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Keuchend fiel er auf die Knie. Die schwere Rüstung schepperte, das blutverschmierte Schwert hielt er eisern in der Hand. Es herrschte eine gespenstische Stille. Das einzige, was zu hören war, war sein eigener Atem, der schwer und rasselnd durch seine brennenden Lungen strömte. Das Geräusch, das seine Rüstung durch die Atembewegungen machte, klang in dieser Stille wie das bedrohliche Schwerterrasseln einer in der Ferne anrückenden Armee. Mit mandelförmigen, schwarzbraunen Augen schaute er sich langsam um. Kein Leben war mehr in der Ebene zu finden. Der Geruch des Todes schwebte über der Landschaft und schien sich fast schon gestaltlich zu manifestieren. Der Boden war schwarz und rot, bedeckt von den Leichen tausender gerüsteter Krieger, getränkt mit deren Blut.
Die Schlacht hatte die ganze Nacht gedauert und nun brach der Morgen an, noch versteckt hinter zarten Nebelstreifen. Es war kalt. Aber nur sein Atemdunst zeigte dem Krieger, dass leblose Kälte über das Land kroch. Er spürte nichts mehr. Keine Kälte, keine Hitze, keine Schmerzen. Er wusste, dass er verwundet war, hatte aber in diesem Augenblick vergessen, wo und wie schwer. Alles Gefühl und Empfinden war von ihm gewichen. In der Hitze des Gefechts hatte er nur ein Ziel vor Augen gehabt: Überleben. Zweifelsohne hatte er dieses Ziel erreicht. Er war der einzige Überlebende. Und nun kniete er hier, inmitten von Leichen und Blut und sah dem Nebel zu, wie er langsam aus den Wäldern rings um die Ebene hervorkroch. Und so wie der Nebel in die Ebene sickerte, breitete sich Müdigkeit in seinen Gliedern aus. Er hatte alles gegeben. Alles und noch viel mehr. Langsam legte er sein Schwert nieder. Selbst die Kraft, es zu halten, verließ ihn nun. Sein Atem beruhigte sich allmählich, auch wenn das Brennen in seinen Lungen nicht nachließ.
Mit leerem Blick schaute er auf seine Hände. Ballte sie zu schwachen Fäusten, öffnete sie wieder. Er war wirklich da. Er lebte wirklich noch. Das ganze Heer war gefallen, aber er war noch da. Langsam hob er den Blick. Der Himmel war eine weiße, kalte Fläche. Hochnebel und Wolken verdeckten all das Blau und die Sonne und sorgten dafür, dass das neue Tageslicht grau und alt wirkte. So grau und alt wie der Krieger sich fühlte. Dennoch konnte er den Blick nicht abwenden. Nach all dem Sterben und Töten, dass er in den letzten Stunden sehen musste, war dieses schmutzige Weiß eine Wohltat für seine gebrochenen Augen.
Er saß einige Minuten reglos da und versank in dem ewigen Weiß des Himmels, bis sich ein befreiender Schrei seiner heiseren Kehle entwand.

Er lebte.

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Tag der Veröffentlichung: 08.02.2011

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