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Scheisse!"
Leise fluchend hielt ich meinen schmerzenden Fuss.
"Luke! Lass nicht immer deinen Scheiss im Weg rumliegen! Ich wohne hier auch noch!"
Ich liebte meinen Bruder, aber manchmal konnte ich ihn echt erwürgen!
"Tut mir Leid, Kleine! Hab ich vergessen!" Grummelnd schob ich seine Schuhe, die mitten auf dem Flur lagen, zur Seite und schob mich an seinem Gitarrenkasten vorbei. Daran hatte ich mir übrigens gerade eben den Fuss angeschlagen, denn das Ding war nicht aus Stoff, nein, aus massivem Plastik! Und das tat scheisse weh!
Ich musste meinem Bruder unbedingt mal ein bisschen Selbstdisziplin ins Gehirn hämmern!
Aus dem Wohnzimmer erklang die quäkende Stimme von Spongebob Schwammkopf und ich verdrehte die Augen.
"Sag mal, Bruderherz, wie alt bist du gleich noch mal?" Luke warf mir einen entnervten Seitenblick zu. "Drei Minuten älter als du, jedenfalls!" Puuh. Die Antwort musste ja kommen! Luke war ja so stolz auf sein höheres Alter! Trotzdem war noch immer ich die Vernünftigere, die Intelligentere - nein, das ist tatsächlich kein falscher Stolz, sondern die reine Wahrheit - und die... hm... mir fällt nichts mehr ein.
"Ach komm schon Alice, früher hast du Spongebob auch immer geliebt! Jetzt tu nicht so, als könntest du diesem süssen Kerl widerstehen!"
Er warf mir über seine Schulter seinen herzerweichenden Welpenblick zu - der bei mir übrigens einen Scheissdreck nützte - und tätschelte die freie Stelle neben sich auf dem Sofa. "Komm schon, es sieht dich niemand, du kannst das Kind in dir ruhig mal wieder rauslassen!" Luke grinste spöttisch und schnappte sich meine Hand. Mit einem Ruck zog er mich über die Sofalehne, sodass ich mit einem lauten Schrei in verkrüppelter Lage neben ihm zu liegen kam. "Verflucht, Luke! Spinnst du?" Fluchend setzte ich mich in eine angenehmere Position und funkelte meinen Bruder böse an.
"Sorry, Süsse. Konnte nicht widerstehen!" Wenige Sekunden später hingen seine Augen wieder gebannt auf dem Bildschirm.
Erneuert verdrehte ich die Augen, ehe ich mich mit einem tiefen Seufzer ebenfalls dazu überwand, dem gelben Quadratschädel zuzuschauen.
Luke hatte Recht. Früher hatte ich die Show geliebt, allerdings war nicht mein "erwachsen werden" daran Schuld, dass ich es nicht mehr schaute, sondern eher der Grund, dass ich schon jede Folge kannte. So auch die.
"Kommst du heute Abend mit zu Lex? Da steigt 'ne Party. Bock?" Ich dachte kurz nach.
Ich musste eigentlich noch ziemlich viel erledigen, aber mein Schädel brummte schon alleine beim Gedanken an den Berg von Hausaufgaben und dem Rest.
Nein, heute Abend würde ich mich wieder einmal gehen lassen! Entschlossen nickte ich und bekam ein erfreutes Lächeln von Luke geschenkt. Ich liebte sein Lächeln.

"Alice, mach Mal! Ich hab Lex versprochen, ihm noch bei den Vorbereitungen zu helfen! Um sechs wollte ich bei ihm sein, und jetzt ist schon viertel nach!"
Ich fluchte leise und warf einen Blick auf die Uhr über meinem Nachttischchen. Blitzschnell dachte ich nach und sah kurz aus dem Fenster. Es war kühl, aber es würde gehen.
"Geh schon, ich komme mit meinem Baby nach!"
Luke rief sein Okay hinauf und verliess kurz darauf laut polternd das Haus. Ich grinste bei dem Gedanken an meine geliebte Harley und die bevorstehende Fahrt.
Gemächlich machte ich mich fertig und verliess in meiner Lederkluft das Haus.
Vorfreudig schob ich mein Baby aus der Garage und raste wenige Sekunden später durch die Nacht.
Der Wind peitschte mir entgegen, doch durch den Helm machte mir das wenig aus. Meine Haare würden nach der Fahrt zerstört sein, aber es war mir scheissegal.
Lex hatte genug Badezimmer in seiner Villa, ich würde mich dort schon einschliessen können.
Mit purem Adrenalin im Blut erreichte ich das riesige Anwesen und parkte meine Maschine in der Garage, direkt neben der Karre meines Bruders.
Meine Pumps gaben hohe Töne von sich, als ich über den Betonboden lief und den Lift nach unten holte.
Dumpf hörte ich laute Musik durch die Wände. Irgend so ein Techno-Scheiss.
Verärgert fragte ich mich, ob die ganze Party nur solche Musik laufen würde, dann könnte ich nämlich gleich wieder umdrehen.
Zur Erklärung: ich hasste die Art von Musik.
Eigentlich hörte ich fast alles, aber Techno, House und was das auch immer was ging mir einfach nur gegen den Strich!
Mit ACDC oder Led Zeppelin konnte man mich eher begeistern.
Leider hörte das ja heutzutage fast niemand mehr in meinem Alter.
Vorsichtig stiess ich die Tür zum Wohnzimmer von Lex auf, das jetzt fast vollkommen leergeräumt war.
Ich kannte das Haus von Lex und wusste, dass er normalerweise ein ziemlich schick eingerichtetes Wohnzimmer besass, aber jedes Mal, wenn er eine Party schmiss, räumte er alles weg. Jetzt hatte er den grossen Raum in eine Tanzfläche verwandelt und die riesige Bar geöffnet.
In den Ecken leuchteten bunte Lämpchen die verschiedene Lichtreflexe durch den Raum schleuderten, ebenso, wie die riesige Discokugel, die sich langsam an der Decke drehte.
Es war noch nicht viel los, ein paar Gruppen unbekannter Menschen tummelten sich bei der Bar und der riesigen Couch, die ganz links die gesamte Wand einnahm.
Suchend sah ich mich um und entdeckte meinen Bruder, mit einer schlanken Blondine auf dem Schoss. Typisch. Genervt verdrehte ich die Augen.
Wenn es wenigstens nur eine Blondine wäre! Nein, alle Plätze um Luke waren mit Frauen besetzt, die ihn allesamt anhimmelten.
Kein Wunder, Luke sah auch verdammt gut aus mit den schwarzen Haaren und den dunkelblauen Augen. Ausserdem konnte der Knirps verdammt charmant sein. Und scheinbar war er auch noch gut im Bett.
Tja, das erklärte doch vieles, oder?
Ich selbst tickte in der Beziehung ein bisschen anders als mein Gegenstück, da ich meist einen Bogen um männliche Geschöpfe machte.
Ich liebte Sex, welche Frau tat das schon nicht? Trotzdem kam man bei mir höchstens zwei Mal ins Bett, mehr lag nie drin.
Ich war eben keine Frau für längere Beziehungen. Romantik hasste ich schon als Kind, die Herzchen an den Valentinstagen zerriss ich fast immer mit grösstem Genuss.
Der einzige Mann, den ich in mein Herz liess, war Luke, und bei ihm wusste ich auch, dass er mich niemals verletzen würde. Ich vertraute ihm blind.
"Hey Süsse!" Luke hatte mich entdeckt und sprang auf, wodurch die Blondine empört aufschrie. Ich grinste ihn wissend an und lief ihm entgegen. "Na, mein Grosser? Mal wieder in weiblicher Gesellschaft?" Er lächelte spöttisch. "Was denn sonst?"
Fest zog er mich in eine kurze Umarmung, gab mir zuerst einen kurzen Kuss auf die Stirn, ehe er seine weichen Lippen flüchtig auf meine drückte.
Das war unsere Begrüssung, schon seit Jahren.
"Na, schon ein Opfer für die Nacht gefunden?" Luke grinste und warf einen Blick auf die Blondine, die uns aus Schlitzaugen beobachtete. Ich grinste sie spöttisch an und zog meinen Bruder eng an mich. Tja, Süsse. Das hättest du wohl auch gerne, was?
Blondie blitzte mich böse an, ehe sie sich demonstrativ abwendete und mit einer anderen Tusse ein Gespräch begann. Vermutlich über Fingernägel oder die neuste Prada-Tasche.
"Luke, warum zum Teufel gibst du dich eigentlich mit solchen Frauen ab? Du hast echt was besseres verdient!" Luke lachte und löste sich von mir. "Na, die sind eben gut für den Spass. Ausserdem kennst du mich gut genug, ich will schliesslich nichts Festes von diesen Weibern. Tracy weiss das." Tracy also. Morgen hatte er ihren Namen vermutlich schon wieder vergessen.
"Komm Süsse, Lex freut sich bestimmt, dich zu sehen!" Ich lächelte leicht. Ja, Lex...
Lex war sozusagen der geilste Kerl der Uni. Jeder kannte ihn, jeder wollte mit ihm befreundet sein und bla bla bla...
Nach aussen hin wirkte Lex wie ein arroganter Schnösel mit viel Geld. Ausserdem war er Bi und hatte dementsprechend oft was am laufen.
Aber eigentlich war er total lieb, ziemlich sensibel und hatte einen ausgeprägten Beschützerinstinkt.
Ich mochte ihn ziemlich, aber eher wie ein zweiter Bruder.
Trotzdem hatte ich nie was gegen ein kurzes Stelldichein mit dem sexy Kerl, der mich gerade in eine herzliche Umarmung zog.
"Na, Kleines? Alles klar bei dir?" Er schob mich ein Stück von sich und betrachtete mich mit einem warmen Lächeln.
"'Türlich. Und bei dir, Süsser?" Er zwinkerte. "Klar."
Er nahm meine Hand und zog mich zu der Bar. Sein jüngerer Bruder Jon fungierte wohl mal wieder als Barkeeper, denn er stand dahinter und drückte mir jetzt mit einem frechen Zwinkern ein Bier in die Hand. "Hey Liz! Wie war deine Woche?" Ich musste grinsen und lehnte mich an den Tresen. Der kleine, blonde, verdammt sexy Kerl gehörte zu meinen besten Freunden, ausserdem war er schwul.
"Lust, die Menge ein bisschen aufzumischen?" Ich sah mich kurz um, und bemerkte, dass mittlerweile echt viele Leute dazugekommen sind.
Sofort nickte ich erfreut, denn die Musik war noch immer Schrott. "Ich überlass dir die Wahl. Bring einfach nix zu hartes, die Leute vertragen das nicht immer so." Ja, da hatte Jon durchaus Recht.
Ich durchsuchte die Interpreten und fand schliesslich ein Lied von Sum41. Das war ganz okay und nicht zu hart. Ausserdem schien es der Menge zu gefallen, denn schon bald tanzte fast jeder drauflos.
Ich setzte mich wieder an die Bar und plauderte weiter mit Jon.
"Scheisse!" Plötzlich fluchte Jon drauflos und kam hinter der Bar hervor. Verwirrt sah ich mich um. "Was ist los, Jon? Hast du deinen Ex-Lover entdeckt, oder wie?" Es sollte eigentlich ein Witz sein, doch als ich die ernste Miene von Jon bemerkte, wusste ich, dass ich es auf den Punkt getroffen hatte. "Shit! Wo ist der Mistkerl?"
Ich kannte Jons Ex, Daniel Mikker gut genug, um zu wissen, dass der Kerl immer Ärger machte.
Jon und er waren drei Monate lang ein Paar gewesen, doch eines abends war Jon heulend bei mir aufgekreuzt. Nach mehreren Stunden bekam ich endlich einen anständigen Satz aus dem verstörten Jungen heraus. Das Arsch hatte den Kleinen doch tatsächlich vergewaltigt! Jon war ziemlich sensibel und heftig verknallt gewesen, doch als Daniel betrunken bei ihm aufgetaucht war und ihn gegen seinen Willen genommen hat, erkannte er das wahre Gesicht seines Freundes. Doch seitdem Jon Schluss gemacht hatte, drangsalierte Daniel ihn die ganze Zeit und machte ihn aufs übelste fertig.
Fluchend stellte ich mich neben Jon und suchte nach meinem Bruder und Lex. Die beiden standen bei einer Gruppe Bekannter und lachten, ohne zu bemerken, was für ein Arsch da gerade die Party zu sprengen drohte.
"Luke! Alex!" Verdutzt hob mein Bruder den Kopf und sah zu mir rüber.
Er kannte mich gut genug, um sofort zu kapieren, dass etwas nicht stimmte und winkte Lex zu sich.
Keine zwei Sekunden später standen die beiden ebenfalls bei uns und starrten Daniel böse an, der sich gemächlich einen Weg zu uns bahnte.
"Ach, sieh mal an, wer da kommt... hab ich dich etwa eingeladen, Pisser?" Lex schenkte dem bulligen Kerl ein spöttisches Lächeln.
Der grinste wölfisch und fixierte Jon, der sich halb hinter mich drückte. Jon war im Gegenteil zu seinem Bruder eher schmächtig gebaut und konnte sich auch nicht besonders gut wehren.
"Versteckst du dich, Jonnyboy? Hinter einem Mädchen?" Ich warf ihm einen bösen Blick zu. "Hau ab, Mikker!", knurrte Luke und trat einen Schritt vor.
"Du hast hier nichts zu suchen! Verschwinde von meinem Grundstück und lass die Finger von meinem Bruder!" Alex trat neben Luke und ballte die Hände zu Fäusten.
Beschwichtigend, aber keineswegs ernst gemeint, hob Mikker seine Hände und trat einen halben Schritt zurück. "Hey, immer langsam. Tracy hat mich eingeladen! Das konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen." Tracy, dieses Miststück! Von dieser Blondine konnten ja nur dumme Ideen kommen! "Dann lade ich dich hiermit wieder aus, Arschloch!" Jon drängte sich an mir vorbei und funkelte seinen Ex mit abgrundtiefem Hass an. Daniel schenkte ihm ein verführerisches Lächeln, und plötzlich wusste ich, was Jon einmal an ihm gefunden hatte. Mit diesem Lächeln sah er wirklich sexy aus, trotzdem war er das grösste Arschloch auf dieser Welt! "Verschwinde!", zischte Luke und schob sich etwas mehr nach rechts, um Jon wieder zu verdecken.
"Nein, nicht ohne ihn!" Anklagend zeigte Mikker auf Jon. "Er hat mir seinen Körper geschenkt, er gehört mir!" Er wandte den Blick wieder zu Jon. "Mir, mir ganz allein!" Jon zitterte und ich zog ihn sofort wieder hinter mich. "Lass ihn in Ruhe, Daniel!", zischte ich aufgebracht. "Halt die Fresse, Schlampe!"
Ich zuckte zusammen.
Damit hatte er eine Grenze überschritten. Luke trat vor, die Hände so fest zusammengeballt, dass die Knochen weiss hervortraten. "Was hast du gerade gesagt? Hast du meine Schwester gerade Schlampe genannt?" Seine Stimme war gefährlich leise, ich wusste, dass er gleich ausrasten würde. Sofort trat ich vor und versuchte ihn an der Schulter zurückzuziehen. "Lass ihn, Luke. Er ist es nicht wert!"
Doch Luke schüttelte mich einfach ab und trat dicht vor Daniel.
Der zuckte mit keiner Wimper, als er ein spöttisches Lächeln aufsetzte und sich ebenfalls näher zu ihm beugte.
"Du hast schon richtig gehört. Deine Schwester ist eine Schlampe. Eine billige Nutte. Hure." Erneuert zuckte ich zusammen. Wut staute sich in mir an und brodelte hoch, trotzdem versuchte ich den Drang, ihm ins Gesicht zu schlagen, zu unterdrücken.
Doch Luke besass diese Geduld und Selbstbeherrschung nicht.
Seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich und er holte aus.
Dumpf erklang das Geräusch, als Luke seine Faust in den Magen von Daniel Mikker donnern liess.
Keine zwei Sekunden später waren die beiden in eine heftige Prügelei verwickelt.
Verstörrt beobachtete ich sie und schrie auf, als Mikker die Nase meines Bruders erwischte und Blut spritzte. Ich stürzte vor und versuchte mich dazwischen zu drängen, doch plötzlich schien alles um mich herum zu explodieren. Ich bekam einen Ellbogen ins Gesicht, etwas traf mich hart am Hinterkopf. Im nächsten Augenblick verschlang mich die Schwärze der Ohnmacht.


Mein Kopf dröhnte.
Mein Körper fühlte sich so schwer wie Blei an.
Stöhnend versuchte ich meine Augen zu öffnen, doch sie waren total verklebt. Hatte ich gestern vergessen mich abzuschminken? Vermutlich.
Irgendwann schaffte ich es und blinzelte verwirrt in das schummrige Licht. Mein Gott, gestern hatte ich wohl wirklich zu viel gesoffen! Wo zum Teufel war ich überhaupt?
Verwirrt betrachtete ich die hölzerne Decke und das Stroh, das auf einem Vorsprung lag. Moment mal, Stroh?
Ich versuchte mich aufzurappeln, doch meine Glieder fühlten sich unheimlich weich an, ich knickte immer wieder unter der Last meines Gewichts ein. Stöhnend und mit pochendem Schädel liess ich mich wieder zurück sinken.
Langsam klärten sich meine Gedanken wieder und ich spürte die Härte des Bodens unter mir. Ausserdem pieksten mich unzählige Strohhalme in den Rücken.
Verzweifelt sammelte ich meine gesamten Kräfte und schaffte es immerhin mich hinzusetzen.
Ich befand mich in einem Schuppen, soviel wurde mir jetzt bewusst. Aber wie zum Teufel war ich hier her gekommen? Und wo war Luke?
Verwirrt sah ich mich um. Ich war alleine.
An den Wänden hingen Mistgabeln und andere eigenartige Sachen, ein kleiner Traktor war mit einer Planke zugedeckt, daneben standen andere Maschinen, die nur zu einem Bauer gehören konnten.
Mein Blick fiel auf ein rotes Banner, auf dem das Logo von Bauer Johnson prangte.
Mit Verzweiflung erkannte ich, dass ich mich in der Hütte ausserhalb der Stadt befand.
Früher hatten ich und Luke hier drin oft genug gespielt und das Banner als Piratenflagge oder was auch immer benutzt.
Keuchend versuchte ich mich zu erheben, schaffte es allerdings erst, als ich mich zu dem Traktor robbte und mich daran hochzog.
Wankend stand ich auf weichen Beinen und hatte das Gefühl, mein Kopf würde gleich explodieren.
Scheisse! Gequält schloss ich meine Augen und atmete tief durch, bis sich mein Kopf wieder ein bisschen beruhigt hatte.
Mit zittrigen Knien lehnte ich mich an den Traktor, ehe ich mich langsam zum Tor der Scheune aufmachte.
Draussen schien die Sonne für meinen Geschmack viel zu hell. Ein kühler Wind wehte und ich schlang fröstelnd meine Arme um meinen Körper. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich meine Lederjacke nicht mehr anhatte und nur noch im Tanktop hier stand.
Ausserdem fiel mir auf, dass meine Lederleggins auf der linken Seite einen Riss hatte. Scheisse! Was war da gestern bloss alles passiert? Verzweifelt versuchte ich mich zu erinnern, konnte mich allerdings nur noch an eine Party bei Lex erinnern. Hm, war da nicht was mit Daniel Mikker gewesen? Ne, der Kerl war doch schon länger nicht mehr aufgetaucht...
Und Jon, da war doch noch etwas mit Jon gewesen...
Doch danach kamen nur noch schwarze Nebelschwaden, die mir nichts brachten. Scheisse, ich musste so schnell wie möglich nachhause und herausfinden, wo mein Bruder abgeblieben war. Und danach musste ich noch zu Lex und meine Lady holen.
Frierend machte ich mich auf den langen Weg zurück und verfluchte immer wieder die hohen Pumps, in denen ich zwar problemlos stundenlang Party machen konnte, allerdings niemals mehrere Kilometer laufen würde.
Nach wenigen Minuten blieb ich stehen und zog mir die Dinger auf einem Bein hüpfend aus.
Zitternd lief ich weiter.
Früher als Kind hatte ich meist nur eine halbe Stunde gebraucht, allerdings war ich damals viel schneller unterwegs gewesen und hatte ausserdem nie einen pochenden Schädel mit mir rumgeschleppt.
Plötzlich kam mir der Gedanke, dass ich ja mein Handy in meiner linken Hosentasche hatte, doch als ich danach tastete fand ich nichts.
Scheisse, das auch noch! Hoffentlich hatte ich es bei Lex vergessen und nicht verloren! Ebenso wie die Lederjacke, die war nämlich scheissteuer gewesen!
Mit einem halben Schmunzeln bemerkte ich, dass ich momentan ziemlich oft fluchte, aber es war mir gerade echt sowas von egal.
Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, erreichte ich endlich die ersten Häuser und kam wieder in die Zivilisation.
Ich ignorierte die Leute um mich herum, die mich mit riesigen Augen anstarrten. Eine ältere Dame tippte mich an und fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich nickte erschöpft und lief einfach weiter.
Irgendwann fiel mein Blick auf das Schaufenster einer Boutique, doch nicht das was darin stand interessierte mich, nein, das Glas zeigte mir ein leicht verzerrtes Bild meiner selbst.
Ich keuchte erschrocken und trat näher. War das ich?
Mein Gesicht sah scheusslich aus! Quer über die Wange prangte ein Kratzer, mein linkes Auge war leicht blau, meine Lippen bluteten. Meine Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab.
Ich wirkte wie ein Zombie! Kein Wunder starrten mich alle so an!
Hastig senkte ich den Blick und lief so schnell ich konnte barfuss weiter.
Ich war mir sicher, schon mindestens eine Scherbe in meinem Fleisch zu spüren, doch ich blieb nicht stehen.
Nach einer Ewigkeit erreichte ich endlich den Stadtteil, in dem ich mit meiner Familie lebte. Automatisch wurde ich noch eine Spur schneller und klingelte wenige Minuten später heftig an der Haustür
Meine Mutter öffnete mit einem breiten Lächeln die Tür. Ihre Augen wurden riesig, ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Aufschrei.
"Alice! Was ist denn mit dir passiert?" Sie zog mich in eine heftige Umarmung. "Keine Ahnung", murmelte ich an ihrer Schulter. Sie schob mich von sich und betrachtete mich mit besorgten Augen. "Tut das arg weh?" Ich schüttelte den Kopf und humpelte zu dem Sofa. "Ist Luke schon da?"
Keine Antwort. Verwirrt drehte ich mich um, doch meine Mutter war schon verschwunden. Ich konnte sie im Bad fluchen hören. Vermutlich suchte sie gerade die Hausapotheke, die fast immer dann verschwunden war, wenn man sie mal brauchte. "Mum, das ist schon in Ordnung! Es sieht schlimmer aus, als es ist!"
Ich hörte sie grummeln, ehe sie mit dem grünen Kasten unterm Arm wieder zurückkehrte.
"Lass mich mal schauen..." Sie schob meine Haare aus meinem Gesicht und setzte sich mit konzentrierter Meine vor mich hin. "Autsch." Ich zuckte zusammen, als sie mir ein Desinfektionsmittel drauf sprühte und mehrere Pflaster in mein Gesicht klebte. "Mein Gott, Alice, was hast du wieder getrieben? Warst du wieder bei diesem Alex?" Sie kniff die Lippen zusammen. Ich kannte ihre Meinung bezüglich Alex und Jon und verdrehte bloss meine Augen. "Man, Mum! Luke war ja dabei!" Meine Mutter nahm meine Hand und erst jetzt bemerkte ich die Schnitte in der Handinnenfläche. "Wer ist Luke?", murmelte sie abwesend und sprühte erneuert von dem Mittel auf die Wunde. Diesmal spürte ich nichts von den Schmerzen. Wie bitte?
"Das ist ist jetzt ein Scherz oder?" Ich lachte unsicher auf, doch als Mum ihren Kopf hob und mich mit hochgezogener Augenbraue musterte verstummte das
Lachen. "Luke?! Dein Sohn?! Wo ist er überhaupt wieder?" Suchend sah ich mich um, entdeckte ihn allerdings nicht auf die Schnelle.
"Schätzchen, alles in Ordnung bei dir?" Mit gerunzelter Stirn hob sie die Hand und legte sie auf meine Stirn. "Mum, lass das! Ich bin nicht krank. Wo ist Luke? Hat er sich nicht gemeldet?" Panik machte sich in mir breit. "Schatz, ich frage dich jetzt nochmal. Wer zum Teufel ist Luke? Du hast noch nie von einem Luke geredet? Ist das einer deiner Freunde?" Verwirrt musterte ich meine Mutter. War das jetzt ein Scherz von ihr, oder meinte sie das ernst? "Lukas ist dein Sohn. Lukas Abraham Hugh. Dein Sohn. Mein Zwillingsbruder!" Meine Mutter hob erneuert die Augenbrauen. "Liebling, ich habe keinen Sohn", erwiderte sie mit langsamer Stimme. "Du bist unsere einzige Tochter. Ich kann gar keine Kinder mehr bekommen, schon vergessen? Nach dir war Schluss! Schatz, bist du dir wirklich sicher, dass alles in Ordnung ist?" Ich erwiderte nichts. Was für einen Scheiss redete die da überhaupt? Unfruchtbar?
Mir wurde übel und heiss, und mein Mund fühlte sich plötzlich staubtrocken an.
Mit grossen Augen sprang ich auf und sprintete hoch zu meinem Zimmer, das nur durch eine Tür von Lukes Zimmer getrennt war.
Mit einem lauten Knall sprang seine Tür auf - doch da war nichts. Ich meinte, klar, da war ein Zimmer, aber nicht seins

! Das Zimmer war vollgefüllt mit Krempel und alten Sachen.
"Luke?" Verwirrt musterte ich das Chaos und schloss für einen Moment meine Augen. Was ist hier los?


"Alex, Jon! Könnt ihr mir mal erklären, was da gestern gelaufen ist?"
Verwirrt hob Lex eine Augenbraue. "Was meinst du, Kleines?"
"Wo zum Teufel ist Luka?"
Jetzt schauten die beiden noch verwirrter.
"Luka? Wer is'n das?", murmelte Jon fragend und rieb sich die Schläfe. Hatte vermutlich nen ziemlichen Kater, so wie's aussah!
"Ja, mein Bruder. Wo ist er?"
Alex hob eine Augenbraue. "Bruder? Seit wann hast du denn 'nen Bruder? Hat dich wohl ärger erwischt, als wir dachten, der Mikker, was?"
Ich stöhnte.
"Fangt jetzt nicht auch noch mit dem Scheiss an! Meine Mutter hat schon so dämlich getan! Das ist langsam nicht mehr lustig! Ich mach mir echt Sorgen um Luke!"
Jon und Alex wechselten einen Blick.
"Nein, verdammt! Ich bin weder verrückt, noch auf den Kopf gefallen! Tut nicht so, als würdet ihr ihn nicht kennen!" Langsam wurde ich echt sauer.
"Okay, nochmal ganz langsam. Ich und Luke, wir waren gestern auf dieser Party, oder?" Jon runzelte die Stirn. "Kleines, du warst die ganze Zeit alleine. Du hattest doch nie einen Bruder, jedenfalls wissen wir nichts von einem Luke."
"Ich war nicht alleine!" Arrg! Hallo?! Ich weiss doch, dass ich einen Bruder hab! Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten. "Okay, sagt mir, was gestern alles passiert ist! Mikker war da und dann?"
Eine schwache Erinnerung tauchte aus dem Nebel in meinem Gehirn auf. Er hatte mich beleidigt... und Luke war auf ihn losgegangen! Und dann...
Der Nebel wurde wieder dichter. Frustriert hämmerte ich den Kopf gegen die Wand. "Was hat er gemacht?", fragte ich, ohne sie anzuschauen. "Was, Mikker? Er hat Jon mal wieder fertig gemacht und dich beledigt." Gut, wir kamen der Sache langsam näher. "Und dann?"
"Dann bist du auf ihn losgegangen." Wie bitte?!
"Nein! Das kann nicht sein! Ich würde mich niemals mit Mikker anlegen!" Ich bin nicht feige, aber ich habe genug Selbstliebe, um mich den Klauen von diesem Arsch nicht auszusetzen. Da würde ich mir eher in den Hintern beissen!
Luke hat mich doch beschützt, oder? Ja, so muss es gewesen sein... Luke hasste es, wenn man mich beleidigte. Da war seine Selbstbeherrschung immer schnell vorbei, das hatte mich schon oft geärgert, aber auch gerettet.
"Okay, nehmen wir mal an, ihr habt Recht, was ist dann passiert?" Langsam drehte ich mich um und starrte die beiden abwechselnd mit emotionsloser Miene an.
Jon zuckte mit den Schultern. "Das ging alles ziemlich schnell... du bist auf ihn losgegangen, wie eine wildgewordene Furie und hast auf ihn eingeschlagen." Wow, das kannte ich ja gar nicht von mir!
"Okay, und dann?" "Na ja, irgendwann hat er dann aufgegeben und ist abgehauen. Du hast dich im Bad verzogen und bist verschwunden. Wir dachten, du wärst wieder nachhause gefahren."
Ich runzelte die Stirn. Die Geschichte hörte sich realistisch an, aber sie liess das kleine Detail das sich Luke nannte aus. Wo zum Teufel war er? Und warum behaupteten alle, ihn nicht zu kennen?
"Ich bin in der Johnson-Scheune aufgewacht. Meine Leggins war zerrissen und meine Lederjacke verschwunden." Meine Stimme hörte sich tonlos und leer an, genauso, wie ich mich gerade fühlte.
"In der Scheune von dem alten Bauer? Wie bist du denn da hin gekommen?" Verdutzt starrte Lex mich an. "Wenn ich das wüsste. Ich habe keine Ahnung. Es ist alles so... verschwommen... ich kann mich kaum an gestern Abend erinnern. Und Luke... oh Luke..." Plötzlich übermannten mich die Tränen und ich brach mitten im Wohnzimmer meiner Freunde zusammen. Die Brüder warfen sich erneuert einen eigenartigen Blick zu, zuckten die Schultern und eilten schliesslich zu mir. "Komm Süsse, ich glaube, du schläfst jetzt erst Mal eine Runde. Danach geht es dir bestimmt wieder besser."
"Sie hat noch nie was von einem Luke erzählt", hörte ich Jon noch leise flüstern, ehe ich auch schon einschlief.


Die nächsten Monate waren für mich die reinste Qual.
Kaum schloss ich die Augen, sah ich die schwarzen Haare meines Bruders, die wunderschönen dunkelblauen Augen, seinen grossen, muskulösen Körper, der mich immer beschützt hatte.
Nachts träumte ich von seiner warmen, tiefen Stimme.
Mein Gott, noch nie hatte ich einen Menschen so sehr vermisst, nicht einmal bei Dad war es so hart.
Aber das schlimmste war, dass ich mit niemandem darüber reden konnte.
Meine Mutter hielt mich für vollkommen verrückt, Alex und Jon sowieso.
Ich fühlte mich unendlich einsam und verloren in einer Welt, die ich früher mal geliebt hatte.
Doch seitdem Luke verschwunden war, hatte sich alles verändert.
In den letzten sechs Monaten bin ich mehr als acht Mal zusammengebrochen, in den Schulstunden fing ich manchmal plötzlich an zu weinen, weil mich irgendetwas an Luke erinnert hatte.
Ich wurde zum Freak der Schule, die Leute, die sich früher meine Freunde genannt hatten, machten jetzt einen grossen Bogen um mich herum.
Nur Alex und Jon benahmen sich einigermassen normal und vermieden einfach das Thema "Party" in meiner Gegenwart.
Ich sonderte mich immer mehr ab, wurde immer verschlossener. Meine Schulnoten sanken immer mehr, ich achtete kaum noch auf den Lehrer und die Prüfungen gingen mir sowas von am Arsch vorbei.
Ich liess mich gehen, achtete nicht mehr so gross auf meinen Körper. Es war mir alles egal.
Luke war schliesslich nicht mehr da.


"Alice! So kann das nicht mehr weiter gehen!"
Träge hob ich den Kopf und starrte meine Mutter an. Die Frau, die mich geboren hatte, war mir in den letzten Monaten fremd geworden.
Sie machte sich immer mehr Sorgen um mich, ich spürte es an ihren Blicken.
Aber es war mir egal.
Ich wendete den Blick ohne eine Antwort zu geben wieder ab und starrte aus dem Fenster. Es war kalt geworden, der Schnee begann zu fallen und bedeckte alles mit einer dünnen, weissen Schicht.
Ich seufzte. In acht Tagen war es soweit.
Der Todestag von Luke, wie ich es insgeheim nannte.
Ich sprach schon lange nicht mehr über ihn, ich klammerte mich lieber an die Erinnerungen mit ihm fest.
"Alice, hörst du mir überhaupt zu?" Oh, hatte sie etwa weiter geredet? Das war neu. Normalerweise gab sie es nach ein paar Sätzen wieder auf und verschwand wieder.
Doch heute schien sie hartnäckiger zu sein.
"Alice, mach dich fertig. In zehn Minuten stehst du mit gewaschenen Haaren unten!"
Ich erwiderte nichts, ignorierte sie einfach. "Zehn Minuten!" Mit einem tiefen Seufzer verliess sie mein Zimmer wieder.
Was hatte sie vor?
Egal. Ich würde nicht hingehen.
Ich blieb sitzen, starrte weiter die fallenden Flocken draussen an, dachte daran, dass ich mit Luke letztes Jahr noch da draussen Schneeballschlachten gemacht habe. Luke liebte den Winter immer, ich war eher der Sommermensch. Trotzdem war es immer lustig gewesen mit Luke durch die Schneefelder zu rennen, die Leute aus dem Hinterhalt mit Schneebällen zu bewerfen oder mit unseren Schlittschuhen über den eingefrorenen Teich zu fliegen.
Ach Luke. Ich vermisse dich so sehr.
Mein Blick fiel auf die Zeichnung, die ich vor ein paar Monaten in meiner Verzweiflung angefertigt habe.
Sie war nicht perfekt, aber sie erinnerte mich genug an ihn, denn ich spürte langsam, wie die Erinnerungen zu verblassen begannen.
"Alice!" Mum rief von unten hinauf und keine zwei Sekunden später hörte ich sie hinauf poltern. Laut knallte die Tür gegen die Wand, wie ein Racheengel stand sie im Türrahmen. "Mach dich fertig! Ich halte das nicht mehr aus! Sofort, Alice!"
Sie trat neben mich, packte entschlossen meine Arme und hob mich auf meine Beine.
Mit sanfter Gewalt schleifte sie mich in mein Bad und schloss die Tür hinter mir. "Wasch dich, du stinkst!"
Resigniert starrte ich mein Spiegelbild an. Wo war die ursprüngliche Schönheit hin?
Meine sonst schwarz glänzenden Haare wirkten matt und dunkelgrau, ausserdem waren sie unglaublich fettig. Das Waschen meiner Mähne hatte ich in den letzten Monaten sehr vernachlässigt.
Meine Hautfarbe war blass geworden, hier und da entdeckte ich einen Pickel, etwas womit ich nie kämpfen musste.
Meine blauen Augen, die eine Spur dunkler waren, als Lukes, wirkten leer und ebenso matt, wie meine Haare. Mein Blick schweifte über meinen Körper. Ich war dünn geworden. Früher hatte ich perfekte Körpermasse gehabt, 1.75 gross, schöne, nicht zu grosse Brüste, die keinen Zentimeter hingen, weiblich geformte Hüften, lange, schlanke Beine, einen flachen Bauch. Einfach perfekt eben.
Jetzt wirkte ich eigenartig ausgemergelt, meine Hüftknochen standen spitz hervor, meine Beine wirkten zu dünn, die Schultern waren eingefallen. Ein kleiner Teil in mir erschrak bei meinem Anblick, doch dem Grossteil meines Gehirns war das vollkommen egal.
Mühsam zog ich mich aus und stellte mich unter das heisse Wasser.
Obwohl ich mich wehrte, erweckte das Wasser meine Lebensgeister wieder. Der Nebel in meinem Kopf lichtete sich ein bisschen, mein Körper räkelte sich wohlig in dem heissen Schauer.
Zögernd griff ich nach dem Shampoo und begann meine Haare einzuseifen. Es war eigenartig meine Haare nach so viele Tagen wieder einmal zu waschen.
Auch mein Körper kam in den Genuss von duftendem Duschgel.
Kurz entschlossen griff ich nach einem Rasierer meiner Mutter und rasierte meine Beine, meinen Intimbereich und die Achseln.
Ich duschte weit mehr als zehn Minuten, aber dem Lächeln meiner wartenden Mutter sah ich an, dass sie nicht böse war.
"Endlich habe ich meine Tochter wieder!" Sie zog mich in eine warme Umarmung und zum ersten Mal seit einem knappen Jahr wehrte ich mich nicht dagegen. Stattdessen presste ich mich fest an ihren warmen Körper und sog ihren Duft tief ein.
"Komm, Kleines", ich zuckte kurz zusammen, Luke hatte mich oft so genannt, "wir fahren jetzt zu Dr. Japcer!" Ich fragte mich kurz, wer das war, nickte jedoch bloss ergeben und liess zu, dass sie liebevoll meine langen Haare bürstete und trocknete.
Danach warf sie mir ein paar einfache Klamotten zu, in die ich mich umständlich zwängte.Ich war wohl gewachsen.
Mum betrachtete mich zufrieden, ehe sie meine Hand nahm und mich in die Kälte hinaus zog.
Sie schob mich auf den Beifahrersitz ihres kleinen Audis und startete den Wagen.
Schweigend fuhren wir durch die Stadt, meine Mutter pfiff immer wieder leise. Ich starrte wieder aus dem Fenster, sah allerdings zum ersten Mal wieder mehr von meiner Umgebung, anstatt einfach in die Leere zu starren. Die Stadt hatte sich nicht gross verändert, ein neues Café hier, eine neue Boutique da.
Wir hielten vor einem grossen, weissen Haus und betraten das Treppenhaus. Mum schien plötzlich total nervös zu werden, ihre Hände zitterten vor Aufregung. Kurz war ich versucht, zu fragen, was los sei, doch schliesslich entschloss ich mich lieber wieder dazu, zu schweigen und nachzudenken.
Wir fuhren in den obersten Stock und betraten einen weissen Flur, in dem ein paar hässliche Bilder hingen.
"Ah, guten Tag Frau Hugh! Ich habe Sie schon erwartet! Und Sie müssen die ehrenswerte Alice sein!"
Ein grossgewachsener Mann mit schlohweissen Haaren stand in etwas steifen Alltagsklamotten vor uns und musterte mich mit einem klugen und sehr intensiven Blick. "Kommen Sie doch herein!"
Er winkte und meine Mutter betrat den Raum dahinter mit einem nervösen Lächeln.
"Alice? Oder ist es Ihnen lieber, wenn ich sie Miss Hugh nenne? Ich meine, Sie sind jetzt schon länger erwachsen und da -" "Ist mir egal." Ich schaute ihn nur ganz kurz an, ehe ich den Blick wieder abwandte und interessiert eine Zierpflanze betrachtete. "Nun gut, dann Alice! Mein Name ist Dr. Michael Japcer, ich bin Ihr zukünftiger Psychiater."
Aha. Jetzt bekam ich also einen eigenen Psychiater. Willst du mich nicht gleich in die Klapse schicken, Mum? Vorwurfsvoll blitzte ich meine Mutter an, die unter meinem Blick zusammenzuckte.
"Kommen Sie doch herein! Frau Hugh? Ich muss Sie jetzt leider bitten, zu gehen. Alice und ich kommen schon klar." Ich kam mir vor, als würden sie von einem kleinen Kind reden. Meine Mutter nickte zögerlich und warf mir einen entschuldigenden Blick zu.
Ich wandte meinen Kopf ab.
Was sollte ich hier?
"Setzen Sie sich doch bitte, Alice! Möchten sie etwas trinken? Wasser? Kaffee?" Ich schüttelte stumm den Kopf und setzte mich in den weissen Sessel.
Flüchtig sah ich mich um und registrierte, dass er Mann Stil hatte.
Das meiste war sehr hell gehalten, antik und doch modern. Das Zimmer wirkte warm, die linke Wand war bedeckt mit hübschen, bunten Kinderzeichnungen. Ein paar Topfpflanzen zierten das Ganze noch. Hinter dem Schreibtisch von Dr. Japcer erkannte ich ein paar Zertifikate, die allesamt eingerahmt an der Wand hingen.
Zu meiner Verwunderung fragte mich der Psychiater nur wenige Dinge, erzählte eher von sich selbst, redete über Gott und die Welt. Es war eigenartig, hatte ich doch gedacht, der Mann würde mich jetzt ausfragen und ausgquetschen wie ein Insekt. War es nicht die Aufgabe eines Psychiaters, seinem Patienten zuzuhören?
Na, mir war es nur Recht! Ich hörte dem älteren Mann viel lieber zu, als selbst zu reden.
Irgendwann begann Dr. Japcer das Blatt zu wenden und fragte mich ein bisschen mehr nach meiner Meinung. Zu meiner Verwirrung fühlte ich mich viel wohler, als am Anfang und erzählte frei heraus ein paar Dinge von mir.
Das war anscheinend das Ziel des Seelendoktors gewesen, jedenfalls lächelte er zufrieden.
Nach ein paar harmloser Fragen, kam er dann endlich auf den Punkt und sprach das Thema an, weswegen ich hier war.
"Deine Mutter hat mir ein bisschen von einem Lukas erzählt - " "Luke", unterbrach ich ihn automatisch. "Er hasste es, wenn man ihn Lukas nannte."
Dr. Japcer nickt entschuldigend. "Nun, dann Luke. Deine Mutter hat von ihm geredet. Möchtest du mir nicht ein bisschen von ihm erzählen?"
Ich dachte kurz nach.
Ich musste reden. Schon viel zu lange war es her, seitdem ich über meinen geliebten Bruder geredet habe.
Also begann ich von ihm zu erzählen.

Es tat unglaublich gut, sich all die Qualen von der Seele zu reden und zu meiner Verwunderung gab mir Dr. Japcer noch nicht einmal das Gefühl, verrückt zu sein, wie meine Mutter oder meine ehemaligen Freunde.
Nein, er hörte einfach zu, fragte hin und wieder etwas und nickte fortwärend.
Am Ende senkte er bloss kurz den Kopf, ehe er aufstand, sich höflich von mir verabschiedete und fröhlich hinausführte.
Verdutzt dachte ich über seine Reaktion nach, tat es dann allerdings mit einem einfach Kopfschütteln ab und lief zu meiner wartenden Mutter.
Die verabschiedete sich mit hochprofessioneller Miene und geröteten Wangen, ehe sie mich hastig an der Hand nahm und wie ein kleines Kind aus der Praxis zog. Verwirrt winkte ich der Arzthelferin oder Assistentin - was auch immer sie war - zu und stolperte meiner verrückten Mutter hinterher.
Mit quietschenden Reifen fuhr sie los. Verdutzt krallte ich mich an meinem Sitz fest, als ich tief in die Polster gepresst wurde. "Mum! Könntest du ein bisschen langsamer fahren? Ich will nicht schon mit 19 sterben!" Meine Mutter zuckte zusammen, ihre Finger krallten sich für einen Moment fest in das Lenkrad, bis die Knöchel weiss herausstanden.
Ein tiefes Seufzen erklang, ehe sie plötzlich in sich zusammenfiel und zu zittern begann. Mein Gott, was war denn mit der wieder los?
"Mum? Alles okay?" Sie nickte, doch zu meinem Entsetzen sah ich eine Träne über ihre Wange rollen. "Fährst du bitte rechts ran? Ich glaube, eine kurze Pause würde dir -" Quietschend bremste meine Mutter hart ab.
Ein paar Autos hupten laut, Reifen schlitterten über den Teer.
Doch meine Mutter lenkte den Wagen seelenruhig an den Strassenrand und schaltete den Motor aus.
"Mum? Was ist los?!"
Sie antwortete nicht, sondern starrte einfach nur aus dem Fenster hinaus.
Vorsichtig hob ich meine Hand und legte sie auf ihre schmale Schulter.
"Ach Alice!" Plötzlich warf sie sich laut schluchzend in meine Arme, wobei sie mit ihrem Ellbogen die Hupe erwischte. Ich zuckte zusammen, drückte die zitternde Frau trotzdem fest an mich und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren.
"Mum, was ist denn?", frage ich nochmal leise und höre ein Schniefen.
"Es ist alles so scheisse!", meine Mutter flucht nie, also muss es wirklich schlimm sein, "du hast irgendwelche Probleme, dein Vater schreibt mir plötzlich irgendwelche eigenartige Briefe, mir geht das Geld langsam aus und -" Ein lautes Schluchzen unterbrach sie. Ich spürte, wie meine Klamotten erst feuch, dann unangenehm nass wurden, doch es war mir scheissegal.
Auch wenn mir die Frau in meinen Armen in den letzten Monaten fremd geworden war, war sie noch immer meine Mutter und ich liebte sie.
Sie beruhigte sich erst langsam und schniefte leise an meiner Schulter.
"Ach Alice. Was soll ich bloss tun?" Keine Ahnung. Ich biss mir auf die Lippe und dachte krampfhaft nach. Doch ausgerrechnet jetzt wollte mir natürlich keiner dieser brühmten Gedankenblitze kommen, die man so oft in Filmen oder Büchern sieht.
Tja, das Leben ist eben nicht immer ein Bilderbuch!
"Mum? Ich denke, wir sollten erst Mal nachhause fahren. Dort können wir es uns gemütlich machen und.. reden." Eigentlich wollte ich nur noch in mein Bett, doch das konnte ich ihr jetzt definitiv nicht antun. "Glaubst du, du schaffst den Rest noch?"
Meine Mutter löste sich, sog schniefend den Rotz hoch und rieb sich kurz über die rotgeweinten Augen. Was für ein Glück, dass sie sich fast nie stark schminkte!
Mit bebenden Lippen startete sie den Wagen wieder und fuhr uns ein bisschen unsicher wieder nachhause.
Ich seufzte erleichtert, als wir endlich unser Haus erreichten und half ihr beim Aussteigen.
Im Wohnzimmer drückte ich sie auf die riesige, gemütliche Couch, legte ihr die Kuscheldecke auf den Schoss und verschwand in der Küche.
"Ich mache dir noch einen Kakao, okay?" Ich hörte keine Antwort und machte mich einfach ans Werk. Mum liebte Schokolade, Kakao inbegriffen. Sie schwörte auf das Zeug.
Ich machte ihr eine grosse Tasse und füllte mir ebenfalls ein bisschen von der braunen Brühe in mein Kindertässchen, das ich schon längst nicht mehr benutzte.
Meine Mutter sass noch immer genau gleich da, wie vorhin. Sie wirkte alt, müde und unglaublich erschöpft. Erst jetzt bemerkte ich, dass ihre wunderschönen dunkelroten Haare ein bisschen stumpf wirkten und sie unter den Augen tiefe Augenringe hatte.
"Okay, jetzt nochmal langsam. Was ist los?"
Mum hob träge den Kopf und blinzelte mich an. Ihre Finger umklammerten krampfhaft die grosse Tasse.
"Dein Vater hat mir geschrieben. Vollkommen eigenartiges Zeug, ich verstehe kein Wort davon. Das Meiste ist total unleserlich, der Rest ergibt keinen Sinn." "Kann... kann ich sie lesen?"
Sie zuckte zusammen und nickte dann. "Ich hol sie dir später, sie sind oben..." Sie nahm einen grossen Schluck und ich fragte mich, wie sie das aushielt. Die Brühe war noch immer kochend heiss.
Mum liess sich langsam an meinen Schulter sinken und ich zog sie automatisch in meine Arme.
"Okay, und weiter? Du hast was von finanziellen Nöten erwähnt." Ich schob das Thema Luke bewusst zur Seite.
"Der Laden läuft momentan schlecht, Lydia ist seit zwei Wochen schwerkrank, hat irgendeine heftige Grippe erwischt. Nadine ist auch immer wieder weg, wegen ihrem Sohn. Alice, ich weiss nicht mehr, was ich tun soll!" Meine Mutter leitete seit fünf Jahren einen eigenen Laden, in dem man alles kaufen konnte, was mit Mode zutun hatte und hochwertig war.
Von Anfang an lief es erstaunlich gut, dass sie jetzt so einen Absacker hatte, wusste ich nicht.
Kein Wunder. Mir war ja auch alles egal gewesen.
"Ach Mum, wir finden eine Lösung, ganz bestimmt! Im Notfall kann ich dir helfen!"
In wenigen Wochen hatte ich die Schule abgeschlossen, vermutlich mit einem Horrorzeugniss. Aber das musste sie ja jetzt noch nicht erfahren. Vermutlich ahnte sie es so oder so schon. Und mit grosser Sicherheit hatten sich meine Lehrer auch schon über mein mangelndes Interesse beklagt. Scheisse.
Aber das war jetzt unwichtig, Mum stand jetzt im Vordergrund!
Okay, ich gebs ja zu, es war eher ein weiterer Versuch, mich von Luke abzulenken.

Aber es half.
Immer gleich nach der Schule fuhr ich zu der Boutique meiner Mutter und half ihr dort aus.
Die Arbeit machte mir Spass, aber der Ablauf war mir ein wenig zu eintöntig.
Trotzdem lenkte es mich ab.
Trotzdem war der Tag, an dem Luke seit einem Jahr verschwunden war, für mich die reinste Qual.
Ich erwachte mit Kopfschmerzen, in meinem Kopf dröhnte es.
Tausend Bilder von ihm mit mir geisterten blitzartig durch mein Gehirn, zerstörten jegliche Versuche, mich zu konzentrieren.
Jon und Lex versuchten krampfhaft, mich irgendwie bei Laune zu halten, doch es war zwecklos.
Vor meinen Augen liefen Erinnerungen wie in einem einzigen endlosen Video ab, immer und immer wieder.
Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, als einer meiner Lehrer sich über mein Verhalten aufregte, sprang ich einfach wortlos auf, schnappte mein Zeug und verliess den Klassenraum.
Draussen zögerte ich kurz und wandte mich dann richtung Wald.
Ich wollte nicht nachhause. Ich wollte raus, irgendwohin, wo es still war.
Der Wald beruhigte mich ungemein, das regelmässige Laufen brachte meinem Kopf wieder ein bisschen Klarheit.
Ich lief und lief und lief.
Endlos lange, immer weiter hinein in den Wald.
Mittlerweile nahm ich nicht mehr wahr, wo ich mich befand, meine Umgebung, die sowie so nur aus Bäumen bestand, zog schemenhaft an mir vorbei.
Irgendwann stolperte ich über eine Wurzel und fiel.
Träge rollte ich mich auf den Rücken und starrte in den Himmel, der sich mehr und mehr verdunkelte. Graue Wolken zogen auf, in wenigen Minuten würde es zu Regnen beginnen.
In diesem Moment spürte ich auch schon den ersten dicken Tropfen auf meinem Gesicht.
Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl des Regens, der dumpf prasselte und meine Haut zärtlich zu massieren schien.
Blaue Augen erschienen vor meinem inneren Augen, umgeben von hübschen Lachfältchen.
Luke. Oh Luke.


Die Monate zogen weiter an mir vorbei, ich arbeitete mich mehr und mehr bei meiner Mutter ein, die Schule wurde nur noch zu einer Lästigkeit, die ich zu Erledigen hatte. Trotzdem gab ich bei den Abschlussprüfungen nochmal Vollgas und schaffte es - oh Wunder! - nicht durchzufallen. Danach fing ich eine provisorische Lehre bei meiner Mum an.
Mein Leben wurde zu einer einzigen Routine, schien aus einer Endlosschleife zu bestehen.
Jeden Tag dasselbe, jeden Monat dasselbe, jedes Jahr dasselbe.
Nur zweimal im Jahr brach dieser Rhythmus auseinander.
Immer am 7. November und am 23.7, unserem Geburtstag, ging es mir richtig, richtig mies.
Der einzige Mensch, der davon wusste, war mein Psychiater, Dr. Japcer. Ihm erzählte ich alles.
Ich wusste bis heute nicht, ob er mir auch nur ein Wort glaubte, aber es war mir im Grunde vollkommen egal. Das einzige, was zählte, war die Tatsache, mit jemandem sprechen zu können.
Doch im Oktober, etwa drei Jahre später, nachdem ich ihn zum ersten Mal getroffen hatte, sprach er plötzlich etwas anderes an.
"Sag mal, Alice, kann es sein, dass du dich nur noch von deinem Alltag beherrschen lässt?"
Ich zuckte zusammen.
War dies wirklich so? Ich dachte nach.
Ja.
Ich liess mich von meinem Alltag beherrschen.
"Ich weiss nicht, ob das wirklich so gut ist für dich. Alice, du bist jung, gerade Mal 21 Jahre alt. Du gehst nicht aus. Machst nichts mit Freunden. Hast du überhaupt noch Freunde?"
Hatte ich noch welche? Nein. Jon war nach Brasilien geflogen, wo er seit zwei Jahren an einem Projekt arbeitete und Lex verwirklichte seinen Traum von einer Weltreise. Sie waren die einzigen Menschen gewesen, neben Mum und Dr. Japcer, die noch eine wirkliche Rolle in meinem Leben spielten.
Und natürlich Luke.
Manchmal überkamen mich Zweifel, ob ich nicht vielleicht doch verrückt war. Manchmal zweifelte ich an meinen Erinnerungen. Zweifelte an mir selbst und der Welt.
"Alice?" Dr. Japcers Stimme klang sanft und vertrauensvoll.
"Wäre es nicht besser, wenn du für eine Weile weg gehst? In eine andere Stadt ziehst? Dir einen besseren Job suchst, oder studierst? Ich habe langsam das Gefühl, dass dich dein jetziges Leben mehr und mehr auffrisst. Es nimmt dir jede Lust am Leben. Und dieser Zeitpunkt sollte erst kommen, wenn du eine alte Schachtel wirst!"
Ich musste leicht lächeln und blinzelte verwirrt. Er hatte Recht. Ich musste hier raus. Weg aus dieser Umgebung, weg aus dieser Stadt. Ein neues Leben anfangen. Ohne Luke.
Eine winzige Träne löste sich aus meinem Augenwinkel und rann leise über meine Wange.
Er hatte Recht.
Aber wohin sollte ich?
"Alice? Ich möchte, dass du darüber nachdenkst. Nun, deine Stunde ist vorbei, du kannst gehen."
Ich nickte abwesend und erhob mich langsam. Vollkommen in Gedanken versunken verabschiedete ich mich von dem älteren Mann und verliess die Praxis.
Zuhause erwartete mich meine Mutter schon freudestrahlend.
"Schätzchen? Dein Vater hat sich endlich wieder bei mir gemeldet! Er kommt nächste Woche hier her und besucht uns! Ist das nicht wunderbar?"
Die Geschichte mit den Briefen hatte sich als Irrtum herausgestellt. Dad hatte sie in einem Alkoholrausch geschrieben. Tief in meinem Herzen wusste ich, dass er meine Mutter noch immer liebte, und sie ihn ebenso, wie ich jetzt deutlich an dem Strahlen ihrer Augen erkennen konnte. Ich wünschte ihnen von ganzem Herzen, dass sie das begreifen würden und sich wieder finden.
"Mum, ich gehe."
Die Gesichtszüge meiner Mutter entgleisten ihr.
Entgeistert öffnete sie den Mund. "Wie bitte?! Aber Liebling, wohin denn? Willst du etwa jetzt schon ausziehen?"
Durch die Arbeit in ihrem Laden und den engeren Kontakt mit ihr, hatte sich ein tiefes Band zwischen uns gebildet, doch der Nachteil davon war, dass sich meine Mutter mehr und mehr in eine Glucke verwandelt hatte.
"Ja Mum, ich ziehe in eine andere Stadt. So bald wie möglich. Ich muss hier weg."
"Aber... aber Schätzchen, du kannst mich doch jetzt nicht alleine lassen!"
Ich schüttelte leicht den Kopf.
"Mum, der Laden läuft längst wieder, du hast genug Leute. Und ich bin 21. ich muss hier raus, verstehst du? Ich will das hier endlich hinter mir lassen. Ich liebe die Arbeit im "Madame Coux" ", so hiess ihr Laden, "aber ich möchte nicht mein ganzes Leben als Verkäuferin verbringen. Ich muss neu anfangen. Bitte." Das letzte Wort flüsterte ich nur noch verzweifelt.
"Oh Alice!" Meine Mutter verzog das Gesicht und zog mich in eine warme Umarmung. "Du hast ja Recht! Es ist wirklich egoistisch, von mir zu denken, dass du immer bei mir bleiben würdest. Du solltest wirklich gehen. Die Welt sehen."
Sie nickte und lächelte unter Tränen.
Ich musste schmunzeln. Meine Mutter war wirklich ein Engel.

Ich suchte überall nach einer passenden Wohnung, in einer Stadt, die nicht all zu weit entfernt von hier lag.
Doch erst nach drei weiteren Monaten intensiver Suche fand ich etwas, allerdings eher per Zufall.
„Alice? Alice, Schätzchen! Wo bist du?“
„In meinem Zimmer, Mum!“ Ich verdrehte belustigt die Augen. Wo sonst?
Mit einem breiten Strahlen riss sie meine Zimmertür auf.
„Ich hab die Lösung!“ „Die Lösung für was?“ Fragend hob ich eine Augenbraue. Was war denn jetzt schon wieder los?
„Dein Vater hat mir da was erzählt“, sie wackelte geheimnisvoll mit Augenbrauen, was ziemlich lächerlich wirkte.
„Er hat da so einen Freund, der hat wiederum einen Freund und der kennt da jemand, der -“ „Mum! Komm auf den Punkt!“
„Du hast einen Wohnung!“ Sie strahlte vor Glück.
„Was? Was für eine Wohnung?“ Verwirrt starrte ich sie an. „Na ja, eben dieser Typ da, der hat sich vor vier Jahren einen grosse Wohnung gekauft und will jetzt aber wegziehen, und jetzt sucht er einen geeigneten Nachmieter. Dein Vater hat natürlich sofort an dich gedacht und es ihm gemeldet. Und na ja, wenn sie dir gefällt, dann gehört sie dir! Ist das nicht wunderbar?“
Äh...
„Ja, klar.... es kommt bloss so überraschend...“
Eine Wohnung? Sollte sich meine Träume endlich erfüllen? Und das ausgerechnet durch Dad?
Mein Vater lebte seit zweieinhalb Monaten wieder bei uns, oder besser gesagt, im Hotel nebenan.
Er und Mum trafen sich regelmässig, und auch wenn Mum keine Details raus rücken wollte, ahnte ich, dass die Zwei sich wieder gefunden hatten.
Trotzdem begegnete ich meinem Vater mit kühler Distanz. Er war abgehauen, hatte mich, Luke und meine Mutter verlassen, als wir zwei gerade mal acht Jahre alt waren.
Mum hatte immer behauptet, es gäbe dafür einen Grund, den wir nicht kennen sollten, aber ich glaubte eher, dass er einfach nicht mit der Verantwortung klarkam und sich vom Acker machte.
Einfach und effektiv.
Es verletzte mich noch heute, obwohl viel Zeit vergangen war.
Ich trat ihm mittlerweile mit gemischten Gefühlen entgegen, wusste nicht wirklich, was ich von diesem Mann halten sollte.
„Ach, Liebling. Ich weiss, es ist schwer, etwas von ihm anzunehmen, aber ich bitte dich, diesmal nicht den Sturkopf raus hängen zu lassen. Lass zu, dass er dir einen Gefallen tut. Er versucht wirklich, es wieder gut zu machen.“
Ach Mum. Diese Frau hatte einfach ein zu grosses Herz!
„Okay, Mum. Ich schau mir die Wohnung an.“
Sie lächelte mich glücklich an und drückt mir einen Zettel mit einer Adresse in die die Hand.
„Gut, in zehn Minuten bin ich weg, Garry will mich in ein Restaurant ausführen, so wie in alten Zeiten.“ Sie kicherte mädchenhaft und ich verdrehte amüsiert die Augen.
„Na, geh schon! Ich komm hier schon klar.“ Ich löste mich behutsam von ihr und wandte mich wieder meinem Laptop zu. Gut, Wohnungssuche wurde vorerst beiseite geschoben. Jetzt wollte ich mir mal die Gegend über GoogleMaps anschauen. Mal sehen, wie das Haus aussah...
Neugierig gab ich die Adresse ein, und tatsächlich! Da war schon der Treffer!
Ich zoomte gespannt näher und sah eine grosse Fläche Wald, der direkt an der Siedlung zu grenzen schien. Perfekt!
Das Haus lag ebenfalls nur wenig entfernt von dem Wald, das Dach leuchtete rot, aber die Wände schienen blau zu sein.
Hübsch!
Ich versuchte die Funktion, mit der man das Männchen auf die Strasse zog und dadurch in der Strasse stand und alles in 3D, sozusagen, sah. Doch leider funktionierte es dort nicht.
Trotzdem gefiel mir das, was ich sah, schon mal sehr gut!
Kurzerhand suchte ich mein Handy raus und setzte mich mit dem jetzigen Besitzer in Verbindung. Der Mann schien hocherfreut zu sein, dass ich die Wohnung ansehen wollte und erklärte mir bereitwillig den schnellsten Weg. Schon Morgen würde ich die Wohnung besichtigen können.
Irgendwie konnte ich es noch gar nicht fassen.
Ich hatte endlich eine Wohnung gefunden, so wie's aussah! Geil!
Gut gelaunt, surfte ich noch ein bisschen im Internet und öffnete schliesslich noch meine Mails.
Automatisch wanderte mein Blick zu meinem Profilbild, auf dem ich einen Abzug einer Zeichnung von Luke hinein gemacht hatte. Ich seufzte und klickte es weg.
Jon hatte mir geschrieben, die erste Mail seit zwei Monaten.
Er schien noch immer sehr glücklich dort zu sein und hatte sich, wie es schien, heftig verknallt. Ich musste grinsen und wünsche ihm von ganzem Herzen, dass er endlich mal einen Mann für eine anständige Beziehung gefunden hatte.
Im Anhang hatte er mir noch ein Bild von sich selbst mit dem Fremden angehängt und ich öffnete es neugierig.
Wow! Jon stand vor einem alten Steinhaus, eng umschlungen von einem grossen, schwarzhaarigen Mann, mit brauner Haut, schwarzen Haaren und scharf geschnittenen Gesichtszügen.
Die beiden sahen perfekt aus. Einfach nur perfekt.
Man konnte die Liebe förmlich sehen und die tiefe Zuneigung, mit der sie sich intensiv in die Augen blickten.
Das Bild war intimer, als wenn sie sich geküsst hätten. Viel intimer.
Erneuert seufzte ich und wünschte mir für einen Moment, Luke wäre hier und könnte sehen, wie unglaublich glücklich sein bester Freund war.
Ein tiefes Ziehen in meiner Brust raubte mir den Atem und eine Träne rann über meine Wangen.
Verdutzt wischte ich sie weg und fing mich wieder.
Mein Gott, Alice! Es ist jetzt bald vier Jahre her und du trauerst noch immer!
Da jetzt die nächsten Tränen kommen wollten, kniff ich energisch die Augen zusammen und presste die Lippen zu einem schmalen Strich. Nein. Nicht heulen.
Langsam öffnete ich meine Augen wieder und starrte auf das Bild. Plötzlich kam mir die Luft stickig vor, raubte mir den Atem. Ich musste hier raus!
Hastig sprang ich auf, schlüpfte in meine bequemen Sportschuhe, schnappte mir eine Jacke und rannte hinaus.
Ich rannte einfach los, lief und lief.
Die Umgebung verschwamm, ich sah nichts um mich herum, nahm nichts wahr. Mein Herz schlug mir bis zum Hals hinauf, meine Lunge schmerzte, das Blut rauschte in meinen Ohren, aber es war mir egal. Ich lief einfach weiter. Immer weiter und weiter.
Meine Oberschenkelmuskeln brannten vor Schmerz, meine Lunge nicht weniger.
Irgendwann klappte ich zusammen, liess mich einfach kraftlos fallen. Der Boden kam mir hart entgegen, die Luft wurde mir gänzlich aus den Lungen gepresst, es raubte mir den Atem.
Trockene Schluchzer schüttelten meinen Körper.
Ich fühlte mich so einsam. Alleine und einsam.
Die Tränen flossen unaufhaltsam weiter, meine Augen schmerzten schon, mein Kopf meldete sich mit pochenden Schmerzen. Erschöpft rollte ich mich zusammen und schloss kraftlos meine Augen.


Eisige Kälte weckte mich.
Orientierungslos setzte ich mich auf und stöhnte, als meine Knochen knacksten und meine Muskeln schmerzhaft aufschrien.
Zitternd liess ich mich wieder zurückfallen und versuchte mich im Liegen umzusehen.
Wo war ich? Der kalte Wind strich über mein Gesicht, schien mich zärtlich streicheln zu wollen, doch er verursachte nur Schmerzen.
Mein ganzer Körper schien zu brennen, aber ich war dankbar für dieses unangenehme Gefühl. Es hielt mich immerhin davon ab, zu viel an Luke zu denken.
Mühsam versuchte ich auf die Beine zu kommen, doch immer wieder knickten mir die Beine weg und ich schürfte mir schmerzhaft die Knie und Handflächen auf.
Fluchend liess ich mich wieder auf den Boden fallen und schloss die Augen.
Autsch.
Mein Körper. Das tat echt scheisse weh!
Okay, auf jeden Fall konnte ich den Punkt „die Nacht im Winter auf einem einsamen Feld verbringen“ von meiner TO-DO-Liste streichen. Hey, immerhin etwas!
Sarkasmus lässt grüssen.
"Luke, du Schwein! Komm wieder zurück! Bitte..." Meine Stimme brach, wieder kamen mir die Tränen. Diesmal unternahm ich gar nichts mehr dagegen, sondern liess sie einfach nur laufen.
Ich war echt armselig geworden.
Heulte doch tatsächlich um meinen verlorenen Bruder, mitten auf einem verlassenen Feld. Aber es tat so scheisse weh! Dieser Schmerz, es war so tief und allesverzehrend.
Ich wollte nur noch sterben.
Nein! Ich würde nicht sterben! Luke hätte gewollt, dass ich weiter gemacht hätte! Er hätte mir Mut zugesprochen und gesagt: „Scheiss auf die anderen, scheiss auf die Welt! Nur du zählst!“ Aber er war nicht hier. Er nahm mich nicht in die Arme und tröstete mich.
Scheisse! Armselig.
Stöhnend stand ich auf, fiel noch zwei Mal auf die Knie, blutete noch mehr, und doch schaffte ich es schliesslich und blieb auf wackeligen Beinen stehen.
„Okay, Alice! Du bist stark! Du gehst jetzt nachhause. Und dann schläfst du noch ein wenig! Morgen wirst du dir diese Wohnung anschauen und wegziehen. Neu anfangen!“
Leise sprach ich mir selbst Mut zu und lief mit winzigen Schritten langsam über das Feld, zurück.
Ich war echt lange gerannt! Mit Verwirrung stellte ich fest, dass die Schmerzen mir aber auch gut taten. Sie liessen mich meinen Körper spüren, liessen mich spüren, dass ich ICH bin. Dass es mich gab!
Vorhin hatte ich die ganze Zeit das Gefühl gehabt, mein Körper sei taub geworden. Ich hatte nichts mehr gefühlt, ausser den tiefen Schmerz meiner Seele, aber jetzt spürte ich hauptsächlich den Schmerz meines Körpers, und dieser lenkte mich tatsächlich ab.
Ein schmerzhaftes Lächeln huschte über mein dreckverschmiertes Gesicht.

Als ich endlich zuhause ankam, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Leise schlich ich durch die Zimmer und verschwand gleich im Bad.
Die heisse Dusche wusch den Schmutz von meinem Körper, brachte meine Lebensgeister wieder zurück und machte mich munter. Die Schmerzen in meinen Gliedern liessen ebenfalls langsam nach und ich entschloss mich kurzerhand ein leckeres Frühstück zu zubereiten.
Leise schlich ich noch zu Mums Zimmer, um zu sehen, ob sie überhaupt zuhause war, und erschrak ein bisschen, als ich sie eng an meinen Vater gekuschelt fand.
Doch im nächsten Moment musste ich lächeln. Die beiden passten wirklich zusammen, mit ihren seligen Lächeln auf den Lippen. Beide hatten vollkommen zerzaustes Haar und waren, so wie's aussah, nackt.
Ich grinste und liess sie weiter träumen.
Auch wenn ich nicht mehr besonders viel mit Dad anfangen konnte, gönnte ich es ihnen. Sie gehörten einfach zusammen.
Leise summend machte ich mich in der Küche ans Werk, machte Spiegeleier, für Dad mit Speck, dazu noch ein paar Pfannkuchen und Kaffee.
„Alice? Bist du das?“ Verschlafen kam meine Mutter in die Küche.
„Wo warst du denn gestern Nacht, Liebling? Ich hab mir Sorgen gemacht!“
Verlegen zuckte ich die Achseln und betrachtete das Spiegelei in der Pfanne interessiert.
„Ich war bloss noch draussen und bin spät nachhause gekommen.“ Ich fühlte mich schlecht, aber was sollte ich ihr denn sagen? Dass ich die Nacht auf einem Feld irgendwo im Nirwana verbracht hatte? Dass ich letzte Nacht über zwei Stunden über einsame Waldwege gelaufen war?
Nein, da würde sie einen Herzinfarkt bekommen!
Lieber log ich sie an.
„Es gibt gleich Essen, holst du bitte Garry?“, wich ich aus und schob eine breite Kelle unter das Ei, um es auf einen Teller zu legen.
Ich nannte meinen Vater nicht mehr Dad, höchstens in meinen Gedanken. Aber sonst wurde er nur „mein Vater“ oder „Garry“ genannt. Ich fand, er war es nicht wert, den Namen „Dad“ zu tragen.
„Hm, ja klar. Und bitte“, Mum warf mir einen flehenden Blick zu, „sei nett zu ihm. Er macht sich schon genug Vorwürfe, dass er uns damals zurückgelassen hat.“ Pf, zeigte er mir aber nicht besonders offensichtlich!
Ich presste die Lippen zusammen und nickte knapp. „Hol ihn, bitte, sein Ei wird kalt. Und deines auch.“
Mum nickte zerstreut und verschwand.
Ich seufzte tief und holte noch eine Flasche Orangensaft aus dem Kühlschrank.
„Guten Morgen Alice.“ Mein Vater betrat die Küche und musterte mich verlegen. „Morgen“, erwiderte ich knapp und würdigte ihn keines Blickes.
„Oh, du hast Frühstück gemacht! Danke, Alice!“ Ich nickte und ass wortlos mein Ei.
„Hm, das ist echt lecker! Ich wusste gar nicht, dass du so gut kochen kannst!“ Ich verdrehte die Augen und bedachte meinen Vater mit einem kühlen Blick.
„Kein Wunder, wenn man einfach verschwindet. Wie solltest du das da auch wissen?“
Garry wurde rot und senkte den Blick. „Ich... Alice...“ „Lass gut sein. Ich will jetzt nicht über dein feiglinghaftes Verschwinden reden.“ Mum warf mir einen warnenden Blick zu, aber ich ignorierte sie einfach und trank meinen Saft aus. Hastig erhob ich mich, legte meinen Teller und mein Messer in die Spüle und lief schnell aus der Küche.
„Alice!“, rief mir meine Mutter zu, und wollte wohl noch etwas dazusagen, doch ich unterbrach sie barsch.
„Lass mich in Ruhe, Mum. Ich bin in meinem Zimmer.“
Ich hörte ihr trauriges Seufzen nicht mehr.

In meinem Zimmer zog ich mich erst mal um, ehe ich einen Blick auf die Uhr warf und bemerkte, dass ich langsam los musste.
Da ich keine Lust hatte, mit dem Zug dorthin zu fahren, schlüpfte ich schnell in meine Lederkombi und meine Stiefel.
„Ich bin weg, bis später Mum“, meinem Dad schenkte ich nur noch einen kühlen Blick, ehe ich auch schon aus der Tür war und zu meiner Lady lief.
„Oh man, du bist ganz schön schmutzig, Baby“, murmelte ich und wischte ein bisschen Staub von dem Sitz. Ich hatte die Gute jetzt auch schon länger vernachlässigt, da ich sie nicht mehr oft brauchte.
Donnernd erklang der schnurrende Motor meiner Lady, als ich dröhnend auf die Hauptstrasse fuhr.
Meine Haare nervten mich irgendwie ziemlich, da sie mir ständig ins Gesicht gepustet wurden. Kurzerhand entschloss ich mich, gleich nach der Wohnungsbesichtigung, dem Friseur einen Besuch abzustatten.
Es war Zeit für etwas Neues.

Ich fand die Strasse relativ schnell und hielt neugierig Ausschau nach dem Haus.
Keine Sekunde später hatte ich es auch schon entdeckt. Wow!
Also, wenn es innen so aussah, wie aussen, dann war das Ding gebongt!
Tatsächlich hatte das Haus hellblaue Wände, mit weissen, einladenden Fensterläden, und einem roten Ziegeldach.
„Alice? Alice Hugh?“ Verdutzt sah ich zur Haustür, wo ein junger Mann in Jeans und Pullover stand und mich breit angrinste.
„Ja, das bin ich. Und Sie sind dann wohl Mister Kerrald?“ So hatte der Besitzer sich jedenfalls gestern vorgestellt, wenn ich mich nicht irrte.
„Richtig! Kommen Sie doch rein, Miss Hugh!“
Er schob die Haustür auf und warf mir ein strahlendes Lächeln zu. Früher hätte er mir gefallen, als Luke noch da war. Dann wäre ich sofort auf die Blicke, die eindeutig flirten wollten, eingegangen. Aber ich hatte mich verändert.
Höflich gab ich ihm die Hand und betrachtete neugierig den breiten Flur. Es war alles sehr hell gehalten, die Wände waren allerdings nicht strahlend weiss, sondern hatten einen Stich ins Bläuliche.
Mister Kerrald führte mich in ein geräumiges Wohnzimmer, das zur Hälfte voll gestellt war mit grossen Kartons.
„Tut mir Leid, ich bin gerade total im Umzug, weshalb hier noch die Kisten rumstehen. Hoffe, das stört Sie nicht gross!“ Ich schüttelte stumm den Kopf.
„Kommen Sie, hier ist die Küche.“
Die Küche war der Hammer!
Offen, mit einer kleinen Insel in der Mitte, schwarzen Kästchen, die bei genauerem Hinsehen dunkelblau waren, mit einem riesigen Herd, der fünf Kochplatten besass. Der Kühlschrank war ebenfalls nicht von schlechten Eltern und verspiegelt.
Ausserdem entdeckte ich noch eine Spülmaschine unter dem Waschbecken und einen grossen Offen.
Mikrowelle gab es offensichtlich nicht, aber da war ich auch froh drum, das Ding brauchte ich sowieso nicht. Durch ein grosses Fenster strahlte die winterliche Sonne und durchflutete den Raum mit Licht.
Als nächstes zeigte mir der Mann noch ein durchschnittliches Bad, mit blauen Fliesen und einer grossen Badewanne, und dann noch das Schlafzimmer.
„Das Bett lass ich dir da, das passt nicht in meine neue Wohnung. Wenn du es nicht willst, kann ich es auf die Halde schicken lassen, dann musst du dich nicht um die Entsorgung kümmern.“
Hastig schüttelte ich den Kopf. „Nein, das ist super! Danke!“ Automatisch ging ich ebenfalls ins Du über, es störte mich nicht im Geringsten.
Das Bett war echt toll! Riesig, darauf konnten im Notfall bestimmt bis zu vier Personen schlafen, und sehr einladend. Direkt neben dem Bett war ein grosses Fenster eingelassen, das ein warmes Licht hereinliess.
„Was ist da drin?“ Ich deutete auf eine Tür, zu der er noch gar nichts gesagt hatte.
„Das“, er grinste breit“, ist dein begehbarer Kleiderschrank.“ Was? Oh mein Gott!
Mit grossen Augen riss ich die Tür auf und konnte nur noch staunen. „Wow! Das ist ja himmlisch!“
„Ja, das war schon immer mal mein Traum, und als ich hier eingezogen bin, hab ich ihn mir erfüllt.“ Er grinste verschmitzt.
„So, das war's eigentlich auch schon. Willst du noch den Keller sehen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nicht nötig.“
„Gut, dann gibt es nur noch den Garten.“ Er führte mich wieder ins Wohnzimmer und öffnete eine Terrassentür, die ich bis anhin noch gar nicht entdeckt hatte.
Der Garten war nicht besonders gross, aber unheimlich gemütlich.
Ein kleines Gartentor führte auf die Strasse. „Gut, du hast alles gesehen. Was sagst du dazu?“ „Das ist himmlisch! Der absolute Traum von einer Wohnung! Aber, wie viel willst du eigentlich dafür?“
Er nannte mir einen unglaublich tiefen Preis, bei dem ich nur die Augen aufreissen konnte. „Was? Das ist doch nicht dein Ernst!“
Aber Kerrald nickte belustigt.
„Natürlich! Du bist die Tochter von Garry, da kann ich doch nicht anders! Sieh es einfach als Freundschaftspreis und nette Geste. Ausserdem mag ich dich. Ich wollte jemand, der die Wohnung zu schätzen weiss, und ich denke, damit habe ich bei dir die richtige Person gefunden.“
Vor lauter Begeisterung fiel ich ihm um den Hals. „Danke! Oh wow, ich weiss gar nicht was ich sagen soll!“ Kerrald lachte. „Geniess deine neue Wohnung! Ab Montag kannst du rein. Wann willst du den Vertrag unterschreiben?“
„So bald, wie möglich“, antwortete ich ohne zu zögern.
„Gut. Ich hab alles da, was sagst du zu jetzt?“ Erstaunt sah ich ihn an. „Das... das wär' super! Toll!“
„Okay, dann wart bitte kurz hier.“ Er verschwand im Wohnzimmer.
Noch einmal sah ich mich staunend an. Meins! Das da gehörte mir! Endlich.
Wenige Sekunden später kam Kerrald zurück und ich hatte die Kopie meines unterschriebenen Vertrags in der Hand.
„Wow, das läuft ja super! Danke!“
Kerrald grinste und umarmte mich kurz. „Bitte. Sag Garry einen Gruss, freut mich sehr, dass seine Tochter jetzt mein Schätzchen bekommt!“ Ich lächelte und nickte. „Klar, mach ich! Wir sehen uns noch mal, denke ich?“
Kerrald nickte und ich verabschiedete mich breit grinsend.
Wow, ich war Besitzerin einer wunderschönen Wohnung!

Der nächste Montag kam schnell.
Ich war total aufgeregt, schmiss in meiner Nervosität sogar mehrmals meine Kartons um.
Auch meine Mutter war vollkommen aus dem Häuschen, rannte wie ein aufgescheuchtes Huhn durch das Haus und gab mir total unnütze Tipps, wie ich alleine zurecht kommen würde.
Ich verdrehte bloss meine Augen und linste aus meinem Fenster, um zu sehen, ob der Lieferwagen für die Kartons schon da war.
Enttäuscht zog ich mich wieder zurück und lief hinunter in die Küche. „Mum? Hast du Hunger?“
„Nein! Dein Vater kommt nachher noch vorbei, er will mich einladen.“ Ich nickte. War ja klar.
„Wann kommt er?“ Meine Stimme wurde kaum merklich eine Spur kühler.
Obwohl ich mich mittlerweile immer besser mit ihm verstand, ging ich noch immer sehr auf Abstand.
Ich war ihm dankbar für die Wohnung, aber mehr nicht.
„Um Zwei sollte er da sein!“ Gut, dann war ich vermutlich schon über alle Berge.
„Bist du morgen da? Ich will ne kleine Feier schmeissen, Nachbarn und so kennenlernen.“
Eigentlich hatte ich gar keine Lust, aber da Kerrald mir dies vorschlug und erwähnte, dass ich unter anderem sehr traditionelle Nachbarn hätte, hatte ich mich dazu entschieden, trotzdem etwas zu machen.
„Aber natürlich, Liebling! Ich lasse dich doch nicht alleine! Das ist sehr wichtig für dein Leben dort hinten!“ Mit gewichtiger Miene kam meine herzensgute Mutter in die Küche gehastet. „Ich bringe Kuchen mit, in Ordnung?“ Vor lauter Dankbarkeit umarmte ich sie kurz. „Danke, Mum! Du bist die Beste!“ Mums Kuchen war der Hammer. Nur sie konnte so gut backen!
Damit würde ich selbst die schlimmsten Nachbarn rumkriegen!
„Ach, schon gut Kleines. Für dich würde ich doch alles machen!“
Ich unterdrückte das Zusammenzucken in meinem Körper, als sie das Wort „Kleines“ sagte. Noch immer erinnerte es mich an Luke.
Nein! Heute denkst du mal nicht an deinen Bruder! Entschlossen verscheuchte ich die blauen Augen aus meinem Kopf.
Zu meinem Glück klingelte es in dem Moment und ich sprang auf. „Das müssen die Typen von der Umzugsfirma sein!“
Mit grossen Schritten hastete ich zur Tür und riss sie auf.
Ein mürrisch wirkender Mann, in einem hässlichen, orangen Baukostüm, blinzelte mir entgegen. „Sind Sie Alice Hugh?“ Ich nickte, etwas verdattert bei dem schlecht gelaunten Ton. „Beeiln Sie sisch, bitte Mal“, grummelte der Kerl und blinzelte erneuert heftig. „Äh... okay.“ Verwirrt öffnete ich die Tür weiter und lud ihn ein, hereinzukommen.
„Jack, komm und hilf mir mal, du Taugenichts!“
Ein junger Mann, ebenfalls in die sehr unvorteilhafte orange Kleidung gehüllt, kam gelangweilt aus dem Wagen gesprungen. Er schenkte mir ein breites Grinsen, ehe er seinem Boss folgte.
„Gut, wo ist das Zeug?“ Pf, wenn der Kerl so weiter machte, würde ich dem keinen Cent Trinkgeld geben! „Äh, oben. Folgen Sie mir bitte.“ Ich lief hastig die Treppe hoch in mein leergeräumtes Zimmer, in dem sich die Kartons stapelten.
Keine zehn Minuten später war der Raum wie leergefegt und meine Sachen in dem Lieferwagen verstaut.
„Kommst du noch mit, Mum?“ Fragend sah ich zu meiner Mutter, doch die schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir Leid, Liebling, aber dein Vater sollte gleich ankommen. Wir sehen uns morgen! Ich komme etwa um halb Zwei bei dir an, in Ordnung?“ Sie zog mich in eine warme Umarmung. Ich nickte und löste mich schnell von ihr, als der ungeduldige Kerl nach mir rief.
„Ja, ja, bin ja schon da!“ Grummelnd stieg ich hinten ein und liess mich neben den jungen Kerl fallen.
Prompt wollte der mit mir flirten, doch ich würgte ihn schlecht gelaunt ab.
Der Kerl vorne hatte wohl abgefärbt.
Kerrald stand breit grinsend vor der Haustür und klimperte mit dem Hausschlüssel.
„Hey Alice! Hiermit übergebe ich dir feierlich die Schlüssel zu deiner neuen Wohnung!“ Er grinste und verbeugte sich unter höflichem Beifall meinerseits.
Ich lachte auf und schnappte mir den Schlüssel.
„Danke, du Spinner! Kommst du Morgen auch? Ich schmeiss die Feier doch und will den Nachbarn lieber nicht ohne kleine Infos entgegen treten.“
Kerrald nickte begeistert und folgte mir in die Wohnung.
Die beiden Kerle von der Firma schleppten meine Kartons unter leisem Geächzt hinein, wobei ich das anzügliche Grinsen des Jüngeren einfach mal ignorierte. „Na? Einen unfreiwilligen Verehrer gefunden?“ Kerrald grinste dem armen Kerl spöttisch hinterher. Ich nickte entnervt und verschwand in der Küche. Dort stand ein riesiger Fresskorb, den mir meine Mutter unter Tränen geschenkt hatte.
Ich nahm den Orangensaft heraus und machte mir ein Glas.
„Kommst du hier zurecht, Alice?“ Kerrald beobachtete mich vom Türrahmen aus. Ich nickte.
„Klar! Danke für alles! Wir sehen uns also Morgen?“ Er nickte und umarmte mich kurz zum Abschied, kurz darauf war er verschwunden.
Auch die beiden Transportfuzzis verschwanden kurz darauf, der ältere grummelnd, der jüngere anzüglich grinsend.
Ich verdrehte die Augen und schloss die Tür hinter ihnen mit einem lauten Knall.
„Endlich alleine!“ Seufzend liess ich mich an der Tür hinunter gleiten und starrte ins Nichts.
„Okay, dann mal ab ans auspacken!“ Entschlossen rappelte ich mich auf und machte mich an die Arbeit.
Zum Glück fand ich kurz darauf meine Musikanlage und wenig später dröhnte Adelitas Way mit Cage the Beast laut los und liess mein Herz freudig hüpfen. Ja, für diesen Sound würde ich sterben!
Das Auspacken ging lange, draussen war es längst dunkel, als ich im Wohnzimmer endlich fertig wurde.
Na ja, also ich wurde jedenfalls mit Auspacken fertig, aber das Zeug war noch nicht einmal ansatzweise am richtig Ort hingestellt.
Morgen würde ich noch meine neue Couch abholen, dann könnte ich erst ans Gestalten denken.
Da ich ziemlich müde wurde und mein Magen schmerzhaft knurrte, machte ich mich auf in die Küche und wühlte im Fresskorb.
Tatsächlich fand ich ganz unten eine grosse Familienpackung Spagetti. Ich verdrehte belustigt die Augen, typisch Mum. Immer in Sorge, ich könnte verhungern.
Ich kippte einen knappen Viertel der Packung ins kochende Wasser und machte mich an der Sauce zu schaffen.
Eine Viertelstunde später sass ich auf dem riesigen Bett von Kerrald und stopfte mich mit den Köstlichkeiten voll. Ja, so liess es sich durchaus leben!
Gut gelaunt wusch ich das Geschirr gleich ab, eine Aufgabe, die ich sonst gerne vor mir hin schob, sprang noch kurz unter die Dusche und machte mich danach bettfertig.
Zufrieden schlief ich wenig später ein und träumte von dummen Nachbarn, einer aufgeregten Mutter mit Hühnerkörper und einem Vater, der Ähnlichkeiten hatte mit Wackelpudding.

Am nächsten Morgen stand ich bereits um neun Uhr im Möbelgeschäft und wartete ungeduldig auf den Typen, der mir meine Couch beschaffen sollte.
Erst zehn Minuten später kam er dann endlich, ziemlich verschlafen wirkend und schlecht gelaunt, und murmelte etwas von Problemen, bei der Lieferung. Ich verfluchte den Morgen und fragte so höflich, wie möglich, wie lange das noch dauern würde.
Der Mann erwiderte darauf, dass ich um elf Uhr nochmal kommen solle.
Ich warf ihm einen bösen Blick zu und überrechnete meinen Tag kurz.
Um halb zwei würde meine Mutter ankommen, allerdings wollte ich davor noch in die Stadt. Um viertel nach Zwei würden die ersten Gäste kommen, dann musste ich spätestens mit allem fertig sein.
„Gut, ich werde da sein.“
Ohne ein weiteres Wort verschwand ich und fuhr mit meiner Lady wieder nachhause.
Oh man, das hörte sich echt himmlisch an. Nachhause. Meine eigenen vier Wände!
Dort duschte ich, zog mich um und fuhr dann in meiner Lederkluft ins Stadtzentrum.
„Okay, zuerst Kaffee!“ Entschlossen machte ich mich auf die Suche nach einem Café und fand schliesslich eines, das relativ gemütlich aussah.
Ich entdeckte eine Sitznische, die vom Eingang her nicht zu sehen war, und liess mich auf die gemütliche Eckcouch fallen.
„Was kann ich Ihnen bringen?“ Die höfliche Bedienung schrieb meine Bestellung kaugummikauend auf ihren Notizblock und verschwand wieder.
Ich seufzte leise und starrte auf die kleine Zierpflanze aus Plastik, die wohl zur Deko auf dem Tischchen stand.
Gut, das hier war mein Neuanfang. Ich hatte die Wahl, entweder suchte ich eine Arbeit oder ich versuchte es in der Uni.
Letzteres bezweifelte ich allerdings, aufgrund meiner schlechten Noten in den letzten Jahren meiner Schullaufbahn.
„Okay, dann eben ein Job. Aber was?“ Ich war gelehrte Detailhandelsfachfrau, aber ganz ehrlich, den Job wollte ich definitiv nicht vertiefen! Dazu fand ich es einfach zu langweilig.
Okay, was konnte ich sonst noch gut? In Gedanken überdachte ich meine Noten und versuchte mich an die beste zu erinnern. Bio? Ne, da hatte ich nur 'ne 3,5. Deutsch? Ja, da war ich gut gewesen, zu einer 2 hatte ich es gebracht. Aber damit konnte ich auch nichts anfange, schliesslich wollte ich weder Autorin werden, noch Deutschlehrerin.
Resigniert schob ich die Gedanken für eine Jobsuche zur Seite. Das würde ich später machen.
Die Bedienung unterbrach mich auch in diesem Moment mit einer grossen Tasse dampfendem Kaffee und einem frischen Schokocroissant. Dankbar nahm ich einen grossen Schluck und verbrannte mir prompt die Zunge.
Ich verschluckte mich an der kochend heissen Brühe und rang keuchend nach Luft.
„Scheisse!“ Fluchend versuchte ich einen heftigen Hustenanfall zu unterdrücken und war im Moment echt dankbar, dass man mich von vorne her hier hinten nicht sehen konnte.
Als ich meinen Körper wieder unter Kontrolle hatte, brannte meine Zunge allerdings dermassen, dass ich kurzerhand aufsprang und die Toilette suchte.
Keuchend stiess ich die Tür auf und stellte dankbar fest, dass ich alleine war.
Hechelnd hielt ich meinen Kopf unter das eiskalte Wasser und vertrieb so nach und nach den Schmerz in meinem Mund.
Keuchend löste ich mich nach einer halben Ewigkeit wieder von dem Wasserhahn und starrte entsetzt in den Spiegel.
Mein Kopf war hochrot, meine Augen glänzten, als würde ich gleich los flennen und meine Haare standen in alle Richtungen ab. Erst jetzt fiel mir ein, dass ich den Friseurbesuch vergessen hatte. Gut, dann musste ich das eben auch noch rein schieben.
Mein Blick wanderte weiter hinab und blieb an einer schlichten Kette hängen. Der Anhänger bestand aus einem Kleeblatt, dem Zeichen für mein ewiges Glück.
Sie war von Luke. Er hatte sie mir vor Jahren mal auf den Geburtstag geschenkt, allerdings hatte ich sie nie getragen, aus Angst sie zu verlieren. Wie dumm von mir! Durch einen Zufall hatte ich sie zuhause gefunden und sie mir umgelegt. Die Kette gab mir das Gefühl, ihn wieder bei mir zu haben. Ganz sanft und zärtlich strich ich über das dünne Metall und lächelte leicht.
Die Tür ging auf und eine ziemlich hübsche Frau mit langen, tiefschwarzen Haaren kam herein. Ihr Blick blieb etwas verwundert an mir hängen und ein amüsiertes Lächeln huschte über ihre perfekten Züge.
Ich fühlte, wie ich noch röter wurde und wandte mich abrupt wieder meinem Spiegelbild zu, um zu retten, was zu retten war.
Die Frau verschwand derweil in einer der Kabinen.
Ich verfluchte mich selbst für meine Dummheit und Tollpatschigkeit und strich mir aggressiv die Haare glatt, jedenfalls versuchte ich es.
Das Ergebnis war eher mässig. Sehr mässig.
„Da!“ Erschrocken starrte ich auf die grosse Bürste, die wenige Zentimeter vor meinem Gesicht schwebte. „Versuchs mal hiermit.“
Vollkommen verdutzt blickte ich die Frau an, die jetzt neben mir stand und mir noch immer geduldig ihre Bürste hinhielt.
„Ähm, danke“, murmelte ich und griff zögernd nach dem Ding.
Schliesslich überwand ich mich und fuhr mir damit durch meine Mähne. Tatsächlich half es ungemein und wenige Sekunden später sah ich wieder fast normal aus. Auch meine Gesichtsfarbe hatte sich wieder einigermassen normalisiert.
„Motorrad, hm? Ich hasse das! Also nicht das Fahren, aber die Frisur danach.“ Munter plapperte die Fremde drauflos, während sie sich die Hände wusch und die Haare zurecht zupfte, wo es eigentlich gar nicht zurechtzuzupfen gab. Ich nickte nur vollkommen verwirrt und bürstete mir stumm die Haare glatt.
„Danke, das ist wirklich nett von Ihnen.“ Ich gab ihr die Bürste zurück und flüchtete aus der Toilette. Was war dass denn gerade?!
Im nächsten Moment wurde ich prompt aus meinen Gedanken gerissen, als ich gegen jemanden lief und fast hinfiel.
Im letzten Augenblick packten mich zwei grosse Hände und zogen mich abrupt wieder auf die Beine.
„Oh, tut mir Leid, ich habe Sie nicht...“ Ich stockte und verstummte.
Blaue Augen starrten mich wütend an. Blaue Augen. Blaue Augen, die ich kannte. Blaue Augen, die nur eine Spur heller waren, als meine eigenen.
„Luke“, hauchte ich, ehe die Dunkelheit mich überkam und ich fiel.

„Was hast du... kennst du sie... kann doch nicht... schaut mal, ich glaub sie erwacht wieder!“
Ich stöhnte leise und kniff die Augen zusammen. Diese Stimmen... sie nervten mich.
Blinzelnd öffnete ich die Augen und starrte direkt in blaue Seen.
„Luke“, flüsterte ich verwirrt und blinzelte heftig. Automatisch glitt meine Hand zu der Kette und fuhr über sie.
„Luke!“ Mit einem Mal machte es in meinem Gehirn klick. „Luke! Wo bist du gewesen? Warum bist du einfach verschwunden? Was machst du hier? Wer... was?“ Die Fragen überschlugen sich in meinem Kopf, meine Stimme versagte ihren Dienst.
„Ich hab dich gefunden“, flüsterte ich leise und starrte meinen verlorenen Bruder mit Tränen in den Augen an.
Dieser kniff verwirrt die Augen zusammen und musterte mich, als wäre ich verrückt.
„Meint die mich?“, fragte er, an die schwarzhaarige Schönheit gewandt, die mich neugierig musterte. Sie zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Ich hab sie hier jedenfalls noch nie gesehen. Geht es dir gut?“, fragte sie mich schliesslich und musterte mich besorgt. Verwirrt setzte ich mich auf und sah immer wieder abwechselnd von Luke zu der Fremden.
„Luke, wo warst du? Ich hab dich verdammt lange gesucht! Weisst du eigentlich, wie scheisse es mir in den letzten Jahren ging?“ Plötzlich kam meine Wut.
„Ich heisse nicht Luke“, erwiderte der Typ trocken. „Ich kenne dich nicht.“
Dieser Satz brachte mich vollkommen aus dem Konzept, drang nur mühsam in mein verwirrtes Hirn.
„Wie bitte? Natürlich kennst du mich! Alice? Alice Hugh? Deine Zwillingsschwester? Klingelt's da eventuell bei dir? Scheisse Luke, verarschen kann ich mich selbst!“
„Ich glaub, die ist verrückt. Komm Marry!“
Luke erhob sich einfach und wandte sich von mir ab.
„Was? Hey, man! Du kannst doch jetzt nicht einfach abhauen!“ Panik kam in mir auf. Ich wollte ihn nicht wieder verlieren!
Ich sprang auf und wollte ihm hinterher.
Eine sanfte, aber kräftige Hand hielt mich zurück.
„Hey, Kleines. Der Kerl da heisst nicht Luke, das ist Dam.“ Verdutzt drehte ich mich zu der Schwarzhaarigen um. „Dam? Nein, das ist Luke! Ich werde jawohl noch meinen Zwillingsbruder erkennen, wenn ich ihn sehe!“ Entschlossen schüttelte ich ihre Hand ab und lief Luke hinterher.
„Hey, jetzt bleib doch mal stehen!“
Ich holte ihn erst vor dem Café ein und packte in meiner Verzweiflung seinen Arm, weil er keinerlei Anstalten machte, anzuhalten.
Ein eisiger Blick traf mich. Erschrocken zuckte ich zurück.
„Okay, Kleine! Ich bin mir ja so manche Anmachsprüche gewohnt, aber du, du übersteigst alles! Lass mich in Ruhe, mit deinem Scheiss, okay? Ich kenne dich nicht, geht das klar?“ Verwirrt stolperte ich einen Schritt zurück.
„Aber -“ „Nichts, aber! Ich heisse nicht Luke! Ich hab keine Ahnung, wer das sein sollte, aber ich bin es auf jeden Fall nicht! Und jetzt verschwinde!“
Mit riesigen Augen beobachtete ich, wie er auf einen schwarzen Audi zuging und sich auf den Fahrersitz setzte.
„Tut mir Leid, Kleine. Ich weiss zwar nicht, was du mit Dam zu tun hast, aber ich hoffe für dich, dass das Ganze nur ein Irrtum ist. Leg dich lieber nicht mit ihm an, wenn dir dein Leben lieb ist...“
Die Schwarzhaarige, Marry hatte er sie genannt, legte mir entschuldigend die Hand auf die Schulter und drückte sanft zu. Es hörte sich nicht wie eine Drohung an, eher wie eine gut gemeinte Warnung.
Vollkommen durch den Wind starrte ich ihr hinterher, beobachtete, wie sie sich neben Luke setzte und davon fuhren.
„Hey, Miss! Sie müssen noch zahlen!“
Die Kellnerin blitzte mich abschätzig an und wartete wie ein Wachhund, bis ich wieder ins Café kam.
Total konfus setzte ich mich wieder an meinen Tisch. Was war das gerade gewesen?
Luke. Ich hatte ihn gefunden. Aber er war so anders! Das da war nicht mein Luke gewesen. Mein Luke wäre nie so abweisend zu mir gewesen! Niemals! Aber er musste es sein!
Er wirkte älter, reifer und härter, aber diese blauen Augen! Kein Mensch auf dieser Welt konnte diese Farbe ebenfalls haben. Diese Farbe, die normalerweise wie das Meer an der Karibik wirkte, aber schnell zu einem dunklen Sturm wurde, wenn er wütend war.
Und genau diesen Sturm hatte ich vorhin gesehen!
Ich erschauerte bei dem Gedanken an den eisigen Blick, den er mir geschenkt hatte. Luke hatte mich noch nie so wütend, so fremd angeschaut. Nie hatte mir seine Wut gegolten.
Oh Gott, wer war das?
Und was zum Teufel wurde hier für ein Spiel gespielt?
„Ich muss mit ihm reden“, murmelte ich leise und spielte gedankenverloren mit der Kette. Ja. Ich hatte ihn gefunden und so schnell würde ich ihn auch nicht wieder gehen lassen!
Plötzlich schien das Loch in meiner Brust wieder geflickt zu sein. Noch nicht ganz, aber immerhin fühlte ich mich nicht mehr so scheisse, wie all die Jahre zuvor.
Ein Blick auf meine Uhr liess mich fluchen und Luke für einen Moment wieder vergessen.
Ich musste mich beeilen, es war schon nach Elf, ich musste die Couch holen.
Eilig bezahlte ich mein Frühstück, ohne auf den misstrauischen Blick der Bedienung zu achten.
Mit meiner Lady fuhr ich so schnell ich konnte zu dem Möbelhaus und wartete ungeduldig auf den mir zugewiesenen Kerl.
Um kurz vor halb 12 kam er endlich zu mir geschlendert, gelangweilt auf einem Kaugummi kauend.
„Gut, die Couch ist da. Haben sie 'nen Wagen?“ Scheisse! Daran hatte ich gar nicht gedacht!
Ich bis mir verlegen auf die Lippen und schüttelte den Kopf.
„Okay, ich werd Ihnen 'nen Lieferwagen bereit machen. Mein Kollege wird Ihnen einfach hinterher fahren und die Couch bei Ihnen abladen.“ Ich nickte dankbar und folgte ihm zur Kasse.
Zu meinem Ärger brauchte der Kerl allerdings schon wieder eine halbe Ewigkeit und erst um zwanzig vor 12 konnte ich den Laden verlassen. Der Kerl, der mir hinterherfahren sollte, hatte mich angewiesen auf den Hinterhof zu fahren und dort auf ihn zu warten.
Glücklicherweise schien er ein bisschen schneller zu sein als sein Kollege und kam schon nach wenigen Minuten aus der Garage gefahren. Er deutete mir mit einer Handbewegung an, ich solle losfahren, was sich auch schleunigst tat. Die Zeit lief mir davon.
Da ich allerdings noch auf den Lieferwagen hinter mir achten musste, dauerte es bedeutend länger als normalerweise, da ich mich mit meiner Lady locker durch lange Autoreihen vor Ampeln schlängeln konnte und somit schneller ganz vorne war. Diesmal musste ich jedoch immer warten und erreichte mein Haus erst um kurz vor 12.
Der Typ lenkte den Wagen geschickt in die Einfahrt und sprang heraus. „Okay, öffnen Sie schon mal die Tür, ich hol mal das gute Stück raus.“ Ich nickte und sperrte meine Tür auf. Der Mann brauchte nicht lange und schon nach wenigen Minuten stand die Couch, eingepackt in einen Plastikbezug, mitten in meinem Wohnzimmer.
Der Mann verabschiedete sich mit einem breiten Grinsen und liess mich alleine.
Okay, zuerst musste ich hier alles herrichten, dann würde ich mich um die Küche kümmern.
Da ich schon alles ausgepackt hatte, dauerte es nicht lange, bis ich alles zu meiner Zufriedenheit in die Schränke geräumt hatte und die Couch an den richtigen Ort schob.
Zufrieden mit meinem Werk machte ich in der Küche sofort weiter.
Hier brauchte ich bedeutend länger, da ich zuerst überlegen musste, wo ich was hineinstellen wollte.
Das Aufräumen half mir ungemein, lenkte mich ab. Dennoch wanderten meine Gedanken langsam wieder zu Luke.
Wieder spürte ich die Wut, die Verzweiflung.
Er hatte mich abgewiesen. So getan, als würde er mich nicht kennen!
Ich rief mir sein Gesicht in Erinnerung, verglich es mit meinem Luke von früher.
Alles war so hart geworden. So kalt. Was war bloss mit ihm geschehen? Er hatte sich verändert. Das schwarze Haar trug er kürzer, Militärschnitt, sein Körper war ohne Zweifel kräftiger geworden. Er war noch attraktiver als früher, die Mädchen mussten ihm reihenweise verfallen sein.
Allerdings war das schon immer so gewesen. Doch damals war es vor allem seine fröhliche Art gewesen, die den Mädchen den Atem raubten. Heute schien er nichts Fröhliches mehr in sich zu tragen.
Oh Gott, was war nur mit meinem geliebten Bruder passiert? Warum nannte ihn diese Marry Dam? Und warum zum Teufel hatte er mich nicht erkannt?!
Eine Welle der Verzweiflung überrollte mich und ich wünschte mir, ich könnte mich einfach in eine Ecke verziehen, zusammenrollen und alles vergessen.
Ein Teil von mir, vermutlich mein angeknackster Verstand, versuchte mir einzureden, dass der Mann gar nicht Luke war, sondern ihm nur ähnlich sah. Aber dies schloss ich aus. Seine Augen waren es, die mich davon abhielt, an diese Version zu glauben. Dieses Blau gab es nur einmal im Universum. Punkt, aus!
Die Klingel riss mich aus meinen verwirrenden Gedanken und liess mich zusammenschrecken.
Ich warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass es schon nach 2 war.
Erneuert klingelte es, diesmal bedeutend länger. Typisch Mum.
„Ich komme schon!“, rief ich und riss die Tür auf.
Mum warf sich mir in die Arme und küsste mich auf die Wangen. „Oh Schätzchen! Das Haus ist wirklich wunderschön! Dein Vater kommt später auch noch vorbei!“ Ich runzelte verärgert die Stirn, erwiderte allerdings nichts.
Einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich ihr sagen sollte, dass ich Luke gesehen hätte, verwarf den Gedanken allerdings schnell wieder.
Keiner glaubte an Luke. Nicht einmal bei Dr. Japcer war ich mir sicher, ob er mir auch nur ein Wort abnahm.
„Also Schätzchen, wo sollen die Kuchen hin?“ Aha, sie sprach in der Mehrzahl! „Mum, hast du mir etwa mehrere gebacken?“ Ich führte sie in die Küche und starrte auf die drei Taschen, die sie bei sich trug. Sie grinste und zog drei Kuchenbehälter aus den Taschen.
„Ich dachte mir, ich mach dir einen Schokokuchen, einen Butterkuchen und eine Himbeertorte!“ Hm, lecker! Himbeertorte!
„Danke Mum!“ Ich umarmte sie dankbar und drückte ihr einen Kuss auf die Wangen.
„Schon gut, Kleines! Aber jetzt will ich endlich mal deine Wohnung sehen!“
Ich nickte und führte sie durch alle Räume. Sie war schlichtweg begeistert und lobte das Haus und die Umgebung in höchsten Tönen.
Auch ich musste mir eingestehen, dass ich meinem Vater dankbar war, denn nur durch ihn war ich an dieses Schmuckstück gelangt.
„Komm, Liebling! Wir müssen und ein wenig beeilen, die Gäste kommen schon bald!“
Erschrocken warf ich einen Blick auf die Standuhr und musste meiner Mutter Recht geben. Es war schon zehn nach fünf, und um viertel nach wollten die Ersten kommen!
Hastig richteten wir das Wohnzimmer her und stellten allerlei Snacks neben die drei Kuchen.
Wir waren gerade fertig, als es auch schon klingelte.
Mit grossen Schritten eilte ich zur Tür, atmete tief durch und riss sie dann auf.
Eine junge Frau mit kurzen, roten Haaren, die in alle Richtungen abstanden, strahlte mich an.
„Hallo! Ich bin Riccy! Du musst Alice sein! Freut mich dich kennenzulernen!“
Im nächsten Augenblick hatte sie mich auch schon in eine herzliche Umarmung gezogen und ich schnappte erschrocken nach Luft. Mein Gott! Was war das denn?
„Äh, ja, die bin ich! Ich äh... freut mich ebenfalls“, murmelte ich nach der ersten Schocksekunde und musste mir eingestehen, dass ich Riccy schon jetzt mochte.
Die drängte sich jetzt an mir vorbei und schaute sich staunend um. „Wow! Ich wollte schon immer mal dieses Haus von innen sehen, aber Kerrald und ich verstehen uns nicht besonders. Das ist echt schön hier! Du hast einen guten Geschmack, Alice!“
Ich nickte erschlagen und folgte ihr noch immer ein bisschen durch den Wind. Ihre Ausstrahlung nahm den ganzen Raum gefangen und man musste sie einfach mögen.
Ich grinste, als sie auch meine Mutter in eine Umarmung zog und das Kleid, das diese gerade trug, lobte.
„Oh, wer hat diese Kuchen gemacht? Die sehen ja total lecker aus!“ Ich deutete lächelnd auf meine Mutter, die unter dem Lob errötete.
Die Klingel unterbrach ihr Geplapper und ich eilte zur Tür. Ein älteres Ehepaar lächelte mir entgegen und ich hiess sie freundlich willkommen.
„Mein Name ist Anna Gramoon und das hier ist mein Ehemann Luk Gramoon! Es freut mich, Sie kennenzulernen, Alice!“ Ich lächelte und war erfreut, das meine bisherigen Nachbarn so nett zu sein schienen.
Ich führte die beiden ins Wohnzimmer und eilte erneuert zur Tür, da es wieder geklingelt hatte.
„Hi, Alice! Freut mich, dich wieder zu sehen!“ Kerrald lächelte mich breit an und zog mich in eine kurze Umarmung. Mein Gott, was war hier los? Alle schienen verdammt gut gelaunt zu sein. „Äh, hi, Kerrald! Geh schon rein, die anderen sind im Wohnzimmer.“ Er nickte und verschwand.
Keine Sekunde später klingelte es wieder und ich öffnete lächelnd.
„Hi, ich bin Alice Hugh! Herzlich willkommen!“ Eine blonde Frau, ganz in Pink gekleidet lächelte mir falsch entgegen. „Hallo, Schätzchen! Mirranda Live, ist Kerrald schon da?“ Ohne weiter auf mich zu achten, linste sie an mir vorbei. Ich nickte ein wenig verwirrt und liess sie rein. Okay, die Frau mochte ich schon jetzt nicht! Sie drängte sich unwirsch an mir vorbei und rief schon vom Gang aus laut nach Kerrald.
Im Wohnzimmer musste ich mir ein lautes Lachen verkneifen, denn Kerrald schaute so, als hätte er starke Magenkrämpfe.
Mirranda schwirrte begeistert um ihn herum machte ihn ohne viel Federlesen an.
„Ähm, Kerrald? Würdest du mir bitte in der Küche kurz helfen?“, rettete ich ihn schliesslich aus seiner erbärmlichen Situation. Erleichtert sprang er auf und rannte regelrecht in die Küche.
„Danke, Alice! Ich hätte mich in den nächsten zehn Sekunden umgebracht, wenn das so weiter gegangen wäre!“ Ich grinste und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Du schuldest mir was, Süsser“, murmelte ich und machte mich daran, ein paar weitere Gläser auf ein Tablett zu häufen.
„Kannst du bitte die Colaflasche aus dem Kühlschrank nehmen?“ Er nickteund griff hinein, doch dann hielt er inne und warf mir einen ernsten Blick zu. „Ich wusste nicht das Riccy auch eingeladen ist“, sagte er und hörte sich dabei an, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. „Warum? Ich mag sie!“ Er schüttelte resigniert den Kopf. „Alte Fehde. Ich erklär dir das ein anderes Mal. Komm, deine Gäste warten!“
Wir traten wieder ins Wohnzimmer und ich beobachtete mit Genugtuung, wie Mirranda das Gesicht verzog, als sie uns zusammen sah.
Es kamen keine weiteren Gäste mehr und ich war darüber auch nicht weiter unglücklich. Die meisten verstanden sich relativ gut und schon bald hatten sich Grüppchen gebildet. Mr. Gramoon verwickelte mich nach anfänglicher Zurückhaltung in ein interessantes Gespräch und ich war dankbar, dass meine Nachbarn augenscheinlich ziemlich nett waren. Nun gut, mit Ausnahme von Mrs. Pink vielleicht. Die schenkte mir ständig böse Blicke und schlang sich immer mehr um Kerrald. Der flüchtete immer wieder, entweder aufs Klo oder in die Küche.
Riccy schien nicht besonders glücklich zu sein, dass er hier war und ich fragte mich, was wohl zwischen den beiden vorgefallen war. Ich fand, die beiden passten perfekt zusammen.
Meine Mum brachte Riccy bei, wie man eine richtige Torte backte und lächelte glücklich. Irgendwann klingelte es und ich liess unwillig meinen Vater rein.
Okay, unbeliebter Gast Nummer Zwei war soeben dazu getreten!


Fortsetzung folgt. Ja, ich weiss, ich sollte mal meine anderen Bücher fertig kriegen, aber irgendwie hat mich die Idee für dieses Buch einfach nicht mehr losgelassen... Wer wissen will, wann es weitergeht, soll mir eine FA senden, ich mache Rundmails.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 03.12.2012

Alle Rechte vorbehalten

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