte, nickte sie widerwillig. Immer noch mit einem liebevollen Lächeln auf meinem Gesicht, drehte ich mich um und ignorierte meinen Bruder, der immer noch leise in sich hinein lachte, und stieg die Treppe hinauf, die zu meinem Zimmer führte.


Kapitel 2



Wir saßen alle im Wohnzimmer meiner Oma. Meine Oma war 65 Jahre alt, aber noch lange nicht klapprig. Sie war fit und hatte ein Lachen, das jeden mitreist. Ihre leicht ergrauten, blonden Löckchen wippten hin und her, als sie ihre berühmten Schweinerouladen mit Kartoffeln und Sauerkraut auf den Tisch stellten.


Fortsetzung folgt ;)

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 27.04.2011

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