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Prolog



Ich stand wie gelähmt dort und starrte sie an. Im selben Moment wie sie, erfasste ich mit meinem Blick die Situation: ein Auto raste mit hoher Geschwindigkeit auf sie zu, sie wäre tot, auf der Stelle, der Fahrer könnte niemals abbremsen. Und sie tat nichts dagegen! Lief keinen Schritt! In meinem Kopf ratterte es, meine Gedanken versuchten eine passable Lösung für das zu suchen, und im selben Moment spannten sich meine Muskeln an, meine Beine liefen schon los, ehe ich überhaupt nachdachte.
Mein Körper reagierte reflexartig, ich bewegte mich immer schneller, nur noch sie im Auge und den näher kommenden Wagen, kurz sah ich das vor Schreck verzerrte Gesicht, der jungen Frau hinter dem Steuer, doch schon im nächsten Augenblick war wieder das Mädchen Zentrum meiner Gedanken und meines Blickes. Mein Körper lief mittlerweile mit einer übermenschlichen Geschwindigkeit, das Tier in mir hatte meine Bewegungen übermannt und hatte die Kontrolle über meine Muskeln. Einen Wimpernschlag vor dem Auto erreichte ich sie, zog sie an mich und lief weiter. Ich spürte wie sie sich etwas anspannte bei meiner Berührung, sich jedoch nicht gegen mich wehrte. Auf der anderen Strassenseite wurde ich wieder langsamer, nahm wieder menschlichere Bewegungen an, konzentrierte mich und versuchte ruhig durch zu atmen.
Dann setzte ich sie ab und ging vor ihr in die Hocke. Zwei verschiedenfarbige Augen starrten mich überrascht an. Sie brachte keinen Ton raus und schaute mich einfach nur aus ihren eigenartigen Augen an. Dann ging sie einen Schritt zurück und musterte mich genauer. Ich fühlte mich, als würde nicht eine vielleicht Neunjährige mich anstarren, sondern als wäre das Mädchen vor mir eine erwachsene junge Frau. Sie blickte mich jetzt noch intensiver an und schien direkt in meine Seele zu schauen. Tief in mir innen veränderte sich etwas.
Ich versuchte krampfhaft etwas zu sagen, doch ihr Blick hatte mich gelähmt.
Schliesslich schloss ich kurz meine Augen und zählte auf drei.
Langsam öffnete ich sie wieder - doch sie war weg! einfach verschwunden!
Überrascht und verwirrt drehte ich mich um, doch kein Mädchen mit braunen Locken rannte weg, kein rotes Keid zwischen den Leuten, die sich schnell auf den Strassen vorwärtsbewegten.
Ohne dass ich es wollte, erschien vor seinem inneren Auge ihr Gesicht: Ihr Wangen jetzt schon hoch, jedoch sah man den Babyspeck auch noch, was ihr ein ziemlich süssen Aussehen gab, dazu besass sie einen vollen Schmollmund, der sie noch schöner machte, braune, leuchtende Locken umgaben ihr rundes Gesicht wie einen Engel, aber das schönste an ihr waren wohl die Augen. Das eine war von einem dunklen, satten Grau währenddem das andere Auge in einem leuchtendem Grün blitzte. Ihre Augen blickten ernst, ohne jegliche kindliche Naivheit, die jedem Kind in ihrem Alter eigen war. Sie trug ein leuchtendes, rotes Kleid und Ballerina's, was ihre Schönheit noch unterstrich.
Mit einem leisen Seufzen stand ich wieder auf und ging über Strasse zurück zu meiner kleinen Wohnung.
Ach ja, noch etwas zu mir:
Mein Name ist Lincoln Drugster und ich bin 18 jahre alt und gehöre zu den mächtigsten Gestaltwandler dieser Welt.

1. Kapitel 10 Jahre später




Laute Stimmen durchschallten den grossen Raum, Telefone klingelten unablässig, Menschen redeten durcheinander, wütend, leise, laut, fröhlich, erregt, böse, es gab jegliche Art von Laune, und all das jeden Tag.
Ich sass in meinem Büro, und beobachtete jeden und alles. Das tat ich schon mein ganzes Leben lang.
Auf meinem Schreibtisch lagen unzählige Rechnungen und Dokumente, die es zu ordnen galt.
Genervt seufzte ich leise und machte mich an die Arbeit.
Zwei Tage weg und schon schoben die mir allen Kram auf den Tisch!
Zuerst schrieb ich die Rechnungen aus, ordnete dann die Dokumente ein und öffnete die restlichen Briefe.
Nichts Spannendes dabei, somit landete das Meiste im Müll oder in meiner Schublade.
Mit einem leicht genervten Blick erhob ich mich und öffnete schwungvoll die Tür meines Büros. Seit über einem Jahrzehnt arbeitete ich schon hier und gehörte mittlerweile zu den besten Polizeibeamten, die es hier gab. Obwohl mir da der Umstand, dass ich ein Gestaltwandler war, auch ziemlich oft weiter half.
Mein Blick wanderte automatisch durch die Gänge, blieb kurz an ein paar Menschen hängen, die lautstark über etwas diskutierten und sich uneinig waren, ehe ich mich weg drehte und auf die letzte Tür des Ganges zu lief.
Leise klopfte ich an das massive Holz.
Kurz blieb es still, doch im nächsten Moment rief eine dunkle Stimme "Herein!" und ich drückte die Tür kurzerhand auf.
Überrascht blieb ich stehen, denn mein Boss und bester Freund Macster war nicht wie erwartet alleine, neben ihm stand ein junger Mann, der einen hoch roten Kopf hatte und ziemlich wütend aus dem Fenster starrte.
"Ähhm... ich wollte dir bloss kurz sagen, dass ich wieder da bin... und ja..." Immernoch durcheinander fuhr ich mir durch meine braunen Locken und schaute zwischen Macster und dem Mann hin und her.
Schlussendlich blieben meine Augen an Macster hängen und schauten ihn fragend an.
Der grinste mich kurz an, erhob sich, lief auf mich zu und umarmte mich kurz. "Hey Kumpel! Wie war's? Hast du die Sache mit deinem Erbe geregelt?" Ich bemerkte sofort dass er den Kerl in der Ecke ignorierte, doch hatte ich keine Lust vor ihm meine privaten Angelegenheiten auszuposaunen, in Anbetracht dessen, dass ich ihn nicht kannte.
Mac drehte sich etwas zur Seite und blickte kurz zu dem Mann, ehe er ihm mit einer Geste zeigte, dass er sich, schön ausgedrückt, verpissen solle.
Mein Blick schweifte noch mal kurz zu ihm, und plötzlich fiel mir etwas auf.
Er errinnerte mich an jemanden.
Aber an wen?
Seine Augen waren von einem dunklen samtigen Grau, die mich jetzt durchbohrten.
Das sind IHRE Augen!

durchzuckte es mich. Tatsächlich sahen die Augen des Mannes aus wie das eine Auge des Mädchens! Verwirrt starrte ich ihn an, auch er schien etwas in mir gesehen zu haben, aber was?
Doch in dem Moment drehte er sich abrupt weg und ging aus der Tür, die er schwungvoll hinter sich zuschlug.
Unwillkürlich zuckte ich zusammen.
"Wer zum Teufel war das denn?", fragte ich Mac sofort.
"Oh, ach ja... es sind ein paar Dinge passiert in deiner Abwesenheit. Der Typ ist der Bruder einer Mörderin, die wir vorgestern gefasst haben. Er ist von ihrer Unschuld überzeugt und bla, bla, bla... egal! Die Kleine ist gefährlich! Wir werden sie bestimmt nicht wieder rauslassen." Er runzelte kurz die Stirn.
"Du erinnerst dich bestimmt noch an den Mord von Kingsley? Sie ist seine Tochter und Mörderin. Man hat sie damals über seine Leiche gebeugt entdeckt, die Tatwaffe hatte sie noch in der Hand. Tja, schätze sie bekommt lebenslang." Er seufzte leise und setzte sich erschöpft auf seinen Stuhl.
"Warte mal... du sagst der Typ von eben war ihr Bruder? Wie ist ihr Name?" Tief in mir drin zog sich etwas zusammen. Vielleicht hatte ich sie eben wieder gefunden...
Überrascht über mein Interesse an dem Fall sah mich Mac an. "Die Kleine heisst Emélià di Lantra. Sie hat nach der Scheidung ihre Eltern wieder den Namen ihrer Mutter angenommen, blieb jedoch bei ihm. Man behauptet sie sei niemals gewalttätig gewesen oder so, aber wenn du sie siehst... wow. Die Kleine hat was drauf! Ich bin ehrlich gesagt voll und ganz davon überzeugt dass sie ihren eigenen Vater umbringt! Ach ja, Jacky hat den Fall übernommen, aber ich vermute er kann Hilfe gebrauchen!" Ich wusste warum Mac mir den Hinweis gab. Jacky war dafür bekannt seine Fälle unabgeschlossen aufzugeben. Bisher hatte er gerade mal einen Diebstahl aufgeklärt, ansonsten war er unbrauchbar. Nur die hohe Stellung seines Vaters bei der Polizei gab ihm den Freipass hier zu sein. Jeder Andere wäre schon längst rausgeworfen worden.
Ich nickte ihm dankbar zu. "Wo finde ich Jacky? Hast du ihn heute schon gesehen? Und ähm... kann ich ihre Akte anschauen?" Fragend blieb ich vor ihm stehen.
"Jack ist vermutlich in der Mordabteilung bei der neuen Sekretärin, junges Ding... blond, gross, schlank... verdreht hier jedem männlichen Wesen den Kopf. Ausser dir vermutlich!" Er grinste mich kurz an, ehe er fortfuhr. "Hier, die Akte von Emélià!", bei diesen Worten zog er eine dünne Mappe aus seiner Schreibtischschublade, die er mir reichte.
Rasch schlug ich sie auf und überflog das erste Blatt.
Es befand sich kein Foto darin, wie normalerweise, nur die anderen Angaben waren vorhanden.

Name: Emélià di Lantra
Alter: 19.

Den Rest beachtete ich erst Mals nicht, aber etwas wollte ich noch wissen.
"Wo befindet sie sich jetzt?"
Mac, der mich stumm beobachtet hatte zuckte etwas zusammen.
"Sie ist gerade in einem Verhör, Raum 379. Frag Jack, der wird dir Genaueres sagen können... und jetzt geh schon! Ich hab hier noch zu tun" Er grinste kurz, ehe er anfing mit schnellen Bewegungen auf die Tastatur seines PC's einzuhämmern. Mit einem leichten Lächeln und in Gedanken versunken öffnete ich seine Tür, ging kurz in mein eigens Büro, um die Akte abzulegen und lief dann den, mittlerweile leeren, Gang hinunter.
Nach ein paar Minuten fand ich endlich den Mann, der mir weiter helfen konnte. Jacky war unübersehbar. Er war Mitte dreissig, hatte jedoch schon ein paar weisse Strähnen zwischen dem dunklen Haar, eine schmächtige, aber grosse Figur, Muskeln, die nie wirklich trainiert wurden. Alles in allem ein totaler Durchschnittsmensch. Nur durch seine Grösse auffällig. Neben ihm stand eine junge Blondine, mit üppiger Oberweite, langen schlanken Beinen, und einem feinen Gesichtchen. Eine Schönheit, wenn man(n) auf Blondinen stand. Was nicht mein Fall war.
Jacky sah mich sofort, löste sich widerwillig von seiner Blondine und kam dann mit einem aufgesetzten Lächeln auf mich zu. Ich erwiderte das Lächeln nur kurz, wobei es bei mir echt aussah.
"Drugster! Da bist du ja wieder!" Gott, wie ich seine schmierige Stimme hasste! Ich nickte knapp und fragte dann, ohne gross auf seinen neugierigen Unterton einzugehen: "Brauchst du Hilfe bei der Sache mit di Lantra? Ich war eben bei Macster, der hat davon geredet, dass du vielleicht noch Hilfe brauchen könntest." Ich verkniff mir ein hämisches Grinsen und starrte interessiert auf einen Punkt, ein paar Zentimeter über seinem Kopf.
Jacky's Stirn runzelte sich wütend, ehe er mich mit funkelnden Augen anstarrte und leise zischte: "was soll das heissen? Bin ich etwa nicht gut genug für die kleine Hexe?" Sein Gesicht verzog sich zu einer wütenden Grimasse.
"Nein, nein... er war sich nur nicht sicher ob du das alleine schaffen würdest!" Ich ehrlich gesagt auch nicht, aber das musste er ja nicht wissen.
Jacky überlegte kurz und schien zu der Einsicht zu kommen, das ihm meine Hilfe vielleicht gar nicht so ungelegen kommen könnte. Jedenfalls zwang er sich schliesslich zu einem knappen Nicken und wandte sich dann wieder mit einem "umwerfenden" Lächeln an die Blondine. Kurz betrachtete ich die Zwei, bemerkte jedoch den vor Verlangen schmachtenden Blick der Blondine, der zu meinem Leidwesen nicht Jack galt, sondern mir, und suchte hastig das Weite.
Der Nachteil wenn man gut aussah, man musste immer wieder vor verliebten Frauen flüchten.

Die Tür des Raums 379. war geschlossen, die Zahlenkombination versperrte zur Ausnahme den Eingang.
Automatisch flogen meine Finger über die Nummern, die tief eingebrannt in meinem Kopf waren, so oft hatte ich sie schon eingegeben.
Mit einem leisen Zischen ging die Tür einen Spalt breit auf und ich konnte sie ganz aufziehen. Schnell schlüpfte ich über die Schwelle und trat in den weissen Gang, der sich dahinter befand. Mit weit ausgreifenden Schritten lief ich auf die Tür am Ende des Gangs zu und klopfte kurz.
"Ja?", ertönte sofort die ruhige Stimme von Mitch, einem der Ältesten, die hier arbeiteten.
Ich öffnete die Tür und trat in den grossen Raum ein.
Dämmriges Licht hüllte die zwei Gestalten ein,die an dem grossen Tisch inmitten des Raums sassen.
Sofort erkannte ich die bullige, vom Alter etwas gebückte Gestalt von Mitch, neben ihm jedoch sass eine eher ziehrliche, aber grosse Frau, die mich keines Blickes würdigte und nur wütend zu Mitch starrte. Ich musterte die junge Frau, die aufrecht auf ihrem Stuhl sass, den einen Arm mit einer Handschelle an die Lehne gekettet, die andere auf dem Tisch, zur Faust geballt.
Lange, dunkle Haare flossen in sanften Wellen an ihrem Körper hinab, sie hatten jedoch etwas an Glanz verloren, widerspenstig standen ein paar Strähnen ab, liessen sie jedoch nicht hässlich aussehen, eher noch... wilder. Tatsächlich hatte sie etwas ungemein Wildes an sich - ihr Körper schien nach Freiheit zu schreien. Ihre Haltung war angespannt, ihre Lippen verbissen zusammen gepresst, totzdem erkannte man sofort, dass sie wunderchön war.
"Drugster! Was hast du hier zu suchen? Ich bin mitten in einem Gespräch mit der veehrten jungen Dame neben mir! Du weisst, dass ich es hasse gestört zu werden!" Da hatte er leider recht, er rastete oft aus und redete sich gerne in Rage.
Tja, darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht... mein einziger Gedanken hatte bisher dem gegolten, sie wieder zu sehen. Und aus irgendeinem Grund, den ich selbst noch nicht wirklich erkannte, wusste ich, dass ich niemandem von meiner Begegnung mit Émlilia erzählen durfte.
Was sagte ich jetzt Mitch bloss?
"Ähm... ich komm grad von Mac.. der hat mir gesagt ich soll, wenn mich der Fall interessiert, mal zu dir beziehungsweise zu Jacky gehen und schauen was ich machen kann. Tja und hier bin ich.
Eigentlich sollte ja Jack noch hier sein, aber der ist wohl zu sehr mit seiner Blondine beschäftigt", murmelte ich schliesslich. Mein Blick wanderte kurz zu Boden, mein Körper spannte sich an, in Erwartung von Mitch's Urteil.
Doch als dieser seufzte, hob ich wieder meinen Kopf und schaute ihn bittend an. So war der Alte noch am ehsten rum zu kriegen, wie ich aus Erfahrung wusste.
Er nickte leicht und deutete auf einen der Stühle die um den Tisch verteilt standen.
"Setz dich, aber halte bitte deine Klappe. Ausser es ist was äusserst Wichtiges!" Hastig nickte ich und setzte mich schweigend hin.
Mitch fuhr fort, die junge Frau zu befragen und ignorierte mich dabei. So hatte ich endlich genug Zeit um sie genauer zu mustern.
Ihr Blick zuckte kurz zu mir und durchbohrte meine Augen für ein paar Millisekundeltstel.
Trotzdem hatte ich ihre Augen wiedererkannt. Diese verschiedenfarbigen, tiefen Seen in Grau und Grün. Meine Augen sogen jedes Detail in sich auf, speicherten alles in mein Gehirn ab.
Sie trug einen schwarzen Overall, passend dazu schwarze Schuhe. Die typische kleidung, für die Gefangenen von hier. Ihr Körper war ziemlich dünn, vermutlich durch die Gefangenschaft hier. Das eine Handgelenk, an dem sie gefesselt war, hatte leichte rote Striemen, vermutlich hatte sie sich ziemlich gegen ihre Handschellen gewehrt. Ihre Finger zuckten immer wieder, als würde sie am liebsten etwas umklammern.
Plötzlich drehte sie sich etwas zur Seite und starrte mich an. Ihre Augen schienen kalt und starr zu blitzen, trotzdem war da noch etwas anderes. Allerdings schaute sie gleich wieder zu Mitch, der ihr eine Frage stellte.
Hatte sie mich wiedererkannt? Vermutlich nicht. Etwas zog sich bei dem Gedanken tief in mir zusammen. Schmerzhafte Vorstellung.
Mitchs Stimme riss mich aus meinen Gedanken, als er mich etwas fragte.
Ich blinzelte kurz und wandte mich dann zu ihm. "Was?" "Ich hab dich jetzt drei Mal gefragt, ob du kurz hier bleiben könntest, um auf sie aufzupassen, da ich kurz ein paar Unterlagen holen muss!" Ein genervtes Schnauben unterstrich seine Worte.
"Äh... klar doch!", beeilte ich mich zu sagen und blickte kurz zu ihr Emélià hinüber. Wieder durchbohrten mich stechende Augen, diesmal sichtbar wütend.
Auf mich? Ich wusste es nicht.
Mitch erhob sich und ging leise murrend aus der Tür, die er mit einem heftigen Knall zuschlug.
Ich drehte mich wieder zu ihr um und senkte meinen Blick gegen Boden.
Sie räusperte sich, schwieg jedoch beharrlich.
Neugierde überkam mich, ich wollte plötzlich wissen, was damals geschehen war, aber diesmal von ihr.
Ob ich sie wohl fragen durfte?
"Was... was ist damals bei der Geschichte mit deinem Vater wirklich passiert?", rutsche es mir schliesslich heraus.
Sofort wünschte ich mir, die Worte wären nie ausgesprochen worden.
Eméliàs Kopf zuckte hoch und wieder durchbohrte sie mich mit ihren Augen. Diesmal schien sie jedoch misstrauisch zu blicken. Sie schien abzuwägen, ob sie mir antworten sollte oder nicht.
Ich dachte schon, sie würde es mir nicht mehr sagen, als sie plötzlich anfing zu reden.
"Ich habe meinen Vater nicht umgebracht. Das hätte ich nie gekonnt. Ihr braucht doch bloss einen Sündenbock, der mit dem Fall zu tun hatte!", Wut drang durch ihre Stimme vor.
"Nein, das stimmt nicht, und das weisst du genau! Du wurdest gesehen, Herrgott noch mal! Dicht über die Leiche gebeugt, so wurdet ihr gefunden! Was glaubst du, wen sie als erstes verdächtigen?"
Erschöpft von meinem Ausbruch, sank ich in den Stuhl zurück und betrachtete sie.
Sie schlug die Augen nieder.
"War ja klar." Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. "Lincoln, hilf mir! Ich will da nicht mehr rein! Nie mehr!"
Ich zuckte zusammen. Woher wusste sie meinen Namen? Mitch hatte mich, wie immer, mit meinem Nachnamen angesprochen!
Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf. "Woher zum Teufel weisst du meinen Namen?" Emélià lachte laut auf. Es klang traurig und trostlos.
"Warum sollte ich dir das verraten?", fragte sie leise und blickte mir in die Augen.
Ich lächelte kurz und flüsterte dann mit dem selben Tonfall wie sie zuvor: "warum sollte ich dir helfen? Gib mir einen Grund, der sagt, dass ich dir vertrauen kann." Eigentlich wusste ich tief in meinem Herzen, dass sie nicht log, aber ich wollte einen guten Grund von ihr hören.
"Ich -" Emélià zögerte. "Weil ich deine Schwester gerettet habe."
Verdutzt starrte ich sie an. "Wie bitte?!"
"Ja, ich habe Dana damals gerettet, als sie vom Kingsizerudel entführt wurde."
Moment mal! Kingsizerudel? Woher wusste sie von diesem Rudel?
"Ich gehörte eine Zeit lang zu ihnen", antwortete sie auf meine unausgesprochene Frage. Ihre Stimme hatte einen schmerzhaften Klang angenommen. "Eigentlich geht es dich einen feuchten Dreck an, aber ich muss dein Vertrauen gewinnen. Lincoln, hilf mir bitte hier raus! Ich halte es nicht mehr lange aus. Ich will nicht für etwas bestraft werden, wofür ich nichts kann. Und ich will meine Rache!"
Perplex starrte ich sie an. "Du... du hast zu ihnen gehört?" Dann war sie meine Feindin. Alle aus diesem Rudel waren Feinde von mir. Aber, das würde dann ja bedeuten...
"Du bist ein Wolf?!" Emélià lächelte ganz leicht und nickte knapp.
"Ich gehörte zu ihnen, bis sie Dana entführt haben. Ich musste sie einfach befreien!"
"Aber... warum?" Das wollte mir einfach nicht in den Kopf! Warum sollte sie meine Schwester befreien, die noch dazu eine Feindin von ihr sein sollte?!
"Ich... das kann ich dir nicht sagen..." Verlegen senkte sie den Kopf, trotzdem konnte ich die Röte sehen, die in ihre Wangen geschossen war. Stirnrunzelnd betrachtete ich ihre zierliche, erschöpft wirkende Gestalt.
"Bitte. Vertraust du mir?" Sie hob den Kopf an und blickte mich mit derart bittenden Augen an, dass es mir ganz warm ums Herz wurde. Hastig schüttelte ich den Gedanken ab und nickte zögerlich. "Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber ich verspreche nichts!"
Der Hoffnungsschimmer in ihren Augen glühte auf und liess sie funkeln.
Wir beide schreckten auf, als die Tür aufgestossen wurde und Mitch mit den Unterlagen herein kam. Er warf mir einen Blick zu, bei dem ich nicht wirklich wusste, was ich davon halten sollte, und setzte sich wieder.
Erneuert begann er mit dem Verhör, allerdings wurden Eméliàs Antworten immer knapper. Irgendwann, ich hatte das Gefühl, es wären Stunden vorbei gegangen, seufzte er laut und erhob sich wieder.
"So kommen wir nicht voran. Wir vertagen das besser. Di Lantra? Sie kommen mit mir."
Emélià erhob sich zögernd und warf mir einen bittenden Blick zu.
"Mitch? Ist sie eigentlich in Untersuchungshaft? Und wo ist sie untergebracht?"
Mit gerunzelter Stirn drehte sich Mitch mir zu und musterte mich misstrauisch.
"Ja, sie ist in U-Haft. Und sie ist in einer der Zellen untergebracht, so wie es sich für eine Mörderin gehört." Selbst Mitch schien das Zusammenzucken von Emélià zu bemerken, ignorierte es allerdings gekonnt.
Ich überdachte kurz die Möglichkeit, ob ich es wagen könnte, ihm einen Vorwurf zu machen und entschloss mich innerhalb wenigen Sekunden.
"Findest du das nicht ein bisschen übertrieben? Normalerweise kommen U-Häftlinge in die geschlossenen Wohntrakte und werden nicht wie Verurteilte in die Zellen gesteckt! Ich finde, wir sollten da keine Ausnahmen machen, oder?"
Mitch hob erstaunt die Augenbrauen, nickte allerdings nach ein paar Sekunden des Zögerns.
"Nun gut, dann bringe ich sie eben zu den Wohnungen. Aber du trägst die Verantwortung, wenn etwas passiert!" Ich nickte hastig und beobachtete ihn, als er ihre Handschellen löste und sie vom Stuhl losmachte.
Sie warf mir einen dankbaren Blick zu und folgte Mitch ohne Widerworte hinaus.
Grübelnd verliess ich nach ein paar Minuten ebenfalls den Raum und schloss mich in meinem Büro ein.
Kurzerhand loggte ich mich im Revieraccount ein, unter dem alle bisherigen Fälle digitalisch gespeichert waren, und suchte nach dem Fall Di Lantra.
Bald fand ich die Akte und las sie mir immer wieder aufmerksam durch.
Doch alles wies darauf hin, dass Emélià die Mörderin war.
Ein guter Freund ihrerseits hatte sie dicht über ihrem Vater gebeugt gefunden, mit der Waffe in der Hand, das Gesicht wutverzerrt, und kurz darauf die Polizei verständigt.
Doch immer wenn ich ins Zweifeln kam und darüber nachdachte, dass sie mich anlog, erschienen ihre schönen Augen in meinem Kopf und das bittend geflüsterte "Lincoln".
Mein Gott, diese Frau brachte mich um den Verstand!
Ich musste hier raus.
Entschlossen erhob ich mich und lief zum Brüo von Mac.
"Hey Kumpel, ich bin mal für 'ne halbe Stunde weg, bis gleich!", rief ich ihm durch die Tür zu und verschwand sofort wieder.
Er würde nichts dagegen sagen, das wusste.
Mit grossen Schritten verliess ich das Revier und lief zu meinem Auto. Automatisch wanderte mein Blick zu den gechlossenen Wohntrakten. Was sie wohl machte?
Genervt schüttelte ich den Gedanken ab.
Mit dem Auto fuhr ich zu dem nahegelegenen Wald, der meinem Rudel gehörte.
Ich liebte diesen Wald. Mit seinen grossen Bäumen wirkte er immer beschützend auf mich und mit seiner Ruhe und natürlichen Art beruhigte er mich ungemein. Nachdem ich ungefähr 20 Meter hinter mir gelassen hatte, blieb ich stehen, seufzte glücklich und rief das Tier in mir hervor.
Sofort verflüchtigte sich mein Körper und setzte sich wieder zusammen, diesmal in Form eines riesigen, dunkelgrauen Wolfes.
Meine Sinne verschäften sich sofort, der Waldgeruch stieg mir würzig in die Nase. Ich schloss die Augen und sog die frische Luft genüsslich ein. Der Wind streifte kühl mein Fell, ich roch die Freiheit. Mit grossen Sätzen rannte ich los, mitten durch die Bäume.


"Sie haben was?! Sie in die Wohnräume gebracht? Verfluchte Scheisse, sag mir, dass das nicht stimmt!"
Wütend lief Greg Figh vor Mixer hin und her. Mix, der seinen Namen wegen seines vermixten Stils und seiner Vorliebe für Bananenshakes bekommen hatte, duckte sich unwillkürlich. Wenn sein Chef so wütend war, war etwas nicht gut.
Mix hatte panische Angst vor einem wütenden Greg Figh. Der Kerl war so schon vollkommen unberechenbar, aber wenn er wütend wurde, musste man echt vorsichtig sein. Ausserdem war Mix nicht besonders wichtig für seinen Boss, nur ein kleiner Spitzel.
Er hatte doch nur seinen Job getan, warum war der Boss jetzt wieder so wütend auf ihn? Dümmlich starrte er den hageren Kerl an, dessen Gesicht eine hässliche Narbe mitten drin zierte. Niemand wusste, woher er das hässliche Ding hatte, er sprach nie über seine Vergangenheit. Aber in der Kombination mit seinen breiten, schwarzen Augenbrauen und den bösen Augen wirkte er wirklich beängstigend.
"Mach, dass sich das ändert, verstanden? Und jetzt verschwinde!" Hastig nickte Mixer und suchte das Weite.
"Scheisse, scheisse, scheisse

! Auf diese Dummköpfe kann man sich nie verlassen! Alles muss man selber machen!" Fluchend schmiss Greg seinen Bürostuhl um. Er hatte gehofft, die Kleine würde einfach nur eingebunkert werden und am besten zu Tode verurteilt werden. Allerdings war irgendetwas schief gelaufen. Statt im Todestrakt war sie im Wohnraum der Bullen gelandet! Scheisse! Das machte ihm seine schönen Pläne wieder durcheinander!


Fortsetzung folgt!
Nur langsam, wegen Schule usw.


Fortsetzung folgt bald...

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 21.11.2011

Alle Rechte vorbehalten

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