Er war schon alt.
Und solange er sich erinnern kann,war er von einer Unruhe geprägt,welche sein ganzes Leben eine Triebfeder war.Mit 19 übernahm er den Betrieb seines Vaters und führte ihn 55 Jahre lang zum Erfolg. Später übernahmen seine Söhne den Betrieb und er erlebte plötzlich, wie wenig er mit seiner freien Zeit anzufangen wusste.
Seine Freunde waren bereits alle Tot ,ebenso seine Frau. Wenn er an sie denkt,sieht er ihre liebevollen Augen und erinnert sich an ihre phantasievollen Geschichten,welche manchmal aus den banalsten Dinge entstehen konnten. Irische Lebensart.Sie fehlte ihm. Und wenn er früher mit Ungeduld reagierte,so würde er heute mit Freuden zuhören.
Der Wunsch etwas zu erledigen war groß,aber da war nichts.
Oft schaute er seinen Enkelkindern beim ausgelassenen Spielen zu.Doch ihr Lachen irritierte ihn manchmal und ihr Weinen erschreckte ihn so sehr.
Eines Abends, er war noch bei seiner Schwiegertochter,sollten die Kleinen in´s Bett.Sie riefen nach ihm." Wahrscheinlich noch einen Gute-Nacht Kuss "flüsterte ihm seine Schwiegertochter zu .Also ging er hinein ins Zimmer.Wie erstaunt war er jedoch als sie von ihm eine Geschichte vorgelesen haben wollten.
Mein Gott, wie lange war das schon her,das er eine Geschichte vorlas.Unbehagen stieg in ihm auf und wie gerne wäre er jetzt gegangen,wären da nicht die erwartungsvollen Augen welche flehentlich zu ihm aufsahen.So gab er sich einen Ruck und griff nach dem nächsten Buch das ihm zur Hand lag. Elfenland. So war der Titel. Er schmunzelte. Elfen.
Er begann. Erst zögerlich,denn das laute lesen fiel ihm nicht leicht. Doch dann führte er die Kinder in eine Welt voller Licht und Wunder. Er fühlte die Worte und ihre Wirkung vefehlten sein Herz nicht. Er tauchte ein in diese Welt und staunte. So war er fast ein wenig enttäuscht als er aufsah und feststellte das die kleinen mit einem Lächeln eingeschlafen waren.
Morgen. Morgen würde er weiterlesen. Zärtlich deckte er sie zu und gab ihnen einen Kuss. Seine Schwiegertochter staunte nicht schlecht als sie sah mit welcher Ungeduld der Großvater darauf wartete, das die Kinder zu Bett gehen sollten.
Freudig erregt setzte er sich zu ihnen ans Bett und las dort weiter, wo er meinte das die Kleinen gestern eingeschlafen waren.Wieder lächelte er.Denn wie sie, ist auch er gestern mit einem Lächeln eingeschlafen.
Heute galt es Cereborn anzutreffen.Den Herrscher der Elfenwelt in seinem Waldschloß , mit dem herrlichen Lebensbrunnen und den glanzvollen Gestalten die mit ihm dort lebten. Den Elfen.
Diesmal fiel es ihm sogar schwer die Kinder nicht zu wecken damit sie mit ihm zusammen von der unendlichen Schönheit und Pracht des Schlosses und seiner friedvollen Bewohnern im immergrünen Wald erfahren konnten.Wälder. Wie lange ist DAS schon wieder her, das er im Wald war. So nahm er sich vor, am nächsten Tag in den Wald zu gehen.Tief atmete er die Luft ein. Würzig war sie und frisch.Bildete er sich das nur ein,oder fühlte er sich tatsächlich leichter?
Auch seine Ruhelosigkeit war nicht mehr da.
Automatisch verlangsamte er seinen Schritt und lauschte zum erstenmal den Geräuschen um ihn herum. Er sah viele Vögel und erkannte aufgewühlte Spuren im Waldboden, die Wildschweine hinterlassen.
Einmal sah er ein Reh. Diese sanften Augen. Nach einer Stunde etwa erreichte er eine Lichtung.Sie sah völlig unberührt aus. Keine aufgewühlte Erde und selbst Spaziergänger schienen sich hier kaum zu verirren.
Sie war groß ,mit einer jener Waldwiesen wie man sie manchmal im Wald antrifft. Es war ruhig hier. Fast friedlich. Ein großer Baum stand dort. War es eine Buche? Er wusste es nicht. Aber die Rinde war gefurcht und fühlte sich warm an . Langsam glitten seine Finger am Stamm entlang und er spürte welches Alter dieser Baum mitsich trug. Er blickte sich um.Selbst diese kleinen Vögel waren hier zutraulicher. Einer flog ihm sogar auf die Schulter und blieb sogar sitzten als er die Lichtung durchstreifte.Vorsichtig drehte er den Kopf zur Seite und beobachte seinen Passagier. Er hockte einfach da,plusterte sein Federkleid auf und schloß die Augen.
Verrückter Vogel dachte er und musste unwillkürlich Lächeln.Langsam dämmerte es und schwer fiel ihm die Entscheidung " Cereborn´s Lichtung", so nannte er sie , zu verlassen. Aber er würde wiederkommen.
Es war Herbst als er wiederkam.Er stürmte, so gut er konnte, richtung Baum und fühlte sich wie ein Kind das nach langer Zeit nach Hause kommt und mit kindlicher Freude seine Wange an die Rinde des Baumes anschmiegte.Er war glücklich.Fasziniert blickte er um sich. Das Laub schenkte der Lichtung ein Farbenmeer von Gold und Ockertönen.Eingepackt in einer Daunenjacke blickte er um sich und eine tiefe Freude stieg in ihm auf.Sogar der kleine Vogel war noch da.Fliegen die nicht im Herbst richtung Süden? Egal . Er freute sich, das dieser es zumindest nicht getan hat.
Von nun an kam er sooft er konnte.Brotkrümel für den gefiederten Freund, eine Thermoskanne mit Tee und eine Flöte. Sein Großvater hat sie ihm aus einen Holunderstrauch gemacht.Sie klingt heute noch schöner als früher.Aber da kannte er ja auch diese Lichtung nicht. Seltsam eigentlich. Er war der Meinung die ganze Umgebung in und auswendig zu kennen. Schließlich ist er hier groß geworden und hat nie woanders gelebt.
Als hätte sich diese Lichtung Jahrzehntelang vor ihm verborgen gehalten.Die Wanderungen hierher taten ihm gut. Den Spazierstock brauchte er schon lange nicht mehr. Und oftmals tobte er mit seinem gefiederten Freund über die Lichtung,so als spielten sie fangen.
Spielen.Ausgelassenes Lachen.Das machte er jetzt auch Zuhause mit seinen Enkelkindern, und seine Schwiegertochter schüttelte oft verwundert den Kopf dazu. Es war herrlich.Wie hat er das nur vergessen können.Er war jetzt 89 Jahre alt und fühlte sich lebendiger als nie zuvor in seinem Leben.
Das Buch hatte er schon längst mit den Kindern zuende gelesen und berichtete ihnen nun von seinen Erlebnissen mit seinem Freund auf der Lichtung.Er erzählte ihnen auch das es dort tatsächlich Elfen und auch zumindest einen Troll dort gab. Dieser hat ihm nämlich sein Brot geklaut.Dieser Quälgeist verschwand einfach in seine Höhle unter einer Wurzel. Aber als er sich hinkniete hörte er Geräusche als würde jemand mit viel Anstrengung einen unhandlichen Gegenstand hinter sich herzerren."Eine Maus Großvater!Sie hat dein Brot geklaut!" riefen die Kinder.Und lachten ihn aus.
Also berichtete er ihnen nichts mehr über seine Erlebnisse.Kein Wort über die zärtlichen Berührungen auf seiner Wange und auch kein Wort über dieses zauberhafte Wesen, welches ihn manchmal aus sicherer Entfernung beobachtete.
Es war nicht wichtig.Er wußte es und ging jedesmal mit leichtem Herzen hin und schweren Herzens zurück.
Eines Tages,so sagte er sich wird er einfach dort bleiben.
Das tat er dann auch.Er legte sich einfach hin und stand nicht mehr auf.Man fand ihn mit einem Lächeln im Gesicht und einem kleinen Vogel auf der Brust.Und Jahre später folgten ihm seine Söhne an der selben Stelle.
An Cereborn´s Lichtung.
Texte: Dieser Text wurde ausschliesslich von mir geschrieben.
Tag der Veröffentlichung: 12.08.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme diese Geschichte all denjenigen die sich an kleinen Dingen des Lebens erfreuen können. Und an die Muse die mich knutschte.