Cover

Prolog




Es war früh am Morgen in einem kleinen Randviertel von Paris. Die Sonne war gerade erst aufgegangen und kaum jemand war auf der Straße außer ein paar Obdachlosen, die für die Nacht keine Unterkunft gefunden hatten und sich jetzt um eine brennende Mülltonne versammelten um die Kälte der Nacht aus ihren Knochen zu vertreiben.
Es waren ausschließlich Ausländer, die illegal in der Millionenstadt lebten und immer noch auf ein Wunder warteten, dass sie endlich eine Chance für ein besseres Leben bekamen. Sie hatten sich alle in diesem Viertel mit den vielen verlassenen Lagerhallen und Industriegebäuden versammelt und gingen tagsüber in das Zentrum der Stadt um auf den Plätzen ihre Ware an Touristen zu verkaufen oder zu betteln.
Nachts kamen sie dann wieder zurück und schliefen mit Hunderten von anderen Obdachlosen in den großen Hallen. Denn dort waren sie nicht nur vor Regen geschützt, sondern auch vor der Polizei, die dieses Viertel jedoch schon lange aufgegeben hatte und nur noch selten dort auftauchte.
Kein Wunder also, dass sich auch so selten jemand Fremdes dorthin verirrte, da die heruntergekommenen Gebäude und die zwielichtigen Gestalten alle ungebetenen Gäste früh genug abschreckten. Außerdem eilte dem Bezirk der Ruf voraus, die höchste Kriminalrate der ganzen Stadt zu haben, sodass selbst die Illegalen, die dort hausten, meistens nur in Gruppen umherzogen.

Es war ein ganz normaler Morgen – So schien es zumindest. Doch dann hörte man plötzlich ein Auto näher kommen und alle hoben verwundert den Kopf. Das kam nur selten vor und meistens brachte es Ärger.
Da bog auch schon ein schwarzer, ziemlich teuer aussehender Wagen um die Ecke und hielt vor dem einzigen Wohnhaus der Straße. Vier Männer in schwarzen Anzügen stiegen aus, wovon einer beim Auto stehen blieb, während die anderen drei das Haus betraten.
Die Obdachlosen an der Mülltonne wandten wieder ihre Köpfe ab. In dem Haus wohnte ein erfolgreicher Hacker und es kam öfter vor, dass Geschäftsleute ihn beauftragten irgendjemanden zu überprüfen – Jedoch kamen die wenigsten von ihnen persönlich zu ihm.
Doch plötzlich löste sich eine kleine Gestalt aus dem Schatten der Lagerhalle gegenüber. Es war ein schlankes Mädchen, noch relativ jung mit braunen, langen Haaren. Ihre Kleidung war dreckig und zerrissen, doch sie strahlte trotzdem eine gewisse Eleganz aus, sodass sie viel zu gepflegt für dieses Viertel wirkte.
Sie wechselte unauffällig die Straßenseite und schlich sich von hinten an den Wagen heran. Dessen Aufpasser spielte gelangweilt mit seinem Handy und fühlte sich anscheinend so sicher, dass er nicht bemerkte, wie das Mädchen die hintere Tür langsam öffnete und hinein stieg. Sie lehnte sie nur an und kletterte dann auf die Vordersitze, wo sie alles durchsuchte.
Der Aufpasser hatte von all dem immer noch nichts gemerkt und starrte gelangweilt in der Gegend herum. Doch dann kam plötzlich sein Chef aus dem Haus und er drehte sich ertappt um, wobei er die Diebin entdeckte.
Diese stieß einen derben Fluch aus, als sie die anderen drei Männer entdeckte, die inzwischen das Auto umrundet hatten und startete kurzerhand den Wagen, in dem der Schlüssel noch gesteckt hatte.
Mit quietschenden Reifen raste sie los und überfuhr dabei fast den geschockten Anzugträger, der sofort von seinem Chef angeschrien wurde, während die anderen zwei dem Auto hinterher rannten.
Sie hatten keine Chance gegen den Wagen, doch anscheinend war dessen Fahrerin so erschreckt und nervös, dass sie die engen Straßen ignorierte und mit so hoher Geschwindigkeit durch die Kurve fuhr, dass sei diese zwar noch schaffte, doch - aus dem Blickfeld verschwunden - hörte man kurz später ein lautes Reifen Quietschen und dann einen ohrenbetäubenden Knall.
Geschockt starrten alle in die Richtung und selbst der Besitzer des Autos vergaß seine Strafpredigt und rannte, zusammen mit ein paar Obdachlosen zur Unfallstelle.
Das Mädchen hatte noch eine zweite Kurve geschafft, war dann jedoch seitlich gegen eine Hauswand geprallt. Die zwei Anzugträger standen schon an dem völlig zerquetschtem Auto und suchten ungläubig die Gegend ab.
Als alle anderen dort ankamen, war auch klar, warum.
Der Wagen war völlig leer.
Lediglich die offene Beifahrertür und ein paar Blutflecken im Auto und auf der Straße ließen auf einen Fahrer deuten.
Die Gegend wurde komplett abgesucht, doch keiner der Anzugträger fand das verletzte Mädchen.

Kapitel 1



„Aua! Sei doch mal ein bisschen vorsichtiger! Tonto [Trottel]!!“
Mein Bruder lachte laut.
„Du bist doch selbst schuld, wenn du zu dumm zum Auto fahren bist!“
„Bin ich gar nicht! Ich hab mich einfach nur so erschreckt und bin ohne nachzudenken los gefahren. Und dann kam auf einmal diese verdammte Kurve!“
Frustriert betrachtete ich mein blau geschwollenes Handgelenk. Ich hatte richtig Glück gehabt. Es hätte mir weitaus mehr passieren können, als eine Platzwunde am Kopf und ein blaues Handgelenk!
Zum Glück war Stefan so schnell da gewesen und hat mich von dort weg getragen, sonst hätten diese Kerle mich schon nach einem Block eingeholt gehabt.
Seitdem lachte mein Bruder mich die ganze Zeit aus, dass er mir helfen musste und die Ausbeute dann auch noch so gering war. Nur ein verdammter Terminkalender und irgendwelche Firm Unterlagen. Ich hatte keinen einzigen Cent in diesem scheiß Auto gefunden oder sonst irgendetwas, das ich hätte verkaufen können!
„So, Meisterdiebin. Deine linke Hand solltest du vorerst nicht belasten oder zu viel bewegen. Und wenn die Kopfschmerzen nicht bald nachlassen, wirst du wohl oder übel zu einem Arzt müssen.“
Ich seufzte resignierend.
Das konnten wir uns doch gar nicht leisten!
Wir konnten uns doch noch nicht einmal eine Wohnung leisten und mussten zu viert in einer winzigen Garage wohnen, die sogar noch undicht war.
Meine Eltern, mein 21 Jahre alter, großer Bruder Stefan und ich.
Nicht gerade das, was ich mir immer erträumt hatte aber besser als gar kein Dach über dem Kopf zu haben.
„Hey. Stella! Kopf hoch! Das kann doch jedem mal passieren. Auch dir! Sei froh, dass die Kerle dich nicht geschnappt haben. Der Rest ist egal. Nächstes Mal klappt wieder alles und du kannst mehr mitgehen lassen.“
„Aber wir brauchen doch morgen das Geld für die Miete! Und wenn Mum und Dad heute wieder nichts verkaufen konnten, werden wir auch hier wieder rausgeschmissen!“
Seufzend nickte er und packte sich seine kaputte Jacke.
„Mal sehen, was ich so finde. Vielleicht habe ich ja Glück und komm an eine Handtasche ran. Dann haben wir sicherlich genügend Geld für die Miete. Du bleibst aber auf jeden Fall hier liegen und schonst dich! Und wehe ich sehe dich woanders als in deinem Bett!“
Damit baute er sich zu seiner vollen Größe auf und strich sich durch die kurzen blonden Haare. Seine hellblauen, fast grauen Augen sahen müde auf mich herab.
„Wir schaffen das schon, chica [Kleine].“
Er verschwand durch die Tür und ich lehnte mich grummelnd an die Wand.
Ich war zwar froh, mich endlich mal ausruhen zu können aber ich hatte trotzdem ein schlechtes Gewissen.
Allerdings würde Stefan ausrasten, wenn ich heute noch einmal mein Glück bei einem anderen Diebstahl probieren würde. Und ich musste zugeben, dass ich auch zu viel Angst vor diesen Kerlen im Anzug hatte, die mich wahrscheinlich immer noch suchten.

Gelangweilt ließ ich meinen Blick durch unsere 'Wohnung' schweifen.
Es war ein kahler, grauer Raum mit Betonwänden. Die einzigen Möbel waren zwei durch gelegene Matratzen, ein Tisch, dem ein Bein fehlte, und ein kleiner Camping Kocher, für den wir momentan noch nicht einmal Gas hatten. Aber trotzdem war die gesamte Garage fast voll und nur ein kleines Fenster ohne Scheibe spendete Licht.
Und dafür verlangt dieser Wichser von Besitzer 20 Euro pro Monat!
Für Andere wäre das natürlich nur wenig Geld – doch niemand aus meiner Familie fand Arbeit.
Meine Eltern verkauften Armbänder an Touristen während mein Bruder und ich uns als Taschendiebe versuchten. Deswegen schafften wir es nicht immer die Miete zu zahlen und mussten dann wieder eine Weile auf der Straße leben.
Einmal hatte mich sogar die Polizei geschnappt und ich musste für 2 Wochen ins Gefängnis – die schlimmsten Wochen meines Lebens!
Aber wenigstens hatte ich – als einzige in meiner Familie – die französische Staatsbürgerschaft, da ich hier geboren wurde und sie hatten mich deswegen nicht direkt abgeschoben.
Jedoch war nun jegliche Hoffnung auf einen normalen Job vergebens. Wer wollte schon eine zu dünne Taschendiebin beschäftigen?! Dass ich zu diesem Zeitpunkt noch zu jung für Arbeit war und ich vor Hunger fast gestorben wäre, ist dabei allen egal!
Verzweifelt rollte ich mich auf meiner Matratze, die ich mir mit Stefan teilte, zusammen. Das stetige Tropfen von der undichten Decke umfing mich und schließlich schief ich erschöpft ein.

Kapitel 2



„Stella, Kleines! Wach auf!“ Meine Mutter rüttelte an mir, bis ich knurrend antwortete, dass ich schlafen wolle. Doch dann hörte ich meinen Vater, wie er mich bat nicht so stur zu sein. Genervt öffnete ich die Augen.
Meine Eltern hockten vor mir und mein Bruder saß auf der anderen Matratze und starrte besorgt Richtung Tür.
„What's up, Dad? Warum guckt ihr alle so besorgt?“
Ich wollte mich aufsetzen, hatte jedoch mein verletztes Handgelenk vergessen, worauf ich stöhnend wieder auf die Matratze fiel.
„Was ist denn los, Stella? Hast du dir etwa am Handgelenk weh getan? Und die Wunde an deinem Kopf, wie ist das denn passiert?“
Die fremde Stimme ließ mich zusammenzucken. Erschrocken setzte ich mich auf, während meine Eltern sich zu meinem Bruder setzten. Dort standen sie. Die 4 Kerle, deren Auto ich zu Schrott gefahren hatte.
Ihr Boss lehnte lässig an dem Tisch mir gegenüber und sah mich böse grinsend an. Er hatte halblange, dunkelbraune Haare und strahlend braune Augen. Seine Gestalt war groß – sicher 1,80 m – und unter dem eng anliegenden Hemd deutete sich ein durchtrainierter Körper an.
Seine Begleiter waren bullige Schränke mit raspelkurzen Haaren und ein dünner, blonder Kerl mit Hornbrille. Wahrscheinlich zwei Leibwächter und ein Assistent, da ich bei den Schränken zwei verdächtige Beulen unter der Anzugsjacke ausmachte, die nur von einer Waffe kommen konnten.
„Wer sind Sie und was machen Sie verdammt noch mal in unserer Wohnung?!“
Wieder antwortete mein Gegenüber.
„Hast du dir bei dem Unfall etwa so schwer den Kopf gestoßen, dass du dich nicht mehr an uns erinnern kannst? Ein kleiner Denkanstoß – Ich bin der Besitzer des 100.000 ¤ Autos, was du heute Morgen zu Schrott gefahren hast. Der Dünne ist mein Mitarbeiter, der zu dumm war, darauf aufzupassen und die anderen zwei sind meine Sicherheitschefs, die dich verfolgt haben, sodass du gegen die Mauer gekracht bist.“
Ich schluckte. Der Kerl machte mir Angst. Vor Allem sein Grinsen verunsicherte mich.
„Da muss ein Missverständnis vorliegen! Ich habe kein Auto zu Schrott gefahren! Ich habe Sie auch noch nie gesehen! - Meine Verletzungen habe ich, weil ich eine der Treppen in den Lagerhäusern runter gefallen bin.“
Unbeeindruckt grinste der Kerl mich weiter an und holte dann hinter seinem Rücken den Ordner und den Kalender hervor.
„Ach ja? Und woher hast du dann das hier? Sicherlich nur auf der Straße gefunden, nicht wahr?“
Ich antwortete ihm nicht.
„Aber sag mir eines. Wie kommt denn dein verdammtes Blut in mein Auto?“
Darauf hatte ich auch keine Antwort.
„Ich mache dir einen Vorschlag. Du gibst mir einfach die 100.000 für das Auto und ich erwähne dich dafür nicht gegenüber der Polizei.“
Ich lachte trocken, worauf sein Grinsen noch ein bisschen breiter wurde.
„Klar! Ich hab ja auch immer 100.000 ¤ bei mir! Sonst könnte ich mir diese Luxus Wohnung hier gar nicht leisten! Mitten im Zentrum vom Pariser Ghetto! - Ich glaub es hackt!“
Ich war aufgesprungen und das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. Stattdessen war ein gefährlicher Ausdruck darauf erschienen, sodass ich zurück wich.
„An deiner Stelle wäre ich nicht so vorlaut! Entweder du gibst mir das Geld oder ich bring dich zu Polizei.“
„Bitte nicht!“, meine Mutter war aufgesprungen und nahm mich schützend in den Arm, während sie diesen Mistkerl in ihrer Muttersprache anflehte. Dieser runzelte jedoch nur verwundert die Stirn.
„Du hast eine deutsche Mutter, einen Engländer als Vater und sprichst fließend Französisch, ohne Akzent?“
„Ja..“, was interessierte ihn das jetzt schon wieder?!
„Aber gibt es nicht eine andere Möglichkeit als die Polizei? Sie haben doch anscheinend genug Geld, wenn Sie sich so ein Auto leisten können. Wir dagegen bekommen noch nicht einmal die 20¤ für diese Bruchbude zusammen!“
„Stella, quita! [Hör auf]“ raunte mir mein Bruder zu, worauf der Anzugträger nur lachte.
„Und Spanisch kannst du anscheinend auch noch! Bist wohl ein kleines Sprachgenie?!“
Meine Mutter kam mir zuvor, indem sie ihm erzählte, wie begabt ich doch sei, während ich mich nur wunderte, warum ihn das so interessierte. Und vor Allem schien er auch noch alle vier Sprachen, die ich konnte, zu verstehen!
„Wer sind Sie?!“, fragte ich ihn noch einmal, worauf er wieder teuflisch grinste und langsam auf mich zu kam.
„Schon mal was von Taylor Technologies gehört, Kleines?“
Langsam nickte ich. Soweit ich wusste, was das eine riesige, internationale Firma, die Software programmierte.
„Ich bin der Chef von der Firma, Mike Taylor.“
Ich schluckte. Warum musste ich denn unbedingt sein Auto zu Schrott fahren?!
Er lachte dunkel.
„Warum auf einmal so still? Ich warte immer noch auf mein Geld.“
Er stand direkt vor mir – ich reichte ihm gerade mal bis zum Kinn – und blickte von oben auf mich herab.
„Ich...wie soll ich denn an so viel Geld kommen?!“
Es war fast nur ein Flüstern, was ich zustande brachte.
Ich war verloren. Ich würde wieder ins Gefängnis gehen.Aber dieses Mal für länger und wenn ich die Zeit überstehen würde, hätte ich immer noch diesen riesigen Berg an Schulden.
„Wie wäre es mit Arbeit? - legaler zum Beispiel?“
Deprimiert lachte ich.
„Wo denn? Die Polizei hat mich ein paar Mal beim Essen klauen erwischt und ich musste ins Gefängnis. Seitdem bekomme ich keine Arbeit mehr, weil jeder nur die Taschendiebin in mir sieht. Und mit der Schule bin ich ja auch nicht fertig geworden..“
Er runzelte die Stirn.
„Aber du bist zur Schule gegangen, oder wie soll ich das verstehen?“
„Ja..Ich war sogar sehr gut, aber ein halbes Jahr vor meinem Abschluss verlor mein Vater seinen Job und wir hatten kein Geld mehr um das Schulgeld zu bezahlen..Dann ist auch noch unser Haus abgebrannt und jetzt haben wir nichts mehr..“
Prüfend sah er mich an.
„Auf was für einer Schule warst du denn, dass du dafür bezahlen musstest?!“
„Spanien..auf einer Sprachenschule.“
Sein Blick wurde ungläubig. Doch dann wandte er sich wortlos zu seinem Mitarbeiter um und redete leise mit ihm. Erschöpft ließ ich mich neben meinen Bruder fallen, der beruhigend einen Arm um mich legte. Da wandte Taylor sich auch wieder mir zu.
„Komm morgen früh zu mir in die Firma. Mit Geld oder ohne. Aber wage es nicht, dich zu verstecken oder wegzulaufen. Ich werde dich finden! Egal wo! Und dann steckst du erst richtig in der Scheiße!“
Damit nahm er seine Sachen und verließ, gefolgt von seinen Leuten, die Garage.

„Was soll ich nur tun?!“
Ich ließ meinen Kopf auf Stefans Schulter sinken, während er mir beruhigend über den Rücken strich.
Ich steckte schon jetzt verdammt tief in der Scheiße!!

Kapitel 3



Die ganze Nacht hatte ich kein Auge zu bekommen und mir brummte der Kopf vom vielen Nachdenken.
Ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte.
Als es dämmerte stand ich schließlich auf und machte einen Spaziergang in der Hoffnung auf einen Geistesblitz. Die kühle Luft beruhigte mich zwar aber als ich den Eiffelturm erreichte und mich dort auf ein Geländer setzte, war ich nicht weiter gekommen.
Entweder ich ließ meine Familie im Stich und floh – oder ich stellte mich Taylor und wanderte in den Knast.
So oder so musste ich meine Familie verlassen, dabei war sie doch alles, was mir noch geblieben war.

Es war inzwischen schon halb 8 und ich stand verzweifelt vor dem riesigen Gebäude von Taylor Technologies, das vollkommen aus Glas was und majestätisch vor mir aufragte.
Ich hatte einfach keine andere Wahl. Selbst wenn ich es schaffen würde, mich zu verstecken, so wusste er genau, wo meine Familie war. Und was er denen antun würde, wusste ich nicht. Sie hatten ja auch gar nichts mit der Sache zu tun. Das musste ich schon selbst regeln!
Verzweifelt klammerte ich mich an das winzige Fünkchen Hoffnung, dass alles irgendwie wieder gut werden würde und trat durch die große Glastür.
Im Foyer waren nur wenige Mitarbeiter, die mich jedoch alle verwundert ansahen. Was wollte denn auch ein junges Mädchen mit alter, zerrissener Kleidung in so einer Firma?!
Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und ging erhobenen Hauptes zu dem freundlich aussehenden, wenn auch ein bisschen verwunderten Empfangsmann.
„Bonjour. Ich habe einen Termin bei Monsieur Taylor.“
Er lächelte sanft.
„Wie heißen Sie denn, Madame?“
„Stella Anderson.“
Er wandte sich ab und griff zum Telefon, sodass ich schon fast erwartete, er würde den Sicherheitsdienst rufen. Doch ich hatte mich getäuscht.
„Monsieur Taylor erwartet Sie in seinem Büro. 10. Stock, letzte Tür links.“
Ich bedankte mich lächelnd und ging zielstrebig los. Obwohl meine Knie sich anfühlten wie Wackelpudding, ließ ich mir nichts anmerken und klopfte schließlich selbstbewusst an der Tür.
Ich würde ihm nicht den Gefallen tun und so verzweifelt vor ihm erscheinen, wie ich mich gerade fühlte. Ich war stark! Und das würde ich ihm auch zeigen!

Die Sekretärin führte mich sofort in ein modern eingerichtetes Büro. Ein riesiger Schreibtisch dominierte das Zimmer und Taylor thronte auf einem ebenso großen Schreibtischstuhl dahinter. Neben ihm war die gesamte Wand verglast und zeigte einen schönen Blick auf den Eiffelturm und andere Sehenswürdigkeiten Paris'. Ihm gegenüber hing ein riesiger Flachbildschirm an der Wand mit zwei Sofas und einem kleinen Tisch davor. Die Wand neben mir hingegen wurde von einem riesigen Schrank eingenommen, der wahrscheinlich vollgestopft mit irgendwelchen Akten war und hinter ihm hing ein riesiges Bild.
Ich stellte mich hinter die zwei Sessel vor dem Schreibtisch und ließ die genaue Musterung von Taylor über mich ergehen. Er selbst hatte ein weißes, eng anliegendes Hemd und eine dunkle Jeans an – die Haare standen in alle Richtungen ab und sein Gesicht zierte ein leichter 3-Tage-Bart, was ihn noch gefährlicher wirken ließ.
„Ich bin wirklich erstaunt, dass du kommst.“
Er riss mich aus meiner Musterung und deutete stumm auf einen der Sessel.
„Also..Wie sieht es aus? Hast du mein Geld?“
Ich blickte ihm stur in die Augen, die mich eingehend musterten.
„Nein.“
„Tja. Dann müssen wir dieses Problem wohl auf eine andere Art lösen.“
Er griff zum Hörer und rief seine Sekretärin herein, die ihm eine Akte brachte und dann wieder verschwand. Verwundert versuchte ich einen Blick darauf zu werfen, als er sie kurz öffnete und konnte gerade so ein 'Arbeitsvertrag' darauf entziffern.
„Was ist das?“, fragte ich verwundert. War ich so unwichtig, dass er sich direkt etwas anderem widmete, bevor er noch weiter seine kostbare Zeit mit mir vergeudete?!
Er grinste mich kurz spöttisch an, wandte sich dann aber wieder seiner Lektüre zu.
„Wenn du mein Geld nicht hast, musst du es dir erarbeiten. Es würde nichts bringen, dich der Polizei zu übergeben. Ich würde keinen einzigen Cent sehen. Also wirst du ab jetzt für mich arbeiten und mit dem Lohn deine Schulden abbezahlen. Wenn du nicht gut genug für den Job bist, kann ich dich ja immer noch verklagen.“
Er reichte mir die Mappe und zeigte mir, wo ich unterschreiben sollte.
„Ich würde vorher aber gerne noch wissen, als was ich denn arbeiten soll! Und man unterschreibt nichts, was man vorher nicht gelesen hat!“
Sein Grinsen wurde fieser.
„Entweder du unterschreibst oder du wanderst in den Knast. Lesen kannst du auch später!“
Stumm schluckte ich meine Wut herunter und unterschrieb zähneknirschend den Vertrag.
Sichtlich zufrieden stand Taylor auf und winkte mich aus seinem Büro heraus. Er gab die Unterlagen wieder seiner Sekretärin, die mir eine Kopie davon aushändigte.
„Ich habe jetzt ein wichtiges Meeting. Währenddessen füllst du den Fragebogen in der Mappe aus und wenn du Zeit hast, kannst du dir den Vertrag durchlesen.“
Damit ließ er mich stehen und verschwand im Flur. Verwirrt sah ich die Sekretärin an, die nur mild lächelte.
„Du gewöhnst dich schon an seine Art. Ich bin übrigens Marie.“
Ich stellte mich ebenfalls vor und setzte mich in eine kleine Sitzecke, bestehend aus zwei Sesseln und einem kleinen Glastisch. Zusammen mit Marie füllte ich den Bogen aus und wunderte mich immer wieder über dessen Inhalt. Denn dort wurde nach meinen Körpermaßen, möglichen Allergien, Lieblingsfarben, meiner Augen- und Haarfarbe und vieles mehr gefragt.
Laut Marie war das wichtig, weil ich oft reisen würde und dann von der Firma Kleidung, Essen und noch vieles mehr geliefert bekäme ohne, dass ich mich extra darum kümmern muss. Damit ich mich voll auf meine Aufgaben konzentrieren kann.
Coole Sache!

Als ich damit fertig war – er ging über drei Seiten!! - konnte ich mir endlich den Vertrag durchlesen. Und der Inhalt überraschte mich.
Ich war nun offiziell die 1. Sekretärin von Mike Taylor und dessen Fremdsprachenkorrespondentin. Ich würde ihn auf seinen Reisen immer begleiten, mit ihm auf Veranstaltungen gehen, seine Termine planen, die Arbeit seiner vier anderen Sekretärinnen koordinieren und Berichte oder andere Dokumente übersetzen.
Marie erzählte mich außerdem, dass Taylor eigentlich ständig unterwegs war und höchstens ein paar Wochen an einer Zweigstelle blieb. Zusätzlich dazu, besuchte er Kunden auf der ganzen Welt, weswegen er – genau wie ich ab jetzt – ständig in Hotels wohnte.
Die Blondine erzählte mir auch von den anderen Mitarbeitern und wurde mir mit der Zeit immer sympathischer. Sie war kleiner als ich, was bei meinen 1,65m schon ein Wunder war, und etwas mollig. Ihre grünen Augen steckten hinter einer Brille und funkelten ständig aufgeregt. Sie war ein richtiges Energiebündel, nahm kein Blatt vor den Mund und hatte immer einen passenden Spruch parat. Auch wenn sie nicht aussah, wie eine typische Sekretärin – ungebetene Gäste oder unzufriedene Kunden konnte sie sicherlich gut vom Büro ihres Chefs fernhalten.

Gerade erzählte sie von dem schwulen Sicherheitsmann, als Taylor wieder zurück kam.
„Fertig? Ich denke du weißt inzwischen, was deine Aufgaben sind. Ich treffe mich gleich mit einem weiteren Kunden. Währenddessen besorgst du ein paar Dinge. Komm mit!“
Ich verabschiedete mich schnell von Marie und eilte ihm hinterher in den Aufzug. Die Mappe hatte ich liegen lassen, da sie mich nur stören würde.
Wir waren allein und ich kam mir neben ihm ziemlich schäbig vor, wie er da lässig in seinem teuer aussehenden, maßgeschneiderten Anzug neben mir an der Wand lehnte und auf seinem Handy herumtippte.
„Ach ja. Zu deinem Lohn. Du hast dich ja für 20 Jahre verpflichtet, für mich zu arbeiten. Damit du dann alle Schulden bei mir getilgt hast, bekommst du nur 450 ¤ von deinem Gehalt. Der Rest geht direkt an mich.“
Die Fahrstuhltüren öffneten sich und ich folgte ihm durch die Tiefgarage.
„Aber wehe du gibst das ganze Geld deiner Familie. Die können sich selbst ihren Unterhalt verdienen. Du repräsentierst ab jetzt meine Firma und das tust du nicht ungepflegt und in alten Klamotten!“
„Ich denke Klamotten bekomme ich von der Firma gestellt?“
„Ja. Für offizielle Veranstaltungen. Aber keine Alltagskleidung fürs Büro.“
„Aber ich kann doch nicht mein Geld für neue Klamotten ausgeben, während sie kein Dach über dem Kopf haben und sich nichts zu Essen leisten können!“
„Das ist ihr Problem, nicht deines!“
Damit stieg er in einen schwarzen Audi A4 ein und brummte mir zu, dass ich mich gefälligst beeilen soll. Wütend stieg ich ein und funkelte ihn von der Seite an.
„Du kannst mir gar nicht vorschreiben, was ich mit meinem Lohn anstelle! Ich kann..“
„Aber ich kann dich feuern!“, fuhr er mir dazwischen und raste aus der Tiefgarage.
„Das Essen dauert ungefähr eine Stunde. So viel Zeit hast du um die Sachen auf der Liste hier zu besorgen. Sonst kannst du zurück laufen.“
Ich las mir die Liste durch, auf der alles genau erklärt war und bekam schließlich noch eine Kreditkarte dazu.
„Die Sachen bekommst du als Vorschuss von mir. Eine Art Investition. Kleiderordnung musst du keine Beachten, nur solltest du nicht ganz wie eine Schlampe oder ein Assi herumlaufen. Der Rest ist egal. Versuch die Preislimits, die ich dir daneben geschrieben habe, einzuhalten. Wenn du zu viel drüber bist, zieh ich dir das von deinem Lohn ab.“

10 Minuten später stand ich vor dem größten Einkaufszentrum, was ich jemals gesehen hatte und freute mich wie ein kleines Kind endlich wieder shoppen gehen zu können!
Ich verschwand im ersten Geschäft, was meinem Geschmack entsprach und deckte mich mit einem Berg an Klamotten ein – blieb aber noch weit unter dem dafür vorgesehenen Limit. Dabei freute ich mich noch einmal mehr, dass ich keine schicken Kostüme anziehen musste, weil ich diese Dinger hasste.
Sogar Schuhe standen auf der Liste, woraufhin ich mir sofort schwarze Pumas, blaue Adidas und weinrote Chucks sicherte. Doch auch bei den Schuhen blieb ich weit unter dem Maximalpreis.
Taylor schien damit gerechnet zu haben, dass ich nur bei den teuersten Marken einkaufen würde.
Einen Drogeriemarkt, drei Taschen und eine wunderschöne Lederjacke später stand ich vor meinem Persönlichen Highlight. Ein Geschäft, wo ich mir den Laptop, das Handy und den Internet-Stick kaufen konnte, die auf der Liste standen.
Ich sagte einem Mitarbeiter die Namen und quietschte wie ein kleines Kind ein Weihnachten, als ich sie sah. Der Laptop sah richtig geil aus, hatte alle möglichen Extras und wog dabei auch nicht viel. Und dann das Handy! Der Verkäufer selbst geriet ins Träumen, als er davon erzählte und es war anscheinend, das Beste was man gerade haben konnte. Dabei sah es auch noch richtig gut aus und passte perfekt in die Hosentasche.
Zusammen mit den Verträgen von der Liste – es schien mir, als ob ich für wirklich alles eine Flatrate hatte – zog ich schließlich fröhlich pfeifend und vollgepackt mit Tüten zum Ausgang. Anscheinend gerade rechtzeitig, da Taylor auch schon kam und ich direkt alles verstauen konnte.

„Hat alles geklappt?“
Mein neuer Boss schien ja richtig gute Laune zu haben, so grimmig wie er guckte. Also beeilte ich mich mit dem Einsteigen und gab ihm sofort seine Kreditkarte wieder.
„Ja. Ich hab auch nie die Limits von dem Zettel überschritten.“
Darauf knurrte er etwas und fuhr schweigend zu einem riesigen, teuer aussehenden Hotel. Dort rauschte er so schnell in Richtung Foyer, dass ich laufen musste um ihn unter der Last meiner vielen Taschen wieder einzuholen.
„Wenn du immer so langsam bist, klappt das mit dem Job nicht lange. Also streng dich gefälligst mal an!“
Meine Fresse, hat der schlechte Laune! Wenn das Meeting so schlecht gelaufen ist, muss er das ja nicht direkt an mir auslassen! Arschloch!
Ich kochte innerlich vor Wut, als wir das geräumige Foyer betraten. An der Rezeption bekam er zwei Zimmerkarten, wovon er eine mir gab.
„Ab jetzt schläfst du hier und nicht in diesem Ghetto. Ich will auch nicht, dass du dich dort aufhältst. Das schadet nur dem Ruf der Firma. Essen kannst du auch hier, lass es einfach auf die Zimmerrechnung schreiben, dann bekommst du es bezahlt. Auswärts gilt das allerdings nicht, außer du bist mit mir auf einem Meeting oder so. Und jetzt geh und lade dein Handy und Laptop auf und mach dich etwas mit dem Umgang vertraut. Andere Klamotten und eine Dusche könnten auch nicht schaden. Für einen Friseurtermin reicht die Zeit leider nicht mehr, aber das solltest du auch bald mal machen. Ich hol' dich dann um 4 Uhr wieder ab. Sei pünktlich!“
Damit ließ er mich vor den Aufzügen stehen und rauschte schlecht gelaunt wieder aus dem Hotel.

Arroganter Macho!

Kapitel 4



Oh! Mein! Gott!
Mein Zimmer war riesig und einfach nur ein Traum!
Es beinhaltete ein gigantisches Doppelbett mit Seidenbettwäsche, ein gemütliches Sofa mit Tisch davor und einen riesigen Fernseher. Alles war in Schwarz, Weiß und Weinrot gehalten und ich entdeckte sogar und einen Balkon, von dem aus ich auf das Zentrum und die Seine blicken konnte. Und dann das Bad! Es war mit hellen fließen verkleidet und besaß neben einer riesigen Dusche auch eine Badewanne mit Whirlpool-Funktion.
Ich fühlte mich wie im Paradies!
Doch ich widerstand dem Drang mich auf das wunderschön weiche Bett zu legen und schloss erst einmal Handy und Laptop zum Laden an den Strom an. Dann stellte ich auf dem Flachbildfernseher die Musik an und räumte singend und tanzend meine neuen Klamotten ein.
Als ich damit fertig war, machte mir mein schmerzender Magen bewusst, dass ich schon lange nichts mehr gegessen hatte und da ich noch genügend Zeit hatte, beschloss ich Essen zu gehen.
Doch vorher duschte ich schnell in der göttlichen Dusche und zog eine dunkelblaue Röhrenjeans mit einem weißen und darüber einem türkisen Top an. Passend dazu schlüpfte ich in die halbhohen Pumas, fönte noch schnell meine Haare und fertig war ich.

Das Hotel besaß ein Restaurant neben der Lobby, wo ich mir einen riesen Teller Nudeln bestellte. Doch während ich aß überkam mich das schlechte Gewissen. Ich hatte meiner Familie nichts von meiner Entscheidung mitgeteilt und sie machten sich sicher Sorgen. Ich hatte mich ja noch nicht einmal verabschiedet! Aber ich konnte sie nicht besuchen, sonst wäre ich meinen Job los. Und ich war mir sicher, dass Taylor es herausfinden würde.
Also beeilte ich mich mit dem Essen und fragte die Kellnerin, ob sie einen guten Friseur in der Nähe kannte. Zu meiner Verwunderung hatte das Hotel sogar einen Stammfriseur, bei dem ich sogar die Kosten auf die Zimmerrechnung setzen konnte. Schließlich hatte ich kein Geld.
Wieder in meinem Zimmer angekommen, schaltete ich zuerst mein Handy an und rief dort an. Ich bekam sogar einen Termin für 3 Uhr und konnte mich schließlich zufrieden dem Laptop widmen. Bei dem Handy hatte ich alles eingestellt, wobei ich jedoch leichte Probleme mit dem Touchscreen hatte.
Mit dem Laptop kam ich allerdings sehr gut zurecht. Vor vier Jahren, als noch alles normal war in meinem Leben hatte ich viel mit Computern gearbeitet für die Schule und so viel hatte sich nicht geändert. Also richtete ich mir schnell den Internetzugang ein und konnte ihn dann wieder herunterfahren, da alle Programme, die ich vielleicht benötigte schon installiert waren.
Da klopfte es plötzlich an der Tür und ich stand einem jungen Mann gegenüber, der mich geschäftig mit einem großen Koffer begrüßte. Nach einiger Zeit machte es dann endlich Klick bei mir und ich ließ den Friseur herein. Er schien es gewohnt zu sein, Hausbesuche zu machen, da er sofort einen Stuhl ins Bad trug und mich auf diesem vor dem Spiegel positionierte.
„Sooo, was kann ich Ihren Haaren denn gutes Tun, meine Liebe?“
Geschäftig hatte er seinen Koffer aufgeklappt und sah mich erwartungsvoll durch den Spiegel an.
Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht.
Doch auch das schien er gewohnt zu sein, sodass wir uns nach 5 Minuten auf ein Pony und einen stufigen Schnitt geeinigt hatten, der mir eine halbe Stunde später nur noch bis zum Brustansatz reichte. Aber ich war zufrieden und Marco zog geschäftig weiter.
Während er mir fröhlich plaudernd die Haare geschnitten hatte, hatte ich weiter mit dem Tippen auf meinem Handy geübt und dank ein wenig von seiner Hilfe kam ich schließlich gut damit klar.
Schnell packte ich den Laptop in meine Umhängetasche und verstaute mein Portemonnaie und das Zeug, was man immer mal gebrauchen konnte – Tempos, Deo, Haarspray, Schminke, Lippencreme ... - in den kleineren Fächern.
Mein Handy schob ich in die Hosentasche und warf mir eine schwarze Adidas Kapuzenjacke über. Die Zimmerkarte und Marcos Visitenkarte verstaute ich schließlich noch in meinem Portemonnaie, damit es nicht ganz leer war, und zog los ins Foyer. Ich hatte zwar noch etwas Zeit, aber so kam ich wenigstens nicht zu spät.
Doch zu meiner Überraschung saß mein Chef schon in einem der Sessel am Rande der Eingangshalle. Er musterte mich genau, während ich auf ihn zu kam und stand schließlich ohne ein Wort der Begrüßung auf um zu seinem Auto zu gehen.
Er hatte sich auch umgezogen und trug nun eine locker sitzende Jeans, die perfekt seinen Arsch betonte und in die er ein schwarzes Hemd gesteckt hatte. Selbst seine Haare schienen noch verwuschelter als am Morgen zu sein doch er strahlte trotzdem Autorität und Macht aus.
Seine blauen Augen musterten mich, als ich in den schwarzen BMW neben ihm einstieg.
„Hast ja anscheinend doch ein bisschen Geschmack was Kleidung und Frisuren angeht, aber so kannst du nicht immer herumlaufen. Du begleitest mich morgen Abend auf ein Spiel und da ist Abendgarderobe Pflicht! Ich hoffe du kannst auf hohen Schuhen gehen.“
Wie er das sagte, hörte es sich fast wie eine Drohung an, sodass ich nur stumm nickte und wir endlich los fuhren. Die Musik aus dem Radio machte die Stille zwischen uns etwas erträglicher – was mich jedoch wunderte war, dass er Hip-Hop hörte! Irgendwie machte ihn das sympathischer.
„Auf dem Rücksitz sind 4 Timer. Speicher dir alle Termine und die Nummern ins Handy, dann kann ich die Dinger endlich wegschmeißen. Aber wehe du vergisst etwas!“
Ich musste ja fast lachen als ich sie entdeckte. Wer hatte denn bitte so volle Terminkalender?! Und davon direkt vier Stück! Aber anscheinend stand jeder für eine andere Zweigstelle der Firma, da sie alle in verschiedenen Sprachen verfasst waren – Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch.
„Hätte ich das nicht auch im Hotel machen können? Oder wohin fahren wir gerade?“
Grinsend sah er mich an.
„Du musst jetzt erst einmal beweisen, wie gut du bist, bevor ich noch mehr Geld in dich investiere.“
Er bog ab in eine Tiefgarage.
„Geh zu Monsieur Meunier und besorg mir die Unterlagen, die er gestern schon vorbeibringen wollte!“
Na toll! Genauer ging es wohl nicht! Aber ich war zu stolz um ihn nach mehr Details zu fragen und stieg einfach aus. Ich konnte seinen spöttischen Blick in meinem Rücken spüren, als ich zum Fahrstuhl ging. Er war fest davon überzeugt, dass ich das nicht schaffen würde, aber diesen Gefallen würde ich ihm nicht tun!
Ich betrat den Aufzug und winkte meinem Arschloch von Chef grinsend mit dem kleinen Finger, bis die Türen sich schlossen.
Ich würde ihm zeigen, dass ich mehr bin als nur ein armes Ghettokind!

Im Foyer angekommen fragte ich einen der Sicherheitsbeamten nach dem Weg und nach einigem Augengeklimper führte er mich sogar persönlich dorthin.
Das 'Drake Images' war riesig und erst nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich die Tür zu dem Chefbüro, hinter der mich jedoch ein richtiger Drache von Sekretärin erwartete.
„Monsieur Meunier ist beschäftigt! Machen Sie telefonisch einen Termin aus, vielleicht empfängt er sie ja dann!“
Geschockt sah ich sie an. Wie konnte man denn so unfreundlich sein?! Ich hatte doch noch gar nichts gesagt! Doch was die alte Schachtel kann, kann ich schon lange!
„Hören Sie mal! Ich habe keine Ahnung, was für ein Problem Sie haben, aber ich lasse nicht zu dass ich wegen Ihnen gefeuert werde!“
Damit stürmte ich einfach durch die Tür, bevor der Drache mich aufhalten konnte und musste fast lachen als ich den schmierigen Kerl – wahrscheinlich Monsieur Meunier – dabei erwischte, wie er sich einen Porno auf seinem Computer reinzog.
Mit hochroten Kopf machte er schnell den Ton aus und fuhr mich, wie ein kleiner Giftzwerg an, was ich hier zu suchen hätte. Er war aufgesprungen und auch sein zu großer Anzug konnte den Ständer nicht verbergen, den er gerade hatte. Endlich war auch sein Hausdrache in der Tür angekommen und entschuldigte sich nun aufgeregt bei ihm. Sie rauschte sofort wieder heraus und ich hörte nur etwas von „Sicherheitsdienst“.
Das würde ja spaßig werden!
Zuckersüß lächelte ich Meunier derweil an.
„Tut mir Leid, für die ganze Aufregung, aber mein Chef, Monsieur Taylor wartet unten auf mich. Ich will nur schnell die Unterlagen abholen, die sie eigentlich schon gestern vorbei bringen sollten.“
Sein Gesicht wirkte wie versteinert.
„Taylor hat Sie geschickt?!“
Oha. Da hatte wohl noch jemand Angst vor meinem Boss.
„Ja, ich bin seine Assistentin und ich bitte Sie, sich ein wenig zu beeilen. Er wartet unten und hat ziemlich schlechte Laune. Wir wollen doch beide nicht, dass er hoch kommt um nachzusehen, warum ich so lange brauche.“
Er wurde noch etwas bleicher.
„Ja..Natürlich nicht. Einen Moment bitte.“
Hektisch tippte er an seinem Computer herum und kurze Zeit später sprang der Drucker im Nebenzimmer an. Er rief seinen Drachen, der verwirrt alles in einen dicken Ordner heftete.
Plötzlich sprang die Tür auf und drei bewaffnete Männer sprangen wild rufend in das Sekretariat, worauf die Frau schreiend den Ordner fallen ließ und ich einfach nicht mehr anders konnte als lachen. Das sah einfach zu göttlich aus!
Fünf Minuten später wurde ich dann von einem hochroten Chef zum Aufzug geführt, der sich immer wieder für die Unannehmlichkeiten entschuldigte und sichtlich froh war, dass ich endlich wieder verschwand. Als ich ihm ein „Bis bald“ hinterher rief drehte er sich erschrocken um, worauf ich wieder lachen musste bis ich bei Taylor ankam.
Dieser zog nur überrascht eine Augenbraue hoch und knurrte ein: „Hat aber lange gedauert! Du solltest da oben keine Schwätzchen halten!“
Das brachte mich erneut zum lachen.
„Sein Hausdrache hat sich nur erschreckt als der Sicherheitsdienst herein geplatzt kam und musste alles nochmal ausdrucken, weil ihr Kaffee darauf gelandet war.“
Der verwunderte Blick meines Chefs war göttlich, doch er tat das ohne weitere Fragen ab und fuhr wieder zurück zum Hotel.
Vor meiner Tür angekommen musterte er mich erneut genau. Seine strahlend blauen Augen bohrten sich in meine und er stand plötzlich ziemlich dicht vor mir, was sehr bedrohlich wirkte, doch ich zwang mich dazu dem Blick standzuhalten und nicht zurückzuweichen.
„Mein Zimmer ist direkt neben deinem, falls du irgendetwas willst. Aber stör' mich nur, wenn es auch wichtig ist!“
Ob er sich auch Pornos reinzog, wenn er nicht gestört werden will?
Bei dem Gedanken musste ich grinsen. Aber bei seinem Aussehen war es wahrscheinlicher, dass er sie mit irgendwelchen oberflächlichen Frauen nachmachte. Also nahm ich mir vor ihn wirklich nur im äußersten Notfall zu stören.
„Übersetz' mir die Unterlagen von Meunier bis morgen früh um 8 auf Englisch auf deinem Laptop. Und vergiss die Kalender nicht!“
Damit sah er mich noch einmal grinsend an und verschwand dann in seinem Zimmer.
Arroganter Mistkerl!

Wütend schmiss ich mich mitsamt Ordner und Tasche auf mein Bett.
Da konnte ich mich ja direkt der Polizei stellen. Wie sollte ich bis morgen früh ungefähr 150 Seiten übersetzen und dann noch 4 überfüllte Kalender auf mein Handy übertragen?!
Doch dann dachte ich daran, dass ich damit nur Taylors Meinung über mich bestätigen würde, ich wäre zu nichts fähig und genauso wenig wert. Also rappelte ich mich auf. Es waren 5 Uhr. Je früher ich anfing umso besser. Selbstmitleid würde das ganze nur noch schwieriger machen! Ich fuhr meinen Laptop hoch und bestellte beim Zimmerservice eine Kanne Kaffee – dann konnte es los gehen.

Eine Kanne später hörte ich draußen eine glockenhelle Stimme rufen: „Mike, Süßer! Wie schön dich wieder zu sehen!“ Wütend starrte ich meine Tür an. Ich musste hier schuften und er treibt es nebenan mit irgendeiner Schlampe?!
Ich rief den Zimmerservice für eine zweite Kanne und fasste den Entschluss, nie in diesem Job zu versagen. Egal was ich machen musste. Das gönnte ich diesem Macho einfach nicht! Wie er mich eben angesehen hatte – wie ein kleines, naives Kind! Dabei war er sicher nur ein paar Jahre älter als ich. Und nur, weil ich ihm Geld schuldete, hieß das noch lange nicht, dass ich nichts wert war und immer herum kommandiert werden konnte.
Dem würde ich zeigen, was ich kann!

Kapitel 5



Es war punkt 8 Uhr, als ich an seiner Tür klopfte. Ich hatte es sogar geschafft, einen Apfel zu frühstücken und sah trotz der langen Nacht, die ich fast ganz durchgearbeitet hatte, nicht unausgeschlafen aus. Ich hatte jedoch alles geschafft.
Endlich öffnete Taylor die Tür und präsentierte mir seinen muskulösen Oberkörper, da er nur eine Jeans trug. Angestrengt zwang ich meine Augen in sein Gesicht, mit dem er mich grinsend ansah.
„Ich habe die Übersetzung fertig und auch die Kalender in mein Handy übertragen.“
Seine Augenbraue wanderte leicht nach oben und er schien Anzeichen von Übermüdung zu suchen, doch er fand keine, was mich zufrieden grinsen ließ. Ich hatte zwar mit ein bisschen Schminke nachgeholfen aber eine kalte Dusche hatte meinen müder Körper aufgeweckt.
Ohne ein Wort ließ er mich stehen, kam dann jedoch mit einem schwarzen Hemd wieder, was er sich im Gehen noch zuknöpfte und mir dabei winkte, ihm zu folgen.
Verwirrt lehnte ich neben ihm an der Aufzugswand und beobachtete ihn. Er trug immer noch diesen leichten 3-Tage-Bart und seine Haare waren kunstvoll verwuschelt und mit etwas Gel befestigt. Er sah eigentlich aus, wie ein ganz normaler Urlauber, wenn er nicht diese Autorität ausstrahlen würde, die alle anderen Besucher zurückweichen ließ.
Die Türen öffneten sich und ich verließ die Kabine, wo ich viel zu dicht neben ihm stehen musste, was meine Begleitung nur zum lachen brachte. Doch als ich Richtung Ausgang gehen wollte, wurde ich an der Hand zurück gehalten.
„Falsche Richtung, Schätzchen. Hat dich deine Musterung eben im Aufzug etwa so aus der Bahn geworfen?“
Ich funkelte ihn an.
„Wenn du mir mal sagen würdest, was du vorhast, müsste ich dir nicht immer hinterher dackeln und würde auch in die richtige Richtung gehen. Die 'Musterung' hat damit überhaupt nichts zu tun!“
Doch er lachte nur und zog mich Richtung Restaurant.
Dieser Karl macht mich noch verrückt! Vor Allem, wenn er meine Hand hält als sei ich seine Freundin!
„Und ich bin auch nicht dein Schätzchen!“ Damit entzog ich ihm meine kribbelnde Hand, was mir nur ein spöttisches Grinsen und eine hochgezogene Augenbraue einbrachte.
Er setzte sich an einen Tisch und bestellte sofort bei einem Kellner etwas für uns beide.
„Ich hab schon gegessen!“, brummte ich ihn an, doch er ignorierte es. Stattdessen lehnte er mich zurück und forderte mich auf, ihm den Inhalt des Ordners kurz zusammenzufassen, der in der Tasche neben mir lag. Er schien mich wieder testen zu wollen, doch damit hatte ich schon gerechnet und hatte deswegen keinerlei Probleme seine Fragen zu beantworten.
Währenddessen kam unser Essen und ich konnte gar nicht anders als meine Stolz zu ignorieren, da der Apfel nicht sehr sättigend war und ich außerdem typisches English Breakfast liebte. Das Grinsen, mit dem mein Gegenüber meine Entscheidung kommentierte, ignorierte ich einfach.

Wir fuhren wieder Richtung Firma, als er plötzlich die Musik leiser stellte.
„Wenn wir hier in Frankreich sind, bekommst du einen Schreibtisch bei Marie, damit du immer auf dem Laufenden bist und ich dir nicht alles extra erzählen muss. In der Ablage findest du Sachen, die du bearbeiten sollst und aber meistens bekommst du alles per E-Mail geschickt, guck deswegen regelmäßig nach. Heute Abend um 6 nehm ich dich wieder mit zum Hotel, um 7 fahren wir dann los zu dem Spiel. Ein Kleid und Schuhe bekommst du auf dein Zimmer geliefert.“
„Was wollen wir denn da?“
Wieder grinste er mich hinterhältig an.
„Ich muss mit einem potentiellen Kunden reden und dein Job ist es seine Frau zu unterhalten. Du musst einfach dafür sorgen, dass sie dich mag. Redet über irgendwelche Frauenthemen, das Geschäft überlässt du ganz mir. Du gehst auch als meine Begleitung dorthin – nicht als Sekretärin – und wenn sie dich mag ist es sehr wahrscheinlich, dass sie ihren Mann überredet uns den Auftrag zu überlassen. Also gib dir Mühe und sei charmant!“

Ich stand in meinem Zimmer und starrte ungläubig das Kleid an, was man mir aufs Bett gelegt hatte.
Das soll wohl ein Scherz sein!
Wütend nahm ich es und klopfte an der Tür meines Nachbarn, dem ich das zu verdanken hatte. Er öffnete mir – schon wieder – nur mit einer Jeans bekleidet und der Anblick seines Sixpacks ließ mich für kurze Zeit meine Wut vergessen. Als ich dann aber den spöttischen Blick bemerkte, kam alles wieder hoch.
„Ich fürchte ich habe nur einen Teil von dem Kleid bekommen, weil das hier ähnelt eher einem Nutten-fummel!“
Er lachte dunkel und trat so nah an mich heran, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste um ihn ansehen zu können.
Warum musste er auch so viel größer sein als ich?!
Seine Stimme war nur ein Flüstern und er beugte sich etwas zu mir herunter, sodass sein Atem mich am Ohm kitzelte.
„Traust du dich etwa nicht so etwas kurzes anzuziehen? Hätte ich mir ja eigentlich denken können! Dann ruf ich liebe eine Bekannte an – die ist wenigstens erwachsen.“
Er griff nach dem Kleid, doch ich entzog es ihm sofort wieder. Ich war kein Kind mehr! Das würde ich ihm noch zeigen! Auch wenn er diese Reaktion bei mir wahrscheinlich mit seinem Kommentar beabsichtigt hatte.
Ich knurrte ihm noch ein „Fick dich!“ entgegen und verschwand wieder in meinem Zimmer. Sein raues Lachen klang mir noch in den Ohren und ich schor, ihn heute Abend dafür büßen zu lassen.
Schnell sprang ich unter die Dusche und schon 15 Minuten später fielen meine Haare glatt und trocken über meine Schultern.
Doch was sollte ich nun damit machen?
Sie glänzten dunkelbraun und die Stufen ließen es voller wirken, während das Pony meine blauen Augen betonte. Schließlich entschied ich mich dafür, sie ein wenig zu locken aber sonst offen zu lassen.
Ich schminkte mir die Augen und trug etwas Lipgloss auf und ging zufrieden zu meinem Bett, wo das Kleid bereit lag.
Es war türkis, eng anliegend mit Spaghetti Trägern und in einer Art Wickeloptik, die in einem schwarzen Band endete, was unter meiner Brust verlief und meine Taille betonte. Der Ausschnitt ließ tief blicken und auch von meinen Beinen verdeckte es nur wenig – dazu noch 10 cm Absätze und ich war mir sicher, dass Taylor mich jetzt nicht mehr als Kind ansehen würde. Vor Allem musste ich jetzt nicht mehr so sehr zu ihm aufblicken, was mit noch mehr zufrieden stellte.
Mit einer kleinen Handtasche bewaffnet, in die ich mein Handy und die Zimmerkarte steckte, war ich schließlich fertig, als es auch schon an der Tür klopfte. Gut gelaunt öffnete ich einem finster blickenden Taylor in dunkelgrauem Anzug und weinroter Krawatte. Mein Blick wanderte über seinen Körper und ich musste zugeben, dass ich noch nie einen Mann gesehen hatte, der in Anzügen so gut aussah. Er war wahrscheinlich maßgeschneidert und schmiegte sich perfekt an seinen durchtrainierten Körper und betonte diesen noch mehr. Die gestylten Haare und die funkelnden Augen standen in einem krassen Kontrast zueinander und selbst ohne Bart hatte er etwas gefährliches an sich.
Während meiner Musterung war auch sein Blick über meinen Körper gewandert, bis er schließlich wieder in meinen Augen landete.
„Ich habe mich wohl geirrt. Du siehst echt heiß aus.“
Er bot mir galant den Arm an und führte mich zum Aufzug.

Unten angekommen entschuldigte er sich jedoch noch mal kurz und verschwand in Richtung Restaurant.
Hätte der Idiot das nicht vorher erledigen können?
Was auch immer er da machte.
Genervt ging ich ein paar Schritte Richtung Ausgang, wo bereits ein anthrazit-farbener Audi R8 auf uns wartete.
Wenigstens einen guten Autogeschmack hatte der Mistkerl.
„Augen zu, Kleines.“ Ertönte plötzlich ein tiefes Knurren neben meinem Ohr und verpasste mir eine gewaltige Gänsehaut. Ich schloss die Augen und spürte kurz darauf wie sich etwas kühles um meinen Hals legte. Überrascht öffnete ich die Augen wieder und entdeckte eine goldene Kette an der ein Saphir in Sternform mit einer goldenen Fassung baumelte. Er war sicherlich so groß wie ein 2¤-Stück und was mich am meisten schockierte, war die Tatsache, dass er wahrscheinlich auch noch echt war!
„Wow...“, war das einzige was ich heraus brachte, worauf mein Hintermann nur dunkel lachte, einen Arm um meine Hüfte legte und mich sanft zum Wagen führte.

Kapitel 6



Ich konnte es immer noch nicht fassen.
Ich saß gerade in einem viel zu kurzen Kleid mit viel zu tiefem Ausschnitt neben einem richtig geilen Kerl, in dessen wunderschönen R8, die Schuhe waren der Wahnsinn und die Kette, die er mir geschenkt hatte sicherlich ein Vermögen wert!

Ich ließ den Anhänger im Abendlicht glitzern und betrachtete ihn von allen Seiten, was Taylor erneut zum Lachen brachte.
„Du starrst ihn ja an, als ob das die Kronjuwelen der Queen wären.“
Ich warf ihn einen funkelnden Blick zu.
„Tut mir Leid, wenn ich so Ketten nicht gewohnt bin. Wie komme ich denn zu der Ehre? Ich denke zu müsstest erst einmal testen, was ich drauf habe, bevor du noch mehr in mich investierst?“
Sein Grinsen wurde eine Spur dreckiger und er ließ seinen anzüglichen Blick über meinen Körper gleiten.
„Sagen wir, das Kleid hat mich meine Meinung ändern lassen. Und ein Blick auf meine Kreditkartenabrechnung.“

Oh. Daran hatte ich ja gar nicht gedacht!
Aber ich hatte einfach nicht widerstehen können und jetzt stand eine dicke Summe von Victoria's Secret auf der Rechnung meines Chefs.
Verbissen stierte ich aus dem Fenster und ärgerte mich über meine Blödheit.
„Du hast nicht gesagt, dass ich das nicht kaufen durfte!“
Er lachte dunkel und lenkte uns vor den Eingang der Halle, wo bereits viele Menschen standen.
„Wer sagt denn, dass ich etwas dagegen habe, Kleines? Ich würde höchsten gerne mal sehen, was genau du alles gekauft hast.“
Damit stieg er aus und öffnete mir kurze Zeit später galant die Tür. Ich lächelte ihn zuckersüß an und nahm seine angebotene Hand, womit er mir beim Aussteigen half.
„Wie schade, dass du das nie herausfinden wirst.“
Da zog er mich plötzlich näher, sodass ich gegen seine durchtrainierte Brust knallte. Er blickte mir tief in die Augen und grinste herausfordernd.
„Das werden wir noch sehen, Kleines.“
Damit legte er erneut einen Arm um meine Hüfte und dirigierte mich durch die vielen starrenden Leute in das Gebäude.

Dieser Mann treibt mich noch in den Wahnsinn!
Mit weichen Knien stakste ich neben ihm die Treppen hinauf, noch immer verwirrt von meinen Gefühlen, die mich verfolgten, seit er mich so angesehen hatte.
Dachte er wirklich ich würde sofort mit ihm in die Kiste hüpfen, nur weil er anscheinend jede mit seinem Geld um den Finger wickeln kann?! Oder war das etwa eine Bedingung von ihm, damit ich den Job behalte und nicht ins Gefängnis muss?!
Das konnte er sich sofort aus dem Kopf schlagen!
Ich würde niemals mit diesem arroganten Arsch schlafen! Ich hasste Machos die denken, sie könnten jede haben!

Ich war so wütend, dass ich gar nicht auf meine Umgebung geachtet hatte. Umso mehr war ich überrascht, als ich entdeckte, zu was für einem Spiel wir überhaupt gingen.
Ich hatte ja mit vielem gerechnet – Fußball, Rugby, Basketball – irgendein Männersport, den die Frauen nur wegen den muskulösen Spielern guckten.
Aber das hier...
„Wir gucken uns ein Billard Spiel an?!“
Taylor sah mich lachend an.
„Oh ja. Der Mann, den ich hier treffe ist ein begeisterter Fan, deswegen halt dich mit solchen Bemerkungen zurück. Und jetzt komm, es fängt gleich an.“
Er führte zu einer Zuschauerbox, die abgetrennt von den normalen Rängen war und in der ein dicker Franzose mit Schnurrbart neben einer großen dürren Blondine saß. Sein Haar war streng nach hinten gekämmt und an seinen Fingern funkelten große, goldene Ringe.
Als ich seine Freundin näher betrachtete, wusste ich auch, warum ich unbedingt ein so kurzes Kleid anziehen sollte. Ihres war nämlich noch kürzer und bedeckte nur das nötigste. Der Ausschnitt war so tief, dass ihre unechten Brüste fast heraus fielen und sie hatte so viel Schminke im Gesicht, dass sie aussah wie eine geldgierige Schlampe – genau das, was ich wahrscheinlich auch darstellen sollte.
Als sie uns sah sprang sie auch sofort auf.
„Ohhh, Mike. Wie schön die endlich wieder zu sehen! Du siehst gut aus!“
Damit drückte sie sich an ihn und schmatzte ihm zwei dicke Küsse auf die Wangen.
Dann wandte sie sich mir zu.
„Hallo, Darling! Schön dich kennen zu lernen! Ich bin Babette und das da ist mein Mann, Miguél.“
Damit bekam auch ich eine Umarmung und zwei Küsse von ihr. Übertrieben freundlich stellte ich mich ebenfalls vor, worauf ich mir die ganze Prozedur auch noch von dem nach Rasierwasser stinkenden Kerl einhandelte, dessen Hände dabei 'ausversehen' auf meinem Hintern landeten.
„Mike, Mike. Wo hast du nur immer diese hübschen jungen Dinger her, mit denen du überall auftauchst?“
Dieser zog mich dabei erneut eng an sich und ließ seine Hände über meine Kehrseite wandern, während er dreckig grinste.
„Wir sind uns zufällig auf der Straße begegnet und sie konnte mir einfach nicht widerstehen, nicht wahr Puppe?“
Ich schmiegte mich übertrieben an ihn und grinste ihn breit an, während ich innerlich kochte und ihm am liebsten kräftig in die Eier getreten hätte.
„Oh ja, mein kleiner Puschelhase!“
Der Spitznamen ließ seinen Griff an meinem Hintern fester werden und mich zufrieden grinsen.
Wusste ich doch, dass er ihn hassen würde aber das hatte er jetzt davon!

„Komm mit Darling, wir gehen uns etwas zu trinken holen, während unsere Männer übers Geschäft reden.“
Babette nahm mich bei der Hand, als ob wir beste Freundinnen wären und zog mich mit sich, was mir nur recht war in dem Moment.
„So ein Mann wie Mike ist wirklich ein Goldschatz! So Männlich und attraktiv! Und im Bett erst....Du musst wissen, dass wir uns vor Jahren mal gesehen haben, als er noch nicht Chef der Firma seines Onkels war. Aber es hat einfach nicht gehalten und dann bin ich Miguél begegnet. Er besitzt eine Firma in Deutschland, die irgendetwas produziert. Mich interessiert das geschäftliche nicht, musst du wissen. Aber es war Liebe auf den ersten Blick! Und dann sein Haus und die Autos! Aber was erzähle ich dir davon, Mike hat sicherlich genauso viele.“
Ich grinste sie an und nahm dankend den Champagner entgegen.
„Oh ja. Das Auto mit dem wir gekommen sind! Ich weiß ja nicht, was das für eines ist, aber es ist so schön schnell! Und es passt einfach zu Mikey! Es ist so männlich!“
Ich hatte meine Stimme leicht gehoben und ahmte ihren Barbie Tonfall nach, was sie noch mehr animierte über den Besitz und das Geld ihres Mannes zu prahlen!
„Du musst unbedingt darauf bestehen, dass er dir eine eigene Kreditkarte gibt! Es ist so nervig immer danach fragen zu müssen! Außerdem musst du seine Kontoauszüge im Blick behalten! Damit du nicht einfach so aus allen Wolken fällst, wenn seine Firma mal nicht so gut läuft! Das ist einer Freundin von mir passiert! Sie hatte das nicht gemacht und ihren Freund geheiratet und kurz nach den Flitterwochen kam dann plötzlich heraus, dass seine Firma kurz vor dem Ruin stand! Sie hat sich dann natürlich direkt scheiden lassen, ist doch klar!“
Übertrieben schockiert stimmte ich ihr zu und erfuhr in der nächsten Stunde noch so einiges an Tricks, wie man seinen Mann zu etwas überreden kann oder auch, was ich unbedingt kontrollieren muss, bevor ich ihn heirate.
„Aber du kannst von Glück reden, dass du so dünn bist! Ich muss mir einmal pro Jahr das Fett absaugen lassen, weil ich einfach immer zunehme von dem Essen bei Miguél. Aber er will nichts daran ändern! Da musst du auch aufpassen bei Mike! Nicht dass er auch irgendwann das Training vernachlässigt und dick wird!“

Inzwischen war ich bei meinem 4 Champagner angekommen und wusste nun alles über den Schönheitschirurg ihres Vertrauens, wo sie sich die Nägel machte – für 200¤ ! - und wo man am besten Reizwäsche kaufen konnte, wodurch Mike mir zu Füßen liegen würde.
Ich hatte Kopfschmerzen von ihrer schrillen Stimme und mein Barbie Gehabe ging mir sogar selbst auf die Nerven!

„Und dann musst du unbedingt in einem Monat auf diese Modenschau kommen! Dort sind immer so viele nette Männer und die Kleider sollen der Wahnsinn sein! Ohh, da seid ihr ja schon wieder! Ist das Spiel etwa vorbei, mein Äffchen? Wie schade! Ich wollte doch so gerne zusehen aber wie schnell die Zeit doch vorbei geht!“
Sie wickelte sich förmlich um ihren Mann und knutschte ihn ab, während er ihr sofort unter das viel zu kurze Kleid griff.
„Ihr habt euch also schön unterhalten?“
Taylor trat in mein Blickfeld und drängte mich an den Tresen, an dem ich lehnte.
„Oh ja, Mikey. Babette hat mir so viel interessantes erzählt!“, entgegnete ich immer noch mit meiner Barbie Stimme und ignorierte seine Hände, die über meine Seite glitten.
Er lachte dunkel näherte sich gerade meinem Ohr als Babette wieder neben mir stand - die Hände ihres Mannes verweilten inzwischen auch wieder über dem Kleid auf ihrem Hintern.
„Ihr zwei seid ja so süß zusammen! Aber leider müssen wir jetzt schon gehen. Ich habe noch einen Termin mit unserem Innenarchitekten! Ein Glück dass er so spät noch für mich Zeit hat, aber unser Wohnzimmer muss dringend neu eingerichtet werden! Ruf mich an Darling, wenn du es dir überlegt hast! Und wenn du doch noch Zeit zum Shoppen nächstes Wochenende hast, sag einfach Bescheid! Wir sehen uns!“
Damit verteilte sie noch ihre Schmatzer und ihr Mann begnügte sich dieses Mal mit einem Handkuss – was wahrscheinlich nur daran lag, dass Taylor mich immer noch mit seinem Körper an den Tresen drückte.

„Wollen wir dann auch fahren? Du wolltest mir doch noch etwas zeigen.“
Er hatte sich zu meinem Ohr herunter gebeugt und verpasste mir mit seinem Atem eine Gänsehaut.
„Ach ja? Was denn bitteschön?“
Ich versuchte etwas Abstand zwischen uns zu bringen, doch er ließ es nicht zu.
„Was du dir alles von meinem Geld gekauft hast.“
Ich konnte sein dreckiges Grinsen förmlich spüren.
„Tut mir Leid, aber so betrunken bin ich noch nicht.“
„Was nicht ist, kann ja noch werden.“
„Hmm...“
Ich lachte und ließ meine Hände über seinen Bauch nach unten gleiten, während ich in von unten anblinzelte. Doch dann wurde ihr Weg von seiner Hand unterbrochen.
„Meinst du nicht, wir sollten dafür zurück zum Hotel fahren?“
Ich stellte mich ein wenig auf den Zehenspitzen und hauchte ihm ein „Oh ja“ ins Ohr, worauf ich es endlich schaffte zur Seite auszuweichen und lachend etwas Abstand zwischen uns zu bringen.
„Man spielt nicht mit dem Feuer, Kleines! Das sollten dir deine Eltern doch beigebracht haben – Aber glaub mir, irgendwann kannst auch du mir nicht mehr widerstehen!“

Kapitel 7



Die nächsten Tage verbrachte ich mit Übersetzungen, einer Vielzahl an Telefongesprächen und jede Menge „Kundenbesuchen“ - wahrscheinlich denen, die Taylor selbst nicht machen wollte.
Einen solchen Besuch hatte ich gerade hinter mir, als ich genervt an einer überfüllten Pariser Straße stand und auf meinen Chef wartete. Er wollte mich ja unter keinen Umständen Auto fahren lassen und ließ auf der Fahrt immer seine schlechte Laune an mir aus. Und genau das hatte gerade schon so ein Möchtegern Manager gemacht, an dessen Hausdrache ich mich vorbei gestohlen hatte.
„Stella?!“
Verwirrt sah ich mich um, konnte jedoch niemanden entdecken da in diesem Moment der graue BMW vor mir anhielt. Um den Verkehr nicht allzu lange aufzuhalten, beeilte ich mich, die Tür zu öffnen. Doch dann wurde ich erneut gerufen. Ich blickte mich um und entdeckte meinen verdutzten Bruder an der gegenüber liegenden Straßenseite.
„Steig ein! Sofort!“
Verzweifelt sah ich meinen Boss an, der mich nur drohend an funkelte. Dann blickte ich erneut zu meinem Bruder, der versuchte die Straße zu überqueren.
„Verdammt noch mal! Steig ein!“
Wieder wechselte mein Blick zwischen den beiden hin und her.
Was sollte ich nur tun?
Doch ich hatte keine Wahl.
Ich blickte Stefan entschuldigend an und stieg dann endgültig ins Auto ein, das auch sofort los fuhr.

„Was sollte das denn gerade? Ich habe dir doch gesagt, dass deine Familie nur dem Image meiner Firma schadet! Und du hast nichts besseres zu tun als dich genau vor dem Gebäude eines Geschäftspartners mit deinem Bruder zu treffen!“
Er war richtig wütend und raste durch die vollen Pariser Straßen.
„Ich habe ihn nur durch Zufall gesehen. Das war nicht geplant! Und außerdem habe ich doch auch gar nicht mit ihm geredet.“
„Aber es hat trotzdem jeder mitbekommen, dass ihr zusammengehört, weil er unbedingt so herum schreien musste!“
„Es tut mir Leid! Aber er ist doch mein Bruder!“
„Ja und? Er hat einen viel zu schlechten Einfluss auf dich! Ohne deine Familie wärst du doch überhaupt nicht in der Gosse gelandet! So dumm bist du nämlich gar nicht!“
„Aber...“
„Nichts aber. Das Thema ist für mich beendet. Und wehe ich sehe dich noch einmal mit irgend jemandem aus deiner Vergangenheit. Egal ob es Zufall war oder nicht! Dann kannst du deinen Job bei mir vergessen!“

Stumm nickte ich.
Was sollte ich denn auch dagegen tun?
Er war mein Boss und nur wegen ihm musste ich nicht ins Gefängnis.
Ich war ihm zu viel schuldig.

Als wir endlich in der Firma ankamen überhäufte er mich mit Arbeit und schnauzte mich an, ich solle mich gefälligst beeilen. Dass er mir Arbeit für eine gefühlte Woche gegeben hatte, schien ihn nicht zu interessieren.
Das hieß also noch mehr Überstunden machen und schon wieder eine Nacht durch arbeiten.
Manchmal hasste ich meinen Job wirklich!

Es war gerade Acht Uhr Abends und ich hatte noch nicht einmal annähernd alles geschafft, als er aus seinem Büro heraus trat.
„Wie weit bist du?“
Locker lehnte er sich gegen Maries Schreibtisch und sah mir beim Arbeiten zu.
„Ich brauche noch etwas Zeit. Aber bis morgen früh bin ich auf jeden Fall fertig!“
Seufzend lehnte ich mich zurück und streckte mich erst einmal ausgiebig. Dabei hatte ich Gelegenheit ihn genauer zu mustern und ich stellte zufrieden fest, dass er anscheinend nicht mehr so wütend war wie am Morgen noch.
Er trug wie immer einen Anzug, heute in Anthrazit, mit weißem Hemd und weinroter Krawatte – alles wie immer maßgeschneidert. Und obwohl er die Krawatte nur locker um den Hals trug und das Hemd ein wenig aufgeknöpft hatte, strotzte er nur so von Autorität und Macht. Selbst die verwuschelten Haare ließen ihn nur noch gefährlicher aussehen.
Der geborene Chef.
„Gut. Und jetzt pack' deine Sachen zusammen, wir fahren zum Flughafen.“
Überrascht stoppte ich meine Musterung und blickte in sein müdes Gesicht.
„Warum denn Flughafen?“
Er grinste leicht.
„Weil wir zwei heute Nacht noch fliegen werden. Unser Flugzeug startet um Zehn, also beeil dich.
Immer noch verwirrt packte ich alles zusammen und folgte ihm zum Aufzug.
„Heute noch? Und wohin fliegen wir?“
„Bahamas.“
„Echt jetzt?!“
Er lachte und drückte den Knopf für die Tiefgarage.
„Nein. Wir fliegen nach London. Ich muss dort einiges regeln und außerdem bei einer Spendengala auftauchen.
„Da wusste ich ja gar nichts von.“
Warum zum Teufel musste ich denn seinen Kalender führen, wenn er mir nichts erzählt?!

Unten angekommen gingen wir zum Auto, wo ich endlich die schweren Ordner abladen konnte.
„Weil ich es selbst auch erst gerade eben erfahren habe. Ich habe Marie schon Bescheid gesagt, dass sie uns Zimmer und ein Auto besorgt. Jetzt müssen wir nur noch das Flugzeug erwischen.“
Und genau nach diesem Motto fuhr er auch. Ein Glück, dass nicht so viel Verkehr war, denn sonst hätten wir es garantiert nicht bis zum Hotel geschafft.

Um einer Raserei zum Flughafen zu entgehen beeilte ich mich besonders mit dem Packen und stand eine viertel Stunde später mit einem schweren Koffer und einer noch schwereren Umhängetasche im Foyer.
Diese zwei dummen Ordner waren einfach zu schwer und es passte auch nur einer davon in den Koffer!
Aber so konnte ich wenigstens während dem Flug noch weiter arbeiten.
„Fertig? Draußen steht das Auto, dann kannst du schon mal einladen, während ich aus checke.“
Taylor stellte mir seinen Rollkoffer hin und verschwand dann zur Rezeption. Davon, dass eigentlich die Männer den Frauen ihre Sachen tragen, hatte er anscheinend noch nichts gehört. Also zog ich schleppend und keuchend zu dem wartenden Audi, bis mir einer der Hotel Angestellten half. Wir waren gerade fertig, da rauschte auch schon mein Chef an mir vorbei und ich hatte noch nicht einmal die Tür ganz geschlossen, als er schon los fuhr.

Schnurrend glitt das Auto über die Straßen und als wir endlich die Autobahn erreichten wurde ich noch mehr in den Sitz gedrückt.
„Hast du Angst, dass wir zu spät kommen? Wir haben doch noch genug Zeit..“
Er grinste kurz zu mir herüber.
„Wir kommen nicht zu spät. Aber deswegen kann ich doch trotzdem schnell fahren, oder hast du Angst?“
„So schnell bekomme ich keine Angst. In den Hintergassen von Paris passieren wesentlich gefährlichere Dinge.“
Er lachte.
„Klingt ja fast so, als seist du stolz darauf, dort gelebt zu haben.“
Ich überlegte eine Weile und sah seinem Gesicht zu, wie es immer wieder kurz von den gelben Straßenlaternen beleuchtet wurde.
„Ich bin nicht stolz darauf, aber es hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich jetzt bin. Früher war ich ziemlich schüchtern und habe mir alles gefallen lassen. Doch die Leute da haben mir gezeigt, dass man sich wehren muss. Egal gegen wen.“
„Das heißt, deswegen muss ich mich jetzt mit deinem Dickkopf herum schlagen? Na toll.“
Lachend kuschelte ich mich etwas tiefer in den Sitz.
„So schlimm bin ich jetzt auch wieder nicht. Und außerdem solltest du froh über meinen Dickkopf sein. Denn ohne den hätte ich zum Beispiel die Akten von heute morgen nicht bekommen.“
„Wenn du nur bei anderen Leuten außer mir so stur wärst, wäre ich auch wesentlich froher.“
„Tja. Entweder ganz oder gar nicht. Ich mach keine halben Sachen.“
Lachend bog er zum Flughafen ab.
„Das merke ich...“

Kapitel 8


Kapitel 8

Wir kamen natürlich noch rechtzeitig und als wir endlich den Flieger betreten durften, lotste mein Chef mich doch tatsächlich in die erste Klasse. Und dort war es wirklich geil! Anstatt den üblichen Reihen gab es nur Sitzgruppen ähnliche Bereiche, die untereinander abgetrennt waren und in jeder Größe vorhanden schienen.
Unsere Plätze entpuppten sich als zwei breite Sessel, die sich gegenüber standen und von einem kleinen ausklappbaren Tisch getrennt wurden.
„Wow. So hatte ich mir meinen ersten Flug wirklich nicht vorgestellt.“
Aufgeregt kuschelte ich mich in das weiche Polster und nahm meine Tasche auf den Schoß.
„Du bist noch nie geflogen? Dann wird es aber höchste Zeit! Es ist aber nicht so spannend. Fast wie Auto fahren.“
„Echt? Dann bin ich beruhigt. Fliegst du denn immer erste Klasse?“
„Ja ist einfacher. Wenn ich noch etwas arbeiten muss, dann hat man hier immer mehr Platz und außerdem ist es wesentlich ruhiger.“
Neugierig sah ich mich nach anderen Passagieren um, doch bis auf zwei Anzugträger und eine alte Dame in pinkem Kostüm waren wir alleine.
Ich wollte ihn gerade noch weiter ausfragen, da ertönte die Stimme des Kapitäns und ich musste mich mit dem Gurt abmühen. Ich hatte es endlich geschafft, da rollten wir auch schon los und das Adrenalin durchlief meinen Körper, als der Pilot richtig beschleunigte.
„Das hier vergleichst du mit Auto fahren?“
Sein raues lachen drang zu mir herüber und half mir meinen Körper aus der Starre zu befreien.
„Du bist noch nie mit mir Ferrari gefahren. Aber ich denke, so schnell bringt dich nichts aus der Ruhe?“
Zerknirscht warf ich ihm einen bösen Blick zu und widmete mich zu Ablenkung meiner Tasche. Ich ließ mir Zeit und packte zuerst den dicken Ordner und dann meinen Laptop aus. Als ich endlich damit fertig war, hatte ich mich auch an das Gefühlt gewöhnt.

Während ich mich also an die Arbeit machte, den gesamten Ordner in meinen Laptop zu übertragen und dann noch zu übersetzen, räkelte sich mein Chef gemütlich auf seinem Sessel und hörte Musik. Dabei schien er mich keine Sekunde aus den Augen zu lassen, weswegen ich der Stewardess sehr dankbar war, als sie mir eine große Tasse Kaffee brachte. Wir würden zwar nur kurz in der Luft sein, doch besser als die Zeit ungenutzt lassen und dann später im Hotel nicht schlafen.

Nach meinem dritten Kaffee ertönte auch schon das Zeichen zum Anschnallen und ich packte seufzend alles weg. Ich hatte nicht so viel geschafft, wie ich gehofft hatte. Das hieß also, wenn wir im Hotel ankamen direkt eine Kanne Kaffee bestellen und die Nacht durch arbeiten.
Zum Glück gab es Kaffee! Sonst wäre ich schon längst an Übermüdung gestorben oder gefeuert worden, weil ich zu langsam war.

Im Flughafen London Heathrow war trotz der späten Uhrzeit noch reges Treiben. Nachdem wir unser Gepäck abgeholt hatten, eilte Taylor auch schon los und ich hatte Mühe ihm mit meiner schweren Tasche hinterher zu kommen. Doch zu meinem Glück wurden wir in der Empfangshalle schon von einem Mitarbeiter erwartet, der uns abholen sollte und ganz Gentlemanlike sofort meinen Koffer übernahm.

Diese Engländer waren mir irgendwie sympathisch!

Als er uns dann auch noch zu einem schwarz glänzendem Porsche Panamera führte war ich vollends begeistert, was mein Chef leider mitbekam und sich lachend auf den Fahrersitz schob.
„Warte erst mal bis du den Ferrari gesehen hast!“
Der Mitarbeiter – er hatte sich als Matt vorgestellt – und ich verstauten schnell das Gepäck und nach einer kurzen Diskussion nahm ich ergeben auf dem Beifahrersitz Platz.

Als der Motor schließlich startete hätte ich fast verträumt geseufzt, so schön dunkel schnurrte er, und ehe ich mich versah hatte mein Boss Gas gegeben und wir schossen los.
Ich liebte dieses Auto schon jetzt!

Staunend betrachtete ich die Stadt um mich herum. Um uns herum fuhren die typisch englischen Taxis und alle hundert Meter entdeckte ich eine der tollen Telefonzellen. Und schon entdeckte ich das hell erleuchtete Gebäude des „Harrods“. Es sah wirklich wunderschön aus! Doch schnell war es vorbei und ich entdeckte die Gitarre des „Hard Rock Cafés“ auf der anderen Seite der Straße. Direkt gegenüber von einem wunderschönen Park, der von Laternen in ein gemütliches Licht getaucht wurde.
Vor uns entdeckte ich gerade die Leuchtschrift des Piccadilly Circus und kurze Zeit später die Löwen des Trafalgar Square. Nun steuerten wir direkt auf das Parlament zu und neben mir blinkte das „London Eye“. In dessen nähe bogen wir schließlich durch ein Tor in eine mit Säulen gesäumte Auffahrt, die in einem treppenförmigen Rondell endete.

„Sag mir bloß nicht, dass wir hier wohnen werden!“
Lachend stiegen die beiden Männer aus, während ich immer noch perplex aus dem Fenster starrte, bis Taylor mir die Tür öffnete.
„Gefällt es dir nicht? Was besseres hat Marie so schnell nicht bekommen, aber ich denke es wird gehen.“
Grinsend reichte er mir seine Hand und half mir aus dem Auto, da ich immer noch am staunen war.
Wir hielten gerade wirklich vor dem Marriott London! Dem Hotel direkt neben dem großen Riesenrad! An der Themse!
„Und jetzt komm. Ich will endlich einchecken.“
Ich schnappte mir meine Taschen, bedankte mich schnell bei Matt und rannte dann meinem Chef hinterher, der schon fast die Eingangstür erreicht hatte.
Das Foyer dahinter war in hellen Farben und gemütlichen Möbeln eingerichtet und ich ließ mir erst einmal Zeit alles zu bestaunen.
An der Seite gab es eine Sitzecke und daneben war der Durchgang zum Frühstücksraum. Auf der Gegenüberliegenden Seite befand sich eine Bar in einem abgetrennten Bereich, wo einige Gäste gerade Cocktails schlürften und sich ausgelassen unterhielten.

„Stella!“
Mein Kopf ruckte in Richtung Aufzug, wo Taylor auch schon auf mich wartete und ich beeilte mich, bevor er ohne mich los fuhr.
„Das Hotel ist echt der Hammer! Wirklich! Wenn das Foyer schon so schön eingerichtet ist, wie müssen denn dann erst die Zimmer sein?!“
Ich war so aufgeregt, dass ich sein spöttisches Grinsen einfach ignorierte und sofort aus dem Fahrstuhl trat, als die Türen sich endlich öffneten.
„Haben wir denn wieder Zimmer nebeneinander oder wie ist das dieses Mal? Und haben wir mit Blick auf die Themse oder wohin?“
Ich versuchte meine Freude zu zügeln und ging neben ihm her, während er die Türen nach der richtigen Nummer absuchte. Endlich blieb er vor einem Zimmer stehen und schob die Karte hinein.
„Wir haben ein Zimmer mit Blick auf den Park, dafür aber mit Balkon. Dort ist es auch ruhiger.“
Er ließ mir den Vortritt und ich stürmte sofort in mein neues Zu Hause.
Es war komplett mit einem beige-roten Teppich ausgelegt, der meine Schritte weich federte. Nach einem kleinen Flur betrat ich das Schlafzimmer, was ebenso in beigen und roten Tönen gehalten war und von einem riesigen Kingsize Bett dominiert wurde. Ihm gegenüber stand ein kleiner Schreibtisch, neben einer gemütlichen Sitzecke und einem großen Fernseher. Doch was mich am meisten begeisterte war, dass ein paar Stufen auf einen kleinen Balkon führten auf dem gemütliche Sessel und ein Tisch standen, von denen man direkt auf einen kleinen Park schaute.
Sofort ließ ich alles stehen und liegen und stürmte hinaus, wo mich angenehme Stille umfing.
„Ich hätte nicht gedacht, dass es in London so ruhig sein kann.“

Grinsend drehte ich mich zu Taylor um, der sich ebenfalls das Zimmer ansah und nun zu mir auf den Balkon trat.
„Das kommt auch nur an wenigen Orten vor. Und zu deiner Frage eben, wir werden uns dieses Zimmer hier teilen.“
Überrumpelt starrte ich ihn an.
„Was? Warum das denn?“
Er lachte laut und legte sich entspannt auf eine der Liegen, die an der Seite des Balkons aufgestellt waren.
„Es war nun mal sehr kurzfristig und weil sonst alles belegt war, hat Marie uns ein Doppelzimmer gemietet. Oder hast du Angst, schwach zu werden, wenn du erst mal mit mir in einem Bett liegst?“
Ich starrte ihn wütend an. Wie konnte man nur so arrogant sein?!
„Nein das nicht. Ich lege nur keinen großen Wert darauf mit meinem Chef in einem Bett zu schlafen.“
„Also hast du doch Angst.“
Gelangweilt holte er sein Handy heraus und tippte etwas.
„Es ist doch egal, was ich jetzt mache. Du glaubst es mir doch erst, wenn ich mich neben dich lege, nicht wahr?“
Lachend sprang er auf und grinste mich diabolisch an.
„Du hast so oder so keine andere Wahl, Schätzchen. Also pack' deine Sachen aus, wir werden wahrscheinlich die nächsten 4 Tage hier bleiben. Vielleicht auch etwas länger. Und soweit ich weiß, hast du noch genug zu tun.“

Ich hasste ihn dafür, dass er Recht hatte.

Kapitel 9


Taylor war verschwunden um zu telefonieren und ich widmete mich meinem noch vollen Koffer. Der Ordner, der obenauf lag, ließ meine Stimmung noch etwas tiefer sinken und ich fragte mich, wie ich das bis zum Morgen schaffen sollte. Doch trotzdem räumte ich zuerst alle Klamotten in den riesigen Schrank, der praktischer weise in zwei Hälften geteilt war. So hatte ich wenigstens noch ein bisschen Privatsphäre.
Anschließend rief ich den Zimmerservice für eine Kanne Kaffee und setzte mich damit auf den Balkon in den warmen Nachtwind. Dank der Zeitverschiebung hatten wir schließlich erst 11 Uhr und ich hatte somit eine ganze Stunde mehr Zeit!
Doch trotzdem kam ich nicht wirklich voran.

„Wenn du weiterhin so viel Kaffee trinkst, kannst du heute Nacht ja gar nicht mehr schlafen.“
Wütend warf ich einen Blick hinter mich, wo mein Chef im Türrahmen stand. Er hatte seinen Anzug gegen eine locker sitzende Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit blauer Aufschrift getauscht und hielt eine Flasche Bier in der Hand.
„Ich soll das hier doch bis morgen gemacht haben, wie soll ich denn dann noch bitte Zeit zum Schlafen haben? Was meinst du, warum ich sonst die ganze Zeit Kaffee in mich hinein kippe?“
Leise lachend setzte er sich auf den Sessel neben mir.
„Du musst das nicht bis morgen machen. Das würdest du doch gar nicht schaffen. Es reicht, wenn du das in einer Woche fertig hast. Und bis dahin hast du noch genügend Zeit, sodass du den Kaffee weg lassen und die eine Mütze Schlaf gönnen kannst.“
„Das war nicht Ernst gemeint, als du gesagt hattest, du wolltest das Morgen früh um Sieben auf deinem Schreibtisch liegen haben?!“
„Eigentlich schon. Aber bis du wieder zu meinem Schreibtisch kommst dauert es jetzt ja noch eine Weile. Also genieß den Abend und ruh' dich aus. Du siehst ziemlich müde aus.“

Ich streckte mich erleichtert in meinem Stuhl und betrachtete die zwei Ordner vor mir. Ich hätte es auf keinen Fall bis morgen früh geschafft und erstaunlicherweise störte mich dies mehr als ich gedacht hatte.
„Was steht denn morgen so alles an?“
Ich zückte mein Handy um mir alles aufzuschreiben und stellte überrascht fest, dass ich fast nichts zu tun hatte in den nächsten Tagen außer den zwei Ordnern vor mir und der Spendengala.

Ich hatte gerade meinen Laptop ausgeschaltet, da hörte ich leise Big Ben läuten. Es waren 1 Uhr und ich fühlte mich jetzt schon als hätte ich die ganze Nacht durch gemacht. Zum Glück blieb mir diese Qual für heute erspart.
Schnell räumte ich alles in meine Tasche und verschwand dann im Bad um mich umzuziehen. Weil es so warm war beschloss ich nur in Boxershorts und Top zu schlafen. Egal was Taylor davon halten würde. Doch der schien noch nicht an Schlaf zu denken, so wie er auf dem Balkon saß und auf den Park blickte.

„Ich bin dann jetzt mal schlafen. Gute Nacht.“
Er zog eine Augenbraue hoch, als er mein Outfit sah.
„Heiß. Ich hätte eher auf ein durchsichtiges Negligé getippt aber das hier sieht auch geil aus. Vielleicht geh ich jetzt doch schon ins Bett.“
Müde drehte ich mich kommentarlos um und zeigte ihm zum Abschied noch den Mittelfinger, was mir nur ein Lachen einbrachte. Doch glücklicherweise kam er mir nicht nach.
Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass man mit dem richtig scharfen Chef in einem Bett schlafen würde. Doch ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass in diesem Monster Bett sicherlich auch 4 Leute Platz gefunden hätten.
So schlief ich dann auch schnell ein.


Ich träumte gerade von einem Palmen gesäumten Strand als irgendein Handy mich aus dem Schlaf riss. Grummelnd kuschelte ich mich noch etwas mehr in die warmen Decken und versteckte meinen Kopf halb unter meinem Kissen als dieses plötzlich anfing zu lachen.
Erschrocken riss ich die Augen auf und sah genau in Taylors Gesicht, das mich lachend musterte. Erst dann bemerkte ich, dass ich mich nicht in eine warme Decke sondern an meinen Boss gekuschelt hatte und nun halb auf diesem lag, den Kopf in seiner Halsbeuge.
Quietschend rollte ich mich von ihm runter und versteckte mich unter meinem richtigen Kissen.
„Verdammte Scheiße!“
Ich war in der Nacht durch das ganze breite Bett bis zu ihm gerutscht und hatte mich dann auch noch an ihn gekuschelt! An meinen Chef! Ich war erledigt!

Doch er schien das nicht so ernst zu nehmen, wie ich. Denn nun stand er immer noch lachend auf und präsentierte mir seinen durchtrainierten Körper, der lediglich von schwarzen Boxershorts bedeckt wurde. Aber selbst die hingen betörend tief, sodass er aussah, wie ein Unterwäsche Model. Sein Sixpack war perfekt geformt und ich konnte nirgendwo ein Gramm Fett entdecken. Und dann sein Hintern..
„Soll ich mich wieder hinlegen, damit du deine Musterung durch deine Hände unterstützen kannst?“
Verdammt! War das etwa so offensichtlich gewesen?!
„Nee..ist okay. Bin fertig.“
Grummelnd versteckte ich mich wieder unter meiner Decke bis ich das Wasser der Dusche rauschen hörte.
Was für ein beschissener Start in den Tag!

Ich schaffte es dennoch mich aufzurappeln und mich in Windeseile umzuziehen, solange ich noch die Dusche hörte. Ich entschied mich für eine schwarze Röhrenjeans und ein weinrotes Top, was durch schwarze High Heels abgerundet wurde.
Inzwischen war auch Taylor wieder aus dem Bad verschwunden und stand mir erneut nur mit Boxershorts bekleidet gegenüber.
„Wenn du willst, kannst du mit in die Firma kommen. Du hast dort ein kleines Büro für dich, aber du kannst auch hier bleiben. Hauptsache du arbeitest, aber das weißt du ja.“
Ihm schien es nichts auszumachen, so spärlich bekleidet vor mir zu stehen oder er war sich seiner Wirkung auf mich bewusst und nutzte diese jetzt aus.
„Ich komme mit. Dann kann ich mir dort auch mal alles angucken.“
Damit verschwand ich schnell im Bad, wo mich jedoch direkt sein Geruch umhüllte.
Dieses Duschgel gehörte wirklich verboten, so gut wie das roch!

Ich kämmte mir meine Haare und steckte lediglich mein Pony zurück, damit es mich nicht beim arbeiten störte. 5 Minuten später war ich dann fertig und wir fuhren hinunter zum Frühstück.
Dort angekommen kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn in der Mitte des Saals war eine große Insel mit einem Buffet hergerichtet auf dem ich so viele leckere Dinge sah, dass ich mich zuerst gar nicht entscheiden konnte.
Schließlich aß ich nur ein typisches English Breakfast und dazu einen Tee mit Milch. Und alles schmeckte wirklich köstlich!

Voll bis oben hin holte ich schließlich noch meine Tasche und setzte mich dann zu Taylor in den Panamera. Das Firmengebäude war vollkommen aus Glas und hatte sicherlich 20 Stockwerke mit einer zweistöckigen Empfangshalle. Wir fuhren bis ganz nach oben und ich bekam ein kleines Zimmer an der Außenseite zugewiesen mit einer wunderbaren Aussicht auf die Stadtmitte.
Und das was ich sah begeisterte mich noch mehr.
Ich fing wirklich an diese Stadt zu lieben!

Kapitel 10


Es war inzwischen Freitag Nachmittag und ich hatte die gesamte Woche damit verbracht diese verdammten Ordner zu übersetzen. Aber an diesem Morgen hatte ich endlich das letzte Blatt übersetzt und war fertig.
Ich hatte allerdings auch immer wieder Pausen gemacht, in denen ich die Stadt erkundete oder ein wenig einkaufen war. Ob das alles noch in meinen Koffer passen würde war eine andere Sache.
Meine peinlichen Annäherungsversuche während ich schlief konnte ich jedoch leider nicht ganz unterdrücken und musste deswegen noch zwei weitere Male in den wunderbar starken Armen meines Chefs aufwachen. Und ich hegte den Verdacht, dass ihm das gefiel. Denn so hatte er immer etwas, womit er mich aufziehen konnte. Aber wenn wir uns noch einmal ein Zimmer teilen mussten würde ich einfach auf der Couch schlafen!
Doch diese eine Nacht würde ich auch noch schaffen. Denn heute Abend war die Spendengala, auf die ich mitkommen sollte und ich war schon sehr aufgeregt. Er hatte mir gesagt, dass sogar einige berühmte Leute dort auftauchen würden und ich war schon so gespannt, wer das sein würde!
Und auch wie mein Kleid aussehen würde wusste ich noch nicht. Deswegen tigerte ich nun schon seit einer viertel Stunde im Zimmer umher und wartete darauf, dass endlich dieser dumme Schneider vorbei kam und es mir brachte.

Endlich kam das erlösende Klopfen und ein Hotelangestellter brachte mir einen langen schwarzen Kleidersack. Aufgeregt wartete ich, bis er wieder verschwunden war und zog dann den Reißverschluss erwartungsvoll nach unten.
Darunter kam ein weinrotes langes Kleid zum Vorschein. Sehr einfach gestaltet und ohne Träger, wobei der Stoff bis zur Taille in einer Wickeloptik gestaltet war. Begeistert befühlte ich den Stoff, der ganz seidig durch die Finger glitt.
Taylor hatte wirklich einen guten Geschmack war Kleider betraf. Und auch Schuhe. Er hatte einfache High Heels mit schwarzem Riemchen um den Knöchel und einem 10 cm Absatz. Ein Glück, dass er so groß war. So konnte ich auch mal solche Schuhe anziehen, ohne meine Begleitung zu überragen. Was bei meinen 1,64m zwar selten passierte, doch er war sicherlich 1,85m groß, wenn nicht noch mehr.

Schnell sprang ich unter die Dusche und nachdem ich mir die Beine gewachst und die Haare geföhnte hatte, ging es ans frisieren. Aufwendig steckte ich mir die Haare hoch, ließ jedoch außen ein paar Strähnen locker heraus, die mein Pony auflockern sollten. Ich war noch nicht ganz fertig, als mein Chef das Zimmer betrat.
„Bist du im Bad fertig? Ich muss noch duschen und in einer dreiviertel Stunde werden wir abgeholt.“
Eilig räumte ich das Bad und schminkte mir schließlich draußen noch dezent das Gesicht. Da kam auch schon Taylor in Boxershorts aus dem Bad geschlendert und rubbelte sich die Haare mit einem Handtuch trocken.
„Was wäre eigentlich so schlimm daran, wenn du dir im Bad wenigstens eine Hose anziehen würdest?“
„Ich habe bemerkt, dass du es anscheinend sehr anziehend findest, wenn ich nur Boxershorts anhabe. Schließlich kommst du dann jede Nacht zu mir rüber.“
Knurrend schnappte ich mir mein Kleid und verschwand im Bad um es anzuziehen. Dass ich darunter keinen BH tragen konnte, fand ich nicht so toll aber wenigstens musste ich meinen Slip nicht ausziehen, weil man ihn sonst sehen würde. Das einzige Problem war jetzt nur noch der Korsage ähnliche Verschluss, der zudem auch noch von dem Stoff des Kleides verdeckt wurde.
„Taylor. Komm mal her!“
Zerknirscht wandte ich mich an meinen Chef, der dreckig grinsend das Bad betrat. Er trug einen schwarzen Anzug, weißes Hemd und, passend zu meinem Kleid, eine rote Krawatte.
„Was ist los? Soll ich dir beim Anziehen oder Ausziehen helfen? Im Moment wäre beides sehr verlockend.“
„Beim Anziehen. Du musst die Schnüre hinten enger ziehen.“
Lachend trat er hinter mich und zog mit geübten Fingern das Kleid enger.
„Et voilà. Und ich muss sagen, du siehst wirklich heiß aus da drin! Aber trotzdem müssen wir uns beeilen, wenn wir nicht zu spät kommen wollen!“

Und schon wenige Minuten später betraten wir den Flur und ich hielt mich ganz Ladylike an seinem Arm fest, was jedoch auch damit zusammen hing, dass ich Angst hatte in den hohen Schuhen zu fallen.
„Als was gehe ich denn heute dahin? Wieder als deine Freundin?“
Er lächelte mich charmant an, nachdem ich mich seufzend - natürlich wieder mit seiner Hilfe - in das wunderschöne Auto gesetzt hatte, was heute jedoch von Matt gefahren wurde.
„Natürlich. Alles andere wäre auch komisch, findest du nicht?“
Ich grummelte etwas vor mich hin, da ich ihm meine Meinung nicht wirklich mitteilen wollte.
„Warum ziehst du eigentlich nie die Kette an, die ich die geschenkt hatte?“
„Die ist doch viel zu teuer um sie immer anzuziehen! Und heute passte sie nicht zum Kleid.“
Grinsend musterte er mich.
„Aber eine Kette ist doch dafür da, angezogen zu werden. Und was soll schon damit passieren?“
„Ich weiß nicht...ich hätte sie heute Abend ja auch gerne angezogen..“
Und das hätte ich wirklich gerne getan, vor Allem weil ich jetzt ganz ohne Schmuck war und lediglich eine kleine rote Clutch Tasche dabei hatte.
„Dann guck doch mal in deiner Tasche ob du nicht etwas anderes dabei hast, weil ganz ohne geht ja auch nicht.“
„Was soll denn da drin sein? Ich habe die doch erst heute Nachmittag mit dem Kleid bekommen und eben nur mein Handy herein geschmissen.“
Genervt tat ich ihm aber den Gefallen und bekam richtig große Augen als ich plötzlich ein goldenes Armband entdeckte, in dessen einzelnen Gliedern immer wieder ein kleiner Rubin eingelassen war.
„Ach du Scheiße!“
Verwundert starrte ich in meine Tasche und dann auf Taylor.
„Was soll das? Du...du kannst mir doch nicht schon wieder so teuren Schmuck schenken!“
Lachend nahm er das Armband heraus und legte es mir um den Arm.
„Warum nicht? Wenn er mir doch an dir gefällt?!“
„Ja aber..“
Er legte mir einen Finger auf die Lippen.
„Nichts aber. Das einzige was daran unangebracht wäre, ist wenn du ihn nicht anziehen würdest, weil er zu teuer ist.“
„Aber..“
„Shht...Außer vielleicht einem 'Danke' will ich zu diesem Thema jetzt nichts mehr hören!“
„Es ist wunderschön! Danke!“
„Gut so. Und jetzt aufpassen, wir sind gleich da und es sind immer viele Journalisten und Fotographen dort. Also hör auf mich so anzugucken und lächel lieber.“

Wenige Sekunden später hielten wir auch schon an und ein Mann im Anzug öffnete Taylors Tür, aus der er mir danach selbst heraus half. Überall waren Mikrophone und Kameras und durch das Blitzlichtgewitter verlor ich für kurze Zeit die Orientierung. Doch ich hakte mich einfach bei meiner Begleitung ein und lächelte vor mich hin bis wir endlich den Eingang erreicht hatten und nach ein wenig winken seinerseits endlich in das ruhigere Gebäude eintreten konnten.
„Ich glaube ich mag keine Spendengalas.“
Überall sah ich Blitze!
„Du gewöhnst dich noch daran und so oft mache ich das hier auch nicht.“
Zum Glück.

Er führte mich weiter in einen Saal, der mit mehreren Stehtischen gefüllt war und in dem sich schon viele Leute tummelten. Alle im Anzug oder Abendkleid. Die Wände waren mit roten und weißen Rosen geschmückt und alles schien aufeinander abgestimmt zu sein.
„Jetzt kommt der spaßige Teil.“
Charmant legte Taylor einen Arm um meine Taille und führte mich die kleine Treppe hinunter mitten durch die Menge, die uns neugierig musterte. Zwischendurch blieben wir kurz bei kleinen Gruppen stehen, wo ich zuerst vorgestellt wurde und dann ein wenig Small Talk geführt wurde. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir dann an der Bar an, wo Taylor sich einen Wodka und ich ein Glas Sekt bestellte.
Man konnte ja nie wissen, zu welchen Leuten ich heute noch freundlich sein musste. Denn bisher war noch niemand nettes dabei gewesen. Sie alle waren so arrogant und übertrieben.

„Wie lange werden wir denn hier bleiben?“
Ich lehnte mich an die Bar und während ich an meinem Sekt nippte, musterte ich die Leute, die vorbei gingen.
„Schon etwas. Es gibt gleich einige Reden und dann etwas Musik. Aber ich denke bis Mitternacht müssen wir mindestens bleiben.“
Darauf noch einen Schluck Sekt, was wiederum mit einem tiefen Lachen meines Chefs quittiert wurde.
Ich wollte gerade etwas entgegnen als eine allzu bekannte Person in meinem Sichtfeld auftauchte.
„Darling! Wie schön dich wieder zu sehen! Wie geht es dir?“
Babette kam auf mich zu gestakst. Ihr knall pinkes Kleid umhüllte sie wie eine zweite Haut und war an der Seite gefährlich weit eingeschnitten.
Sofort setzte ich mein bestes Lächeln auf und begrüßte sie überschwänglich, als hätten wir uns Jahre lang nicht mehr gesehen und wären vorher die besten Freundinnen gewesen.
„Oh und ihr seid ja immer noch zusammen! Wie schön! Aber ihr passt auch einfach zusammen!“
Das hinderte sie allerdings nicht daran sich trotzdem verführerisch um ihn zu wickeln und ihm ihre falschen Brüste entgegen zu strecken.
„Stella. Ich wusste gar nicht, dass ihr heute Abend auch hier seid.“
Ihr schmieriger Ehemann kam auf mich zu und da Taylor anderweitig beschäftigt war kam ich um seine Schmatzer und Fummeleien nicht herum.
„Ach, wie schön, jetzt bin ich doch nicht so alleine, wie ich zuerst dachte. Weißt du, Darling, ich hatte zuerst keine Lust weil unser Wohnzimmer noch fertig geplant werden muss aber dann hat mein Äffchen mich doch noch überredet und hat mir sogar diese Kette noch geschenkt!“
Sie streckte mir ihren Hals mit einer protzigen, goldenen Kette entgegen, die lediglich den Zweck hatte, teuer auszusehen.
„Die ist ja wunderschön! Mike hat mir auch etwas geschenkt. Guck mal hier! Dieses wunderschöne Armband.“
Sie bekam richtig große Augen als sie merkte, dass Mikes Geschenk wesentlich schöner war, was sie ihrem Mann auch sofort unter die Nase reiben musste.
Diese Gelegenheit nutzte jedoch mein Chef um mich an sich zu ziehen und mir ins Ohr zu raunen.
„Ich spüre plötzlich den großen Drang nach einem Tanz, meinst du nicht auch?“
Der Schleimsack ging ihm anscheinend genauso auf die Nerven.
„Aber ich fürchte ich kann nicht so gut tanzen.“
Lachend zog er mich noch näher, sodass sein Atem nun meinen Nacken streifte.
„Das wollen wir doch mal sehen.“

Kapitel 11


Wir verabschiedeten uns von dem wild knutschenden Ehepaar und er führte mich galant auf die Tanzfläche. Die Musik war ein langsamer Walzer und mir wurde schon allein bei dem Gedanken an das viele Drehen schlecht. Aber immer noch besser als einen auf Barbie zu machen.
Taylor zog mich eng an sich und legte seine Hand auf meinen Po, während er nach meiner Rechten griff.
„Du weißt, dass man eigentlich einen gewissen Abstand beim Walzer einhält und die Hand auf der Taille liegen soll?“
Ich schnurrte es ihm ins Ohr, wobei ich mich am liebsten weg gedrückt hätte.
„Du bist meine Freundin, da ist das vollkommen in Ordnung.“
Er grinste mich frech an und wir fingen an zu tanzen.
Ein Glück, dass ich in Spanien an einem Tanzkurs teilgenommen hatte. Sonst wäre es wirklich peinlich geworden. Doch so machte es mir sogar ein wenig Spaß. Er führte mich zielstrebig über das Parkett und sah mir dabei die ganze Zeit in die Augen.
„Du kannst gut tanzen. Machst du das öfter?“
Er lachte leise und verpasste mir mit seinem Atem eine Gänsehaut.
„Es geht. Auf solchen Veranstaltungen immer. Aber du bist auch nicht schlecht.“
„Ja danke. Wirklich ein tolles Kompliment!“
Sarkastisch funkelte ich ihn von unten an.
„Du bist ein wenig verspannt aber ich denke das legt sich mit der Zeit noch.“
„Ich fürchte so lange kann ich nicht mit dir tanzen, denn von dem ganzen Drehen wird mir jetzt schon schlecht. Als ich den Tanzkurs gemacht habe, konnte ich auch nie ein ganzes Lied durchhalten.“
Lachend drehte er mich noch einmal extra schwungvoll.
„Sag Bescheid, wenn es zu schlimm wird.“
Ich nickte und konzentrierte mich dann wieder auf das Tanzen. Seine Nähe machte mich nervös und ich musste an das Gefühl denken, mit dem ich in seinen Armen aufgewacht war. Ich hatte mich so richtig geborgen gefühlt. Aber das lag wahrscheinlich daran, dass ich vorher jede Nacht in den Armen meines Bruders geschlafen hatte und ich mich, seitdem ich für Taylor arbeitete, allgemein etwas einsam fühlte.

Als wir wieder an der Bar standen und ich meine Übelkeit mit einem weiteren Glas Sekt herunterspülen wollte, bekamen wir erneut Besuch.
„Mike Taylor. Welch Überraschung dich hier zu treffen!“
Ein großer, gut gebauter Mann gesellte sich zu uns. Er hatte blonde, kurze Haare und schien ein einziger Muskelklotz zu sein. Seine hellblauen Augen leuchteten regelrecht in seinem Gesicht, als die zwei sich begrüßten und er sich dann mir widmete.
„Und wie heißt die hübsche Lady neben dir? Darf ich mich vorstellen, ich bin Christian Svensson.“
Charmant küsste er mich auf die Wange und ich kam mir richtig hilflos in seinen starken Armen vor.
„Das hier ist meine Freundin, Stella. Deswegen würde ich es begrüßen, wenn du sie nicht allzu viel betatschst.“
Besitzergreifend wurde ein Arm auf meine Schultern gelegt und ich gegen eine trainierte Brust gezogen.
„Natürlich. Ich bin auch mit Begleitung hier, allerdings ist die momentan mit Tratschen beschäftigt.“
Lachend bestellte er sich ein Bier und die zwei fingen an, sich über Rugby zu unterhalten.
So wie Christian aussah, war er wahrscheinlich selbst ein Spieler und ich nahm mir die Zeit ihn ausführlich zu mustern. Er war so gebaut, wie die meisten Frauen es mochten. Mit schön breiten Schultern und viel Muskeln. Und seine Augen hatten wahrscheinlich schon viele um den Verstand gebracht. Dazu die braun gebrannte Haut und er entsprach dem typischen Player.

Während ihrem Gespräch bestellte ich mir noch ein weiteres Glas und als Christians Begleitung dazu kam, wechselten sie endlich das Thema, sodass ich mitreden konnte. Die zwei waren mir auf Anhieb sympathisch und auch Taylor schien sie zu mögen, obwohl er seinen Arm nicht mehr von mir nahm.
Da war wohl jemand ziemlich besitzergreifend.

„Ich bin mal kurz mich frisch machen, Liebling.“
Ich küsste ihn kurz auf die Wange und verabschiedete mich mit einem Grinsen bei den anderen zwei. Ich musste schließlich meine Rolle als Freundin überzeugend spielen und es kam schon komisch, wenn wir außer Händchen halten keine Berührungen austauschten. Außerdem machte sich der ganze Sekt so langsam bemerkbar.
Die Stille umfing mich, als ich die Toiletten betrat und erst jetzt fiel mir auf, wie laut es eben noch gewesen war. Umso mehr Zeit ließ ich mir, bis ich mich wieder in den Tumult traute, doch ich schaffte es erst gar nicht bis dahin.
Im Flur wartete Taylor schon auf mich, lässig an der Wand lehnend.
„Hey. Was machst du denn hier?“
Ich stellte mich neben ihn und er musterte mich ausgiebig.
„Ich hab mich nur gewundert, was du so lange hier machst. Alles klar?“
Erschöpft grinsend schielte ich von der Seite zu ihm auf.
„Natürlich. Ich habe nur ein wenig die Ruhe genossen.“
Er stieß sich von der Wand ab und stellte sich dicht vor mich, sodass ich mich zurück lehnen musste um etwas Abstand zwischen uns zu bringen.
„Du siehst wunderschön aus, in diesem Kleid. Habe ich dir das schon mal gesagt?“
„Ja. Als ich es angezogen habe. Aber Komplimente höre ich immer gerne.“
Ich beobachtete sein Gesicht, doch er gab keinen Hinweis, was das hier werden sollte, bis er grinsend seine Arme neben mir abstützte.
„Du bist auch ohne das Kleid wunderschön.“
Sein Kopf kam immer näher und ich wandte mich leicht ab.
„Mike, was soll das..?“
Es war nur ein Flüstern meinerseits gewesen, doch er war so nah. Sein Atem strich mir über den Nacken und ich spürte die Wärme die sein Körper ausstrahlte.
„Das sollte ein Kompliment sein.“
Er strich mit seiner Nase an meinem Hals entlang und küsste mich auf die empfindliche Haut, sodass mich sofort die Gänsehaut überkam.
„Aber du bist mein Boss.“
Ich sah ihm verwirrt in die Augen, was ein großer Fehler war, denn nun versank ich in ihnen.
„Und du meine Freundin. Oder hast du das etwa vergessen?“
Er senkte den Kopf bis seine Lippen nur noch Zentimeter von meinen entfernt waren, als plötzlich die Tür zum Saal geöffnet wurde und zwei Frauen kichernd herein kamen.
Taylor zog sich leicht zurück und wartete, bis sie hinter der nächsten Tür verschwunden waren. Die Arme hatte er jedoch nicht weg genommen, sodass ich immer noch zwischen ihm und der Wand gefangen war.
„Das ist nicht gut..“
Ich wollte mich abwenden, doch er legte seine Finger unter mein Kinn, sodass ich ihn wieder ansehen musste.
„Wer sagt das?“
Damit kam er näher und gab mir einen langen Kuss auf die Wange.
Sofort überkam mich ein Schauer, der durch meinen ganzen Körper fuhr und ich starrte ihn weiter mit großen Augen an.
„Und jetzt komm, bevor ich mich gar nicht mehr zurück halten kann.“

Er legte erneut seinen Arm um mich und führte mich zurück zur Bar, wo ich mir direkt noch einen Sekt gönnte. Ich war zu sehr verwirrt von seiner Aktion und meinen Gefühlen, die dabei ausgelöst wurden, sodass ich mich kaum noch an den Gesprächen beteiligte und lieber still mein Glas leerte.
Auch den Rest des Abends hielt ich mich eher zurück und als wir endlich wieder im Auto saßen herrschte beruhigende Stille. Seufzend schälte ich mich aus den hohen Schuhen, nachdem die Fahrstuhltüren sich geschlossen hatten und ich musste mich erst einmal an die veränderte Sichtweise gewöhnen. 10 Zentimeter machten einen großen Unterschied.

„Hat es dir denn gefallen?“
Taylor lehnte an der Wand mir gegenüber und beobachtete mich, wie ich mir die einzelnen Spangen aus den Haaren zog, bis sie wieder locker über meine Schultern fielen.
„Ich glaube so viel Glamour ist nicht wirklich das richtige für mich, aber du hast ja gesagt, dass du so etwas nicht oft machen musst.“
„Stimmt. Dort sind alle so arrogant und kommen nur um an ihren Freundinnen zu zeigen, wie viel Geld sie doch haben.“
Ich lachte trocken und wies auf mein Armband, was fröhlich glitzerte.
„Und was ist dann das hier? Du hast mich in ein teures Kleid gesteckt, mit teuren Schuhen und mir dann als Krönung noch ein Armband mit Rubinen geschenkt.“
Böse funkelte er mich an und stieß sich von der Wand ab.
„Ich habe dir dass alles nur gekauft, weil es mir an dir gefällt. Mir ist dabei egal, wie viel es kostet. Ich würde dir auch unechten Schmuck schenken, aber das wäre nur eine Beleidigung an deine Schönheit!“
Er stützte sich erneut mit seinen Armen neben mir ab und ich wurde zu deutlich an die Szene vor der Toilette erinnert. Umso erleichterter war ich, als plötzlich das befreiende Klingeln der sich öffnenden Türen ertönte, doch er rührte sich nicht.
„Vergleich mich nicht mit diesen aufgeblasenen Idioten, die für ihr Geld noch keinen Finger gerührt haben!“
Er klang richtig wütend und funkelte mich lauernd an.
„Tut mir Leid. So war das nicht gemeint. Ich kam mir heute nur so vor, wie deine Vorzeige Puppe.“
Ich wandte beschämt den Kopf ab, doch er wurde wieder zurück gedrückt. Seine Hand schob sich in meine Haare, sodass ich mich gegen seinen Willen nicht mehr rühren konnte, und er kam mit seinem Gesicht so nahe, bis sich unsere Nasen fast berührten.
„Im Vergleich zu den verwöhnten Schlampen kommt es dir nicht auf den Preis eines Geschenkes an. Dir geht es alleine um die Tatsache, dass man dir etwas schenkt. Selbst, wenn du es dann nicht anziehst, weil es dir zu teuer ist. Du würdest dich sogar freuen, wenn es hässlich wäre.“
„Falls du jetzt von der Kette redest, die ist nicht hässlich. Ich fühle mich nur unwohl, wenn ich etwas so teures trage.“
Die Türen wollten sich schließen, doch Taylor hinderte sie daran ohne mich loszulassen.
„Du bist so viel mehr Wert als eine beschissene Kette es jemals sein kann.“
Er küsste mich auf die Wange und verharrte dort.
„Und trotz deiner Herkunft bist du wesentlich mehr Wert als so eine aufgeblasene Barbie, die sich für wichtig hält weil ihr Daddy Geld hat.“
Erneut küsste er mich leicht.
„Du bekommst nicht alles in den Arsch geschoben.“
Seine Küsse wanderten immer weiter zu meinem Mund.
„Dabei hättest du es verdient, bei dem was du schon durchmachen musstest.“
Er küsste meinen Mundwinkel und jeglicher Protest meinerseits fiel in sich zusammen. Seine tiefbraunen Augen wanderten über mein Gesicht, schienen um Erlaubnis zu fragen, doch ich konnte mich nicht bewegen und starrte ihn einfach an.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir uns nur gegenseitig in die Augen sahen beugte er erneut seinen Kopf und legte seine weichen Lippen auf meine.
Es war als würde ein Haufen Ameisen plötzlich über meinen Körper zu wandern und alles fing an zu kribbeln, da sah er mir wieder in die Augen.
Er bat mich stumm um Erlaubnis, doch statt einer Antwort schloss ich meine Augen einfach und wurde von meinen Gefühlen überrannt, als er mich ein zweites Mal küsste.
Immer noch vorsichtig.
Zärtlich.
Als könnte ich zerbrechen.
Langsam glitten seine Hände an meiner Seite herunter und schickten wohlige Schauer über meinen Körper.
Seufzend gab ich mich endgültig dem Kuss hin und legte meine Arme um seinen Nacken.
Die Küsse wurden fordernder.
Leidenschaftlicher.
Und schon bald bat seine Zunge neckend um Einlass. Doch ich konnte ihn ihr nicht mehr verwehren.
Seine Hände zogen langsam mein Kleid nach oben bis sie sich plötzlich unter meinen Hintern schoben und mich an der Wand hoch drückten.
Ich wickelte meine Beine um seine Hüfte und wurde leichthändig aus dem Aufzug getragen.
Ohne den Kuss zu unterbrechen öffnete er die Zimmertür und ehe ich mich versah, lag ich unter meinem Chef auf einem riesigen Bett und wollte nur noch, dass er mich weiter küsste.

Diesem Wunsch kam er auch unverzüglich nach und schon bald spürte ich, wie geschickte Hände den Verschluss meine Kleides quälend langsam öffneten.
Ich saß nun auf ihm und die Beule in seiner Hose ließ mich immer nervöser werden. Doch plötzlich wanderten seine Finger meine Oberschenkel entlang und wenige Sekunden später landete mein Kleid in der Ecke und ich wurde erneut von harten Muskeln in die Matratze gedrückt.
Sein Blick glitt langsam über meinen Körper und als er die schwarze Panty aus Spitze sah, grinste er mich dreckig an.
„Ich habe dir doch gesagt, dass du mir deine Einkäufe irgendwann zeigen wirst.“
Wütend wollte ich etwas entgegnen, doch er verschloss sofort meinen Mund mit seinem. Seine Finger strichen mein Schlüsselbein herab und ließen mich für lange Zeit vergessen, wer ihr Besitzer wirklich war.

Kapitel 12


Am nächsten Morgen klingelte der Wecker viel zu früh und ich drückte mir grummelnd das Kissen auf die Ohren bis sich endlich ein schwerer Oberkörper über mich beugte um das Handy zum Schweigen zu bringen. Anschließend packten zwei starke Arme mich und ich wurde näher an diesen warmen Körper gezogen, der sich nun halb auf mich legte und seinen Kopf in meine Halsbeuge bettete.
Mir blieb gar nichts anderes übrig als liegen zu bleiben, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt nichts lieber tun wollte als mich im Bad zu verstecken und zu verdrängen, dass ich wirklich mit meinem Chef geschlafen hatte und jetzt nackt in dessen Armen lag.
Doch da klingelte erneut das Handy und ein knurriger Mike Taylor knallte seinen Gesprächspartner zur Begrüßung nur ein genervtes: „Was?“ entgegen. Dabei bewegte er sich allerdings keinen Millimeter und hielt mich immer noch unter seinem Körper gefangen.
Erst als die Frauenstimme – wahrscheinlich eine seiner Sekretärinnen – ihm lange etwas erzählt hatte rollte er sich schließlich seufzend zur Seite und ging wie Gott ihn geschaffen hatte ins Bad.

Froh, endlich aus seinen Armen entkommen zu sein, beeilte ich mich nun ebenfalls aufzustehen und mir etwas anzuziehen. Doch ich kam nur bis zur Unterwäsche, da trat er wieder vollkommen angezogen und immer noch telefonierend aus dem Bad und begutachtete grinsend meinen Körper. Aber es schien wichtig zu sein, denn schon bald riss er sich von dem Anblick los und schrieb sich etwas auf einem Zettel mit. Schnell nutzte ich die Chance um mir ein halblanges, blaues Kleid zu schnappen und dann ebenfalls im Bad zu verschwinden.
Dort nahm ich erst einmal eine entspannende Dusche und dachte über das Geschehene nach.
Ich konnte nichts mehr daran ändern. Und es war viel zu gut gewesen um es zu vergessen. Aber was mich am Meisten störte war die Tatsache, dass ich deswegen tief in mir drin nicht abgeneigt war, es noch einmal zu tun. Dabei war er mein Chef! Und ich wusste ja jetzt schon nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Natürlich waren wir beide gestern nicht mehr nüchtern gewesen, doch so richtig betrunken waren wir auch nicht.

Als ich eine halbe Stunde später das Zimmer wieder betrat, war Taylor gerade damit beschäftigt seinen Koffer zu packen.
„Fliegen wir heute schon wieder zurück?“
„Nicht zurück nach Paris. Wir fliegen weiter nach Barcelona.“
„Wir fliegen nach Spanien??“
Er musterte mich kurz und stellte dann seinen Koffer fertig gepackt neben das Bett.
„Ja. Aber jetzt beeil dich. In 5 Minuten müssen wir los.“
Eilig holte ich meinen Koffer und ärgerte mich insgeheim, warum ich überhaupt alles aus gepackt hatte.
„Und wie lange bleiben wir dort?“
„Länger.“
Damit verschwand er und ich fragte mich, ob er wegen mir so schlechte Laune hatte oder ob es an etwas anderem lag.

„Das nächste Mal duschst du nicht so lange. Dann hätten wir uns den ganzen Stress hier sparen können.“
Erschöpft ließ ich mich auf den Flugzeugsitz neben ihm fallen und schloss die Augen.
„Ich konnte ja nicht wissen, dass wir plötzlich weg mussten. Warum konnte deine Sekretärin nicht einen späteren Flug buchen?“
„Weil sie zu dumm war auf die Zeitverschiebung zu achten.“
Wütend brummend legte er seinen Gurt an und ich beeilte mich das selbe zu tun, da der Flieger schon los rollte. Wir hatten es gerade noch zum Gate geschafft und das auch nur, weil Taylor wie ein Verrückter gefahren war. Den Rest der Strecke war ich ihm dann keuchend hinterher gerannt. Mein Herz pochte mir immer noch in den Ohren, so verausgabt hatte ich mich. Das gab ich nun auch stöhnend kund, worauf ich nur spöttisch angesehen wurde.
„Ich hätte seit heute Nacht wirklich gedacht, dass du fitter bist. Aber anscheinend habe ich mich getäuscht.“
„Was hat das denn miteinander zu tun? Oder sollte das jetzt etwa ein versteckter Vorwurf sein, dass ich öfter mit Männern schlafe als joggen zu gehen?“
Wütend blickte er mir tief in die Augen.
„Ist es denn etwa so?“
„Nein verdammt! Sehe ich etwa aus, wie eine Schlampe?! Ich mache beides wahrscheinlich nicht so oft wie du.“
Er lachte rau und packte seinen Laptop aus.
„Das solltest du aber vielleicht mal ändern.“
„Kommt drauf an, was.“
Damit steckte ich mir Kopfhörer in die Ohren und stellte die Musik ganz laut, sodass ich seinen Kommentar nicht mehr hören konnte.

Entspannt lehnte ich mich auf dem Sitz zurück und wäre fast eingeschlafen, hätte mich nicht plötzlich jemand angestoßen.
„Du hast noch was zu tun, Schätzchen.“
Mit Schlafen war es wohl jetzt vorbei, dank seiner guten Laune.
Glücklicherweise kam gerade die Stewardess vorbei und ich bestellte mir zu dem Snack, der bald vorbei gebracht werden sollte, eine große Tasse Kaffee.
Als beides kam freute ich mich wie ein kleines Kind als ich einen Donut vorgelegt bekam und zum Ärger meines Bosses aß ich diesen erst einmal in Ruhe, bevor ich weiter arbeitete.

Nach dem riesigen Becher musste ich allerdings so dringend auf die Toilette, dass ich meine Angst überwinden und meinen Sitz verlassen musste. Ein weiteres Problem war jedoch mein Chef, der sich so breit gemacht hatte und gerade seelenruhig schlief, dass ich ihn entweder wecken musste oder so über seine Beine steigen. Die Erinnerung an seine schlechte Laune am Morgen, als seine Sekretärin ihn angerufen hatte, erleichterte meine Entscheidung enorm und ich löste meinen Gurt.
Nun kam das größte Problem. Ich musste in meinem nicht allzu langen Kleid mein Bein über Taylors Knie schwingen, ohne diese zu berühren oder dem Chinesen auf der anderen Seite des Flugzeugs mein Höschen zu präsentieren. Gerade hatte ich das erste Bein geschafft, da öffnete er plötzlich die Augen und musterte mich überrascht.
„Willst du mich jetzt schon besteigen, wenn ich schlafe, oder was soll das hier?“
„Ähm..nein..ich muss mal auf die Toilette.“
Peinlich berührt wollte ich gerade mein zweites Bein über ihn heben, da packte er mich plötzlich an den Schenkeln und hob mich rittlings auf seinen Schoß.
„Schade. Gegen meinen Vorschlag hätte ich gerade überhaupt nichts einzuwenden.“
Sanft strich er mir die Haare aus dem Gesicht und schnappte sich grinsend mein Handgelenk.
„Aber wie ich sehe trägst du wenigstens dieses Mal den Schmuck, den ich dir geschenkt habe.“
„Ja... Ich hatte heute Morgen nicht daran gedacht es auszuziehen.“
Ich wollte aufstehen, doch er zog mich noch näher zu sich heran.
„Was meinst du? Haben wir dieses Mal getrennte Zimmer oder wieder ein großes Doppelbett in dem man vieles anstellen kann.“
Verwirrt sah ich ihm in die Augen, die viel zu nahe waren.
Seine Hände strichen mir die Oberschenkel entlang nach oben und er kam mir immer näher, bis ich mich abwendete und er sich dafür meinem Hals widmete.
„Irgendwann bekomme ich dich schon wieder so weit. Und dann gehörst du endgültig mir.“
Damit gab er mich frei und ich verschwand verwirrt auf das engste Klo, was ich bisher gesehen hatte.

Ich wurde aus diesem Mann nicht schlau. Wie konnte man denn bitte so schnell sein Verhalten ändern. Erst behandelt er mich wie eine einfache Angestellte von ihm und macht mich wegen Sachen fertig, für die ich nichts kann, und dann flirtet er plötzlich mit mir und will mich flachlegen.

Auf meinem Rückweg wurde ich schon von einem grinsenden Taylor begrüßt der mich erwartungsvoll ansah, damit ich wieder über ihn stieg. Und dieses Mal hatte er sogar seine Beine extra weit auseinander gemacht.
Arrogantes Arschloch!
Zuckersüß lächelte ich ihn an und beugte mich extra weit über ihn, während ich auf meinen Sitz kletterte, damit er auch ja meinen Ausschnitt bewundern konnte. Doch als er mich dann erneut packen wollte, war ich darauf gefasst und wehrte seine Hände ab, bis ich endlich in Sicherheit neben ihm saß.
„Na warte. Das zahl ich dir heim, Schätzchen.“

Kapitel 13


Der Rest des Fluges war ereignislos verlaufen und ich wartete gerade neben meinem wirklich sauer wirkenden Chef auf den Fahrer, der uns abholen sollte.
In dessen Haut wollte ich jetzt auf keinen Fall stecken!
„Verdammt wenn ich diese inkompetenten Idioten in die Finger bekomme, können die was erleben!“
Er ging wütend vor mir auf und ab, während ich es mir auf meinem Koffer gemütlich gemacht hatte und die Sonne genoss.
Erneut rief er jemanden an und redete auf ihn ein bis er sich mir in die Sonne stellte um meine Aufmerksamkeit zu bekommen.
„Los. Aufstehen.“
Überrascht sah ich mich um, konnte jedoch kein Auto entdecken, was uns abholen sollte.
Er schnappte sich trotzdem meinen Koffer und ging plötzlich in das Flughafengebäude zurück.
„Warte doch mal! Was willst du denn hier drinnen?! Können wir nicht draußen in der Sonne warten?“
Ohne mich zu beachten rauschte er in Richtung Schließfächer und verstaute unser Gepäck fluchend in einem davon.
„Dieser Idiot hatte eine Panne und jetzt bekommen sie es nicht hin, jemand anderes zu schicken. Jetzt müssen wir erst mal unser Gepäck loswerden, das können wir so nicht mitnehmen.“
Verwirrt lief ich ihm erneut hinterher und schaffte es erst draußen ihn zu fragen, ob er jetzt zu Fuß gehen wolle. Lachend drehte er sich um sodass ich fast gegen ihn lief.
„Nein! Auf was für Ideen kommst du denn? Ich hab einen Freund von mir angerufen und er bringt uns sein Bike vorbei. Das können wir dann vorerst nehmen.“
„Bike? Was für ein Bike?“
Meine Frage wurde von einem dröhnenden Motorlärm beantwortet, der in Form von zwei Motorrädern gerade auf uns zu gerast kam. Erst einige Meter vor uns stoppten Sie und herunter sprang ein braun gebrannter Spanier mit kurz geschorenen Haaren und eine schlanke Spanierin mit langen, schwarzen Haaren. Sie sah aus, wie ein Model und mein erster Gedanke war, ob Taylor sie auch schon flachgelegt hatte. Doch ich verdrängte ihn schnellstmöglich wieder.
Die zwei stellten sich als Juaquin und Selena vor. Sie waren ein Paar, das sah man allein an den Blicken die Juaquin seiner Begleitung immer wieder zuwarf und somit erübrigte sich mein erster Eindruck auch. Auch wenn mein Boss ein Playboy war, die Freundinnen seiner Freunde vögelte er gewiss nicht.
Selena reichte mir eine schwarze Lederjacke, die ich über mein Kleid zog und nahm einen schwarzen Helm entgegen. Sie schien wirklich nett zu sein, doch dank Taylors guter Laune hatten wir kaum Zeit uns zu unterhalten, weil er auch schon auf das grasgrün, weiß und schwarz schimmernde Motorrad stieg und mich ungeduldig zu sich winkte.
Ich musste sagen, dass die locker sitzende Jeans und die schwarze Lederjacke wirklich geil an ihm aussahen. Also zog ich mir schnell den Helm über, musste dann jedoch feststellen, dass der Verschluss viel zu weit für mich war und ich auch keine Ahnung hatte, wie man ihn verstellt. Mit einem Lachen wurde ich plötzlich nach vorne gezogen und wie einem Kleinkind stellte er mir den Verschluss ein.
Dann konnte es endlich losgehen und ich freute mich schon richtig auf die Fahrt. Ich war noch nie Motorrad gefahren, aber ich stellte es mir richtig geil vor.
Taylor half mir noch, mich hinter ihn zu schwingen und erklärte mir, dass ich mich einfach nur an ihm festhalten solle, dann ging es auch schon los.

Und ab der ersten Sekunde war ich begeistert. Dieses Gefühl war wirklich der Hammer!

Der Motor dröhnte unter mir und wir fegten über die Straßen in Richtung Autobahn. Aber selbst dort hatte ich nie das Gefühl, dass ich bald im Graben landen würde, wenn wir mit 200 an den Autos vorbei schossen. Wie in Allem, was er machte, schien Taylor auch hier genau zu wissen, was er tat.

Viel zu schnell endete die Fahrt vor einem modernen Hochhaus in der Innenstadt von Barcelona. Mit wackligen Beinen stieg ich zuerst ab um dann zu sehen, wie man so etwas wesentlich eleganter machte. Doch er war ja auch nicht das erste Mal damit unterwegs.
Er hatte direkt vor dem Haupteingang geparkt und ging nun zielstrebig auf einen Aufzug zu, während alle ihm respektvoll zunickten. Wahrscheinlich wussten sie, was für schlechte Laune er gerade hatte oder haben kann.
Zum Glück mussten wir nicht lange auf die Kabine warten und waren schließlich ganz alleine, als die Türen sich wieder schlossen. Selig grinsend lehnte ich mich gegen die Wand gegenüber von ihm.
„Das war echt geil! Fahren wir jetzt öfter damit?!“
Kritisch musterte er mich und kam dann auf mich zu.
„Kommt drauf an. Wenn du dann die Jacke anziehst, könnte es ab jetzt sehr oft der Fall sein.“
Er griff nach meinem Kragen und zog mich daran zu ihm.
„Die steht dir wirklich sehr gut.“
Das „Ping“ der Türen rettete mich und so schnell wie seine Laune gerade gewechselt hatte, so schnell wurde seine Miene wieder ernst, als wir in den Gang hinaus traten.

Ganz am Ende betrat er schließlich ein riesiges Büro mit Glasfront zur Küste hin, in dem eine kleine Spanierin eingeschüchtert hinter ihrem Schreibtisch stand.
„Mitkommen in mein Büro! Aber vorher gibst du ihr die Akten und den Autoschlüssel mit der Adresse!“
Sofort sprang sie auf um in ein angrenzendes Archiv zu laufen, während Taylor mich erneut näher zog und mir tief in die Augen sah.
„Fahr zurück zum Flughafen und hol das Gepäck. Claudia gibt dir die Adresse von unserer Unterkunft, wo du das Ganze hin bringst. Dann kümmerst du dich um die Akten, die du von ihr bekommst. Ich will sie bis morgen fertig haben. Und wehe du fährst hier das Auto auch noch zu Schrott. So viel kannst du in deinem Leben nämlich nicht mehr arbeiten um das zu bezahlen!“

Wie nett von ihm mir das vorher zu sagen. Jetzt fühlte ich mich wesentlich sicherer.
Doch diese Unsicherheit verflog ganz plötzlich als ich entdeckte, was für ein Auto ihr fahren durfte.
Einen weinroten Camaro mit schwarzen Rallye Streifen!
Dieses Auto war einfach nur göttlich!!!

Ehrfürchtig setzte ich mich hinein und stellte mir alles ein. Mit einem leisen Seufzen quittierte ich das wunderbar tiefe brummen des Motors und stellte dann die Musik auf ganz laut. Zu guter letzt entdeckte ich noch eine Sonnenbrille, wie sie die Piloten immer trugen und es konnte los gehen.

Mein Fahrstil war zwar nicht so schnell, wie Taylors, doch bei diesem Auto musste man einfach Gas geben, sodass ich viel zu schnell den Flughafen erreichte – zum Glück konnte mich mein Handy lotsen – und danach schließlich vor meiner nächsten Unterkunft stand.
Einem modernen Hotel, das direkt am Strand lag und dessen Auffahrt von Palmen gesäumt war.
Nur widerwillig überließ ich einem Angestellten das Auto, während ein Anderer sich um das Gepäck kümmern wollte, damit ich in aller Ruhe einchecken konnte.
Wenige Minuten später betrat ich dann schließlich mein neues Zimmer – was ich zum Glück wieder alleine bewohnen durfte. Es war eingeteilt wie das letzte, nur zeigte der Balkon nicht auf einen Park sondern direkt auf das Meer. Ich stellte Taylors Koffer schon in das Zimmer nebenan und packte dann meinen Laptop und die Akten ein. Ich hatte gesehen, dass jedes Zimmer einen eigenen Strandkorb hatte und das war der perfekte Platz zum Arbeiten.

Zufrieden streckte ich meine Beine in die Sonne und nahm einen Schluck von dem Cocktail, der neben mir stand. So könnte ich ewig weiter machen! Mein Laptop lag auf meinem Schoß im Schatten und ich konnte bequem gleichzeitig entspannen und arbeiten. Zwischendurch machte ich auch immer wieder eine Pause, in der ich einfach nur den Leuten am Strand zu sah und meinen Ipanema schlürfte.


„Das hier nennst du arbeiten?!“
Ein wütend blickender Taylor nahm mir meine Sonne und musterte mich skeptisch.
„Ich habe dir doch gesagt, dass du die Akten bearbeiten sollst und was machst du stattdessen? Den ganzen Tag am Strand faulenzen! Glaubst du etwa du könntest jetzt machen, was du willst?!“
Verwirrt setzte ich mich auf und bemerkte, dass ich anscheinend eingeschlafen war und die Sonne schon fast hinterm Horizont verschwand.
„Jetzt antworte mir gefälligst, was du als Entschuldigung anzubringen hast, bevor ich dich feuer und in dein dreckiges Loch zurück werfe, aus dem ich dich geholt habe!“
„Wie bitte?!“
Wütend sprang ich auf und stemmte die Hände in die Seiten.
„Denkst du wirklich ich würde mich jetzt darauf ausruhen, dass du mich einmal flachgelegt hast?! Was hältst du denn von mir?! Von wegen ich bin mehr Wert als die billigen Schlampen! Du hast mich doch gerade als genau so eine bezeichnet!“
„Weil ich mich anscheinend in dir getäuscht habe! Du bist auch nur hinter meinem Geld her!“
Spöttisch lachte ich.
„Das hättest du wohl gerne! Dein Geld geht mir am Arsch vorbei! Ich arbeite doch nur für dich, weil ich dir noch etwas schulde! Und dafür mache ich auch etwas! Deine beschissenen Akten habe ich schon heute Nachmittag fertig gemacht und sie dann schon auf dein Zimmer gebracht! Tut mir Leid, dass ich am Strand gearbeitet habe. Hätte ich gewusst, dass du dann so austickst hätte ich mich schön in mein kaltes Zimmer eingeschlossen und auch ja nicht das schöne Wetter genossen! Verdammte Scheiße! Du kannst mich echt mal am Arsch lecken!“

Rasend vor Wut schmiss ich ihm noch seine Zimmerkarte zu und rannte dann den Strand entlang Richtung Innenstadt.
Wie konnte man nur so arrogant und launisch sein!
Nicht nur, dass er mich anscheinend wirklich für eine nichtsnutzige Schlampe hält, die er zwischendurch mal vögeln kann! Er schien mich auch sonst für unfähig zu halten!

Ich rannte immer weiter bis ich endlich an einen Brunnen kam und mich dort deprimiert ausruhte.

Er war mir ja noch nicht einmal hinterher gelaufen!

Kapitel 14


Schon wieder rief er mich an, doch ich war zu stur um zu antworten.
Wahrscheinlich würde er mich nur weiter anschreien und dann feuern und zurück nach Paris schicken. Natürlich konnte ich dem nicht entgehen, indem ich seine Anrufe ignorierte, doch ich brauchte erst einmal etwas Zeit für mich um mich zu beruhigen. Sonst würde ich nur noch mehr Dinge sagen, die ich später dann bereute.

Erst als irgendwo in der Ferne eine Kirchenuhr 12 schlug machte ich mich auf den Weg. Langsam schlenderte ich über die hell beleuchteten Straßen, auf denen sich bereits die Party Gänger tummelten. In so einer Stadt würde ich viel lieber leben als Paris. Hier war es nicht so dreckig und man hatte auch eine viel größere Chance auf Arbeit.

Das war sowieso ein Punkt, den ich nie verstanden hatte. Warum waren meine Eltern nur aus Spanien weggezogen um jetzt illegal in einer Millionenstadt zu leben, wo sie keine Chance auf einen Job hatten und deswegen jedes Mal um ihr tägliches Essen betteln mussten. Sie hatten auch nie versucht es mir zu erklären. Immer wurde ich abgewiesen, mit der Begründung ich sei noch zu jung um das zu verstehen. Doch nun war ich diejenige mit einem Job – wenigstens noch im Moment – und einem Dach über dem Kopf.
Ob sie mich jetzt immer noch für zu jung hielten?
Wahrscheinlich ja. Aber im Moment war es mir egal.
In den letzten Wochen hatte die Arbeit mich so in Anspruch genommen, dass ich kaum an sie gedacht hatte. Doch ich wollte sie auch nicht besuchen. Zu viel stand auf dem Spiel und ich hatte keine Lust wegen ihnen schon wieder auf der Straße zu landen. Ich war damals alt genug gewesen, dass sie mir wenigstens vorher etwas sagen konnten. Doch sie hatten mich einfach ohne Vorwarnung mit in den Flieger gesteckt und mir erst in Paris erklärt, dass ich jetzt obdachlos war.
Kein Geld, keine Klamotten, gar nichts hatte ich mitnehmen können. Noch nicht einmal von meinen Freunden hatte ich mich verabschieden dürfen.
Sie hatten mir alles genommen.
Einfach so.
Ohne Begründung!
Okay, es war ziemlich viel schief gegangen in meinem nahezu perfekten Leben vorher. Doch obwohl Dad arbeitslos war und unser Haus abgebrannt – Mum hatte trotzdem noch einen Job und mir und meinem Bruder hätte es gar nichts ausgemacht auf eine normale Schule zu gehen. Es wäre uns sogar lieber gewesen!
Aber anscheinend war es ihnen peinlich gewesen vor ihren Bekannten nicht mehr so luxuriös leben zu können und zogen es deswegen vor, wie feige Hunde einfach abzuhauen und in Armut zu leben!
Und ich hatte schon früh gemerkt, dass ich sie tief in meinem Inneren dafür hasste!

In Gedanken versunken kam ich am Hotel an und entdeckte erst spät den dunklen Schatten neben der Auffahrt, der langsam seine Zigarette rauchte.
„Wo warst du so lange?“
Ich blieb stehen, sah ihm aber nicht in die Augen.
„Hab mir die Stadt angesehen.“
Er nahm einen tiefen Zug und ich sah aus den Augenwinkeln, wie er mich musterte.
„Du solltest schlafen gehen, morgen Früh um 8 Uhr fahren wir los.“
Stumm nickte ich und ging an ihm vorbei zu meinem Zimmer.

Ob er mich morgen zum Flughafen bringt oder ob ich weiter arbeiten kann?
Ich hatte meine Arbeit ja früh genug erledigt gehabt.
Aber ich hatte ihn auch angeschrien und beschimpft.

Langsam schälte ich mich aus meinen Klamotten und schaffte es gerade noch, mir einen Wecker zu stellen, da war ich auch schon eingeschlafen.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es erst 6 Uhr und ich hatte somit noch viel zu viel Zeit. Doch an einschlafen war auch nicht mehr zu denken. Also duschte ich erst einmal ausführlich und zog mir dann eine karierte, lange Bluse an, um die ich mir noch einen breiten Gürtel band und dann in meine Sneaker schlüpfte.
Das Buffet wurde um 7 eröffnet und ich war eine der Ersten im Saal. Lediglich mein Chef saß an einem Tisch nahe dem Fenster und blätterte in einer Zeitung.

„Morgen.“

Überrascht blickte er zu mir auf und ließ sich Zeit mich zu begutachten.

„Du bist früh.“

Ich hängte meine Tasche um den Stuhl und widmete mich dann der großen Auswahl an Essen.
Auch während ich aß, sprachen wir kaum miteinander und wenn doch, dann ausschließlich über die Arbeit. Aber wie sollte das bei seinem Chef auch anders sein.
Selbst im Auto sprachen wir kaum, doch ich musste erleichtert feststellen, dass er mich mit zu seiner Firma nahm und nicht beim Flughafen absetzte.

„Claudia hat einiges an Arbeit für dich. Ich denke, das wird dich die nächste Zeit beschäftigen. Du kannst Morgens und Abends mit mir fahren, wenn du aber lieber im Hotel arbeiten willst, geht das auch. Sei einfach pünktlich, wenn ich dich mitnehmen soll.“

Damit verschwand er in seinem Büro und ich betrat ein kleineres, was man mir zugewiesen hatte. Seufzend setzte ich mich hinter den Schreibtisch und blickte auf den Strand hinab.
Taylor war immer noch sauer, doch er hatte noch keinen Grund mich zu feuern. Ich musste mich in nächster Zeit wirklich anstrengen, denn bei dem kleinsten Fehler drohte mir ab jetzt wahrscheinlich der Abschied. Mein Handy bimmelte aufgeregt und ich betrachtete die vielen E-Mails von seiner Sekretärin. Dieses Mal würde ich nicht so viel Freizeit haben, wie noch in London.
Aber ich würde es trotzdem schaffen.


Die nächsten drei Wochen verbrachte ich meistens in dem klimatisierten Raum und übersetzte gefühlt das ganze Archiv der Firma. Und das auch nicht nur in eine andere Sprache sondern direkt drei! Mein Kaffee Verbrauch war enorm und aus Angst zu versagen nahm ich mir noch nicht einmal genügend Zeit zum Essen. Ich war müde und überarbeitet, doch jedes Mal wenn ich eine Akte abgeschlossen hatte, kam eine neue dazu und die Zeitlimits, die ich dafür bekam, waren meistens viel zu kurz – obwohl ich sie alle einhielt.

Dies führte sehr schnell dazu, dass Taylor seine Wut vergaß und wieder normal mit mir redete. Seine Annäherungsversuche ließ er zwar bleiben, doch darüber konnte ich nur froh sein. Lediglich die Tatsache, dass er wieder mit seinen Frauenbesuchen angefangen hatte, störte mich ein wenig. Aber was hatte ich denn erwartet? Ich war seine Sekretärin und das zwischen uns war etwas einmaliges gewesen.
Darauf hatte ich sogar gehofft!

Und trotzdem versetzte es mir jedes Mal einen Stich.

Auch in der vierten Woche führte ich meinen Rhythmus fort, in dem ich bis spät Abends arbeitete – mir dafür sogar extra die Ordner mit ins Hotel nahm – und dann am nächsten Morgen früh aufstand um mit Taylor zur Firma zu fahren. Ich arbeitete fast die gesamte Mittagspause durch und meine einzige richtige Mahlzeit war das tägliche Frühstück, vor dem ich jedoch immer häufiger verschlief und deswegen zu wenig Zeit hatte.

An diesem Morgen wurde ich jedoch nicht von meinem Wecker sondern von einem Klopfen geweckt. Verwirrt setzte ich mich auf und entdeckte dann geschockt, als was sich mein Kissen entpuppte.

Ich hatte bis spät in die Nacht an einem außerordentlich dicken Ordner gearbeitet um ihn bis zum Morgen fertig zu bekommen und war anscheinend darüber eingeschlafen. Mit einem schnellen Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich mein Handy überhört hatte und eigentlich vor 10 Minuten bei Taylor in der Tiefgarage auftauchen musste.
Erneut klopfte es und ich sprang aufgeregt vom Bett.
Ich war noch nicht fertig und hatte ihn dann auch noch warten lassen.

Sofort rannte ich zur Tür und stand meinem ziemlich brummig aussehenden Chef gegenüber.
„Wo bleibst du denn so lange? Wir wollten uns vor 10 Minuten beim Auto treffen! Hast du etwa verschlafen?!“
Zerknirscht nickte ich, worauf er sich einfach an mir vorbei schob und mein Bett betrachtete.
„Sind das die Akten, die du bis heute Morgen fertig machen solltest?“
Vorsichtig bejahte ich seine Frage und wollte mich auch direkt entschuldigen, doch er schnitt mir das Wort ab.
„Und ist das dein Kaffee, der darauf verteilt ist?!“
Verwirrt blickte ich an ihm vorbei und entdeckte geschockt, dass ich im Schlaf meine Tasse über dem halben Ordner entleert hatte.
„Ich deute deine Reaktion mal als ein 'ja'...“
Drohend baute er sich vor mir auf.
„Und jetzt erklär' mir gefälligst, was dein Kaffee auf meinem Ordner macht, den du anscheinend noch nicht einmal fertig hast!“
Er sprach sehr leise, doch ich konnte die Wut in ihm hoch kochen sehen und wich eingeschüchtert ein paar Schritte zurück.
„Es tut mir wirklich Leid! Ich habe bis spät in die Nacht daran gesessen und muss dabei eingeschlafen sein...Ich..“
„Anstatt die Nacht durchzuarbeiten, solltest du dich tagsüber mehr beeilen! Dann wäre diese Scheiße hier erst gar nicht passiert!“
„Das habe ich aber doch auch! Es hat nur nicht gereicht..“
„Natürlich hat die Zeit gereicht! Du bist einfach nur zu langsam geworden!“
„Aber..“
„Nichts aber! Du kennst die Konsequenzen, wenn du nicht mehr gut genug arbeitest! Und jetzt gib mir dein Handy!“

Verzweifelt starrte ich ihn an und wich noch etwas zurück.
„Bitte! Nicht! Gib mir noch eine Chance! Ich werde mich an alle Fristen halten! Versprochen!“
Er kam mir hinterher, bis ich plötzlich gegen die Wand prallte.
„Du wirst dich vielleicht an die Fristen halten, doch die Sachen, die du in letzter Zeit übersetzt, sind mit so vielen Fehlern versehen, dass ich theoretisch noch extra jemanden anstellen müsste um alle zu korrigieren! Und dann kann ich auch direkt dich ersetzen!“
„Ich hatte einfach zu wenig Zeit! Aber ich kann mich bessern!“
Zynisch lachte er und zeigte auf meinen Körper.
„Sie dich doch mal an! Du bist nur noch Haut und Knochen! Wie willst du dich denn in diesem Zustand noch mehr anstrengen, wenn du allem Anschein nach dem Druck nicht standhältst?“
„Aber..“
„Vergiss es! Ich muss an meine Firma denken. Und in der hast du ab jetzt keinen Platz mehr!“
Meine Sicht verschwamm und die ersten Tränen kullerten mir aus den Augen.
„Bitte..“
„Das ist mein letztes Wort! Ich werde mich um deinen Rückflug kümmern und jetzt pack' deine Sachen ein. Heute Mittag hole ich dich hier ab. Und wehe du versuchst abzuhauen oder machst sonst irgendeine Dummheit.“
Er schnappte mir mein Handy aus der Hosentasche und packte den Laptop ein, dann verschwand er und ließ mich schluchzend in dem Zimmer zurück.

Ich hatte versagt!

Kapitel 15


Gerade mal 15 Wochen hatte ich durchgehalten.
15 Wochen anstatt geplanten 20 Jahren!

Die Tränen liefen mir in Strömen über das Gesicht, doch ich packte tapfer die ganzen Sachen ein, die ich nie wieder besitzen würde.
Von jedem einzelnen Kleidungsstück nahm ich Abschied.
Auch wenn es sich lächerlich anhörte.
Doch mir half es.

Um 9 Uhr hatte ich alles verstaut, bis auf den Schmuck, den er mir geschenkt hatte.
Sanft glitten meine Finger über das Edelmetall und ich zog sie noch ein letztes Mal kurz an, um sie dann in meiner Tasche zu verstauen.
Seufzend sah ich mich noch einmal im Zimmer um, doch ich hatte alles eingepackt.

Ein letztes Mal genehmigte ich mir ein Bad in der großen Wanne.
Taylor würde schließlich erst in ein paar Stunden kommen um mich abzuholen.
Und was dann mit mir passieren würde, wusste ich nicht.

Wahrscheinlich würde er mich ins Gefängnis stecken.

Die Schluchzer packten mich erneut und ich zog die Beine an meinen Körper.
Ich kam mir so alleine und verlassen vor.
Selbst wenn er mich einfach nur zurück nach Paris brachte, so wusste ich nicht ob meine Familie mich wieder bei sich aufnehmen würde.
Schließlich hatte ich sie im Stich gelassen.
Ich hatte in teuren Hotels geschlafen, teures Essen verspeist, teure Klamotten getragen – während sie wahrscheinlich noch nicht einmal ein Dach über dem Kopf hatten. Geschweige denn genügend Essen!
Es wäre nur gerecht, wenn sie mich verstoßen würden.

Mit verquollenen Augen wartete ich schließlich auf dem Balkon, bis es zum zweiten Mal an diesem Tag an der Tür klopfte.
Tapfer wischte ich alle Tränen weg.
Ich wollte mir vor ihm nicht die Blöße geben und noch einmal anfangen zu weinen!

„Bist du fertig?“
Ich nickte und auf sein Zeichen, folgte ich ihm, samt Gepäck, den Flur hinunter.
Ich merkte, wie er mich verstohlen von der Seite musterte, doch ich tat mein Bestes und ging erhobenen Hauptes neben ihm her.
Bis wir den Flughafen erreicht hatten hüllten wir uns auch in betretenes Schweigen, doch als er plötzlich seinen Koffer ebenfalls aus dem Auto hob, runzelte ich verwundert die Stirn.
„Du kommst mit nach Paris?“
„So kann ich mich vergewissern, dass du auch dort ankommst und außerdem gibt es noch ein paar Dinge dort, die ich lieber persönlich erledigen will.“

Wohin dachte er denn, sollte ich abhauen?
Doch ich verkniff mir die Frage und lief stumm neben ihm her.
Ich hatte Angst, dass ich die Tränen nicht mehr unterdrücken konnte, wenn ich zu viel mit ihm redete oder ihn ansah. Denn sie standen mir immer noch in den Augen.
Aber niemanden interessierte es.

Während wir in der Luft waren, musste ich mich besonders am Riemen reißen. Vor Allem als das Essen kam und ich mir meines Hungers erst einmal bewusste wurde.
Immerhin hatte ich sein fast 18 Stunden nichts mehr gegessen und auch kaum geschlafen.
Ich aß extra langsam, doch Taylor bemerkte es trotzdem und schob mir wortlos sein Essen entgegen. Wobei es mich ziemlich viel Überwindung kostete es zu essen. Schließlich hatte ich auch noch meinen Stolz. Doch am Ende siegte doch der Hunger und ich bemerkte, wie er zufrieden grinste, als ich mich doch darüber her machte.

Viel zu schnell waren wir wieder gelandet und ehe ich mich versah hielt mein ehemaliger Chef in einer heruntergekommenen Gasse von Paris an.
„Hier. Wenn du da vorne um die Ecke gehst kommst du an einem grünen Haus vorbei. Deine Familie wohnt dort unterm Dach. Soweit ich weiß sind sie gerade auch da.“
Überrascht sah ich ihn an.
Er verzichtete nicht nur darauf, mich ins Gefängnis zu stecken, sondern half mir auch noch dabei meine Familie zu finden. Ich wäre zu unserer alten Behausung gegangen und hätte sie wahrscheinlich nie wieder gefunden. Denn sie wohnten inzwischen in einem Teil von Paris genau am anderen Ende der Stadt.
„Danke..“
Meine Stimme war brüchig und ehe ich doch noch anfing zu heulen stieg ich eilig aus dem BMW aus und lief die Straßen entlang.

„Stella!“
Verwirrt blickte ich zurück, wo Taylor neben dem Auto stand und mich zurück winkte.
„Deine Sachen!“
Zögernd ging ich zurück und beobachtete zweifelnd sein Gesicht.
Wollte er mich jetzt noch mehr demütigen und mir auch noch die Klamotten nehmen, die ich gerade trug?!
Doch ganz zu meiner Überraschung trat er an den Kofferraum und zog meinen Koffer daraus hervor.
„Aber...die Sachen gehören doch dir. Ich habe sie mit deinem Geld gekauft...“
Unwirsch winkte er dies ab und drückte mir den Koffer in die Hände.
„Mach damit, was du willst. Ich habe sie dir geschenkt und Geschenke nimmt man nicht zurück. Auch so ein großes Arschloch, wie ich nicht! Und damit meine ich alle Geschenke!“
Damit reichte er mir noch meine alte Umhängetasche in der ich seinen Schmuck immer aufbewahrte und auch mein Portemonnaie.
„Aber...“
„Hör auf mir ständig zu widersprechen. Du hast wenigstens am Anfang sehr gut gearbeitet. Und du musst unbedingt mehr essen, sonst bestehst du nur noch aus Haut und Knochen! Also nutze die Sachen gut, sonst schaffst du den nächsten Winter nicht mehr.“
Damit drehte er sich um und wollte wieder einsteigen, doch ich hielt ihn zurück.

„Danke. Du rettest mir wahrscheinlich das Leben hier mit.“
Die Tränen kullerten plötzlich erneut über meine Wangen, doch er wischte sie vorsichtig mit seinem Daumen fort. Ich sah in sein verschwommenes Gesicht und zog es ein letztes Mal zu mir herunter. Er ließ es geschehen und seine Lippen landeten sanft auf meinen. Fordernd wurde ich gegen das Auto gedrückt und wir vertieften uns in ein sinnliches Zungenspiel, während meine Tränen langsam ihre Bahnen zogen.

„Lebe wohl!“

Er ließ mich los und schnell packte ich meine Taschen um dann die Straße entlang zu rennen.
Nach wenigen Metern wurde ich von einem schwarz glänzenden BMW überholt, dessen Motor laut aufheulte und dann schließlich um die Ecke verschwand.
Zusammen mit meiner letzten Hoffnung auf ein normales Leben.

Ab jetzt war ich wieder eine viel zu dünne, obdachlose Taschendiebin, deren Familie sie wahrscheinlich nicht wieder aufnehmen würde, weil sie sie ihm Stich gelassen hatte.

Kapitel 16


Zwei Jahre waren seitdem vergangen und ich dachte oft darüber nach.

Mein Bruder hatte einen Job bekommen und sie konnten sich deswegen eine richtige kleine Wohnung unterm Dach leisten. Sie war zwar viel zu klein für sie, doch das war ihnen egal. Immer noch besser als die Garage.
Als ich vor der Tür gestanden hatte und meine Mutter mir öffnete, fingen wir beide sofort an zu weinen. Doch sie nahm mich nicht in den Arm oder sagte sonst etwas. Dann kam mein Vater, blickte mich stumm an und drehte sich dann wieder weg. Schließlich kam mein Bruder und sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich ihn schwer enttäuscht hatte. Er schob meine Mutter von der Tür weg und trat zu mir nach draußen. Keine Begrüßung. Kein Freudenanzeichen, dass ich zurück war. Ich hatte sie im Stich gelassen und dadurch verloren.
„Was willst du hier?“
Er blickte mich emotionslos an und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich wollte sehen, wie es euch geht und zu euch zurückkehren…“
Meine Stimme war vielmehr ein Piepsen und ich sah ihm verzweifelt ins Gesicht.
„Uns geht es gut. Aber ich fürchte wir haben keinen Platz für dich in unserer Wohnung. Sie ist schon für uns drei viel zu klein. Geh doch wieder zu deinem Macker, der wird sicher noch eine Villa für dich übrig haben, wo du dich weiterhin fühlen kannst, als seist du etwas Besseres.“

Eine Welt war für mich zusammen gebrochen und ich hatte den gesamten Tag in einem Park gesessen und geweint.
Ich hatte meinen Job verloren, meine Familie wollte mich nicht mehr wieder sehen und Freunde hatte ich auch keine hier. Die hatte ich alle in Spanien zurück lassen müssen, als wir von dort wegzogen. Ich wusste noch nicht einmal, ob sie immer noch dort wohnten.
Ich war also vollkommen alleine.
Meine Familie hatte mir zum zweiten Mal in meinem Leben alles genommen, was ich hatte. Nur, dass sie mich dieses Mal einfach weg schickten.
Als es dunkel geworden war, hatte ich mit einem verzweifelten Blick in mein Portemonnaie entschieden, mir das billigste Hotel zu suchen, was es gab. Ich besaß noch knapp 100 Euro und alleine würde ich es auf der Straße nicht schaffen. Vor Allem nicht mit dem Koffer und den vielen Wertvollen Dingen, die ich besaß.
Das Hotel war von Ratten heimgesucht und die Betten sahen so dreckig aus, dass ich es nicht wagte, die Decke aufzuschlagen. Doch ich musste es ertragen.
Es war jetzt vorbei mir schönen Hotels und einem leckeren Frühstück. Aber wenigstens hatte ich dies alles wenigstens eine kurze Zeit in meinem Leben genießen können.


Die Nacht war jedoch die schlimmste, die ich jemals hinter mich bringen musste, sodass ich schon um 6 Uhr wieder auscheckte und mir erst einmal ein trockenes Brötchen vom Vortag bei einem Bäcker schnorrte. In Wasser getunkt schmeckte es sogar einigermaßen gut.
Wieder auf der Parkbank angekommen, legte ich mich erneut hin und sah den Flugzeugen über der Stadt zu. Wie gerne säße ich jetzt in einem der Flieger und würde diese gottverdammte Stadt verlassen. Wäre ich jetzt in Spanien, würde ich auch nicht so frieren. Aber einen Flug würde ich mir niemals leisten können.
Ich betrachtete frustriert mein Gepäck. Da kam mir eine Idee.
Schnell packte ich mir alles und lief zu Fuß in ein Viertel, von dem ich wusste, dass es dort unendlich viele Schmuckgeschäfte gab. Taylor hatte mir doch auch den Schmuck wieder gegeben. Das Armband würde sicherlich genug Geld für einen Billigflug nach Spanien bringen. Und ich hatte im Moment noch gepflegte Kleidung, sodass niemand die Polizei rufen würde, weil sie dachten ich hätte den Schmuck geklaut.
Ich schminkte mir vorher noch schnell die Augen und fischte einen Blazer und edlere Schuhe aus meinem Koffer. Dann legte ich mir die Kette um den Hals, sodass sie gut zu sehen war.

Schon im ersten Geschäft wurde ich freundlicher begrüßt, als ich es mir erhofft hatte. Die Verkäuferin schätzte den Wert des Armbands auf ungefähr 500 Euro und ich musste mich zurück halten, dass ich keine Freudensprünge machte. Doch sie kauften leider keinen Schmuck zurück.
Also musste ich weiter ziehen.
In jedem der Geschäfte nannte man mir einen Unterschiedlichen Preis, der aber immer unter 300 Euro lag und ich hatte schon gar keine Hoffnung, als ich das letzte Geschäft betrat. Es war riesengroß und ich war mir sicher, dass sie mir einen noch niedrigeren Preis nennen würden aber ich probierte es trotzdem.
Der Verkäufer war ein älterer Mann und lächelte mich sofort an, als ich den Laden Betrat.
„Guten Tag junge Dame. Was gucken Sie denn so traurig? Ist Ihnen etwas kaputt gegangen?“
„Nein. Mal kein Schmuck. Aber ich würde gerne dieses Armband verkaufen. Hätten Sie vielleicht Interesse daran?“
Bewundernd musterte er es, genau wie die anderen vor ihm.
„Das ist doch sehr schön und passt sogar zu ihrer Kette. Warum wollen Sie es verkaufen?“
„Ich habe es Geschenkt bekommen, doch jetzt wurde ich von meiner Familie heraus geworfen und habe meinen Job verloren. Ich brauche aber Geld um mir ein Ticket zurück nach Spanien leisten zu können. Ich komme nämlich eigentlich von dort und hoffe, dass ich für eine kurze Zeit bei Freunden von mir unterkommen kann.“
„Hm. Das tut mir Leid. Aber wäre es dann nicht sinnvoller die Kette zu verkaufen?“
Verwirrt sah ich ihn an.
„Wieso denn die Kette?“
Er lächelte mild.
„Also so, wie ich das von hier aus beurteilen kann, ist sie mindestens das Doppelte Wert, wie das Armband.“
Verwirrt fuhr ich mir über die Kette.
„Aber das sieht doch viel teurer aus als die Kette. Ich meine, es sind doch viel mehr Steine daran und es ist golden..“
„Ja. Aber die Steine an dem Armband sind kleiner. Und Gold ist nicht so viel Wert wie Platin.“
„Platin? Das kann nicht sein. Das ist doch so unendlich teuer!“
Er lachte und bat mich, sie kurz abzunehmen.
„Ich müsste nachgucken, aber für die Kette würden Sie wahrscheinlich bis zu 1200 Euro bekommen.“

Oh mein Gott!
Taylor hatte mir eine Kette geschenkt, die so teuer war wie ein gebrauchtes, altes Auto! Er musste doch verrückt sein! Und vor Allem, warum nahm er sie nicht zurück, nachdem er mich doch gefeuert hat…

„Wie viel bekomme ich denn für das Armband?“
„Es sieht noch fast ungetragen aus. Keine Kratzer… Ich kann ihnen 400 Euro dafür geben.“
Nachdenklich biss ich mir auf die Lippen.
„Reicht das für einen Billigflug nach Spanien?“
„Ich kann mal nachsehen. Einen Moment. Aber ich denke schon.“
„Oh danke. Ich würde die Kette nämlich ungern verkaufen. So komisch das jetzt für sie klingen mag, aber sie bedeutet mir persönlich sehr viel.“
„Das kann ich sehr gut verstehen und das spricht nur für Ihren Charakter, dass Sie die schlichter aussehende Kette lieber tragen als dieses eher protzige Armband, obwohl Sie dafür mehr Geld bekommen.“
Grinsend dankte ich ihm. Wenigstens einer, der nicht meinte ich wäre oberflächlich und nur an Geld interessiert.
„Also der billigste Flug, den ich hier finde, geht heute Abend um 18 Uhr für 60 Euro. Das Geld würde also allemal reichen.“
„Dann ist ja gut.“
Lachend wandte er sich wieder dem Armband zu und untersuchte es genau.
„Woher haben Sie das denn, wenn ich fragen darf?“
„Von meine ehemaligen Chef. Er hat es mir geschenkt, genau wie die Kette…“
„Wie kommt es dann, dass die Kette ihnen wichtiger ist?“
„Naja…Wissen Sie, ich heiße Stella und er hat mir die Kette geschenkt, weil er meinte, sie würde zu meinem Namen passen und genauso funkeln, wie meine Augen…“
„Da hat er auch Recht mit. Sie steht Ihnen wirklich sehr gut und ich würde sie an Ihrer Stelle auch weiterhin tragen.“
Nachdenklich nickte ich.
Sie würde mich immer daran erinnern, wie zerbrechlich das Glück doch war.

Währenddessen schrieb er etwas von seinem Computer ab und zahlte mir danach den Betrag aus.
„Hier Bitteschön! Ich wünsche Ihnen ganz viel Glück in Spanien! Auf dem Zettel finden Sie die Informationen über den Flug. Am Flughafen können Sie sicherlich noch ein Ticket kaufen. Dann müssen Sie auch nicht alleine in der Stadt herum laufen, das ist viel zu gefährlich für junge Frauen.“
Lachend bedankte ich mich bei ihm und verließ grinsend den Laden.
Diesen Mann hatte mir der Himmel geschickt.

Ich hatte mir sofort ein Taxi zum Flughafen geholt und als das Ticket dort wirklich so billig war, gab ich mein Gepäck schon einmal auf und rollte mich dann an meinem späteren Gate auf einer Bank zusammen. Im Flugzeug war ich dann so ausgeruht und hibbelig, dass ich es kaum erwarten konnte, endlich wieder aussteigen zu können.

Endlich würde ich wieder nach Spanien zurück können. Ich hatte meine Eltern nie verstanden, warum wir weg mussten. Und jetzt, auf mich selbst gestellt, konnte ich machen, was ich wollte. Und ich schwor mir, nicht erneut auf der Straße zu landen.
Nie wieder!

Kapitel 17


Ich zog langsam durch die belebten Straßen Barcelonas und genoss die warmen Sonnenstrahlen, während ich über die Vergangenheit nachdachte.

Als ich an diesem Tag in Madrid angekommen war, hatte ich mich doch um entschieden und war, anstatt in meine alte Heimat an die Westküste, nach Barcelona gefahren. Mir hatte die Stadt so gefallen, als ich mit Taylor dort war und ich konnte von meinen alten Freunden nicht erwarten, dass sie mich beherbergen, nachdem ich einfach so verschwunden war.

Direkt nach meiner Ankunft hatte ich in Cafés, Bars, Restaurants und Clubs nachgefragt, ob jemand eine Stelle für mich hätte. Beim “Andalousien Nights“ hatte ich schließlich Glück gehabt. Es war ein Club direkt am Strand. Sein Besitzer, Ricardo, kam aus dem Süden Spaniens und hatte seinen Traum von einer Cocktailbar in der Party Metropole Barcelona verwirklicht.
Ich bediente die Tische am Rand und manchmal auch die VIP Lounge. Nicht, dass dort wirkliche Stars vorbei kamen. Doch er hatte eine extra Terrasse über dem eigentlichen großen Raum, seinen Stammgästen und den Reichen vorbehalten. Es schien sich auch zu lohnen, da dort jede Nacht kaum ein Tisch frei war.
Ricardo gehörte das ganze 3 Stöckige Haus in dessen Keller der Club war, darüber die Büroräume, dann kam seine Wohnung und das Obergeschoss vermietete er vorzugsweise an seine Mitarbeiter. Es waren vier kleine Wohnungen mit Bad und jeweils einem großen Zimmer, das eine Kochnische beinhaltete. Die Miete war niedrig und die 15m² reichten mir völlig aus. Also hatte ich direkt am ersten Tag einen Job und eine Wohnung gefunden, die ich mir sogar leisten konnte. Dafür durfte ich jede Nacht ab 10 bis morgens um 4 Uhr kellnern und mit meinen netten Kollegen die Musik genießen. Kein aufräumen danach und Montags und Dienstags hatte ich sogar komplett frei.
Schon ab dem ersten Abend gefiel mir mein Job und ich wollte ihn nicht mehr aufgeben.

Und meine Meinung hatte sich in den folgenden zwei Jahren nicht geändert. Ich wohnte immer noch über dem Club, hatte genügend Geld um mir manchmal auch eine Shoppingtour zu gönnen und hatte eine beste Freundin, Larissa. Jeden Abend trafen wir uns auf einen Kaffee bei mir und gingen dann anschließend in den Club zum Kellnern.
Ich war gerade auf dem Weg zu ihr. Wir wollten zusammen ins Kino gehen und uns Fast 5 ansehen. Wir hatten nun einmal beide eine Schwäche für schnelle Autos und die Typen im Film waren auch nicht zu verachten.
Larissa war auch 23 und mit ihren 1,70 ein wenig größer als ich, was sie immer gerne mit hohen Schuhen noch mehr betonte. Sie hatte schwarze, gelockte Haare, die ihr frech vom Kopf abstanden und somit genau ihren Charakter wiederspiegelte. Denn sie nahm kein Blatt vor den Mund und sagte immer, was sie dachte. Aber genau das mochte ich so an ihr.
Ich klingelte bei ihr und sofort fing Finn, ihr wunderschöner und lieber Labrador, an zu bellen. Er freute sich über jeden, der zu Besuch kam und ließ ihn erst nach 5 Minuten streicheln in Ruhe. Als Larissa die Tür endlich öffnete, stürmte er mir auch sofort entgegen und ich kniete mich neben ihn um ihn zu begrüßen.
„Da bist du ja. Ziemlich coole Jacke, ist die neu?“
„Ja, ich brauchte noch eine Jacke für den Herbst und dann hab ich hier die im Schaufenster gesehen und konnte nicht wiederstehen.“
Zufrieden strich ich mir über die schwarze Lederjacke, die ich über mein rotes Sommerkleid angezogen hatte. Es wurde inzwischen abends unangenehm kalt und die Jacke kam mir wie gerufen. Dass sie mich irgendwie an Taylor erinnerte, wie er in einer ähnlichen Lederjacke auf dem Motorrad vor mir gesessen hatte, verdrängte ich geflissentlich. Ich hatte ihn seitdem nicht mehr gesehen, obwohl ich sogar manchmal an seiner Firma vorbei ging. Aber ich war auch froh darüber. Meine Vergangenheit interessierte mich nicht mehr – nur noch die wunderschöne Zeit hier in Spanien.


Wir sahen uns den Film an und ich war begeistert. Das Titellied singend, liefen wir anschließend durch die Hauptstraßen zurück zu Larissa. Dabei kamen wir auch wieder bei Taylor Technologies vorbei. Wovor, wie schon öfters in letzter Zeit, ein weinroter Camaro mit schwarzen Rallyestreifen stand.
„Boah. Geiles Auto! Den Kerl dazu würde ich gerne mal kennen lernen! Der kann doch nur heiß sein.“
Bewundern blieb Larissa daneben stehen und sah dann neugierig zu dem Bürogebäude hinauf, während ich hibbelig daneben stand.
„Ach den hab ich schon gesehen, der ist das Auto nicht wert. Lass uns lieber weiter gehen, bevor noch jemand denkt du wolltest das Auto zerkratzen oder so.“
Ich zog sie schnell weiter und das auch keine Sekunde zu spät. Denn wir hatten gerade die Gebäudeecke erreicht, da eilte ein telefonierender Mike Taylor zu seinem Wagen. Er sah noch genauso aus, wie vorher. Immer noch einen perfekt trainierten Körper. Die Haare waren kurz und in der Mitte leicht hoch gegelt. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug und zog sich zuerst die Anzugsjacke aus, bevor er einstieg. Dabei hatte ich Gelegenheit, sein Gesicht zu betrachten. Die Augen funkelten sogar auf die Entfernung noch verführerisch dunkel und der leichte 3-Tage-Bart ließ ihn noch anziehender aber gleichzeitig auch gefährlicher wirken.

„Verdammt, bei dem Kerl sagst du mir, dass der es nicht wert ist?! Bist du krank oder was? Der ist doch richtig geil! Ich hätte jetzt eigentlich gesagt, dass er voll dein Typ ist! Die Kerle, mit denen du ausgehst sehen doch auch immer so ähnlich aus.“
„Ja aber den da kenn ich..“
„Was?! Woher das?!“
Larissa quietschte fast vor Aufregung und ich musste ihr den Mund zu halten, dass sie nicht seine Aufmerksamkeit auf uns zog.
Taylor hatte aber anscheinend doch etwas gehört, denn er strich mit einer Hand genervt durch seine Haare und sah sich dabei auf der Straße um. Schnell stellte ich mich halb hinter Larissa, damit sie mich verdeckte.
„Komm, lass uns weiter gehen. Wir wollen Finn doch nicht zu lange alleine lassen, sonst zerlegt er noch deine Wohnung.“
Dieses Argument zog bei ihr immer und sie kam mir auch schon nach kurzer Zeit hinter mir her.
„Du musst mir unbedingt erzählen, woher du diesen Kerl kennst! Etwa aus Paris? Er sieht doch gar nicht aus, wie ein Franzose. Aber er scheint sich noch an dich zu erinnern, so wie er dir hinterher geguckt hat.“
Sie hakte sich bei mir unter und sah noch einmal zurück.
„Verdammt, der guckt ja immer noch! Ich wünschte das würden die Kerle bei mir auch mal machen.“
„Wahrscheinlich guckt er auch dir hinterher, nicht mir.“
„Nein, Süße. Er hat eindeutig dir hinterher gesehen! Das kann ich schon sehr gut unterscheiden. Und vor Allem warum sollte er MICH so ansehen, als würde er seinen Augen nicht trauen, wenn wir uns noch nie zuvor gesehen haben .“
„Was weiß ich. Und woher willst du überhaupt wissen, dass er das gedacht hat. Du bist ja kein Gedankenleser! Lass uns lieber weiter gehen. Ich habe Durst.“
Ich zog sie unerbittlich weiter, doch sie konnte es sich nicht verkneifen, sich noch einmal umzudrehen.

„Ich habe genug Menschenkenntnisse um das zu erkennen! Und egal was du sagst. Dem Kerl da hast du so richtig den Kopf verdreht!“
Wir bogen um die Ecke und ich wagte einen letzten Blick zurück.
Er stand tatsächlich immer noch da. Beide Hände auf dem Autodach abgestützt, sah er mir genau in die Augen.
Verdammt.
Ich lehnte mich an die Gebäudewand und strich mir mein Seitenpony aus dem Gesicht.
Er hatte mich erkannt. Larissa hatte tatsächlich Recht gehabt.
Normalerweise müsste mich dies kalt lassen, doch als ich ihn gesehen hatte, kamen viel zu viele alte Emotionen hoch.
Doch davon überwog vor Allem die Enttäuschung. Er hatte mich immerhin gefeuert, weil ich ein einziges Mal die Frist nicht eingehalten hatte, für Berge von Arbeit, die ich nie im Leben in der kurzen Zeit schaffen konnte.
Wahrscheinlich war das alles nur eine Ausrede gewesen. Er hatte mich ins Bett bekommen. Was wollte er danach noch mit mir? So, wie er aussah, konnte er jede haben und musste nicht Vorlieb mit einer Obdachlosen nehmen.
Aber er schien mich anscheinend auch noch nicht vergessen zu haben.
Auch wenn er tatsächlich ziemlich ungläubig ausgesehen hatte.

„Hey, alles klar, Stella? Was hat es denn bitte mit ihm auf sich? Hat er dir etwas angetan oder warum siehst du geschockt aus?“
„Nein. Nicht direkt…Aber… Ich hab dir doch von dem Kerl erzählt, dessen Auto ich zu Schrott gefahren habe – naja…du hast ihn eben höchstpersönlich gesehen.“
Überrascht nahm sie meine Hände in ihre.
„Das ist der Arsch? Dann hattest du Recht. Wer seine Mitarbeiter wegen so einer Kleinigkeit direkt feuert, der ist es nicht wert, dass wir auf ihn warten! Na komm. Trinken wir erst einmal einen Kaffee auf den Schreck. Und dann erzählst du mir noch mal genau, was zwischen euch zwei alles gelaufen ist.“


Larissa machte mir eine extra große Tasse Kaffee und während ich Finn streichelte, erzählte ich ihr noch einmal alles haargenau, was zwischen Mike und mir vorgefallen war. Der Labrador lag inzwischen halb auf meinem Schoß, als ich geendet hatte und wir hingen alle eine Zeit lang unseren Gedanken nach.
„Ach egal. Du wirst ihn sowieso nie wieder sehen. Das heute war nur ein großer Zufall. Und selbst wenn, dann ignorier ihn einfach. So, wie er sich dir gegenüber verhalten hat, darf er sich darüber gar nicht wundern. Immerhin hat er dich zuerst mit Arbeit überhäuft und dann wegen so einer Kleinigkeit gefeuert. Ich meine, der hatte doch sicherlich noch Kopien, von den Akten, auf denen dein Kaffee gelandet ist. Vergiss den Idiot einfach!“
Zerknirscht grinste ich sie an und nickte. Sie hatte Recht. Ich musste ihn einfach vergessen. Und selbst, wenn ich ihm begegnete, war ich immer noch nicht verpflichtet, mit ihm zu reden oder ihn überhaupt anzusehen.
Er hatte mich immerhin auf der Straße ausgesetzt, wie einen Hund.
Genau wie meine Familie.


Als unsere Schicht begann, hatte ich den Vorfall schon wieder fast vergessen und stürzte mich freudig auf die Besuchermassen, die in den Club kommen sollten.
Es war ein typischer Freitagabend und es lag nur an der frühen Uhrzeit, dass ich mich zwischendurch an die Theke lehnen konnte und dem Barkeeper, Roberto, bei seinen Kunststücken mit dem Cocktailshaker zuzusehen.
Ich trug meine üblichen schwarzen Hotpants zu dem roten, eng anliegendem Top, auf dem das Logo des Clubs prangte. An einem breiten Gürtel hatte ich meinen Mini-Computer befestigt, auf dem ich die Bestellungen eintragen konnte, die dann sofort bei Roberto auf einem Bildschirm erschienen. Dies ersparte mir zum Glück viele Gänge zur Bar, was dank den High-Heels, die ich trug, auch bitter nötig war.
Meine Haare trug ich an diesem Abend hinten hoch gesteckt, da es Freitags immer besonders warm wurde im Club und da Larissa und ich nach unserer Schicht noch selbst feiern wollten, hatte ich mich heute auch etwas auffälliger geschminkt.
Dies erbrachte mir auch eine Menge Trinkgeld und Telefonnummern ein, weswegen meine Freundin und sogar mein Boss nie verstehen konnten, warum ich nicht immer so arbeitete.

„Guten Abend, hübsche Frau. Darf ich ihnen einen Drink spendieren?“
Lächelnd drehte ich mich zu dem Spanier hinter mir um und musterte ihn kurz.
Er trug seine schwarzen Haare kurz geschoren, was sein kantiges Gesicht noch mehr betonte. Dazu steckte sein großer, sehniger Körper in einer tief sitzenden Jeans und einem weißen T-Shirt. Er sah ziemlich gut aus und das gleiche schien er auch über mich zu denken. Sein Grinsen war während seiner Musterung nämlich noch ein Stückchen breiter geworden.
„Das müsste ich eigentlich Sie fragen, immerhin bin ich hier Kellnerin und nicht Sie.“
Lachend stimmte er mir zu und stellte sich dann als Ramon vor.
„Ich nehme an, dass du während deiner Schicht nichts trinken darfst, nicht wahr, Stella?“
„Nein, das nicht. Aber ich mache um 4 Uhr hier Schluss. Wenn du mir dann immer noch einen Drink spendieren willst, würde ich nicht nein sagen.“
Grinsend schüttelte er meine Hand.
„Dann treffen wir uns um 4 Uhr wieder hier. Ich freue mich schon, dich besser kennen zu lernen.“
Damit verschwand er wieder und ich trat einen erneuten Gang zu den Tischen an.

Larissa bediente heute bei den VIPs, sodass ich ihr leider nicht von meiner neuen Bekanntschaft erzählen konnte. Aber das musste ich auf jeden Fall noch nachholen. Ramon schien wirklich nett zu sein und sein Aussehen war nicht zu verachten. Ich freute mich tatsächlich auf unser Treffen später. Obwohl ich nicht damit rechnete, dass er auch wirklich kommen würde. Welcher Kerl wartete immerhin 4 Stunden darauf einer Frau einen Drink zu spendieren, wenn der Club brechend voll mit anderen Frauen war.
Doch zu meiner Überraschung traf ich ihn schon eine Stunde später an einem der Tische an, wo er mich grinsend begrüßte und sogar seinen Freunden vorstellte. Danach schaffte er es immer wieder, mich an ihren Tisch zu lotsen und zog mich sogar mehrere Male einfach auf seinen Schoß.
Zu meinem Glück hatte mein Boss nichts dagegen, wenn wir uns etwas länger mit den Gästen unterhielten. Er fand es sogar gut. Deswegen konnte ich dies auch ohne schlechtes Gewissen geschehen lassen.

Als es dann endlich vier Uhr war, wurde ich abgelöst und lief schnell hoch in meine Wohnung um mich umzuziehen. Ich hatte mir schon vorher ein rotes, kurzes Kleid ausgewählt, welches sich eng an meinen Körper anschmiegte ohne dabei nuttig auszusehen.
Fünf Minuten später schlenderte ich auch schon zur Theke, wo Ramon lässig gegen lehnte.

„Wow. Ich dachte ja schon, dass du in deinen Arbeitsklamotten heiß aussiehst, aber das hier ist der Hammer!“
Lachend ließ ich mich auf die Wange küssen und er reichte mir einen Cuba Libre.
„Auf eine wunderschöne restliche Nacht.“
Er sah mir tief in die Augen, während wir anstießen und wandte auch danach seine grünen Pupillen nicht von mir ab. Kurz sah ich Larissa auf uns zu kommen, doch sein Blick schien sie davon abzuhalten und sie drehte sich zwinkernd wieder um.
Ramon hatte mir inzwischen einen Barhocker frei gemacht und stand dicht vor mir, während wir redeten. Dabei berührte er meine nackten Knie immer wieder mit der Hand, strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und machte mir ununterbrochen Komplimente – oder kurz gesagt: er flirtete aufs Heftigste.
Und es gefiel mir.

Nachdem wir unsere Gläser geleert hatten, zog er mich ungefragt mit funkelnden Augen auf die Tanzfläche.
„Du scheinst ja genau zu wissen, was du willst.“
„Ja. Ich hoffe, das schreckt dich nicht ab. Aber dein Körper fordert es ja gerade heraus, dass man mit dir tanzt.“
Lachend schmiegte ich mich an ihn und fing an mich im Rhythmus zu bewegen.
„Ich habe schon öfter gehört, dass mein Körper euch Männer zu etwas aufruft. Doch Tanzen gehörte nie dazu.“
Er lachte ebenfalls und glitt mit seinen Händen an meiner Seite entlang zu meinem Hintern.
„Oh, ich will mit deinem Körper auch noch viel mehr Dinge anstellen als tanzen. Aber alles der Reihe nach..“

Kapitel 18


Leise erhob ich mich aus dem Bett.
Ramon lag schnarchend in die Decke vergraben auf seinem Bett und ich konnte mir ungestört mein Kleid wieder überziehen.
Er hatte mich noch lange wach gehalten, sodass ich nicht verwundert war, dass es bereits 4 Uhr war. Eigentlich war ich auch noch viel zu müde zum Aufstehen, doch ich wollte nicht weiter schlafen bis er ebenfalls wach wurde. Schließlich wollte ich ihn nie wieder sehen und peinliche Fragen vermeiden.
Mit Bindungen hatte ich in der Vergangenheit nur schlechte Erfahrungen gemacht und es lag nur an Larissas Sturheit, dass ich mich öfter mit ihr traf und nicht nur eine berufliche Beziehung zu ihr hatte. Obwohl ich zugeben musste, dass ich sehr froh darüber war, dass sie mich immer wieder überredet hatte.

Ich zog leise die Tür hinter mir zu und trat in die wärmende Sonne.
Ich war glücklich hier in Barcelona.
Auch wenn ich nur Larissa als richtigen Freund hatte und meine restlichen Bekanntschaften so flüchtig blieben, wie nur möglich. Dass ich ein Date hatte, kam zwar dank Larissa öfter vor. Doch selten ließ ich es so weit kommen wie mit Ramon. Es hatte nur an seiner Bestimmtheit gelegen und an dem Gefühl der Einsamkeit, dass ich mit zu ihm gekommen war.

Auf dem Weg zu meiner Wohnung kaufte ich mir noch etwas für mein Abendessen ein und betrat schon eine halbe Stunde später meine kleine, kühle Wohnung. Außer einem Bett, einem Schrank, einem kleinen Tisch mit einem Stuhl und einer winzigen Kochnische besaß ich keine Einrichtung und doch fühlte ich mich unendlich wohl darin.
Mauzend wurde ich von meinem Kater Jake begrüßt, der ungeduldig vor dem Fenster auf der Feuertreppe saß und Einlass verlangte. Sein rot-orangenes Fell glänzte in der Sonne und er rieb sich genüsslich seinen kleinen Kopf an meiner Hand, bevor er eintrat und sich über sein Fressen her machte.
Während ich mir ebenfalls Spaghetti Bolognese kochte erzählte ich ihm von meinem Tag.
Es war so etwas, wie ein Ritual für mich und der Kater hörte auch immer geduldig zu, wenn ich ihn dabei kraulte.

Eigentlich mochte ich zwar keine Katzen, aber einige Wochen, nachdem ich eingezogen war, hatte er ausgehungert auf meiner Feuertreppe gesessen und innerhalb von Sekunden mein Herz gewonnen.
Ich fing an ihn regelmäßig zu füttern und nachdem er dann schon die erste Nacht neben mir im Bett geschlafen hatte, nahm ich ihn vollends zu mir auf.
Wahrscheinlich war er mein Ersatz für einen Freund und Larissa zog mich immer damit auf, dass ich als alte, einsame Katzenmutter enden würde. Doch in Wirklichkeit hatte er auch ihr Herz im Sturm erobert.
Er war einfach ein typischer Spanier.
Ihm war es am liebsten, wenn ihn mehrere Frauen auf einmal streichelten und keine ihm widerstehen konnte.
Ein Mauzen, einmal schnurrend am Bein entlang streifen und sie alle lagen ihm zu Füßen.

Wir machten es uns auf der Couch bequem und schauten Fern, bis ich auch schon wieder aufbrechen musste zu meiner besten Freundin, die schon sehnsüchtig auf einen Bericht von meiner Nacht wartete.
Ich wurde regelrecht ausgequetscht über jede Einzelheit und sie wurde fast wütend als ich ihr dann erzählte, dass ich mich einfach so weg geschlichen hatte, ohne ihm meine Nummer zu hinterlassen.
Wir schlenderten mit Finn gerade am Strand entlang und passierten, wie jedes mal, das Hotel, in dem ich vor 2 Jahren meinen Job verloren hatte.
Aber leider wusste Larissa dies und kam somit wieder zum Thema Mike, was ich eigentlich vergessen wollte.

„Ich bin heute übrigens wieder an der Firma von diesem Arschloch vorbei gekommen und rate mal, welches Auto davor stand! Es ist einfach viel zu schön für so einen Idioten! Ich würde alles geben, um einmal mit seinem Auto fahren zu können!“
Verträumt stimmte ich zu.
„Es ist wirklich ein Traumauto. So viele PS und dann noch die Farbe und die Rallyestreifen! Und du müsstest den Motor mal hören! Ich bin einmal damit gefahren und es war so geil! Ich wollte gar nicht mehr aussteigen.“
„Was hältst du denn davon, wenn ich zu Taylor gehe und ihm sage, dass er dich so scheiße behandelt hat, dass er dir das Auto für einen Tag vollgetankt leihen soll? Ich meine, das ist er dir doch schuldig, oder?“
„Nein! Wehe! Ich will sein Auto nicht fahren, da spar ich lieber Jahre lang für eine Testfahrt. Und außerdem ist er viel zu arrogant um zu bemerken, dass ich so viel Arbeit gar nicht hätte schaffen können und er mich deswegen nicht zu recht gefeuert hat.“
Wütend dachte ich an die Berge von Unterlagen zurück, die mir seine Sekretärin jeden Tag geschickt hatte.
Es war einfach unmenschlich viel gewesen!
„Hast du ihm das denn auch gesagt, als er dich gefeuert hatte?“
Ich schnaubte frustriert.
„Na klar, aber er war ja sowieso davon überzeugt, dass ich faul bin, nur weil ich auf der Straße gelebt habe. Da konnte ich sagen und tun, was ich wollte. Und flachgelegt hatte er mich ja auch schon, also blieb ihm kein Grund mehr, warum er mich weiter durchfüttern sollte.“
„Du solltest ihm trotzdem mal so richtig die Meinung sagen, denn so einfach hätte er dich sicherlich nicht feuern dürfen! Ich meine du hast doch immerhin einen Vertrag unterschrieben! Vielleicht kannst du ihn ja auf einen Berg von Geld verklagen?!“
„Und er muss nur ein Wort sagen und schon sitze ich hinter Gittern! Ich bin immerhin in sein Auto eingebrochen und habe es dann zu Schrott gefahren!“
„Das kann er aber doch gar nicht beweisen!“
„Und wenn doch? Dann zerstört er erneut mein Leben, was ich mir so mühsam aufgebaut habe! Verstehst du denn nicht, dass ich einfach nichts mehr mit ihm zu tun haben will und am Liebsten alles vergessen würde?“
Larissa raufte sich verzweifelt die Haare. Sie konnte es anscheinend nicht nachvollziehen. Aber mein Stolz war zu groß, als dass ich noch einmal zu ihm gehen konnte und ihm die Meinung zu geigen, in der Hoffnung, dass er mir Geld gibt.
„Ich komme mit meinem Gehalt über die Runden und das reicht mir.“
„Das kannst du nicht ‚über die Runden kommen‘ nennen! Du wohnst in einer winzigen Wohnung und kannst die im Winter noch nicht einmal richtig heizen, weil du sonst zu wenig Geld für Essen hast. Damit kannst du doch unmöglich zufrieden sein!“
„Bin ich aber! Du lebst doch auch nur von dem Gehalt als Kellnerin!“
„Aber ich muss monatlich keine Miete bezahlen! Finn gehört theoretisch meinen Eltern und ich habe ihn nur bei mir, weil in ihrer neuen Wohnung keine Haustiere erlaubt sind! Das kannst du nicht vergleichen! Ich mache den Job nur, weil er mir Spaß macht, nicht, weil ich davon leben will!“
Wütend blieb ich stehen.
„Was kann ich denn dafür, dass ich keine stinkreichen Eltern habe, die mir eine Wohnung gekauft haben und mir am Liebsten alles bezahlen würden? Ich muss überglücklich sein, dass ich überhaupt einen Job habe und ich werde es nicht riskieren, dass ich ihn verliere! Ich habe ein Dach über dem Kopf, ein Bett und regelmäßig etwas zu essen! Mehr brauche ich nicht!“
Larissa war ebenfalls stehen geblieben und sah mich jetzt besorgt an.
„Nur weil du den Großteil deines Lebens mit wesentlich weniger leben musstest, heißt es noch lange nicht, dass du nicht mehr brauchst! Und du gefährdest deinen Job nicht, indem du dich nach anderen umsiehst! Du bist doch nicht dumm! Du kannst als Referenz angeben, dass du kurz für Mike Taylor gearbeitet hast! Auch wenn du ihn nicht magst, das macht sich auf jeder Bewerbung gut! Und glaub mir, du wirst auf jeden Fall einen Job bekommen, bei dem du bessere Arbeitszeiten und ein größeres Einkommen hast! Und wenn du unbedingt willst, kannst du ja auch weiterhin in deiner Wohnung bleiben. Aber du bist einfach nicht dafür gemacht, die Nächte durch zu arbeiten, so viel Kaffee wie du immer trinkst!“

Frustriert ließ ich mich in den Sand fallen. Larissa setzte sich neben mich und wir sahen schweigend eine Zeit lang aufs Meer hinaus, während Finn in den Wellen tobte.
„Aber eigentlich mag ich meinen Job doch.“
„Ich weiß. Aber du weißt doch, wie schwer es dir fällt, am nächsten Tag Mittags wieder aufzustehen. Und die Mengen Koffein, die du täglich in dich herein pumpst können auf lange Zeit gesehen auch nicht gut sein. Selbst wenn du dadurch wach wirst und Abends wieder gerne arbeitest.“
„So schädlich ist Kaffee ja nun auch wieder nicht. Mir macht das Kellnern einfach viel zu viel Spaß! Und es gehört irgendwie zu meinem neuen Ich dazu. Wenn ich jetzt wieder einen Job annehme, der mit Sprachen zu tun hat, komme ich mir nur vor, als hätte ich bei meinem Neuanfang versagt.“
Fürsorglich legte sie einen Arm um mich.
„Du hast auf keinen Fall versagt! Du hast einen kompletten Neuanfang gewagt, und bis auf die Kette, die du immer trägst, und manche Klamotten hast du nichts mehr von deinem vorherigen Leben. Noch nicht einmal Fotos! Du darfst nur nicht so schnell zufrieden sein, mit dem was du hast, wenn du noch so viel mehr bekommen kannst!“
Brummend streichelte ich Finn, der gerade angetrabt kam. Vielleicht hatte sie ja wirklich recht und ich sollte es einfach mal versuchen. Denn ich hatte mich in den zwei Jahren immer noch nicht an den neuen Schlafrhythmus gewöhnt und wachte regelmäßig bei Sonnenaufgang auf.
„Und du meinst, dass Ricardo nichts dagegen hat, wenn ich mich auf die Suche nach einem anderen Job mache? Ich brauche immerhin die billige Wohnung und auch den Job, wenn ich keinen anderen finde!“
„Klar! Warum sollte er auch etwas dagegen haben? Er wird wahrscheinlich keine Probleme haben, eine neue Kellnerin zu finden und außerdem mag er dich. Da wird er dich auch nicht aus seinem Haus jagen. Frag ihn doch einfach mal gleich, vor unserer Schicht, und dann sehen wir weiter.“

Ich stimmte ihr zu und wir führten unseren Weg lachend fort. Wir überquerten das Hotelgelände und Larissa brachte mich auf dem Rückweg zum Club, wo ich mit meinem Chef reden wollte.


Ich traf Ricardo in seinem kleinen Büro, wo er fröhlich pfeifend Rechnungen bezahlte.
Wie das ging, konnte ich zwar nicht nachvollziehen – ich hatte immer schlechte Laune, wenn eine Rechnung ihren Weg in meinen Briefkasten gefunden hatte – aber für unser Gespräch war seine Laune nur von Vorteil.
„Stella, du bist aber früh dran heute! Was kann ich für dich tun?“
Ich begrüßte ihn ebenfalls und berichtete ihm danach stockend von der Idee, mir einen neuen Job zu suchen, bei dem ich tagsüber arbeiten konnte und nicht Nachts. Zu meiner Überraschung, war er keineswegs erstaunt darüber, sondern gestand mir, dass er schon lange damit gerechnet hatte, so müde, wie ich meistens am Ende meiner Schicht war.
„Du bist zwar eine gute Kellnerin und bringst mir wahrscheinlich viele Kunden ins Haus, aber wenn du lieber etwas anderes machen willst, werde ich dir nicht im Weg stehen. Und bis du etwas Festes hast, kannst du ja weiterhin bei mir arbeiten! Dein Vertrag ist ja zeitlich nicht begrenzt, sodass du jederzeit kündigen kannst. In der Wohnung willst du aber doch weiterhin wohnen bleiben, oder?“
„Ja klar! Wenn das geht! Das wäre echt super! Danke, Ricardo! Und keine Angst, ich werde mich trotzdem beim Kellnern anstrengen!“
Lachend umarmte er mich.
„Da würde ich auch niemals dran zweifeln!“

Überglücklich verabschiedete ich mich und lief in meine Wohnung um Larissa direkt davon zu Berichten. Sie versprach mir auch noch am Abend ein paar Zeitungen mit Stellenanzeigen mitzubringen, die wir vor unserer Schicht noch durchgehen wollten.

Kapitel 19


Es waren schon 5, als ich endlich in meine Wohnung trat und mich erschöpft auf mein Bett fallen ließ. Für einen Sonntag Abend war der Club brechend voll gewesen, sodass ich noch eine Stunde länger arbeiten musste und meine Füße sich wie ein großer schmerzender Klumpen anfühlten.
An solchen Tagen hasste ich meinen Job wirklich und ich freute mich darauf, endlich noch einmal ausschlafen zu können, weil ab jetzt mein Wochenende endlich begann.
Ich hatte am Tag zuvor mit Larissa meine Bewerbungen für unzählige Stellenangebote geschrieben und bemerkte frustriert, dass die Jobsuche verdammt teuer war. Die ganzen Bewerbungsmappen, die schicken Klamotten, für das Bewerbungsgespräch – wenn es denn so weit kommen sollte. Denn richtige Qualifikationen konnte ich nicht nachweisen. Noch nicht einmal ein Zeugnis, weil sie alle bei dem Brand vor vielen Jahren zerstört worden waren.
Meine Hoffnungen auf einen guten, anspruchsvollen Job, hatte ich inzwischen schon fast aufgegeben. Aber versuchen wollte ich es trotzdem.
Ich wollte, nachdem ich ausgeschlafen hatte, 4 Bewerbungen für Stellen als Sekretärin abgeben, dann noch 2 als Kellnerin in einem Restaurant und schließlich 5 als Verkäuferin von Klamotten.
Nicht gerade sehr anspruchsvoll.
Und bis auf die Firmen, die eine Sekretärin suchten, war meine Beschäftigung bei Taylor Technologies vollkommen nutzlos.

Müde verkroch ich mich unter meine Decke, worauf Jake sofort angesprungen kam und sich an mich kuschelte. Zum umziehen war ich viel zu erschöpft und schon wenige Sekunden später driftete ich schon ab ins Reich der Träume.


Viel zu früh wurde ich allerdings schon wieder wach, da unten auf der Straße die Müllabfuhr laut krachend vorbei fuhr. Fluchend zog ich mir die Decke über den Kopf, doch durch einen kleinen Spalt in dem Rollladen drang unerbittlich die Sonne herein, sodass ich nach kurzer Zeit frustriert die Decke zurück schlug und mich übermüdet aus dem Bett kämpfte.
Ich konnte einfach nicht schlafen, wenn es hell war.
Also setzte ich eine große Kanne Kaffee auf und duschte eiskalt, damit ich wenigstens etwas wacher wurde. Es waren gerade mal 10 Uhr und 5 Stunden Schlaf eindeutig zu wenig.
Doch einen Toast und 4 Tassen Kaffee später, schaffte ich es, mich anzuziehen und mit Kaffee Nr. 5 in der Hand die Wohnung zu verlassen. Der Thermobecher war das erste gewesen, was ich mir von meinem ersten Gehalt gekauft hatte.
Als ich aus der Tür trat begrüßten die hellen Strahlen mich erneut und ich kramte miesmutig meine Sonnenbrille aus der Tasche hervor.
Ich brauchte unbedingt einen neuen Job!

Mit diesem Ziel machte ich mich dann auch auf den Weg zu den verschiedenen Firmen, um meine Bewerbung abzugeben. Ich hatte eine schwarze Jeans, blaue Bluse und schwarze Adidas an und hoffte, trotz der Augenringe, die ich versucht hatte zu touchieren, einen guten Eindruck zu machen.

3 Stunden später hatte ich jedoch alle Hoffnung aufgegeben und saß frustriert in meinem Lieblingscafé. Alle waren zwar freundlich zu mir gewesen und hatten versprochen sich zu melden, doch nach dem kurzen Blick, den sie auf meinen mickrigen Lebenslauf geworfen hatten, war ich mir sicher, dass die teuren Mappen alle sofort im Müll landen würden.
Selbst Larissa hatte mich nicht aufmuntern können.

„Stella, Süße. Was machst du für ein trauriges Gesicht? Das Wetter ist doch so wunderschön!“
Marcel, der Besitzer des Cafés, setzte sich mir gegenüber an den Tisch und strahlte mich glücklich an.
„Ja, aber ich habe mich gerade an mehreren Stellen beworben und ich habe überhaupt keine Chance auf einen anderen Job, weil ich einfach keine Qualifikationen vorweisen kann! Und Fortbildungen kann ich mir nicht leisten, bei meinem jetzigen Gehalt.“
„Du kannst doch so viele Sprachen, da musst du doch einen guten Job bekommen! Immerhin hast du doch schon einmal bei einer großen Firma gearbeitet, das muss doch reichen!“
Frustriert schüttelte ich den Kopf und nippte an meinem Kaffee. Der siebte für heute.
„Dafür war ich zu kurz dort.“
„Was hast du denn genau dort gemacht?“
„Übersetzt und ein wenig Sekretärin gespielt..“
Ich legte meinen Kopf auf die Platte des kleinen Tisches und schloss die Augen.
„In meinem Leben kann auch nie etwas gut laufen!“
Fürsorglich tätschelte Marcel meinen Kopf und ging wieder hinter die Theke, weil Kunden gekommen waren.

Er besaß ein kleines Kaffee, direkt neben einem großen Park. Es war in einer Seitengasse gelegen und somit nicht mit Touristen überfüllt. Und trotzdem hatte man einen guten Blick auf das Treiben der Straßen.
Vor dem kleinen Raum, in den nur eine Theke und 3 kleine Tische passten, konnte man es sich unter großen Sonnenschirmen und neben wunderschönen Blumen gemütlich machen und den besten Kaffee in Barcelona genießen. Für Stammgäste hatte Marcel sogar Sonderpreise, sodass ich mir einen Besuch wunderbar oft genehmigen konnte.

„Hier mein Stern, ein kleines Geschenk zur Aufmunterung.“
Ich riss mich von dem Anblick der Straße fort und erblickte einen großen Blaubeermuffin, den Marcel mir entgegen streckte.
„Oh danke schön!“
Grinsend biss ich hinein und verzog danach verträumt das Gesicht. Ich liebte Blaubeermuffins!
Jetzt hatte der Tag wenigstens etwas gutes!


Da ich ja nichts mehr zu tun hatte für heute, setzte ich mich entspannt an den Strand um den Sonnenuntergang und die Leute zu beobachten.
Jetzt wo es nicht mehr so warm war, waren die meisten Touristen verschwunden und es tummelten sich Jogger und Hundeführer auf dem asphaltierten Weg hinter dem Strand. Ich saß auf der Mauer daneben und wurde immer wieder neugierig von den Hunden begrüßt. Vor Allem, wenn ihre Besitzer männlich waren.
Larissa und ich hatten schon einmal die Theorie, dass sich viele Kerle einen Hund anlegten und ihn so trainierten, dass er auf Frauen zu lief, damit sie mit ihnen ins Gespräch kommen konnten.
Grinsend kuschelte ich mich etwas tiefer in meine schwarze Lederjacke, um mich vor dem kühlen Meerwind zu schützen.

Barcelona war mein persönliches Paradies, trotz der schlechten Laune, die ich jeden Morgen hatte.
Ich schloss die Augen, wurde jedoch plötzlich von einem lauten Lachen aus meinem Träumen heraus gerissen.
Von der Seite her näherten sich zwei Jogger. Beide groß, braun gebrannt und durchtrainiert, was sie durch eng anliegende T-Shirts noch mehr betonten. Der eine hatte braune, kurz geschorene Haare und kam mir ziemlich bekannt vor. Doch dann schweifte mein Blick zu seinem Begleiter, der eben so laut gelacht hatte und jetzt irgendeinen dummen Spruch riss.
Jetzt wusste ich auch wieder, woher ich den Anderen kannte. Ich war einmal auf seinem Motorrad in atemberaubender Geschwindigkeit über die Autobahn gerast und sein Begleiter war niemand anderes als mein damaliger Fahrer und Chef.
Schnell drehte ich mich in die andere Richtung und hoffte, dass sie zu beschäftigt waren mit lachen, als dass sie mich erkennen würden.

Die Sekunden strichen vorbei und plötzlich tauchten sie in meinem Blickfeld auf. Mike lief nur wenige Zentimeter an mir vorbei und mein Herz fing an zu rasen, als ich ihm so nah war. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit waren sie endlich vorbei und ich stieß erleichtert die Luft aus.
Ich sah ihnen nach, als plötzlich Juaquin einer Joggerin hinterher sah und sein Blick an mir hängen blieb. Verwirrt runzelte er die Stirn und ich sah teilnahmslos an ihm vorbei, doch er schien mich wirklich erkannt zu haben. Er blieb stehen und hielt dabei auch Mike auf.
Meine Gedanken rasten.
Was sollte ich bloß tun um einer Begegnung mit ihm aus dem Weg zu gehen?!
So gelassen, wie es ging, stand ich von der Mauer auf und wollte in ihre entgegengesetzte Richtung einfach weggehen, als jemand meinen Namen rief.
Verdammt!
Verbissen ging ich einfach weiter, wurde jedoch etwas schneller.
Ich musste unbedingt hier weg!!

Gerade wollte ich in einer Menschenmenge abtauchen, da wurde ich am Arm zurück gezogen und knallte schwungvoll gegen einen muskulösen Körper.
„Stella?! Verdammt, warum reagierst du denn nicht? Und vor allem, was machst du hier?“
Ich biss mir auf die Wange und schaute an ihm vorbei aufs Meer hinaus, ohne zu antworten. Da packte er mich plötzlich am Kinn und zwang mich so ihm in die Augen zu sehen.
Sein Gesicht war mir so nah und ich sah die Schweißtropfen daran herunter laufen. Sein Lippen, seine tiefbraunen Augen – alles sah noch genauso aus, wie früher.
„Hey! Redest du jetzt nicht mehr mit mir oder was?“
Er durchbohrte mich mit seinem Blick und sah mich fordernd an.
„Lass mich in Ruhe.“
Wütend riss ich mich von ihm los, wurde jedoch sofort wieder am Arm gepackt.
Warum musste er auch so verdammt stark sein, dass ich mich nicht gegen ihn wehren konnte.
„Was ist denn mit dir los? Hab ich dir irgendwas getan, dass du mich jetzt ignorierst und vor mir weg läufst?“
Höhnisch lachte ich und funkelte ihn an.
„Was du mir getan hast? Dass du das noch fragen musst, spricht echt dafür, was für ein Arschloch du bist! Aber lass mich es dir noch mal erklären. Nicht nur, dass du mich gefeuert hast, nachdem du dein Ziel erreichst hast und mich flachgelegt hast! Du warst auch noch so feige es so aussehen zu lassen, dass du mich feuern musstest, weil ich zu faul war! Ich habe den ganzen Tag ununterbrochen Berge von Unterlagen für deine beschissene Sekretärin übersetzt und dafür sogar auf meine Pausen verzichtet! Und als dank werde ich als nichtsnutzige Schlampe wieder auf die Straße gesetzt! Dabei hätte niemand diese Menge an Ordnern übersetzen können! Niemand! Also warum hattest du nicht einfach die Eier und sagst mir direkt, dass du mich nur flachlegen wolltest?! Dann hätte ich mir den ganzen Stress und das Hungern sparen können, denn selbst auf der Straße habe ich mehr gegessen als in den Wochen in Spanien!“
„Wie bitte?! Ich habe dich nicht nur eingestellt um mit dir zu schlafen! Das hätte ich auch ganz anders haben können! Aber du hast dich ja so darauf ausgeruht, dass du mit mir im Bett warst und hast es noch nicht einmal geschafft, die Menge an Arbeit zu erledigen, die du in England schon mit viel Freizeit geschafft hattest! Es waren doch nur ein paar Ordner, aber es ist klar, dass man das nicht schafft, wenn man den ganzen Tag am Strand liegt und Cocktails trinkt!“
„Du mieses Arschloch! Ich habe den ganzen Tag ununterbrochen gearbeitet und das Einzige, was ich getrunken habe, waren Unmengen an Kaffee, damit ich mit weniger Schlaf auskomme! Und ich weiß ja nicht, was du unter ‚ein paar‘ Ordnern verstehst, aber soweit ich mich erinnern kann, musste ich jeden Tag mindestens einen davon übersetzen und das noch zusätzlich zu den vielen Briefen und Formularen! So viel musste ich in London auf keinen Fall machen! Und jetzt lass mich gefälligst in Ruhe!“
Ich raste vor Wut und schaffte es endlich mich von ihm los zu reißen und weg zu laufen. Überall standen Leute, die unseren Streit beobachtet hatten und mir jetzt verwundert hinterher sahen. Mir kamen die Tränen, so wütend war ich.
Wie konnte man nur so arrogant sein?!
Er hätte es doch einfach zugeben können. Mich hätte es ja nicht gewundert. Aber er musste ja unbedingt bei seiner Meinung bleiben, dass ich zu nichts fähig wäre, außer flachgelegt zu werden.
Und von wegen, ich hätte mich darauf ausgeruht, dass ich mit ihm im Bett war!
Ich hatte mir doch gewünscht, dass es niemals passiert war!
Ich hatte mir sogar vorgenommen, extra viel zu arbeiten, damit er nicht auf diese Idee kam.

Schluchzend kam ich an meiner Wohnung an und schmiss mich verzweifelt auf mein Bett.
Ich hasste ihn!
So unendlich!
Und ich würde nie wieder auch nur ein Wort mit ihm reden, geschweige denn ihn ansehen!
Mike Taylor war für mich ab jetzt endgültig gestorben!

Wütend riss ich mir die Kette vom Hals und schmiss sie schluchzend in die Ecke.

Kapitel 20


Seit meinem Treffen mit ihm waren inzwischen 2 Tage vergangen und ich konnte mich endlich wieder mit Arbeit ablenken.
Ich war immer noch wütend und enttäuscht.
Dass er so ein großes Arschloch war, hatte ich bisher noch nicht gedacht. Aber ich hatte mich anscheinend in ihm getäuscht.
Seine verdammte Kette lag immer noch verwaist in der Ecke. Larissa hatte sie aufheben wollen, doch es war der perfekte Platz für sie. Sollte sie doch auf dem Boden vergammeln. Ich wollte sie nie wieder anziehen, geschweige denn anfassen.

Zum Ausgleich zu meiner schlechten Laune, schminkte ich mich heute ausnahmsweise für die Arbeit. Wenn es den Besuchern gefiel und noch mehr mit mir flirteten würde es mich sicherlich aufbauen.
Zu meinem Frust kam auch noch dazu, dass sich bis jetzt noch keine einzige Stelle bei mir gemeldet hatte, wegen eines Jobs.
Als ich endlich unten im Club ankam, war nicht sehr viel los. Doch so konnte ich mich wenigstens etwas mehr mit den Besuchern unterhalten. Und wie ich es geahnt hatte, konnte ich nach Mitternacht auch schon wieder richtig lachen.

Zu meiner Überraschung stand später am Abend plötzlich ein grinsender Ramon vor mir.
„Guten Abend. Was hältst du davon, mir jetzt einen Drink zu bringen und dich dann nach deiner Schicht zu uns zu setzen?“
Lachend musterte ich ihn.
Er sah noch genauso gut aus, wie am Wochenende. Seine Augen funkelten und sein muskulöser Körper steckte wieder in eng anliegender Kleidung, die ihm wie angegossen passte und jeden einzelnen Muskel betonte.
„Das erste werde ich dir wohl nicht abschlagen können, bei dem zweiten musst du dich allerdings noch etwas mehr anstrengen.“
„Hey, du hast dich einfach so aus dem Staub gemacht, während ich noch geschlafen habe. Ohne mir deine Nummer zu hinterlassen! Dabei hatte ich noch so viel vor mit dir!“
Sein Grinsen war noch eine Spur breiter geworden und ich konnte mir ganz genau vorstellen, was er noch mit mir angestellt hätte.
„Vielleicht hatte ich aber nichts mehr vor mit dir und dir deswegen meine Nummer nicht da gelassen?“
Ich lächelte ihn ebenfalls an, worauf er mich mit seinem Körper gegen die Wand drängte.
„Vielleicht. Aber ich glaube dir hat es genauso gut gefallen, wie mir. Und es wäre wirklich schade, wenn wir das nicht wiederholen würden.“
Sein Blick wanderte zu meinen Lippen, als ich mir darauf biss. Seine Hände lagen auf meinen Hüften und er näherte sich mir immer mehr, bis ich in letzter Sekunde mein Gesicht weg drehte.
„Glaub mir, wenn du dich so zierst, stachelst du mich nur noch mehr an. Denn wenn du es wirklich nicht wolltest, hättest du sofort nein gesagt.“
Sein Atem kitzelte meinen Nacken, den er daraufhin sanft küsste.
„Vielleicht war ich einfach so überrumpelt, dass mein One-Night-Stand eine Wiederholung will, dass ich nicht schnell genug reagieren konnte?“
Er lachte leise und umfasste meinen Hintern mit seinen Händen.
„Ich bezweifle, dass man dich so einfach überrumpeln kann. Immerhin haben dich in der Stunde, wo ich schon hier bin, mindestens 5 Kerle angemacht und du hast alle sofort weg geschickt. Mich allerdings nicht.“
„Das war nur, weil ich nett zu dir sein wollte, weil wir miteinander geschlafen haben. Aber jetzt muss ich weiter arbeiten!“
Bestimmt legte ich meine Hände auf seinen Bauch und drückte ihn von mir weg, was er grinsend geschehen ließ, mich dann aber noch einmal rückwärts gegen sich zog, sodass sein Mund direkt neben meinem Ohr war und mir eine Gänsehaut verpasste.
„Ich will ja auch nicht, dass du nett zu mir bist. Im Moment will ich nur einen Cuba Libre.“
Damit küsste er mich hinters Ohr und ließ mich dann zufrieden grinsend gehen.

Ramon war wirklich einmalig. Ich hatte ihm indirekt gesagt, dass es nur ein One-Night-Stand war und dass ich nicht vor hatte mich wieder mit ihm zu treffen, doch er ließ sich einfach nicht davon beirren und schaffte es gleichzeitig auch noch, nicht so aufdringlich zu wirken, wie manche anderen Besucher.

Als ich ihm seinen Cocktail an den Tisch brachte wurde ich von seinen Freunden ausgiebig begrüßt und sie bestellten ebenfalls etwas. Und dieses Mal ließ Ramon mich auch sofort gehen.
Beim nächsten Mal, zog er mich allerdings wieder auf meinen Schoß und flüsterte mir all die Dinge ins Ohr, die er mit mir anstellen wollte.
Und er hatte wirklich eine blühende Phantasie!
„Bist du dir immer noch so sicher, dass du dich nachher nicht zu uns setzen willst?“
Lachend bejahte ich seine Frage und wollte aufstehen, doch er zog mich noch einmal zu sich herunter und ehe ich mich versah, landete sein Mund auf meinem.
Ganz aus Reflex holte ich aus und verpasste ihm eine Ohrfeige, die er lachend quittierte.
„Tut mir Leid, aber dein Mund hat mich dazu herausgefordert.“
Zwinkernd ließ er mich los und gab mir einen Handkuss.
„Ich freue mich schon darauf, wenn mein Drink wieder leer ist.“

Trotz seiner Frechheit musste ich ebenfalls grinsen und musste mir gestehen, dass ich es ihm noch nicht einmal übel nahm.
In den nächsten zwei Stunden, wurde ich so oft an seinen Tisch gerufen, dass es ein Wunder war, dass seine Freunde noch gerade sitzen konnten. Ramon dagegen trank nur wenig, sondern machte es sich lieber zur Aufgabe, mich so lange wie möglich an seinem Tisch zu behalten, wo er nach allen Regeln der Kunst mit mir flirtete.
Kurz vor Schichtende brachte ich ihnen erneut eine neue Runde und Ramons Grinsen war so breit, wie noch nie an diesem Abend.
„Bald hast du Feierabend, mein Sternchen, und kannst dir auch etwas zu trinken holen.“
„Ja endlich. Meine Füße tun richtig weh, von den vielen Malen, wo ich zu eurem Tisch kommen musste.“
„Ich könnte sie dir ja massieren, wenn wir später alleine sind.“
„Nein danke, Süßer. Der Weg zu dir ist mir zu weit, also wird das leider nichts mit uns zwei. Jetzt hast du dir den ganzen Abend umsonst solche Mühe gegeben.“
Ich grinste ihn fies an, doch er ließ sich einfach nicht beirren.
„Wenn es zu dir näher ist, kann ich dich auch dorthin begleiten. Ich verspreche dir auch, dass ich nichts anstellen werde, was dir nicht gefällt.“
„Lieber nicht. Mein Kater mag keine Männer und ich kuschle auch viel lieber mit ihm. Er schnarcht wenigstens nicht. Und außerdem wäre er nur Eifersüchtig, wenn ich andere Männer neben ihm hätte.“
Lachend sprang ich auf, da sich gerade ein Tisch geleert hatte und ich danach auch Schluss machen konnte.

Pünktlich um 4 Uhr gab ich schließlich meinen Arbeitsgürtel ab und wollte mich gerade durch die Personaltür aus dem Staub machen, als sie mir plötzlich versperrt wurde.
„Willst du etwa schon wieder abhauen, ohne dich von mir zu verabschieden? Das ist wirklich nicht sehr nett!“
Grinsend winkte ich ihm mit dem kleinen Finger und versuchte mich dann an ihm vorbei zu drängen, doch er packte mich an den Hüften und zog mich gegen seinen Körper.
„Hör zu Sternchen. Ich merke, du bist an keiner Beziehung interessiert, so oft wie du mir das heute Abend schon gesagt hast. Aber das will ich auch gar nicht, das kann ich dir garantieren!“
„Und ich dachte schon, du hast es wirklich nicht mitbekommen.“
Lachend stemmte ich meine Hände gegen meine Hüfte.
„Aber jetzt hast du mich neugierig gemacht. Wie willst du mir denn garantieren, dass du keine Beziehung mit mir willst, wo du doch so viele Dinge hast, die du mit mir anstellen willst, dass wir damit sicherlich eine ganze Woche beschäftig wären?“
Verführerisch grinsend strich er mir mein Pony zur Seite und ließ danach seine Finger über meine Lippen gleiten. Wahrscheinlich stellte er sich gerade diese Dinge vor, sodass ich ihn mit einem Schnipsen vor seinem Gesicht wieder in die Realität zurück bringen musste.
„Das ist ganz einfach, Sternchen. Ich wohne gar nicht hier, sondern in Mexiko. Ich bin nur für zwei Wochen zu Besuch bei meinem Cousin, den du ja auch schon samt seinen Freunden kennen gelernt hast. Und wenn ich nächste Woche in den Flieger steige, kann ich dir garantieren, dass du mich nie wieder sehen wirst.“
Überrascht musterte ich ihn.
„Du bist gar kein Spanier, sondern Mexikaner?“
„Doch ich komme aus Spanien, aber ich bin mit meinen Eltern nach Mexiko ausgewandert als ich klein war. Mein Vater leitet dort eine große Firma und wollte seine Familie bei sich haben. Wenn ich von hier zurück komme werde ich sein Stellvertreter und versinke wahrscheinlich in Arbeit. Deswegen wollte ich hier noch einmal richtig ausspannen. Also was hältst du davon, wenn wir unser One-Night-Stand etwas verlängern. Das ist keine Beziehung. Wir sind einfach nur zwei erwachsene Menschen, die zusammen Spaß haben und die Zeit genießen.“
Grübelnd kaute ich mir auf der Unterlippe herum, wurde jedoch von Ramon dabei unterbrochen, indem er sich einfach zu mir herab beugte und mich zum zweiten Mal für heute küsste. Dieses Mal jedoch länger.
„Du scheinst es ja wirklich darauf angelegt zu haben, Ohrfeigen zu kassieren, so dreist, wie du manchmal bist.“
Ich hatte den Kuss widerwillig unterbrochen und funkelte ihn jetzt von unten herauf an.
„Das ist es mir wert.“
Und er küsste mich erneut. Seine Zunge strich langsam meine Unterlippe entlang, bis ich ihr schließlich Einlass gewährte und er mich lustvoll gegen den Türrahmen drängte. Ich hatte meine Hände gegen seine starken Bauchmuskeln gedrückt und ließ sie jetzt langsam herunter wandern. Erst als ich an seinem Gürtel angekommen war, schnappte er sich meine Hände und grinste mich versaut an.
„Noch nicht, Sternchen. Nicht hier. Schnapp dir lieber schnell deine Sachen und wir verschwinden von hier.“
Der Kuss hatte mir den Boden unter den Füßen weggerissen, sodass ich nur grinsend nicken konnte und ihn wortlos durch die Tür zog. Meine Sachen brauchte ich ja nicht mehr holen. Aber der Weg zu seiner Wohnung war mir gerade viel zu weit.
Als ich gerade die Treppe erklimmen wollte, wurde ich zurück gehalten und gegen das Geländer gedrückt. Nach einem langen, leidenschaftlichen Kuss, bei dem seine Hände zielstrebig unter mein Top wanderten sah er mir schließlich fragend in die Augen.
„Wo willst du denn hin? Ich dachte, wir wollten von hier verschwinden?“
Grinsend drückte ich ihm einen kurzen Kuss auf den Mund und zog ihn an der Hand weiter nach oben. Als wir endlich meine Wohnungstür erreicht hatten, schien er es immer noch nicht verstanden zu haben.
„Ich habe dir doch gesagt, dass mir der Weg zu dir zu lang ist. Deswegen gehen wir heute zu mir.“
Damit stieß ich die Tür auf und zog ihn hinein.
Jetzt, wo er es endlich verstanden hatte, wurde er auch wieder aktiver und drängte sich sofort gegen mich.
„Du hast es wirklich wesentlich kürzer. Da frag ich mich nur, warum wir uns das letzte Mal den langen Weg gequält haben, wo wir es doch so viel leichter haben konnten.“
Lachend ging ich rückwärts in Richtung Bett.
„Du weißt doch, dass du es bei mir niemals leicht haben wirst.“
Seine Hände schoben sich unter meinen Hintern und hoben mich hoch, sodass ich meine Beine um ihn wickeln konnte.
„Und genau das gefällt mir auch an dir.“

Damit setzte er sich mit mir auf seinem Schoß auf sein Bett und verwickelte mich in das Beste Zungenspiel, das ich seit langem hatte. Ungeduldig zerrte ich ihm seine Kleidung vom Leib und kurz darauf landete auch meine auf dem Boden.
Während unsere erste gemeinsame Nacht von ungestillter Begierde bestimmt worden war, ließ er sich dieses Mal mehr Zeit und erkundete meinen Körper genau, womit er mich fast in den Wahnsinn trieb und mich erst nach einer gefühlten Ewigkeit erlöste.

Als ich mich schließlich in seine Arme kuschelte und erschöpft einschlief, stand die Sonne schon am Himmel. Doch dieses eine Mal, machte es mir überhaupt nichts aus.

Benachrichtigung


http://www.bookrix.de/_group-de-buecher-von-myfelix

Wer benachrichtigt werden will, wenn ich eine Fortsetzung geschrieben habe, soll einfach der Gruppe beitreten. Dann muss ich nicht alle anderen mit nervigen Rundmails belästigen, sondern kann nur den Mitgliedern der Gruppe schreiben.

LG
MyFelix

Kapitel 21


Ein lautes Klappern riss mich aus meinen Träumen und ich sah einen halbnackten Ramon in meiner ‚Küche‘ herumwerkeln.
„Was machst du?“
Brummelnd kuschelte ich mich in die Decke, lugte jedoch gerade noch über die Decke um nachzusehen, was den Lärm verursacht hatte. Anscheinend war ihm die Dose Katzenfutter runtergefallen, denn er versuchte gerade, nur in Boxershorts, das verstreute Futter aufzusammeln, bevor mein gefräßiger Kater alles herunter schlang. Währenddessen hob er ihn immer wieder zu Seite, was für Jake allerdings kein Hindernis, sondern nur eine unnötige Störung war und immer mit einem Mauzen quittiert wurde, bevor er sich erneut an Ramon vorbei schlich.
Grinsend beobachtete ich dieses Schauspiel, was noch mehrere Minuten so weiter ging und schließlich darin endete, dass Ramon frustriert aufgab und sich schimpfend neben mich legte.
„Was hast du denn vor gehabt, als die die Dose runter gefallen ist?“
Ich ließ ihn widerwillig unter die Decke, was er mit einem Kuss quittierte.
„Dein Kater hat ständig seinen Kopf gegen meinen Arm gerammt und mich angemauzt. Da wollte ich ihm etwas zu essen geben, damit er ruhig ist.“
Lachend musterte ich meinen kleinen Liebling, der immer noch gierig das Futter herunter schlang.
„Ich habe dich doch gewarnt, dass er keine anderen Männer in meinem Leben will. Er ist da sehr besitzergreifend.“
Grinsend stimmte Ramon mir zu und vergrub mich dann unter seinem Körper.
„Aber jetzt wo du wach bist. Was hältst du von einem späten Frühstück? Eigentlich wollte ich dir etwas ans Bett bringen, aber du hast kein Brot oder keine Brötchen hier und ich wusste auch nicht, was du magst.“
Lachend schob ich ihn wieder von mir herunter und stand auf um meinen Kater davor zu retten, dass er sich selbst überfraß.
Im Gegensatz zu Ramon war ich damit jedoch erfolgreich, da ich ihn einfach auf meine Arme hob und mit ins Bett trug.
„Ich esse meistens direkt zu Mittag, weil ich so lange schlafe. Allerdings kann ich dir im Moment nur Katzenfutter anbieten, weil ich noch keine Zeit oder Motivation zum Einkaufen hatte.“
Lachend schüttelte er den Kopf.
„Nein danke. Ich fürchte dann würde dein Kater mich töten. Ich habe ja jetzt schon den Eindruck, dass er mich höhnisch angrinst, weil du ihn streichelst und nicht mich. Also mit diesem Kater kannst du ja auch gar keine Beziehung führen.“
„Was meinst du, warum ich ihn habe? Nur zu meinem Schutz vor aufdringlichen Kerlen. Und er weiß nur zu gut, dass er gegen jeden anderen Kerl gewinnen würde.“
„Naja, wenn ich ihn jetzt aus dem Fenster schmeißen würde, könnte er sich auch nicht dagegen wehren.“
„Aber ich würde dir dafür den Kopf abreißen!“
„Mh… wenn das so ist müssen wir wohl entweder einkaufen gehen, oder wir gehen einfach in ein Restaurant. Was ist dir lieber?“
Überrascht sah ich ihn an.
„Ich weiß ja nicht, aber gerade fühlt es sich verdammt nach einer Beziehung an, wenn du mir schon das Frühstück ans Bett bringen willst.“
Grinsend beugte er sich zu mir herüber und gab mir einen langen Zungenkuss.
„Glaub mir. Ich bin nur an deiner Laune interessiert, damit ich dich heute Abend vor deiner Schicht noch mindestens zweimal vögeln kann. Ich bin nun einmal Mexikaner und wir brauchen unseren täglichen Sex.“
Lachend stand ich auf und setzte Jake auf die Feuertreppe aus, damit ich sein restliches Fressen einsammeln konnte.
„Den hattest du schon, also solltest du eigentlich zufrieden sein und wieder zu deinem Cousin gehen, oder meinst du nicht? Der macht sich sicherlich Sorgen, dass du nicht zurück kommst.“
„Als mein Cousin das letzte Mal in Mexiko war, mich besuchen, waren wir am ersten Abend zusammen feiern und ich habe ihn erst eine Woche später wieder gesehen, als ich ihn zum Flughafen gebracht habe. In der Zwischenzeit hat er bei irgendeiner Frau geschlafen, die er an dem Abend kennen gelernt hat.“
Ich schüttelte den Kopf und verstaute das Futter wieder in der Dose.
„Ihr seid schon komisch. Aber schlag dir die Idee sofort aus dem Kopf, dass du das gleiche bei mir abziehst. Ich habe im Moment echt keine Lust auf euch Kerle.“
„Das hörte sich heute Morgen aber noch ganz anders an.“
„Ein schwacher Moment. Ich brauchte jemanden, an dem ich mich abreagieren kann. Aber jetzt habe ich die Sache wieder verdrängt und somit keine Lust. Und außerdem treffe ich mich nachher mit meiner besten Freundin und wenn sie das mit dir erfährt, wird sie mich nie wieder in Ruhe lassen, dass ich mir einen Freund suchen soll.“
Grinsend zog er mich rückwärts an sich heran.
„Und wann kommt so ein schwacher Moment wieder?“
„Ich weiß es nicht.“
Er drehte mich um und verwickelte mich erneut in einen langen, sinnlichen Zungenkuss.
„Dann melde dich einfach bei mir, wenn es wieder so weit ist. Oder auch, wenn du Mal mit jemand anderem reden musst. Du hast anscheinend Stress mit einem Kerl und ich kann dir da vielleicht besser helfen als deine Freundin.“
„Warum sollte ich denn mit dir darüber reden? Ich mein, theoretisch kennen wir uns ja kaum.“
„Ich weiß. Aber es spricht doch nichts dagegen, wenn wir uns ein wenig besser kennen lernen. Immerhin werde ich dich diese Woche noch des Öfteren flachlegen. Und dich scheint etwas zu belasten, sodass ich glaube dass es dir sehr gut tun würde mit jemandem darüber zu reden.“
Abweisend zuckte ich mit den Schultern und machte mich aus seinem Griff frei.
„Ich geh jetzt erst mal Joggen. Du weißt ja, wo die Tür ist.“
Ich musste unbedingt einen freien Kopf bekommen. Also zog ich mir eine kurze Sporthose, ein schwarzes Top und meine Laufschuhe an und band meine Haare zu einem hohen Zopf zusammen. Gerade als ich mir mein Handy schnappen wollte, bemerkte ich, dass Ramon es schon die ganze Zeit in der Hand hielt.
„Ey, was machst du? Ich mag es nicht, wenn Leute an mein Handy gehen.“
Er grinste mich entschuldigend an und rückte es auch nach kurzem Zögern wieder heraus. Prüfend betrachtete ich es, doch ich konnte nichts bemerken, was er gemacht haben könnte.
„Ich weiß ja nicht, wie du auf nüchternen Magen joggen kannst, aber trotzdem viel Spaß. Pass auf, dass du in der Sonne nicht umkippst oder von Touristenmeuten überrannt wirst.“
Grinsend drängte er mich auf mein Bett zurück und vergrub mich unter sich, während er mich verlangend küsste und seine Hände gierig über meinen Körper wanderten.
„Oder aber du verlegst den Sport in dein Bett und ich leiste dir dabei Gesellschaft. Ich kenne da so eine Methode, die wesentlich schöner ist als Joggen und dich trotzdem zum Schwitzen bringt.“
„Nein danke. Und jetzt runter von mir, Casanova.“

Lachend verließ ich meine Wohnung und stöpselt mir meine Kopfhörer in die Ohren.
Ich brauchte unbedingt Bewegung, auch wenn nicht gerade unausgelastet war. Doch im Hintergrund nagte zu viel an mir und ich hatte bemerkt, dass Joggen beim Denken unendlich half.
Also schlenderte ich Richtung Strand und begann, wegen der heißen Sonne erst dort mit dem Joggen.
Im Gegensatz zu meinem letzten Besuch am Strand, tummelten sich fast nur Touristen auf der Promenade, sodass meine Joggingtour eher in einen Hindernissparcour um artete, doch als ich die bekannten Plätze erst einmal verlassen hatte, wurde es angenehmer.
Jetzt konnte ich endlich in Ruhe überlegen, doch auch nach einer halben Stunde war ich zu keinem nützlichen Ergebnis gekommen. Ich wusste einfach nicht, wie ich am besten mein Gespräch mit Taylor verdrängen konnte um mich auf die aussichtslose Jobsuche zu konzentrieren.
Es war jetzt schon Donnerstagnachmittag und es hatte sich niemand gemeldet.
Und wahrscheinlich würde dies auch niemand mehr tun.
Es war vielleicht auch keine gute Idee gewesen, meinen letzten Job als Referenz anzugeben, denn so sauer, wie Taylor sicherlich im Moment auf mich war, würde er niemandem empfehlen mich einzustellen.

Er hatte es mal wieder geschafft, meine gute Laune zu vertreiben. Und dieses Mal war auch kein Ramon da, der mich ablenken konnte, wie ich feststellte, als ich meine Wohnung wieder betrat.
Ich wollte zwar keine Beziehung, aber es war schön einmal nicht so alleine zu sein. Auch wenn es nur für eine Woche war.
Also kuschelte ich mich nach dem Duschen mit einer Packung Eis und Jake auf mein Bett und bedauerte frustriert mein beschissenes Leben, bis ich wieder arbeiten musste.

Doch diesen Abend tauchte Ramon nicht auf und ich überlegte, ob ich ihn jetzt endgültig vertrieben hatte, wobei mir Larissa nur zustimmte. Und zu meinem Ärger machte es mich sogar ein wenig traurig. Also entschied ich mich nach meiner Schicht dagegen, mit ihr etwas weiter zu feiern und schlurfte lustlos zurück zu meiner Wohnung.
„Was tust du denn hier?!“
In meiner Müdigkeit hatte ich die Person vor meiner Tür übersehen und war schnurstracks in sie herein gelaufen.
„Was denkst du denn, Sternchen. Du siehst so erschöpft aus, das habe ich geahnt und wollte dich etwas aufmuntern.“
Er nahm mir den Schlüssel aus der Hand und trat ungefragt in meine Wohnung ein.
Sein Körper steckte dieses Mal in einer zerrissenen Hose und einem weit ausgeschnittenen Shirt, was jetzt wirklich nicht mein Geschmack war. Doch irgendwie passte es zu ihm.
„Willst du mich mit deinem Ausschnitt darauf hinweisen, dass meiner dir zu klein ist, oder was soll das Shirt?“
Lachend ließ er seinen Blick auf meine Brüste wandern und zog mich sanft an sich.
„Das gehört meinem Cousin aber wenn du es so sehen willst, könnte ich es angezogen haben, damit du es mir sofort vom Körper reißt oder deinen Ausschnitt vergrößerst, indem du dir das Top einfach ausziehst.“
Gespielt empört schnaubte ich und machte mich von ihm los.
„Denkst du wirklich ich würde mich einfach so ausziehen und mit dir schlafen, obwohl du dir heute noch nicht einmal die Mühe gemacht hast, mich während meiner ganzen Schicht anzubaggern?“
„Hast du mich etwa vermisst und siehst deswegen so frustriert aus?“
„Nein. Das liegt an etwas anderem, aber das geht dich auch nichts an.“
Jetzt wo er mich daran erinnerte, war meine Schlechte Laune schlagartig wieder da.
„Hey, Sternchen. Was ist denn los?“
Besorgt kam er auf mich zu, doch ich schubste ihn wieder weg.
„Nichts. Und jetzt hau ab. Ich will alleine sein.“
„Nein. Dir scheint es nicht gut zu gehen und die Packung Eis, die du heute aus Frust gegessen hast, habe ich auch nicht übersehen. Und da es nichts bringt, wenn du das alles in dich herein frisst, werde ich dich jetzt einfach ablenken. Ob du willst oder nicht.“
Damit schnappte er sich mich und warf mich einfach so auf mein Bett. Dort kitzelte er mich so gründlich durch, dass ich vor Lachen schon weinen musste und ihn anflehte aufzuhören.
Zufrieden grinsend beugte er sich erneut über mich und küsste mich sanft.
„Glaub mir. Ich werde diese Woche nicht mehr zulassen, dass du so deprimiert bist, wie heute. Und wenn du mich schlägst, du wirst mich nicht mehr los.“

Kapitel 22


Und er hielt sein Versprechen. Die ganze Woche lang, ließ er mich nicht mehr in Ruhe. Er hatte sich meine Handynummer aus meinem Telefon geklaut und wenn er gerade Mal nicht da war, hatte er immer dafür gesorgt, dass ich etwas mit Larissa unternahm.
Jeden Abend vor meiner Schicht sahen wir uns einen Film an, zu dem er immer etwas zu Essen mitbrachte. Und nach meiner Schicht wartete er immer vor meiner Haustür. Dann massierte er mir die Füße, ließ sich davon erzählen und danach durfte ich mich in seine Arme kuscheln. Dass ich alleine nicht so gut schlafen konnte, hatte er sehr schnell herausgefunden und übernahm nun jede Nacht den Part meines Kuscheltiers.
Das komische aber war, dass wir seit der Nacht, wo er mir dies versprochen hatte, nicht mehr miteinander geschlafen hatten. Wenn er mich küsste, dann nur auf die Stirn oder Wange.
Im Großen und Ganzen hatte sich unsere Beziehung zueinander so grundlegend geändert, dass ich es mir noch nicht einmal wünschte. Er war einfach innerhalb von einem Tag zu meinem besten Freund geworden.
Er hatte mich zudem auch überredet, ihm alles von mir zu erzählen. Sogar die Gründe, warum ich in letzter Zeit so schlecht gelaunt war. Und ich musste sagen, dass er ein wirklich guter Zuhörer war. Es reichte sogar einfach, wenn ich meinen Kopf einfach auf seinen Bauch legte und redete, ohne dass er irgendetwas tun musste.
Im Gegenzug dazu, hatte er mir auch etwas von sich erzählt.
Er war hier in Barcelona geboren und dann mit 15 Jahren nach Mexiko ausgewandert. Sein Vater hatte eine große Firma, die irgendetwas mit Computern anstellte und anscheinend sehr erfolgreich war. Dessen Vize-Chef würde er bald werden, da sein Vater sich immer mehr aus dem Geschäft zurückziehen wollte. Ramon war 25 und liebt Fußball über alles. Das bemerkte ich schon daran, wie sehr er sich auf das Barcelona Spiel am Samstag freute und mich auch unbedingt mitnehmen wollte. Schließlich ging mir seine Bettelei so auf die Nerven, dass ich zusagte und deswegen Samstagnachmittag in einem riesigen, vollgepackten Stadion stand und mir die Seele aus dem Leib schrie. Ich hatte nämlich gemerkt, dass Fußball in Wirklichkeit doch nicht so langweilig war, wenn man die Regeln mal verstanden hatte. Und die gutaussehenden Spieler taten wahrscheinlich ihr Übriges dazu.
Außerdem war die Stimmung einfach so genial, dass man gar nicht anders konnte als mitzusingen!
Und als Barcelona dann endlich das erste Tor schoss wurde die Stimmung noch besser und ich lag mir mit Ramon glücklich springend in den Armen.
„Und habe ich dir zu viel versprochen, Sternchen?“
Grinsend schüttelte ich den Kopf und überlegte, mir vielleicht ab jetzt öfter die Mannschaft meiner neuen Heimat anzusehen. Denn ihre Spielart war einfach einmalig und genial anzusehen!

Als das Spiel endlich vorbei war stand ich glücklich zwischen Ramons Cousin und seinen Freunden und trank ein Bier auf den tollen Sieg von Barcelona. Ramon hatte sich grinsend aus dem Staub gemacht und nur irgendetwas von einkaufen gemurmelt. Wahrscheinlich wollte er sich ein Trikot kaufen, so wie er von ihnen während des Spiels geschwärmt hatte.
Und ich hatte tatsächlich Recht, denn 10 Minuten später tauchte ein selig grinsender Ramon in einem neuen Barcelona Trikot auf.
„Du kannst manchmal so kindisch sein! Du guckst, als hättest du gerade im Lotto gewonnen und das nur, weil du dir ein Trikot gekauft hast!“
„Pass auf was du sagst, Sternchen. In ein paar Minuten wirst du das noch bitter bereuen!“
Lachend gab ich ihm sein Bier wieder, was er jedoch grinsend seinem Cousin weiter gab und mir meines ebenfalls abnahm.
„Mach die Augen zu!“
„Warum sollte ich?“
Frech grinste ich ihn an, wurde dann jedoch so durchgekitzelt, dass ich lachend gehorchte und meine Augen brav schloss.
„Jetzt kommt die grausame Strafe des Ramon Aravello! Hände hoch!“
Ich musste noch mehr lachen, doch ich gehorchte.
Und sofort bereute ich es, denn zwei seiner Freunde nahmen meine Hände, sodass er mich weiter durchkitzelte bis ich fast keine Luft mehr bekam.
„Und? Hast du deine Meinung bezüglich des Trikots geändert?!“
„Ja. So ein Trikot ist ein Geschenk des Himmels und wesentlich besser als ein Lottogewinn. Man sollte sich wirklich einen Keks freuen, wenn man so eines tragen darf!“
„So ist gut. Vor Allem sollte man sich freuen, wenn man auch noch das Trikot des besten Fußballers der Welt tragen darf.“
„Du und dein Messi. Ich finde Fabregás viel besser. Aber trotzdem ist deine gute Laune berechtigt, mein Meister.“
Lachend verbeugte ich mich aus Spaß vor ihm, was er pikiert zur Kenntnis nahm.
„Du bist wirklich frech! So freche Mädchen haben so etwas gar nicht verdient. Aber ich bin so gütig und verzeihe dir trotzdem. Jetzt nimm deine Hände hoch und schließ die Augen, damit ich die verzeihen kann.“
„Nein! Ich lass mich doch nicht schon wieder durchkitzeln! Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“
„Sternchen, ich habe so viel gegen dich in der Hand und als mächtiger Mann kenne ich da einen anderen Firmenchef, mit dem ich mich zu gerne mal unterhalten würde.“
„Du kennst doch seinen Namen gar nicht!“
„Ja aber ich kann meinen Cousin zu Larissa schicken, da ich weiß dass sie ihn unendlich scharf findet und ihm wird sie den Namen sicherlich nennen.“
„Du kannst ein richtiges Arschloch sein, weißt du das eigentlich?“
„Du erinnerst mich täglich daran, also los! Augen zu!“
Widerwillig fügte ich mich und bereitete mich schon auf eine weitere Kitzel Attacke vor, doch entgegen meiner Erwartungen wurde mir plötzlich etwas über den Kopf gezogen.
Verwirrt öffnete ich die Augen und entdeckte einen zufrieden grinsenden Ramon, der mir gerade ein verdammtes Barcelona Trikot angezogen hatte, was sogar perfekt passte.
„Du…Also wow! Aber…das geht nicht! Ich meine…Das ist viel zu teuer“
„Ich habe schon genügend Geld, dass ich meinem Sternchen ein mickriges Trikot schenken kann! Und normalerweise sagt man auch ‚Danke‘, wenn man ein Geschenk bekommt.“
„Aber…“
„Sag danke, oder ich kitzle dich, bis du umfällst.“
Drohend grinsend sprang er auf mich zu und hielt mich fest, sodass ich schon so lachen musste.
„Das ist Erpressung! Aber trotzdem danke, du Arsch. Du weißt doch, dass ich Geschenke hasse!“
„In Wirklichkeit magst du sie. Du bist nur zu stolz sie anzunehmen. Und wenn ich höre, dass du das Trikot nicht anziehst, dann werde ich persönlich zurückkommen und dich bestrafen!“
„Pass auf, was du sagst. Auf einmal mach ich es nur, damit ich dich nochmal wieder sehe.“
Grinsend umarmte ich ihn trotzdem und er gab mir zufrieden einen Kuss auf die Stirn.

„Also wenn ich euch zwei so sehe, kann ich irgendwie nicht glauben, dass ihr echt nichts mehr miteinander habt. Ihr seid doch komisch!“
Sein Cousin musterte uns skeptisch und schüttelte den Kopf.

Aber irgendwie musste ich ihm auch zustimmen.

An diesem Abend kamen sie auch alle wieder in den Club und ich verbrachte jede mögliche Sekunde bei ihnen, die ich aufbringen konnte.
Ramon war einfach ein Glückstreffer für mich. Selbst die Tatsache, dass ich immer noch keine Rückmeldung auf meine Bewerbung bekommen hatte, schien nur nebensächlich. Allerdings befürchtete ich, dass mich die Frustration wieder einholen würde, wenn er am Mittwoch wegfliegen würde. Aber diesen Gedanken verdrängte ich einfach. Meine zwei freien Tage würde ich noch mit ihm genießen und ihn dann Mittwochmittag in den Flieger setzen. Danach konnte ich mir immer noch Gedanken um meinen Job machen.

Am Montag gingen wir zusammen shoppen und Ramon ließ sich nicht davon abbringen, mir auch etwas zu kaufen, wofür ich mich mit einem selbstgekochten Abendessen revangierte. Den Nächsten Tag verbrachten wir am Strand, wo wir die Sonne genossen und im inzwischen sehr kühlen Wasser tobten. Doch dann kam auch schon der Mittwoch und ich begleitete ihn und seinen Cousin zum Flughafen. Als ich den Platz davor erblickte, musste ich unweigerlich wieder an den Tag mit Taylor denken, an dem unser Fahrer nicht kommen konnte und wir mit dem Motorrad gefahren waren. Doch die aufkommende Wut auf meinen ehemaligen Chef verdrängte ich erneut, da ich mich bald von meinem besten Freund verabschieden musste und jede Sekunde noch genießen wollte.

„So, Sternchen. Jetzt ist es wohl so weit.“
Traurig umarmte ich ihn und musste sogar gegen die Tränen kämpfen.
„Ich werde dich vermissen!“
„Ich dich doch auch. Aber jetzt hör auf zu weinen. Es ist ja nicht so, dass du mich nie wieder sehen wirst. Ich hab dir zwar mal versprochen, dass ich dich ab heute in Ruhe lasse aber dieses Versprechen werde ich nicht einhalten. Ich hab doch deine Nummer und ich verspreche dir, dass ich mich melden werde, wenn ich Zeit habe. Wir können also weiterhin reden und wenn du dir endlich mal einen Computer anschaffen würdest, könnten wir sogar über Skype telefonieren. Dann können wir uns auch sehen. Ich werde dich schon nicht vergessen.“
„Das heißt, wir können telefonieren? Auch öfters? Mir werden die Gespräche mit dir so fehlen.“
„Na klar. Ich muss dich doch auch weiterhin bei Laune halten. Sonst läufst du auf einmal noch in einer gewissen Firma Amok.“
Lachend stimmte ich ihm zu und drückte ihn noch einmal extra feste.
„Ich muss jetzt, aber ich komme auf jeden Fall wieder! Es gibt ja immerhin noch Geschäftsreisen und so was. Da werde ich schon genügend Zeit für meine beste Freundin aufbringen können!“
Er küsste mich auf die Stirn und verabschiedete sich dann von seinem Cousin. Dann durquerte er die Sicherheitskontrolle und verschwand winkend hinter der nächsten Ecke.
Ich konnte meine Tränen kaum noch zurückhalten, als mir plötzlich ein Taschentuch vor die Nase gehalten wurde.
„Egal was ihr zwei sagt, ich glaub euch einfach nicht, dass ihr nur noch befreundet seid.“
Lachend sah ich Ramons Cousin an und folgte ihm dann zu seinem Auto.

Ab jetzt würde wieder der normale Alltag über mir zusammenbrechen und ich hatte nur noch Larissa, die mir dabei helfen konnte.
Ich war – mal wieder – alleine.

Kapitel 23


Inzwischen waren zwei Monate vergangen.
Ich konnte immer noch nicht gut alleine und tagsüber schlafen.
Jeden Mittag fiel es mir schwerer aus dem Bett zu kommen.
Und einen neuen Job hatte ich auch nicht.

Dementsprechend frustriert saß ich in Marcels Café und trank einen wunderbar heißen Kaffee. Denn inzwischen war der Herbst gekommen und man musste sich wieder dicker anziehen. Man konnte nicht mehr draußen sitzen, ohne Decke. Und die Tage wurden immer kürzer.
Ich hasste den Herbst und den Winter!

„Stella, Süße. Du guckst schon wieder so traurig. Der Herbst ist nicht gut für dich! Nimm dir doch Urlaub und fahr in den Süden! Dort ist es noch etwas wärmer.“
„Wie soll ich das denn machen, Marcel? Als Kellnerin hat man keinen Urlaub und außerdem kann ich mir das auch gar nicht leisten.“
„Hast du immer noch keinen neuen Job gefunden?“
„Nein. Und das werde ich wahrscheinlich auch nie schaffen. Deswegen habe ich es jetzt aufgegeben.“
Frustriert biss ich in meinen Muffin.
„Aber du kannst doch so viele Sprachen. Das muss doch helfen!“
„Nicht, wenn man es nicht nachweisen kann.“
Grübelnd rieb Marcel sich das Kinn und meine Gedanken schweiften wieder ab.

Ramon hatte es auch nicht verstehen können, dass ich die Jobsuche aufgegeben hatte.
Wir telefonierten jeden Tag, wenn auch meistens nur kurz, da er durch seine neue Position sehr viel Stress im Moment hatte. Doch selbst in diesen wenigen Minuten schaffte er es, mich ein wenig aufzumuntern, obwohl es nicht das gleiche war, wie wenn er neben mir saß.
Er wollte sich auch als Referenz anbieten, doch das wäre nur gelogen gewesen und ich hatte es mich nicht getraut.
Also hatte ich meinen Traum von anderen Arbeitszeiten endgültig aufgegeben, da ich mir die vielen Bewerbungsmappen auch – vor allem im Winter – nicht leisten konnte.

„Was hast du noch mal bei deiner letzten Stelle gemacht?“
Marcel riss mich aus meinen Gedanken und ich musste erst einmal überlegen, was er meinte.
„Ich habe Texte übersetzt und ein wenig die Sekretärin gespielt.“
„Hm..“
„Naja. Ich muss jetzt auch mal wieder gehen. Ich treffe mich gleich mit Larissa.“
„Bestell ihr schöne Grüße und viel Spaß euch zwei!“
„Danke. Ciao!“

In meine Lederjacke gekuschelt machte ich mich auf den Weg zu ihr und freute mich auf den Filmeabend, den wir heute machen wollten. Alle 5 Fast and Furious Teile hintereinander gucken. Es waren immerhin unsere Lieblingsfilme.
Wir kuschelten uns mit Finn aufs Sofa, der erstaunlich aufmerksam mitguckte, tranken dabei Wein und aßen Pizza. Nicht gerade passend, aber es machte Spaß.
Lediglich die Tatsache, dass ich um 3 Uhr Nachts noch den langen Weg durch die Stadt zu meiner Wohnung laufen musste, dämpfte schließlich wieder meine Laune.
Auf meinem Weg kam ich auch wieder an Taylor Technologies vorbei und mir fiel auf, dass ich den Camaro schon lange nicht mehr gesehen hatte. Wahrscheinlich war Taylor wieder in England oder Frankreich, was mir nur Recht war. Ich ihn hatte seit unserem Streit nicht mehr gesehen und war glücklich darüber. Ich hatte damit abgeschlossen und auch kein Problem mehr damit, an seiner Firma vorbei zu gehen, was mir einen großen Umweg ersparte.
Eigentlich war ich sogar relativ zufrieden, denn ich hatte ihm endlich mal meine Meinung gesagt, ihn angeschrien und obwohl er es nicht verstanden hatte, war die Sache für mich jetzt erledigt.

Endlich zu Hause angekommen, legte ich mich fröstelnd unter die Decke und schlief unruhig ein.
Am nächsten Tag musste ich wieder arbeiten, doch es waren nicht mehr so viele Touristen da, sodass die Arbeit auch nicht mehr so anstrengend war. Ich konnte wieder mehr mit Larissa und Roberto, dem Barkeeper, lachen.
Am Nächsten Tag hatte ich jedoch wieder einen totalen Durchhänger und hielt mich mit Unmengen an Kaffee wach. Da ich aber auch nicht den ganzen Tag in der Wohnung hocken wollte, setzte ich mich wieder zu Marcel ins Kaffee.
Dieser kam jedoch sofort auf mich zu geeilt und erzählte mir grinsend er habe eine Überraschung für mich.
„Komm am Freitag um 3 Uhr in mein Café. Am besten etwas schicker angezogen. Ich habe eine große Überraschung für dich!“
Mit mehr wollte er einfach nicht herausrücken.
Also trank ich ungeduldig meinen Kaffee und verbrachte auch die nächsten Tage damit ihn zu löchern, was für eine Überraschung dies sei. Bis es endlich Freitag war.

Ich hatte mir extra einen Wecker auf 12 Uhr gestellt, damit ich auch ja pünktlich kam. Eine Kanne Kaffee später stand ich dann nur noch vor dem Problem, was ich anziehen sollte. Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, da ich auch nicht wusste, was er mit mir vorhatte.
Doch Larissa konnte ich nicht fragen. Sie war bei ihren Eltern und diese hassten es, wenn sie ständig telefonierte. Also blieb mir nur Ramon übrig, den ich jetzt aus dem Bett klingeln würde, aber das war mir egal.
„Stella, warum zu Hölle rufst du mich mitten in der Nacht an?! Ich hoffe es ist wichtig!“
Mein bester Freund schien sehr gut gelaunt zu sein, so wie er mich anknurrte.
„Ich weiß nicht was ich anziehen soll.“
Da legte er auf.
Wütend starrte ich mein Telefon an.
Dieser Idiot.
Ich rief ihn erneut an.
„Echt jetzt? Ich muss in ein paar Stunden schon wieder aufstehen und will SCHLAFEN!“
„Ich brauch ja auch nicht lange. Nur eine kurze Meinung.“
Entschuldigend grinste ich mein Handy an, bis mir auffiel, dass Ramon dies ja gar nicht sehen konnte.
Ich brauchte unbedingt noch einen Kaffee!
Schnaufend stimmte Ramon allerdings gerade zu und ich erklärte ihm kurz mein Problem.
„Ihr Frauen seid echt schlimm! Zieh eine schwarze Jeans und eine Bluse an. Das kommt nie schlecht. Und jetzt lass mich gefälligst weiter schlafen. Wenigstens das bist du mir schuldig.“
Damit legte er erneut auf, bevor ich mich überhaupt bedanken konnte. Doch ich hatte so lange vor meinem Schrank gegrübelt, dass ich keine Zeit hatte ihn noch einmal anzurufen.

Schnell zog ich besagte Klamotten zu meinen schwarzen Adidas an und schminkt mir noch leicht die Augen. Währenddessen kochte ich mir noch einen Kaffee für unterwegs und verließ mit meiner neuen grauen Lederhandtasche das Haus. Ich hatte sie mir zum Trost gekauft, dass ich keinen anderen Job fand und außerdem war sie im Angebot gewesen.

Also stiefelte ich neugierig zu Marcel, der alleine in seinem Café saß und Kaffee trank.
„So. Sagst du mir jetzt bitte, was das für eine Überraschung ist? Ich platze schon fast vor Neugierde!“
Lachend stellte er mir erst einmal einen Kaffee vor die Nase und setzte sich mir gegenüber an den kleinen Tisch.
„Naja. Du warst so traurig, wegen deinen Bewerbungen. Da habe ich mir erlaubt einen Bekannten, der mir noch einen Gefallen schuldet, von dir zu erzählen.“
„Wie bitte?!“
Überrascht lehnte ich mich zurück und starrte ihn an.
Ich hatte ja mit viel gerechnet, aber nicht damit.
Verlegen rieb der Spanier sich die Hände und grinste mich an.
„Weißt du. Er ist der Chef einer großen Firma und ich habe ihn einfach mal gefragt ob er jemanden gebrauchen kann, der so etwas wie Sekretärin oder Übersetzer ist. Immerhin ist seine Firma auch international vertreten und nicht nur hier in Spanien. Und er meinte, er könnte sich meine Freundin ja mal ansehen. Vielleicht hätte er eine Stelle für sie. Die Tatsache, dass du keine richtigen Qualifikationen vorweisen kannst, fand er zwar auch nicht so gut. Aber er meinte, das würde er für mich vielleicht vernachlässigen, wenn ich so von dir überzeugt bin.“
„Oh, Marcel. Das hättest du doch nicht tun müssen!“
„Doch! Ich mag es nicht, wenn du immer so traurig in meinem Café sitzt. Und er schuldet mir, wie gesagt, noch einen Gefallen. Außerdem hilft man sich doch untereinander als Freunde. Du hast schon so oft Werbung für mich gemacht und jetzt helfe ich dir dafür bei der Jobsuche! Das ist doch Ehrensache!“
Grinsend dankte ich ihm. Vielleicht war es ja gar nicht so schlecht. Schließlich brauchte ich vor Allem im Winter mehr Geld und andere Arbeitszeiten würden mir wirklich gut tun.
Wenn ich den Job wirklich bekommen würde, müsste ich mich unbedingt bei ihm bedanken!

„Oh da kommt er ja auch schon!“
Grinsend stand Marcel auf, der in Richtung Tür gesessen hatte, und ich drehte mich neugierig um, bis ich zu Salzsäule erstarrte.
„Stella?!“

Mein Leben hasste mich wirklich!

Kapitel 24


Ungläubig starrte ich mein Gegenüber an, was genauso überrascht zurück blickte.
„Ihr kennt euch schon?“
Ein genauso überraschter Marcel mischte sich ein und blickte fragend zwischen uns her.
„Ja leider. Das ist der Arsch, der mich gefeuert hat... Ich bin dann jetzt auch mal wieder weg. Ciao, Marcel.“
Fest entschlossen stand ich auf und packte meine Tasche.
Das konnte doch echt nicht wahr sein, dass Marcel unbedingt mit Taylor befreundet sein musste!
Ich hatte mich schon so auf einen neuen Job gefreut.

Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, ging ich auf die Tür zu, vor der er leider noch stand, und griff entschlossen an ihm vorbei zum Griff.
„Warte doch.“
Seine Hand ergriff meinen Arm, doch ich schüttelte sie sofort wieder ab.
„Nimm deine Hände weg und lass mich gefälligst durch.“
Ich versuchte ruhig zu bleiben, obwohl es in mir vor Enttäuschung und Wut kochte.
Enttäuschung, weil ich diesen Job nie bekommen würde, von dem Marcel geredet hatte. Und Wut, weil Taylor mir schon wieder etwas versaut hatte.
Dass er sich gerade auch noch demonstrativ gegen die Tür lehnte, sodass ich nicht die geringste Chance hatte, sie zu öffnen, steigerte meine Laune auch nicht wirklich.
„Verdammt noch mal, was willst du von mir?! Lass mich doch einfach in Ruhe!!“
Erbost schaute ich ihm doch ins Gesicht und wurde von einem leichten Grinsen begrüßt. Ihm machte es anscheinend auch noch Spaß mich so wütend und verzweifelt an der Tür rütteln zu sehen.
„Ich will mit dir reden. Setz dich doch hin. Bitte.“
Er packte mich an den Schultern, was mich noch wütender machte, sodass ich schnell von ihm weg sprang.
„Ich hab gesagt, du sollst die Finger von mir lassen!“
Ich knurrte es ihm fast entgegen und sah dabei wohl so wütend aus, dass sogar Marcel sich wieder einmischte.
„Na komm Stella. Er scheint es doch ernst zu meinen, mit dem reden. Setz dich doch einfach hin und ich bin sicher, er spendiert dir noch einen Kaffee und einen Muffin.“
Vorsichtig kam er auf mich zu, doch ich schnaubte nur ungläubig.
„Vielleicht will ich ihm aber einfach nicht zuhören. Wir haben schon mal geredet und das hat so geendet, dass er mich beschimpft hat und ich ihn. Darauf kann ich gut verzichten. Zwischen uns ist alles gesagt worden. Und einen Kaffee oder einen Muffin nehme ich erst recht nicht von ihm an!“
Er packte mich sanft an den Schultern und manövrierte mich langsam auf meinen Stuhl.
„Dann gebe ich dir das ganze aus, denn du siehst aus, als könntest du es gebrauchen. Und wenn du damit fertig bist, werde ich dich auch nicht daran hindern zu gehen. Mike auch nicht. Also was hast du zu verlieren?“
Abwehrend verschränkte ich die Arme vor der Brust, setzte mich dann jedoch fluchend hin.

Einem Kaffee und einem Muffin konnte ich selten widerstehen.
Vor Allem, wenn sie umsonst waren.

Als Taylor sich dann allerdings mir gegenüber an den Tisch setzte, geriet mein Beschluss gefährlich ins Wanken. Doch da kam auch schon Marcel mit meinem Lieblings Muffin, sodass ich erst einmal abgelenkt war.
„Bitte, ich will nur mit dir reden. Bei unserem Gespräch hast du nämlich Dinge gesagt, die ich nicht verstanden habe.“
Wütend starrte ich ihn an, doch ich hatte beschlossen kein Wort zu sagen. Zudem kam gerade auch mein Kaffee mit extra viel Schaum.
„Du sagtest, dass du die Arbeit gar nicht schaffen konntest, obwohl du den ganzen Tag hart gearbeitet hast. Das konnte ich nicht nachvollziehen, da du in Paris genauso viel arbeiten musstest und es dort wesentlich schneller geschafft hast. Und auch in London warst du eigentlich schnell, wenn man mal deine Pausen abgezogen hat. Doch du hast die Fristen immer locker eingehalten. Auch, wenn ich sie eigentlich meistens sehr knapp gesetzt habe. In Spanien konnte ich das ganze allerdings nicht so genau kontrollieren, wie viele Stunden am Tag du arbeitest. Und da wir schon am ersten Tag das Missverständnis hatten, bezüglich deiner Arbeitsmoral, war ich wahrscheinlich ziemlich voreingenommen. Doch du sagtest, dass du neben den Ordnern auch viele Briefe und andere Sachen übersetzen musstest. Das kann aber gar nicht sein.“
Ich ertränkte meine aufbrausende Antwort regelrecht in einem riesigen Schluck Kaffee, wobei ich mir auch noch die Zunge verbrannte. Doch wenigstens konnte ich mich so weit zurück halten, dass ich ihn nur weiterhin wütend anstarrte.

Er hatte die Hände auf den Tisch gelegt und rührte seine Tasse kein einziges Mal an. Ununterbrochen blickte er mir dafür in die Augen. Fast schon bittend, dass ich ihm weiter zuhöre. Doch er würde sich beeilen müssen, denn es war nicht mehr viel übrig von meinem Muffin. Und wenn er weiter so eine scheiße laberte, würde ich ihm auch noch eine reinhauen müssen.
Wo Marcel war, konnte ich nicht sagen. Wahrscheinlich hatte er sich in die Vorratskammer zurückgezogen um uns unsere Ruhe zu lassen. – Umso besser! Dann könnte mich niemand daran hindern!

„Naja. Ich dachte, du wärst nur zu stolz und arrogant um zuzugeben, dass du einfach zu viel gefaulenzt hast. Mir war es nämlich schon öfter passiert, dass die Frauen, mit denen ich geschlafen hatte, sich darauf so viel einbildeten. Eigentlich hatte ich auch gedacht, dass du anders warst…“
„Ich bin auch anders! Und wenn du mich jetzt weiterhin beschimpfen möchtest, dann ziehe ich es vor direkt zu gehen.“
„Nein! Bleib bitte noch etwas! Ich bin noch nicht fertig mit reden. Nach unserem Zusammenstoß am Strand kam ich nämlich ins Grübeln. Mir fiel nämlich kein Grund ein, warum du immer noch so vehement behaupten solltest, dass es nicht deine Schuld war, obwohl du doch offensichtlich nichts mehr mit mir zu tun haben wolltest. Du wolltest ja sogar weglaufen, was ich nie von dir gedacht hätte. Also habe ich mal auf deinem alten Laptop nachgesehen und bemerkt, dass du recht hattest.“
Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch.
Er hatte es tatsächlich eingesehen?!
Es geschehen noch Zeichen und Wunder!

„Meine Sekretärin hat dir fast doppelt so viele Dokumente geschickt, wie sie sollte. Und vor Allem auch noch Dinge, die ich eigentlich ihr selbst aufgetragen hatte. Also habe ich sie damit am nächsten Tag konfrontiert, da ich eine Vermutung dazu hatte. Du musst wissen, dass ich nämlich, ungefähr ein halbes Jahr, bevor ich dich kennenlernte, ein Verhältnis mit ihr hatte. Allerdings nur sehr kurz. Und seitdem war sie anscheinend so verzweifelt, dass sie bereit war, alles zu tun, damit ich wieder zu ihr zurück kam. Natürlich hatte ich bemerkt, dass sie ständig mit mir flirtete, doch ich habe ihr öfters gesagt, dass das zwischen ihr und mir vorbei war. Und als du dann kamst ist sie völlig durchgedreht. Sie hat mir erzählt, dass sie so eifersüchtig auf dich war, weil du ständig mit mir zusammen warst und sie mitbekommen hatte, dass wir uns in London auch noch ein Zimmer geteilt hatten mit nur einem Doppelbett. Sie dachte, wir wären ein Paar und weil sie keine andere Idee hatte, dich mir auszuspannen, hat sie dir einfach viel mehr Arbeit gegeben, als du eigentlich machen musstest. Und wenn du es dann ihr zugeschickt hattest, hat sie es extra noch einmal überarbeitet, damit viele Fehler darin waren, die ich auf jeden Fall bemerken würde.“
„Wie bitte?!“
Ungläubig starrte ich ihn an und hätte fast lachen müssen, vor Ironie. Das konnte doch einfach nicht wahr sein!

„Ja…Sie wusste, dass ich nach kurzer Zeit ausrasten würde. Und um das zu beschleunigen, hat sie mir auch noch extra viele Termine gemacht, damit ich allgemein schlechter gelaunt war. Naja. Und als du dann den Kaffee über den Ordner geschüttet hattest, wurde es einfach zu viel…“

Schweigend saßen wir vor einander und er blickte mich entschuldigend an.
Immer noch ungläubig schüttelte ich jedoch den Kopf.
„Das heißt, ich wurde gefeuert und auf der Straße ausgesetzt, nur weil du deine Sekretärin flach gelegt hast und sie nicht damit klar kam?! Willst du mich verarschen?!“
„Nein. Und es tut mir wirklich leid! Ich hätte einfach früher bemerken müssen, dass sie immer noch nicht darüber hinweg war und sie nicht erst jetzt feuern sollen. Und dass du darunter leiden musstest, macht das Ganze noch viel schlimmer.“
„Wie wäre es, wenn du einfach nicht alle deine Angestellten vögeln würdest?! Dann würde es auch nie zu solchen Problemen kommen!!“
Ich fuhr mir durch die Haare und warf das letzte Stück Muffin ein.
„Weißt du, was ich alles habe durchmachen müssen deswegen?! Meine gottverdammte Familie hat mich rausgeschmissen, weil du nicht zugelassen hast, dass ich mit ihnen rede! Ich war mutterseelenallein in Paris! Und das nur, weil du Mistkerl einfach unfähig bist dich für eine Frau zu entscheiden, sondern dich stattdessen durch die Weltgeschichte vögelst und so viele Herzen wie möglich brichts!“
„Hätte ich gewusst, dass deine Familie dich nicht mehr zurück nehmen würde…“
„Das war vorhersehbar! Ich habe in teuren Hotels gelebt und Markenklamotten getragen, während sie gehungert haben. Das würde nur ein herzensguter Mensch verzeihen können und das ist meine Familie auf keinen Fall!“

„Es tut mir doch leid!“
„Es tut dir Leid?! – Weißt du was? Das geht mir am Arsch vorbei! Und ich hasse dich!“
Kochend vor Wut stand ich auf und packte erneut meine Tasche. Ein letztes Mal riss ich mich zusammen und sah ihm wütend in die Augen.
„Ich habe es geschafft mir ein neues Leben aufzubauen. Ohne meine Familie. Ich hab einen Job und eine Wohnung. Also tu mir bitte den Gefallen und versau mir das nicht auch wieder! Lass mich einfach in Ruhe und verschwinde aus meinem Leben!“
Ich drehte mich um, doch er packte mich erneut am Arm.
„Nein! Warte! Ich habe doch schon gesagt, dass ich meine Sekretärin gefeuert habe. Und außerdem bin ich hier, weil Marcel mir gesagt hat, dass eine Freundin von ihm einen neuen Job braucht, weil ihr derzeitiger sie zu sehr beansprucht.“
„Ich brauche keine Almosen mehr von dir. Lass mich einfach in Frieden...“
„Nein. Ich habe nämlich vor einigen Wochen deinen Nachfolger gefeuert. Und bevor ich wieder wochenlang Bewerbungsgespräche tätigen muss, nehme ich doch viel lieber dich, wo ich schon weiß, dass du gut in dem Job bist.“
„Vergiss es! Auch ich habe noch meinen Stolz und nachdem, was du abgezogen hast, habe ich keine Lust auf einen Job bei dir.“
„Überleg es dir doch noch einmal. Jetzt, wo ich weiß, dass nicht du Schuld an deinem Rauswurf warst, steht dir auch noch eine Entschädigung von der Firma zu.“
Zynisch lachte ich auf.
„Versuchst du mich gerade zu erpressen?“
„Nein! Das Geld bekommst du auch so. Ich brauche nur deine Kontonummer oder du musst in die Firma kommen, dann erhältst du es sofort. Aber überleg es dir doch trotzdem noch mit dem Job. Soweit ich das beurteilen kann, hat er dir immer Spaß gemacht. Und bei deinem jetzigen Job scheint dies nicht der Fall zu sein. Außerdem hat Marcel mir erzählt, dass du keine Zeugnisse vorweisen kannst und deswegen niemand auf deine Bewerbungen eingeht. Was hast du also zu verlieren? Deinen Stolz auf keinen Fall, denn immerhin bin ich es gerade, der dich anfleht, die Stelle zu übernehmen. Also hier. Nimm bitte meine Karte. Du kannst mich ständig unter der Handynummer erreichen, falls du es dir überlegt hast. Es wird wahrscheinlich mindestens einen Monat dauern, bis ich alle Bewerbungsgespräche geführt habe – bis dahin hast du Zeit. Also melde dich einfach… Bitte! Sie den Job als Entschuldigung an. Ich verspreche dir, dass so etwas nie wieder vorkommen wird!“

Er streckte mir seine Karte entgegen, die ich widerwillig in meine Tasche schob. Dann ging ich und war schon fast aus dem Café verschwunden, als ich mich noch einmal umdrehte.
„Eines interessiert mich noch. Warum willst du unbedingt, dass ich wieder für dich arbeite?“
„Aus dem gleichen Grund, warum ich die Bewerbungsgespräche auch alle selbst führe. Dieser Posten repräsentiert die ganze Firma. Das heißt, dass die Person auch vom äußeren zu uns passen muss. Sie muss gebildet und selbstbewusst sein – und das alles bist du. Aber außerdem bin ich auch ständig mit dieser Person zusammen. Das heißt, ich muss persönlich gut mit demjenigen zurechtkommen, denn sonst läuft das wie bei deinem Nachfolger und ich bin irgendwann so genervt, dass ich es einfach nicht mehr aushalte. Und mit dir hatte ich nie ernsthafte Probleme, auch wenn es leider nicht für sehr lange war. Und außerdem sprichst du alle drei Sprachen fließend und fast ohne Akzent, was einen noch besseren Eindruck auf meine Kunden macht. Du bist nicht auf den Mund gefallen und selbst wenn du jemanden nicht magst, kannst du überzeugend nett zu ihm sein. Außerdem habe ich – zwar eher unbeabsichtigt – entdeckt, dass du auch bei viel zu viel Arbeit nicht jammerst, sondern alles versuchst zu erledigen. Das würden nicht viele Personen machen, die ich kenne und das spricht auch dafür, dass du für den Job kämpfst, selbst wenn du ihn sicher hast. Und dass du dich für die Firma mit Leib und Seele einsetzt. Und genau so jemanden suche ich für diesen Posten.“

Wortlos drehte ich mich um und ließ ihn alleine mit Marcel in dem Café zurück.

Kapitel 25


„Und? Was willst du jetzt machen?“
Larissa saß aufgeregt vor mir auf dem Sofa und sah mich mit großen Augen an.
„Ich weiß es nicht… Was ist, wenn er mich nur ins Bett bekommen will und mich danach wieder feuert?“
„Dafür würde er sich sicherlich nicht so viel Mühe geben. Er denkt doch immerhin, dass er jede Frau bekommen kann. Warum sollte er dich dafür extra als seine Sekretärin einstellen?“
„Hm…Aber er weiß, dass er mich auf keinen Fall mehr so leicht rum bekommt. Vielleicht versucht er es gerade deswegen?“
„Frag vielleicht auch mal Ramon, aber ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Ich glaube einfach, dass er ein schlechtes Gewissen hat und es bereut, dich gefeuert zu haben, weil er keine findet, die so gut ist, wie du.“
„Ach quatsch. Es gibt sicherlich viele, die besser sind!“
„Ja, aber für den Job bist du ständig unterwegs. Du schläfst immer in Hotels, hast keine geregelten Arbeitszeiten - du weißt ja noch nicht einmal, wann du weiter fliegst. Die richtig Guten können zwischen vielen Jobs wählen und nehmen dann lieber einen, wo das alles geregelter ist und sie mehr Zeit zu Hause verbringen können. Denn eigentlich sind das ziemlich schlechte Bedingungen und er wird nicht wirklich viele gute Bewerbungen bekommen. Und dann muss er denjenigen auch noch persönlich gut finden und er muss zum Image der Firma passen. Außerdem gibt es nicht viele Übersetzer, die gleichzeitig noch Sekretärin sein wollen.“
„Ja… Du meinst also, ich soll auf sein Angebot eingehen?“
„Auf jeden Fall! Lass dir einen richtig schön hohen Lohn geben, zusätzlich zu deiner satten Abfindung. Geh auf Kosten der Firma schön einkaufen und hol dir gefälligst mal ein Handy, was nicht mehr aus der Steinzeit kommt.“
Lachend sah ich auf mein Handy herab, dessen Bildschirm zwar nicht schwarz-weiß war, aber trotzdem so schlecht, dass man ohne große Probleme die wenigen Pixel zählen konnte. Aber immerhin - es war billig gewesen!
„Ich weiß ja nicht. Dann muss ich wieder ständig mit ihm zusammenarbeiten und seine Launen ertragen.“
„Dafür kannst du nachts schlafen und musst dann nicht arbeiten! Das war doch der Grund gewesen, warum du überhaupt auf Jobsuche gegangen bist.“
Ich grummelte etwas und schaute wieder konzentrierter auf den Fernseher, wo irgendeine Serie lief, die Larissa so gerne mochte.

Sie hatte ja Recht, aber ich wollte einfach aus Prinzip nicht mehr für ihn arbeiten.
Er hatte mich wegen seiner Sekretärin gefeuert und mich beschimpft.
Wenn ich jetzt zu seiner Firma zurückkehren würde, käme es mir nur so vor, als würde ich ihm zustimmen, dass ich ohne ihn nicht zurechtkam.

„Rede auf jeden Fall mit Ramon darüber! Auf den hörst du ja sowieso mehr. Aber ich kann dir schon jetzt sagen, dass er der gleichen Meinung sein wird, wie ich.“
„Ja… Ich rufe ihn heute Abend einfach mal an. Danke für deinen Rat! Ich stör dich dann jetzt auch nicht weiter bei deiner Serie.“
„Schon okay, Süße.“
Wir umarmten uns zum Abschied und ich zog los zu meiner Wohnung.

Dort angekommen, betrachtete ich mich im Spiegel und frage mich, inwiefern ich das Image von Taylor Technologies widerspiegelte.
Meine langen, braunen Haare reichten mir inzwischen bis unter die Schulterblätter und ich hatte mir, seit ich in Spanien war, ein Seitenpony schneiden lassen, das ich mir zur Not einfach nach hinten stecken konnte, wenn es mal störte – mir fiel nichts ein, wie meine Haare zu der Firma passten.
Dann meine blauen Augen – das Firmenlogo war rot.
Ich war nicht gerade groß mit meinen 1,64m – passte auch nicht zu dem riesen Konzern.
Ich war dünn – auch nicht wirklich ein Zeichen, für eine gut laufende Firma. Und meine Kurven waren nicht so überzeugend, dass ich die sexy Sekretärin spielen konnte.

Kein einziges Anzeichen, warum ich zu der Firma passte.
Und sein anderes Argument, dass die Person für die Stelle gebildet sein muss, passte auch nicht auf mich, wo ich doch noch nicht einmal einen Schulabschluss hatte.

Also hatte er einfach nur Süßholz geraspelt um mich zu überreden.

Frustriert sah ich auf die Uhr und stellte missmutig fest, dass Ramon jetzt sicherlich keine Zeit hatte zum Telefonieren. Also musste ich mich anders ablenken, bis meine Schicht in 3 Stunden begann. Und da mir nichts Besseres Einfiel, ging ich wieder Joggen. Inzwischen war es auch so windig geworden und der Himmel bedeckt, dass nicht so viele Touristen auf der Promenade sein würden.

Als ich endlich dort ankam, zog ich fröstelnd den Reißverschluss meiner Jacke hoch und die Mütze etwas tiefer über die Ohren. Der Wind, der vom Meer heran kam, war eiskalt und ich stellte fest, dass es wirklich eine dumme Idee war, joggen zu gehen bei diesem Wetter.
Trotzdem trabte ich los, nachdem ich mir meine Kopfhörer in die Ohren gestöpselt hatte.
Ich hielt den Kopf gesenkt, da außer mir nur die wirklich hart gesottenen Jogger und Hundebesitzer unterwegs waren und es deswegen genügend Platz gab.
Aber trotzdem war es schon erstaunlich, wie schön frei der Kopf beim Joggen wird. Man konnte einfach der Musik lauschen und seinen Gedanken hinterher hängen, ohne wirklich mitzubekommen, worüber man nachdenkt.
Dementsprechend merkte ich aber auch nicht, dass ich viel zu weit gelaufen war und mich schleunigst umdrehen musste, wenn ich nicht den gesamten Rückweg gehen wollte. Also lief ich lieber etwas langsamer. Doch kurz vor meinem Ziel wurde ich aus den Gedanken gerissen, indem ich angesprochen wurde.
„Hola, Stella.“
Überrascht drehte ich mich zur Seite und entdeckte Joaquin neben mir laufen.
Geschockt sah ich mich weiter um, konnte Taylor jedoch nirgendwo entdecken.
„Keine Angst, Mike wollte heute nicht mit laufen. Ihr habt euch also immer noch nicht vertragen?“
Lachend beruhigte er mich. Anscheinend hatte er doch mehr von unserem Streit mitbekommen, als mir lieb war.
„Nein. Es ist etwas komplizierter.“
„Warum? Er hat mir erzählt, dass alle nur ein Missverständnis war.“
„Ja. Aber er hat mich danach behandelt, wie eine dreckige Schlampe. Hat mich einfach so auf die Straße gesetzt ohne überhaupt wirklich mit mir darüber geredet zu haben – wie ein Stück Müll! Das kann ich einfach nicht so leicht vergessen.“
„Ich glaube nicht, dass er so von dir denkt. Dann wäre er dir nämlich nicht hinterher gelaufen, als du neulich weg gerannt bist.“
„Hm.“
Wir liefen eine Weile schweigend weiter, bis er mich erneut ansprach.
„Ich weiß, das hört sich für dich jetzt komisch an, weil ich Mikes Freund bin, aber du solltest wirklich noch einmal mit ihm darüber reden. Ich glaube er bereut es sehr, dich gefeuert zu haben. Deinen Nachfolger hat er nämlich ständig mit dir verglichen und er ist immer wieder ausgerastet, wenn er nicht so gut war, wie du.“
„Dann hätte er mich einfach nicht direkt feuern sollen, nachdem ich einen einzigen Fehler gemacht habe.“
„Aber du kennst ihn doch. Wenn er Stress hat, ist er manchmal etwas überempfindlich. Und er hat doch zugegeben, dass du nichts dafür konntest.“
„Egal. Was wird das hier überhaupt? Hat er dich etwa geschickt um mit mir über sein Jobangebot zu reden, damit ich es annehme?!“
Prüfend sah ich ihn an, lief aber dennoch weiter.
„Nein. Ich wusste doch bis gerade noch nicht einmal, dass er dir ein Jobangebot gemacht hat. Ich habe nur vor ein paar Tagen mit ihm darüber geredet, als er aus Paris zurückkam. Und außerdem, woher hätte ich wissen sollen, dass du ausgerechnet heute und um diese Uhrzeit joggen gehst? Ich habe dich immerhin erst ein einziges Mal hier gesehen und das war an einem anderen Tag und zu einer anderen Zeit. Ich mache mir einfach nur Sorgen um einen guten Freund.“
Ich musste ihm zustimmen. Er hätte es wirklich nicht wissen können.
„Naja. Ist jetzt sowieso egal. Ich muss hier abbiegen. Man sieht sich.“
Damit lief ich weiter zu meiner Wohnung, die ich 10 Minuten später keuchend erreichte.

Ich musste wirklich mehr Sport machen!

Schnell sprang ich unter die Dusche und machte mir dann einen großen Salat zum Abendessen. Damit ich auch satt davon wurde, briet ich mir noch etwas Hühnchen in der Pfanne an und rieb noch etwas Käse in die große Schüssel.

Ich war gerade fertig, da klingelte mein Handy.
Es war Ramon.
„Hey du. Ausgeschlafen? Tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe.“
„Schon okay. Wie lief es denn bei Marcel? Was war die Überraschung?“
Stöhnend setzte ich mich, mit der Schüssel auf dem Schoß, auf mein Bett und erzählte ihm alles haargenau. Als ich geendet hatte, schwiegen wir erst einmal eine Zeit, in der ich meinen Salat aß und er anscheinend in ein Brötchen oder ähnliches biss.
„Du bist ja wirklich nicht sehr begeistert, von dem Angebot. Dabei kann ich nicht ganz verstehen, warum. Ich meine – du willst doch deinen Job als Kellnerin nicht unbedingt weiter machen. Du suchst etwas mit Sprachen, bekommst allerdings keine Stelle, weil du keinen Abschluss hast. Und jetzt wird dir ein Job bei einer riesigen Firma angeboten, der gut bezahlt wird und bei dem du – wenn es denn ein normaler Vertrag ist, den du dieses Mal auf jeden Fall abschließt – auch einen Kündigungsschutz hast. Du bekommst bezahlten Urlaub und bist versichert. Alles Dinge, die du bei deinem jetzigen Job nicht hast. Warum zögerst du dann noch?!“
Ich wusste, dass so etwas kommen würde.
„Larissa hat mir schon gesagt, dass du so denken wirst.“
„Und sie hat dir wahrscheinlich auch das gleiche gesagt.“
„Ja…so ungefähr. Nur nicht so die Vertraglichen Dinge betont.“
„Es sind also nur Vorteile und deine zwei besten Freunde raten es dir.“
„Es gibt auch Nachteile!“
„Was denn? Dass du viel reist, macht dir nichts aus – so wie ich dich einschätze gefällt es dir sogar. Das einzige Problem, was du hast, ist dein Chef.“
„Das ist dafür aber auch ein sehr großes Problem.“
1,85m groß – um genau zu sein.
Ich hörte, wie er lachend kaute, und wartete ungeduldig auf seine Antwort.
„Es ist eigentlich gar kein Problem. Mit ihm als Chef bist du doch anscheinend sehr gut ausgekommen. Du hattest kaum Probleme die Launen zu ertragen, die jeder Chef mal hat -“
„Du hast sicherlich keine.“
Daraufhin musste er herzhaft lachen.
„Oh doch, Sternchen. Auch ich habe schlechte Laune und lasse sie an meinen Angestellten aus. So ist das überall! Und ich denke sein schlechtes Gewissen wird dazu beitragen, dass er am Anfang nicht ganz so streng zu dir ist und eher andere anschreit. Außerdem wirst du es sicherlich schaffen ihm so wenig Gründe, wie möglich, zu geben, schlechte Laune zu bekommen. Denn eine gute Sekretärin kann so etwas.“
„Also hast du eine schlechte?“
Wieder lachte er.
„Nein habe ich nicht. Aber alles kann sie nicht von mir fernhalten, immerhin bin ich der Boss. Aber sie sieht zum Beispiel gut aus und ist auch sonst nett, da raste ich seltener aus. Aber jetzt hör auf, vom Thema abzulenken! Dafür, dass er dich schlecht behandelt hat, soll er sich entschuldigen. Für den Rausschmiss bekommst du sicherlich eine fette Abfindung, ansonsten beschwer dich! Sag ihm, du willst einen anständigen Vertrag. Die Schulden, die du theoretisch noch bei ihm hast, soll er dir erlassen und dir schriftlich geben, dass das mit dem Unfall geklärt ist. - Er will dich als seine Mitarbeiterin, dafür muss er auch was tun.“
Diese Argumentation leuchtete mir leider ein und vor Allem der Teil mit dem Unfall gefiel mir.
„Und du meinst, darauf geht er ein?“
„Er wird versuchen, zu handeln. Aber sei einfach du selbst und setz deinen Willen durch. Wenn du dabei höflich und sachlich bleibst, wird er es dir nicht abschlagen können…Zieh vielleicht zur Sicherheit noch was Hübsches mit Ausschnitt an.“
„Ramon!“
„Sorry, aber es ist doch so! Er findet dich sexy, also nutz es aus! Solange du nicht wieder mit ihm im Bett landest, wirst du dadurch nur Vorteile haben – und wenn du dann mal für ihn arbeitest, wird er dich sicherlich auch weniger anschreien, wenn du was Tolles anhast. – Aber wieder zum eigentlichen Thema! Es kann natürlich auch gut sein, dass er dann gleichsam etwas von dir verlangt, aber das wirst du akzeptieren müssen. Natürlich nur, wenn es angemessen ist.“

„Du solltest wirklich Anwalt werden oder so.“
„So was Ähnliches bin ich doch fast. Und zu diesem Job muss ich jetzt leider auch wieder zurück. Ich ruf dich heute Abend noch einmal an, dann gehen wir einfach zusammen die Sachen durch, die du von ihm verlangen kannst und am Montag rufst du ihn dann an, okay?“
„Ich weiß ja nicht. Aber geh jetzt ruhig arbeiten. Das muss ich gleich immerhin auch noch tun.“
„Du wirst ihn anrufen! Egal was für Ausreden du dir ausdenkst!! Denk einfach daran, dass du dafür Arbeitszeiten hast, mit denen du wesentlich besser klar kommst.“

Kapitel 26


Er kannte mich zu gut.
Als meine Schicht endlich begonnen hatte, fielen mir immer mehr Dinge auf, die schön an dieser Arbeit waren. Die vielen Menschen, meine netten Kollegen und vor Allem mein Chef mit dem ich nicht geschlafen hatte, der mich noch nie beschimpft hat und der auch nie seine schlechte Laune an mir ausließ.

Doch Ramon ließ sich von meinen Zweifeln nicht beirren und brachte mich schließlich so weit, noch bis 6 Uhr mit ihm zu telefonieren, um meine Forderungen an Taylor aufzustellen.
Dass ich immer noch zweifelte, ob ich wirklich anrufen sollte, verschwieg irgendwann ich ihm einfach.

Als ich am nächsten Tag jedoch aufwachte, waren meine Beine so schwer und ich war so müde, dass ich mich fragte, wie ich auf die beschissene Idee gekommen war, vor der Arbeit noch joggen zu gehen und dann auch noch bis spät in den Morgen zu telefonieren.
Stöhnend stand ich trotzdem auf und bemerkte, dass ich eine SMS bekommen hatte, von Ramon.
„Ich weiß, du zweifelst daran, bei Taylor anzurufen. Aber du merkst doch gerade, wie sehr der Job dich anstrengt. Du brauchst unbedingt einen neuen, denn wie ich dich kenne, hast du gerade schlechte Laune, kochst dir eine große Kanne Kaffee und würdest dich am liebsten für den Rest des Tages im Bett verkriechen. Also ruf ihn gefälligst an!“

Dieser Idiot war auch noch so hinterlistig mich sogar früh morgens – beziehungsweise mittags – mit dem Thema zu nerven!

Wütend warf ich mein Handy zurück aufs Bett und nahm mir meine frisch gekochte Tasse Kaffee.
Zugegeben – Ramon kannte mich wirklich sehr gut. Es hatte alles gestimmt, was er geschrieben hatte. Doch das machte es noch fieser und ich würde Taylor erst recht nicht anrufen.

Ich verkroch mich wieder in mein Bett und blieb dort liegen, bis ich Hunger bekam und dann schon wieder arbeiten gehen musste.
Auch den folgenden Tag verbrachte ich so. Ramon und Larissa riefen mich zwar immer wieder an, doch ich schaltete mein Handy einfach aus. Ich brauchte Zeit zum Überlegen.

Ich war so müde und erschöpft, wenn ich mich nicht mit Kaffee vollpumpte.
Ich brauchte wirklich andere Arbeitszeiten.
Immerhin hatte ich mich nach 2 Jahren immer noch nicht daran gewöhnt tagsüber zu schlafen und wurde regelmäßig schon morgens wach, obwohl ich bis dahin nur wenige Stunden geschlafen hatte.
Schließlich war ich sonst eigentlich ein Frühaufsteher.

Aber ich wollte nicht wieder zu Taylor zurück. Zu jedem sonst – aber nicht zu ihm!


Larissa versuchte mich immer wieder, während der Arbeit darauf anzusprechen, doch ich vertröstete sie auf später und verschwand dann etwas früher, damit ich nicht mit ihr reden musste.
Dann verkroch ich mich wieder in meiner Wohnung und schlief sofort ein.
Als ich am nächsten Tag schon um 9 Uhr wieder aufwachte, konnte ich mal wieder nicht mehr einschlafen. Ich zog mir eine Jogginghose an und einen Pulli. Nach meiner ersten Tasse Kaffee schlüpfte schließlich ich in meine Laufschuhe und machte mich auf den Weg zum Strand.

Dieses Mal begegnete ich zum Glück niemandem, den ich kannte und entspannte danach im Sand.
Das Rauschen der Wellen beruhigte mich und half mir beim Nachdenken.
Doch als ich gegen Mittag von dort wieder aufstand, war ich kein Stück weiter mit meinem Problem.

Also beschloss ich, wieder zurück zu gehen und erst mal aufzuräumen und zu waschen. Das hatte ich in der letzten Woche nur vor mir her geschoben und ein riesiger Berg Wäsche wartete schon auf mich.

Zu Hause drehte ich die Musik laut und stopfte die erste Ladung schon einmal in meine Waschmaschine im Bad. Ich hatte sie vor einem Jahr gebraucht gekauft und es war ein richtiges Schnäppchen gewesen. Jetzt konnte ich mir die langen Gänge zur teuren Wäscherei sparen.

Fröhlich singend sprang ich dann unter die Dusche und fing später an in Boxershorts und Top zu spülen und die Wohnung zu lüften. Eine Stunde später, sah alles wieder perfekt aus und ich legte mich wieder in mein Bett zum Entspannen.

Ein nerviges Piepsen riss mich aus meinen Gedanken jedoch wieder heraus. Stöhnend ging ich ins Bad, nur um festzustellen, dass meine ach so tolle Schnäppchen-Waschmaschine gerade den Geist aufgegeben hatte.

Das konnte jetzt wirklich nicht wahr sein.

Wütend rief ich den Hausmeister an und bestach ihn mit einem Sixpack Bier, damit er sich meine Waschmaschine direkt ansah. Doch als er eine viertel Stunde später stirnrunzelnd davor stand, wusste ich schon, dass ich eine neue brauchte.
Also gab ich ihm frustriert sein versprochenes Sixpack und er verschwand selig grinsend wieder nach unten.
Nun hatte ich noch ein Problem mehr.
Ich brauchte eine Waschmaschine, hatte aber kein Geld mehr dafür.

Da ich aber noch Zeit bis zur Arbeit hatte, zog ich mich wieder um und machte mich auf den Weg zum nächsten Gebrauchtwarenhändler. Dort erfuhr ich dann, dass die billigste Maschine 300 Euro kosten würde und meine Laune sank noch einmal ein Stück tiefer in den Keller.
Frustriert ging ich zu Marcel um nachzudenken und kaufte mir dort erst mal einen Muffin zum Aufmuntern.

„Süße, warum machst du immer noch so ein trauriges Gesicht? Mike hat dir doch einen Job angeboten. Du solltest doch eigentlich glücklich sein, dass du jetzt nicht mehr nachts arbeiten musst!“
„Ich habe aber noch nicht angenommen, Marcel.“
„Warum das denn nicht, Süße?“
Er setzte sich besorgt mir gegenüber und musterte mich kritisch.
„Ich will nicht wieder so von ihm abhängig sein.“
„Aber so bist du doch auch abhängig von deinem jetzigen Arbeitgeber.“
„Ja, aber der hat mich noch nicht beschimpft und wegen etwas gefeuert, wofür ich nichts konnte!“
„Er hat sich aber doch entschuldigt! Und du musst doch zugeben, dass es für ihn so aussah, als würdest du nichts tun.“
„Ja…Aber er hätte mir einfach mal zuhören können!“
„Sieh es doch mal so. Er hat einen Fehler gemacht, als er dich gefeuert hat. Aber das hat er doch auch eingesehen! Er hat sich bei dir mehrfach entschuldigt und dich regelrecht angebettelt, dass du wieder für ihn arbeitest. Das würde kein anderer Arbeitgeber machen. Und erst recht kein Chef einer so erfolgreichen Firma. Was glaubst du, was ihn das für eine Überwindung gekostet haben muss.“
Grübelnd nickte ich.
„Also genieß dieses Gefühl, dass er dich unbedingt wieder haben will und sag ihm zu. Du brauchst das Geld doch sicherlich, die normalen Arbeitszeiten tun dir auch gut und vor Allem: du musstest ihn nicht nach dem Job fragen, sondern er hat dich darum gebeten, ihn anzunehmen.“
„Warum müsst ihr auch alle davon überzeugt sein, dass ich wieder für ihn arbeiten soll?“
Frustriert biss ich in meinen Muffin.
„Weil es das Beste für dich ist. Und wenn es wirklich alle sagen, kann es doch nicht so eine schlechte Idee sein.“
„Hm. Oder ihr habt euch alle abgesprochen.“
Lachend stand er auf, da er sich um Kunden kümmern musste, doch mit einem mahnenden Blick fügte er hinzu:
„Ich muss jetzt weiter arbeiten aber du wirst jetzt sofort deinen hübschen Hintern zu Mikes Firma bewegen und dem Job zusagen!“
Damit nahm er mir meine Tasse weg, die glücklicherweise leer war und scheuchte mich hinaus.

Ratlos stand ich nun vor seinem Geschäft und blickte auf die Hauptstraße.
Warum mussten auch unbedingt alle meine Freunde darauf drängen, dass ich zu ihm gehe.
Ich schaltete mein Handy an und rief Ramon an, der mir leider erneut bestätigte, dass ich gefälligst zusagen sollte. Und auch Larissa hatte ihre Meinung nicht geändert.

Also stapfte ich mutlos die Straße entlang in Richtung Taylor Technologies.
Die ganzen Gründe fielen mir wieder ein, warum ich nicht wieder zu ihm zurück sollte.
Wie schlecht es mir gegangen war, so von ihm behandelt und beschimpft zu werden und dann einfach so weggeschmissen zu werden!

Plötzlich stand ich vor der Eingangstür, doch ich konnte einfach nicht weiter.
Er hatte mich verdammt noch mal beschimpft!
Er hatte mich einfach so wieder zurück in die Hölle geschickt!!!

Mein Handy klingelte erneut und mit einem Blick auf den Display, entdeckte ich, dass es Ramon war.
„Was ist los?“
„Nichts. Ich wollte nur wissen, ob du es dir auch wirklich nicht wieder anders überlegt hast.“
„Ramon…Ich kann das nicht. Ich will nicht. Wirklich!“
„Und ob du das willst! Geh jetzt gefälligst da hin und nimm den Job an. Denn wenn du so weiter machst, wirst du es den Rest deines Lebens nur bereuen!“
Frustriert legte ich auf und betrachtete die große Glastür vor mir.
Ramon hatte wahrscheinlich Recht.
Aber anders würde ich es vielleicht auch bereuen. Spätestens, wenn Taylor das nächste Mal schlechte Laune hat und diese an mir auslässt. Und das würde sicherlich bald der Fall sein.

Ich musste unbedingt noch etwas darüber nachdenken!
Gerade drehte ich mich mit einem Stöhnen wieder um, da stand ich auch plötzlich einem maßgeschneiderten Anzug gegenüber.

Gott hasste mich!!!

„Stella. Schön dich zu sehen! Hast du dir mein Angebot noch einmal überlegt?“
Taylor schenkte mir sein bestes Zahnpasta-Lächeln, strich sich noch einmal durch die perfekt in der Mitte nach oben gestylten Haare und musterte mich neugierig.
Sein Camaro stand hinter ihm und ich wunderte mich, wie ich diesen Motor eigentlich hatte überhören können, doch jetzt saß ich in der Falle.
„Ich…Ähm.“
„Komm erst mal mit hoch. Da können wir besser reden als hier!“
Er legte mir seine Hand auf den Rücken und schob mich sanft in das Gebäude hinein.
Ich war so überrumpelt, dass ich einfach mit ging und erst vor dem Aufzug die Hand wahrnahm. Sofort schüttelte ich sie ab und lehnte mich mit demonstrativ verschränkten Händen gegen die Aufzugswand, was er mit einem Grinsen quittierte und sich mir gegenüber anlehnte.

Ich war überhaupt noch nicht auf ein Treffen mit ihm vorbereitet und musste mich anstrengen, meine Verwirrtheit nicht allzu deutlich zu zeigen. Doch Taylor schien eher auf andere Dinge zu achten – er ließ nämlich gerade seinen Blick verdammt langsam über meinen Körper gleiten. Und dass dieser in einer Röhrenjeans und einem engen T-Shirt mit tiefem Ausschnitt steckte, schien ihm noch mehr zu gefallen, da sein Grinsen etwas breiter wurde.
Ramon hatte anscheinend Recht gehabt, doch ich hatte auf keinen Fall so bei ihm auftauchen wollen! Wahrscheinlich dachte er jetzt, dass ich ihn damit überreden wollte! Dabei hatte ich einfach in meiner Frustration gar nicht mehr daran gedacht, ob ich passend angezogen war.

Doch nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir endlich im obersten Stockwerk an und ich flüchtete förmlich aus der Kabine – ich wusste immerhin noch, wo sein Büro lag. Lediglich vor der Tür ließ ich ihm wieder den Vortritt.
Er schenkte mir einen letzten Blick, setzte sein Pokerface auf und begrüßte seine neue Sekretärin mit dem barschen Befehl, ihn nicht zu stören.

Neugierig musterte ich sie.
Sie war blond, groß und wirkte etwas schüchtern, ihrem Chef gegenüber. Doch er hätte sie bestimmt nicht eingestellt, wenn sie sich gegenüber Kunden genauso verhalten würde.

Während meiner Beobachtungen, war Taylor jedoch schon an seiner Bürotür angekommen und wartete dort nun ungeduldig auf mich.
Also lächelte ich sie kurz an, atmete noch einmal tief durch und wagte mich dann in die Höhle des Löwen.

Kapitel 27

Er setzte sich hinter seinen großen Glasschreibtisch, der im rechten Winkel in einer Ecke stand – halb der Glasfront zugewandt, die auf den Strand zeigte, halb in Richtung Tür.

Die Wände waren, wie auch in London und Paris, mit Aktenschränken und Bücherregalen gefüllt und der Tür mit dem Rücken zugewandt stand ein großer Sessel vor dem Schreibtisch, auf dem ich mich nun niederließ.

Links von mir stand noch ein weißes Ledersofa mit einem niedrigen Tisch – ebenfalls genau wie in Paris und London und ebenso aus Glas.

Seine Büros sahen fast gleich aus. Und obwohl ich Taylor nicht mochte musste ich ihm eingestehen, dass er wirklich einen guten Einrichtungsgeschmack hatte.

 

Als ich meine Musterung endlich beendet hatte, wandte ich mich wieder meinem Gegenüber zu, der seine Hände auf dem Tisch gefaltet hatte und mich unverhohlen ansah.

„Also, warum bist du gekommen?“

Er lächelte leicht, blieb aber sonst ganz der Geschäftsmann mit der undurchdringlichen Mine.

 

Dass er auch so direkt sein musste. Ich wusste doch noch gar nicht, warum ich gekommen war!!

 

„Ich…du hattest gesagt, ich bekäme noch eine Abfindung von der Firma.“

Seufzend stimmte er zu und sagte seiner Sekretärin über das Telefon Bescheid, sie solle das Formular und das Geld vorbeibringen.

Er hatte es anscheinend schon vorbereitet.

 

Nervös strich ich mir durch die Haare und sah hinab auf den Strand. Dort tummelten sich die Touristen um die letzten Sonnenstrahlen noch zu genießen, da die Sonne hoch am Himmel stand.

Doch das half mir alles nicht bei der Entscheidung, die ich am besten sofort treffen musste!

Verdammt!

 

Wir schwiegen uns an, da kam auch schon seine Sekretärin mit einem Umschlag und einem Formular herein.

Nachdem sie die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, räusperte Taylor sich kurz und las mir förmlich vor, was ich auf dem Formular unterschreiben musste, um den Empfang des Geldes zu bestätigen. Dann zählte er mir die vielen Scheine noch vor und händigte mir dann den Umschlag mit 5000 Euro aus.

 

5000 Euro!!!

Ich musste mich zusammenreißen, dass ich nicht glücklich schreiend durch das Büro sprang, doch er schien meine Freude trotzdem zu bemerken und grinste zufrieden.

 

„Das ist wirklich mehr, als ich es mir jemals erträumt hatte! Danke!“

Total glücklich strahlte ich ihn an.

„Es steht dir zu. Immerhin habe ich dich unrechtmäßig gefeuert.“

 

Ach ja…da fiel es mir auch wieder ein!

Zerknirscht nickte ich. Er hatte auch wirklich Talent, immer direkt auf den Punkt zu kommen.

Doch ich ging nicht darauf ein, sondern blickte erneut grübelnd auf den Strand hinaus.

„Stella?“

Ich sah ihm wieder in die Augen.

„Wie hast du dich entschieden?“

Erneut strich ich mir durch die Haare.

„Ich…Ach fuck! … Ich weiß es nicht….“

Ich vergrub mein Gesicht hinter den Händen und legte meinen Kopf auf den Schreibtisch.

„Okay… Wenn du dich noch nicht entschieden hast, ich werde dich zu nichts drängen.“

Ich blickte ihn erneut an. Mein Verhalten schien ihn wohl zu überraschen.

 

„Du hast mir das letzte Mal gesagt, dass ich zu dem Image deiner Firma passe. Aber das stimmt nicht. Also warum willst du mich in Wirklichkeit wieder für die Stelle haben?“

Grinsend strich er sich ebenfalls durch die Haare und beugte sich dann nach vorne.

„Du passt zu der Firma. Du bist jung, hübsch und intelligent. Trotzdem bist du nicht arrogant. Du bist hartnäckig und trotzdem freundlich. Und ich will dich für die Stelle haben, weil du engagiert bist. Du gibst nicht so schnell auf. Selbst wenn es unmöglich scheint.“

„Nein! Sag mir die richtigen Gründe und hör mit diesem Schleimen auf!“

„Okay. Erstens, weil ich es dir schuldig bin. Ich habe dich gefeuert, weil ich nicht mehr objektiv über deine Leistungen urteilen konnte. Aber ich habe bemerkt, dass du diesen Job sehr gut ausführen kannst. Du respektierst mich als Boss. Hältst dich an die Regeln. Aber gleichzeitig schaffst du es auch, mich so zu behandeln, wie einen Freund oder wie einen ganz normalen Mensch. Du sagst, wenn dir etwas nicht passt. Und außerdem kann ich mir bei dir sicher sein, dass du auf keinen Fall mein Vermögen ausnutzt, oder deine Position.“

„Aber - Wenn du doch damals schon nicht objektiv urteilen konntest, wieso willst du mich dann wieder einstellen?“

„Weil ich dich dieses Mal nicht aus Mitleid einstellen werde. Du hast dir dein eigenes Leben aufgebaut. Du kommst alleine über die Runden. Hast eine Wohnung und ein Einkommen. – Ich habe also überhaupt keinen Grund, dich anzustellen, damit du ein Leben führen kannst, was du verdienst! Dieses Mal, will ich dich wegen deinen Fähigkeiten einstellen. Du hast innerhalb von der kurzen Zeit, die du für mich gearbeitet hast so eine gute Bindung zu den Kunden aufgebaut, dass ich immer wieder nach dir gefragt wurde. Und meine Sekretärin in Paris hat mich angeschrien, wie dumm ich wäre, dich zu feuern.“

Lachend stellte ich mir die kleine etwas mollige Marie vor, wie sie vor ihrem großen, muskulösen  und vor Allem mächtigen Chef stand und ihn anschrie, weil er mich gefeuert hatte.

„Ich hoffe du hast sie deswegen nicht auch noch gefeuert.“

Er grinste leicht und schüttelte den Kopf.

„Auch wenn du vielleicht momentan einen anderen Eindruck hast, aber ich wechsle nicht gerne das Personal. Vor Allem nicht meine Sekretärinnen.“

„Ich dachte ich wäre auch deine Sekretärin gewesen.“

„Ja. Das warst du – Und wenn es nach mir ginge, wärst du das jetzt auch wieder!“

Eindringlich sah er mich an, doch ich sah nach unten auf meine Hände und schwieg.

 

„Stella. Ich habe dir doch schon mal gesagt, dass es mir Leid tut!“

Nachdenklich strich ich mir mit beiden Händen durch die Haare.

„Ja…“

Ich brach ab, stand von meinem Sessel auf und tigerte durch sein Büro. Dass dabei sein Blick unermüdlich auf mir ruhte, erleichterte mein Denken nicht wirklich. Und auch dass es einfach lächerlich aussehen musste, war mir in diesem Moment egal. Ich musste eine Entscheidung treffen die mein komplettes Leben verändern würde.

 

Zweimal fing ich noch einmal an, etwas zu sagen. Fand dann jedoch immer wieder einen Einwand, der meinen Beschluss wieder umstürzte.

 

Ich blickte erneut zu ihm und blieb mit den Händen in die Seite gestützt stehen.

„Wenn ich wieder für dich arbeiten soll…Ich habe ein paar Bedingungen.“

Überrascht lehnte er sich in seinem großen Bürostuhl zurück, zog dann jedoch grinsend eine Augenbraue nach oben.

„Und die wären?“

„Zuerst einmal will ich, dass du mir schriftlich bestätigst, dass ich dir kein Geld mehr schulde und du mich auch nicht für den Unfall vor zwei Jahren verantwortlich machen kannst.“

Lachend beugte er sich vor und faltete die Hände, die Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt.

„Und das sollte ich tun, weil?“

Entschlossen straffte ich die Schultern und hielt seinen herausfordernden Blick stand.

„Ich dachte du willst mich wieder zurück haben?“

Sein Grinsen wurde etwas breiter.

 

„Und deine nächste Bedingung?“

Ich setzte mich erneut auf den Sessel und verschränkte die Beine.

„Ich will einen richtigen Vertrag. Einen, der mich vor einer Kündigung schützt.“

„Das ist selbstverständlich. Wenn ich dir schon deine Schulden erlasse, habe ich keinen Grund für besondere Umstände. Die Stelle ist offiziell ausgeschrieben und du bewirbst dich ganz offiziell dafür.“

„Das heißt, ich muss noch eine Bewerbung schreiben?“

„Ja. Die muss ich nämlich in deine Personalakte tun, wenn du einen offiziellen oder ‘richtigen‘ Vertrag haben willst.“

„Achso.. okay.“

Er grinste mich erneut an und zog dann wieder seine Augenbraue hoch.

 

„Und? Sonst noch irgendwelche Bedingungen, die ich erfüllen muss, damit ich dich einstellen darf? Es ist ja schon widersprüchlich genug, dass DU  welche stellst und nicht ich.“

 

Das ganze schien ihm einen Heiden Spaß zu machen, doch ich wollte mich nicht wieder verunsichern lassen.

„Hast du denn auch Bedingungen?“

Taylor stand seelenruhig auf und umrundete dunkel grinsend den Tisch. Ich drehte mich in dem Sessel in seine Richtung, als er auf mich zukam. Da stützte er sich mit seinen Armen auf den Lehnen ab und kam mir mit seinem Gesicht immer näher.

„Und ob ich Bedingungen an dich habe. Du kannst schließlich nicht erwarten, dass du einfach so Dinge forderst und ich dich dann trotzdem wieder einstelle. So läuft das nun einmal nicht.“

Ich lehnte mich noch ein Stückchen weiter nach hinten und starrte ihm in die Augen.

„Ich will, dass du aufhörst sauer zu sein. Ich habe dich gefeuert, aber ich stelle dich auch wieder ein. Außerdem hast du eine Abfindung bekommen. Das sollte meine Schuld mehr als ausgleichen, oder meinst du nicht? Und um dich wieder beschäftigen zu können, musst du mich wieder respektieren können. Immerhin bin ich dann dein Chef und du musst meine Befehle ausführen, ohne sie zuerst zu hinterfragen, nur weil du mir immer noch böse bist oder dich dadurch in deinem Stolz verletzt fühlst.“

 

Zaghaft nickte ich. Irrendwie hatte er ja Recht. Wenn auch nur ein bisschen.

 

„Schaffst du das?“

Stumm nickte ich erneut, doch er rüttelte am Stuhl.

„Ich will eine Antwort, Stella.“

Er sah mir so tief in die Augen, das ich gar nichts anderes hätte sagen können als zustimmen.

„Ja, das schaffe ich.“

„Gut.“

Langsam richtete er sich wieder auf und setzte sich wieder auf seinen Stuhl.

„Und jetzt Forderung zwei. Ich will, dass du wieder meine Freundin spielst. Es ist zu stressig, ständig Frauen höflich klar zu machen, dass ich an keiner Beziehung interessiert bin.“

Trocken lachte ich. Irgendwas musste ja noch kommen.

„Vergiss es! Du willst, dass ich dich respektiere? Dann werde ich auf keinen Fall noch einmal mit dir schlafen oder dich küssen oder sonst irgendetwas mit dir tun, was nicht zu einer geschäftlichen Beziehung gehört.“

„Als meine Sekretärin solltest du mir bei solchen Problemen helfen.“

„Nicht bei den privaten. Wenn du im Dienst bist, werde ich dir so viele Probleme wie ich kann vom Leib halten. Aber mit deinen Schlampen muss du selbst fertig werden, denn du daran bist du selbst Schuld! Und außerdem willst du doch in Wirklichkeit, dass schöne Frauen dich anmachen! Und bei den hässlichen, hast du auch keine Skrupel, ihnen einen Korb zu geben.“

 

Er grinste süffisant.

„Ich würde sie zwar nicht als Schlampen bezeichnen, aber okay. Wenn du mir wenigstens beruflich die Probleme vom Leib hältst, muss ich das wohl so hinnehmen.“

„Musst du wohl.“

„Das wäre es auch schon von meiner Seite, sonst noch etwas?“

„Ja. Dieses Mal will ich mir meinen Vertrag vorher durchlesen, bevor ich ihn unterschreibe.“

Lachend rief er erneut seine Sekretärin und forderte den vorgefertigten Vertrag.

 

Während wir kurz warten mussten, musterte er mich ausführlich.

„Du hast dich ziemlich verändert, seit wir uns aus den Augen verloren haben.“

„Du dich dafür kaum.“

Wieder lachte er dunkel, da kam auch schon seine Sekretärin mit dem Vertrag.

Er sah kurz hinein, wie beim ersten Mal, und gab ihn mir anschließend.

„Du kannst ihn dir bis morgen durchlesen, dann bring ihn unterschrieben mit deiner Bewerbungsmappe zurück.“

„Ein zu großes Zeitlimit würde ja auch überhaupt nicht zu dir passen.“

Grinsend stimmte er mir zu.

 

„Wie du schon sagtest. Ich habe mich nicht verändert, was das geschäftliche betrifft.“

„Aber sonst schon, oder wie?“

„Zwei Jahre sind eine lange Zeit in der viele Dinge passieren, die einen ändern.“

Spöttisch grinste ich ihn an.

„Wie sich das anhört. Hattest wohl eine harte Zeit?“

„Ja. Obwohl du es wahrscheinlich schwerer hattest.“

„Ich dachte, du wolltest dieses Mal kein Mitleid mit mir haben?!“

„Das brauche ich auch nicht mehr. Du hast dir schließlich ein neues, besseres Leben aufgebaut. Doch deine Vergangenheit war trotzdem hart. Das solltest du nicht vergessen.“

„Oh keine Angst. Das werde ich wohl niemals können.“

 

Damit stand ich auf und verließ sein Büro. Seine Sekretärin tippte geschäftig auf ihren Laptop ein, schaffte es aber gleichzeitig, mich freundlich zu verabschieden.

Kapitel 28

Zufrieden, da ich das Gespräch mit Mike endlich hinter mich gebracht hatte und vor Allem glücklich über die 5000 Euro, kaufte ich mir eine Flasche Sekt, eine Packung Eis und die Zutaten für ein leckeres Abendessen.

Damit schlenderte ich nach Hause und setzte auf dem Weg Larissa und Ramon auf den neuen Stand. Sie waren anscheinend genauso glücklich wie ich und Larissa versprach, dies am nächsten Tag mit mir zu feiern. Ramon war auch erstaunlich gut gelaunt, dafür dass ich ihn heute schon viel zu oft angerufen hatte, obwohl er noch am Schlafen war.

 

Da ich heute frei hatte, konnte ich mir beim Kochen meiner Lasagne Zeit lassen und dabei fröhlich singen.

Entgegen meinen Vermutungen, fühlte es sich in erster Linie erst einmal wunderbar an, wieder Geld zu haben und einen Job in Aussicht, bei dem ich nicht nur nachts arbeiten musste.

 

Nachdem ich in Ruhe gegessen hatte, öffnete ich die Flasche Sekt, nahm mir eine Portion Walnusseis und machte es mir auf meinem Bett mit dem Vertrag gemütlich. Eine Bewerbung musste ich schließlich nicht mehr schreiben, nur noch etwas verändern.

 

Der Vertrag ähnelte meinem alten, hatte jedoch keine zeitliche Begrenzung und vor Allem auch einen Kündigungsschutz, sobald ich länger als 3 Monate dort gearbeitet hatte. Doch ich war zuversichtlich, immerhin hatte ich dies schon einmal geschafft.

Mein Gehalt betrug ungefähr 2000 Euro Netto, doch meine Aufgaben hatten sich geändert.

Ich sollte zwar weiter Akten, Verträge, Berichte und Ähnliches übersetzen, doch dieses Mal war ich allein für die Reisen, Unterkünfte und Termine von Mike verantwortlich. Seine Sekretärinnen würden die Kunden an mich weiterleiten, wenn sie einen Termin mit Taylor machen wollten. Ich hatte somit wesentlich mehr Verantwortung und vor Allem mehr  Kundenkontakt als das letzte Mal.

Dafür standen dieses Mal Kundenbesuche nicht darin, worüber ich ziemlich froh war. Rückständige Akten oder Geld einzutreiben gehörte wirklich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.

 

Drei Stunden später hatte ich die 12 Seiten schließlich aufmerksam gelesen und die Packung Eis halb geleert, von meinem Sekt allerdings nur ein Glas getrunken. Doch jetzt war es endlich spät genug, dass ich Ramon wieder anrufen und mit ihm über den Vertrag reden konnte.

Ich las ihm die Abschnitte vor, bei denen ich mir nicht sicher war, doch er segnete alles ab. Nun musste ich nur noch unterschreiben und mein Bewerbungsschreiben perfektionieren.

 

Ramon verabschiedete sich, da für ihn jetzt ein langer Arbeitstag begann.

Ich war jedoch noch nicht müde und formulierte nun noch einmal eine Bewerbung, die hoffentlich meine letzte sein würde. Ich hasste es nämlich, wie die Pest!

Doch kurz nach Mitternacht konnte ich endlich zufrieden mein kleines Netbook zusammenklappen.

Ich würde alles am nächsten Morgen in einem Laden ausdrucken und dann zu Taylor bringen. Erst danach, wenn ich eine Zustimmung für meinen neuen Job hatte, würde ich mit Ricardo reden und bei ihm kündigen.

 

Um 6 Uhr wachte ich allerdings schon wieder auf und beschloss deswegen, vorher noch einmal joggen zu gehen. Die Sonne war gerade aufgegangen und es war unangenehm kühl, sodass ich mir sogar eine Mütze mitnahm.

Der Strand war fast Menschenleer und ich genoss es, nicht aufpassen zu müssen, ob ich gegen jemanden lief. Die ganze Zeit blickte ich auf die Schiffe auf dem Meer und hörte Musik. Als ich schließlich bei dem Hotel angekommen war und umdrehte, entdeckte ich zwei Jogger, die mir nun entgegen kamen.

„Das kann doch echt nicht wahr sein.“

Ich würde mir eine neue Laufstrecke ausdenken müssen, wenn ich nicht ständig Joaquin und Mike begegnen wollte, die auch noch wesentlich fitter aussahen, obwohl sie schon länger gelaufen waren.

 

Lachend rief mir Joaquin von weitem entgegen.

„Verfolgst du uns etwa, oder warum treffen wir uns hier so oft?“

„Das gleiche könnte ich euch oder vor allem dich fragen. Wir sind uns, bevor ihr wusstet, dass ich hier bin, immerhin nie begegnet.“

Da sie ihr Tempo verlangsamten, blieb auch ich stehen und musterte sie kurz.

Ihnen schien nicht so kalt zu sein, wie mir. Denn beide trugen nur kurze Sporthosen und ein enganliegendes T-Shirt.

„Du arbeitest doch nachts. Da hätten wir niemals so früh am Morgen mit dir rechnen können.“

Ich grinste Mike an, der dies gesagt hatte.

„Ich bin ein Frühaufsteher und werde viel zu oft bei Sonnenaufgang wach. Und außerdem hatte ich gestern frei und konnte deswegen früher schlafen gehen.“

„Etwa mit einer angenehmen Bettlektüre zum Einschlafen?“

Selbstgefällig grinste er mich an.

„Naja. Angenehm würde ich das jetzt nicht bezeichnen. Doch die äußeren Umstände waren es auf jeden Fall.“

Da mischte Joaquin sich wieder ein.

„Hast dir wohl einen schönen Abend gemacht. Das macht Selena auch immer am Wochenende. Nur sieht sie sich dabei immer irgendwelche Liebesfilme an.“

Lachend schüttelte ich den Kopf.

„Nein. Das nun wirklich nicht.“

„Stella war viel zu beschäftigt damit, ihren Vertrag zu lesen, nicht wahr?“

Gekonnt ignorierte ich seine erneute Aufforderung, Joaquin davon zu erzählen, der gerade überrascht eine Augenbraue hochzog.

„Das heißt, du arbeitest ab jetzt wieder für Mike?“

Auffordernd grinste dieser mich weiterhin an, doch diesen Gefallen wollte ich ihm wirklich nicht tun.

„Nein, noch nicht.“

 

Dabei funkelte ich vor allem Mike an, der selbstbewusst zurück grinste.

„Hast du etwa immer noch Bedingungen?“

Ich lachte erneut.

„Nein Aber du musst immerhin auch noch unterschreiben, was dein Anwalt da kompliziert aufgeschrieben hat.“

„Denkst du wirklich, ich bräuchte dafür einen Anwalt? So etwas kann ich selbst. Und du solltest dich vielleicht auch mal darin üben.“

„Mal sehen. Ich will euch zwei aber nicht länger aufhalten, schließlich müsst ihr heute noch arbeiten und könnt nicht so schön entspannen, wie ich.“

Joaquin guckte zerknirscht, während Mike spöttisch eine Augenbraue hochzog.

„Genieß es, solange du noch kannst. Bald musst du auch wieder richtig arbeiten. Ich nehme aber an, dass wir uns heute noch sehen?“

„Ich kann es schon kaum erwarten. Aber wo wir gerade dabei sind – wann muss ich denn dann wieder bei dir anfangen?“

„Am Montag. Ich will dir immerhin deinen freien Tag nicht versauen und dir noch ein paar mehr gönnen, da du danach nicht mehr so viel Freizeit haben wirst.“

„Zu gütig von dir.“

Damit lief ich an ihnen vorbei und steckte mir wieder die Kopfhörer in die Ohren.

 

Irgendwie war es ja lustig gewesen, so mit ihnen zu reden. Ohne jegliche Beleidigungen oder abwertende Blicke. Wenn Mike so weiter machte, würde es mir nicht sehr schwer fallen, meine Wut auf ihn zu vergessen – leider. Doch wenigstens seine Kette würde ich auch weiterhin nicht mehr anziehen. Die lag einsam in einer kleinen Schachtel und konnte meinetwegen dort verrotten.

 

 

 

Nachdem ich geduscht und gefrühstückt hatte, nahm ich mir meine Thermotasse Kaffee mit zum Kopierladen, wo ich meine Bewerbung ausdruckte und eine passende Mappe dafür kaufte. Ein letztes Mal, las ich sie mir durch und steckte sie dann zu meinem Arbeitsvertrag in die Handtasche.

 

Inzwischen war es 8 Uhr und ich konnte Larissa noch nicht wecken. Also ging ich zu Taylor Technologies. Es konnte ja nicht schaden, alles jetzt schon abzuwickeln.

Vor dem riesigen Bürokomplex angekommen, schaltete ich die Musik aus und steckte mein altes Handy in die Hosentasche. Hoffentlich würde ich wieder ein neues bekommen, denn mein Jetziges konnte nichts, außer SMS schreiben, telefonieren und Musik abspielen.

 

Ich nahm den Fahrstuhl nach oben und hatte erstaunlich gute Laune, dafür, dass ich gerade auf dem Weg war mich wieder bei Taylor zu verpflichten.

Vor seinem Büro angekommen, klopfte ich einmal höflich und wurde dann von seiner Sekretärin herein gerufen.

Die Blondine blickte mir mit einem freundlichen Lächeln hinter ihrem großen gläsernen Schreibtisch entgegen. Ich fragte sie nach Taylor, doch der befand sich anscheinend in einer Besprechung. Also setzte ich mich auf einen der Sessel, die in der Ecke gegenüber von Mikes Tür standen, an und sie bot mir einen Kaffee an, den ich natürlich dankend annahm.

 

„Stimmt es, dass Sie sich für den Posten der persönlichen Fremdsprachensekretärin beworben haben?“

Neugierig musterte sie mich und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Ja. Ich bin hier um den Vertrag zurück zu bringen.“

„Oh, dann sind wir ja bald Kolleginnen! Wie schön! Ich bin übrigens Sarah.“

Ich stellte mich ebenfalls vor und erneut biss sie sich nervös auf die Unterlippe.

„Ich habe gehört, du hättest schon einmal für Señor Taylor gearbeitet. Stimmt das?“

Wieder nickte ich und ich konnte ihre Neugier förmlich riechen, doch da sie mir sympathisch war, erlöste ich sie.

„Wir hatten ein kleines Missverständnis… Doch da dies sich nun geklärt hat und mir der Job so gut gefallen hat, habe ich mich entschlossen, ihn wieder anzunehmen.“

„Wie lange hast du denn schon hier gearbeitet?“

„Leider nur 15 Wochen. Und du?“

„Ich bin noch ganz neu hier. Es ist erst ein Monat, doch es gefällt mir sehr. Besonders dieses Büro!“

Lachend stimmte ich ihr zu und sie erzählte von ihrem letzten Chef, der wohl noch launischer als Taylor war. Sie war 25, stammte aus Barcelona und hatte einen kleinen Golden Retriever Welpen, auf den ihr Freund tagsüber aufpasste, da er von zu Hause aus arbeiten konnte.

Wir verstanden uns wirklich gut und vor Allem die Neuigkeit, dass sie vergeben war beruhigte mich. Dann würde Taylor vielleicht seine Finger von ihr lassen und ich musste nicht wieder mit einer eifersüchtigen Sekretärin rechnen.

Aber wo man gerade vom Teufel spricht…

 

Ruckartig wurde die Taylors Tür aufgerissen und er trat mit einem perfekten Pokerface hinaus. Nur eine paar Sekunden schien sein Blick an mir heften zu bleiben, bis er sich geschäftig von seinem Gesprächspartner verabschiedete und dieser aus der Tür trat.

Taylor schloss diese und strich sich mit der freien Hand durch die Haare – anscheinend war es ziemlich anstrengend und womöglich auch frustrierend gewesen. Er war nicht mehr so guter Laune, wie noch am Morgen.

 

Er nannte Sarah einige Dinge, die sie erledigen musste und bedeutete mir dann stumm, ihm in sein Büro zu folgen. Ich grinste Sarah noch einmal kurz zu, die schon am Telefon hing und schloss dann die Tür hinter mir.

Im Raum stank es nach Rasierwasser und Mike öffnete auch schon ein Fenster, bevor er sich seufzend wieder in seinen Chefsessel fallen ließ und mich dann ins Visier nahm.

 

„Also, Stella. Du hast dir alles durchgelesen? Noch irgendwelche Fragen, Anmerkungen – Bedingungen?“

Das letzte fügte er mit einem angedeuteten Lächeln hinzu.

Ich nahm auf dem Sessel ihm gegenüber Platz, der noch mehr nach Rasierwasser stank und nickte, während ich alles aus meiner Tasche fischte.

Wortlos nahm er es entgegen und schlug zuerst die Bewerbungsmappe auf. Doch er konnte alles nur überflogen haben, denn schon wenige Sekunden später schlug er diese auch schon wieder zu und widmete sich dem Vertrag, den er Seite für Seite noch einmal kurz durchzugehen schien und dann neben mir unterschrieb.

„Gut. Dann darf ich dir jetzt zu deinem neuen Job hier bei Taylor Technologies gratulieren.“

Er reichte mir förmlich die Hand, behielt sie aber etwas zu lange in seiner, wobei er mir tief in die Augen sah.

 

„Habe ich jetzt wirklich die Seite mit meinen persönlichen Motivationen dafür geschrieben, dass du sie dir mal kurz ansiehst und dann wieder zuklappst?“

Irgendwie frustrierend.

„Bei so etwas kommt es nicht unbedingt auf den Inhalt darauf an. Form, Rechtschreibung und Ausdrucksweise sind meistens wichtiger.“

„Die kannst du dir so schnell aber nicht angesehen haben.“

Lachend tippte er auf die Mappe.

„Ich habe in letzter Zeit etliche solcher Mappen durchgelesen. Ich habe ehrlich gesagt nämlich nicht wirklich daran geglaubt, dass du zusagst. Und irgendwann weiß man, worauf man achten muss, um schnell die Unterschiede zu erkennen. Wenn ich einen groben Fehler finde, z.B. in der Form, schmeiße ich die Dinger direkt weg. Danach bleiben vielleicht 5-10 Mappen übrig, die ich dann ganz durchlese, doch deine Motivation und Geschichte kenne ich bereits, also kann ich mir das sparen.“

 

Warum zum Teufel hatte ich mir dann gestern Nacht überhaupt solche Mühe gegeben?!

Kapitel 29

Taylor schien ziemlich im Stress zu sein. Er kam sofort zur Sache und erklärte mir, dass ich am Montag um halb 6 vor seinem Hotel stehen sollte. Dann würde es sofort zum Flughafen nach London losgehen. Durch seine Beschreibung, wurde mir nur allzu deutlich, dass ich mit einem riesigen Haufen an Arbeit zu rechnen hatte und für einen kurzen Moment war ich versucht ihm den frisch unterschriebenen Vertrag wieder zu entreißen und ihn zu verbrennen.

Doch ich schaffte es, diesen Impuls zu unterdrücken und hörte ihm wieder zu, wie er mir grob erklärte, was auf mich zukommen würde.

 

„Du verstehst dich wirklich darin, jemanden zu motivieren.“

Lachend lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf, während er sich streckte.

„Bereust du es etwa jetzt schon, wieder für mich zu arbeiten?“

„Dass du dieses kleine Detail auch immer wieder betonen musst...“

Zerknirscht grinste ich ihn an, was ihn noch mehr zu belustigen schien.

 

„Im Gegensatz zu letztem Mal habe ich deine komplette Ausrüstung schon hier. Du musst also nicht erst durch die gesamte Stadt rennen und alles kaufen.“

„Schade.“

„Sag bloß, du machst das gerne?!“

„Ich bin auch nur eine Frau. Da kann ich nichts dagegen tun, dass ich shoppen liebe. Vor Allem wenn jemand anderes bezahlt!“

Entschuldigend zuckte ich mit den Achseln und erntete darauf nur ein verständnisloses Kopfschütteln.

„Weiber…Naja. Du hast ja noch deine Abfindung, die du vershoppen kannst. Ansonsten hat meine Sekretärin einen Zettel für dich, womit du dir alles unten an der Rezension abholen kannst. Mach dich damit vertraut, genieß deine letzten freien Tage, kündige deine Wohnung und den Job und klär auch sonst alles.  Wenn du schon früher aus der Wohnung raus musst, sag Bescheid. Dann bekommst du ein Hotelzimmer. Und ansonsten sehen wir uns Montag wieder. Ich muss jetzt weiter arbeiten.“

 

Ich verabschiedete mich – nach diesem dezenten Rauswurf – noch von seiner Sekretärin, die mir eilig einen Zettel reichte, für den ich einen großen Karton an der Rezension erhielt.

 

Fluchend schleppte ich ihn den weiten Weg zu meiner Wohnung, wo sich meine Laune beim Auspacken schlagartig wieder besserte.

Es fühlte sich an wie Weihnachten! Und ich LIEBTE auspacken!

Und der große Karton war mit vielen kleineren Verpackungen gefüllt – es fehlte nur noch das Geschenkpapier. Vielleicht sollte ich Mike das für das nächste Mal mitteilen.

Zuerst entdeckte ich ein Galaxy S3 in blau, mit passendem Bluetooth-Headset. Begeistert  packte ich es aus und schloss es direkt einmal zum Laden an. Bei so Dingen war ich immer sehr ungeduldig und konnte es kaum erwarten es endlich benutzen zu können.

Also widmete ich mich wieder dem Karton und enthüllte ein Samsung Note Tablet in weiß. Ich kam nicht drum herum, es erst einmal staunend zu bewundern, bevor ich es in die passende Hülle steckte, die anscheinend sogar so konzipiert war, dass man es – wie bei einem Laptop – aufstellen konnte. Nachdem ich es ebenfalls zum Laden weggelegt hatte, fand ich auch die passende USB-Tastatur dazu.

 

Als ich schließlich fertig war, musste ich sofort Ramon anrufen und ihm glücklich quietschend von den vielen neuen Sachen erzählen. Dass er mich dafür gnadenlos auslachte, war mich egal. Denn als ich später Larissa alles zeigte, reichte ihre Begeisterung für Ramon mit aus. Wir verbrachten den gesamten Tag damit, mit dem Stift darauf herum zu kritzeln und alles auszuprobieren, bevor wir uns dem Handy widmeten und ich nebenbei Finn knuddelte.

 

Doch irgendwann musste ich mich zusammenreißen und meinen alten Job kündigen.

Ricardo nahm die Neuigkeit zum Glück relativ gut auf und erlaubte mir sogar, bis Montag in der Wohnung zu bleiben ohne weiter für ihn zu arbeiten. Somit hatte ich  noch eine halbe Woche Zeit, überflüssiges Zeug loszuwerden, neues zu kaufen, mich von Larissa und Finn zu verabschieden und die Freizeit zu genießen.

 

 

Dass ich meine Abfindung hatte, machte das ganze wesentlich angenehmer. Ich brauchte schließlich noch eine größere Handtasche für die Arbeit und auch einen Ziehkoffer, aus dem ich ab jetzt immerhin leben musste – was ich als einzigen Nachteil an dem Reisen sah.

 

Larissa hatte sich den Freitag extra für mich Zeit genommen. Wir verbrachten den gesamten Tag in einem Spa und ließen uns verwöhnen, bis wir den Abend in einem tollen Restaurant und anschließend mit Sekt bei ihr in der Wohnung ausklingen ließen.

 

Den Samstag verbrachte ich dann damit, meine gesamte Wohnung in Kisten zu verpacken. Die Möbel würde Ricardo zwar übernehmen, doch mein Zeug musste ich selbst loswerden – beziehungsweise wollte Larissa das für mich übernehmen beim nächsten Flohmarkt, da ich dafür keine Zeit mehr hatte und es wahrscheinlich auch nicht könnte.

Es tat weh, so viele Dinge weggeben und wegschmeißen zu müssen – doch ich konnte schlecht meine wunderbar kuschelige Wolldecke mit auf Reisen nehmen. Immerhin würde ich ab Montag kein richtiges Zuhause mehr haben sondern nur noch aus dem Koffer und in Hotels leben  - was wirklich keine guten Arbeitsbedingungen waren!

 

Doch zum Schluss hatte ich sogar noch etwas Platz übrig in meinem neuen, ziehbarem Zuhause, was vielleicht auch mit dessen Größe zusammenhing. Aber trotzdem! Vielleicht sollte ich Mike mal vorschlagen die vielen Hotelgebühren in eine – oder eher zwei!! – Wohnungen jeweils in den drei Städten zu investieren. Das würde sich doch bestimmt lohnen und mein Klamottenproblem deutlich verkleinern! Denn es war schon Samstagnacht als mir auffiel, dass ich überhaupt keine Kleider für das schlechte Wetter in Paris und vor Allem London hatte!

 

Aber um dieses Problem musste ich mich ein anderes Mal kümmern.

Den Sonntag genoss ich lieber noch einmal in vollen Zügen, gemeinsam mit Jacky und Finn! Ohne Stress und ohne irgendwelche Sorgen! Ich hatte alles gepackt, die Wohnung war erschreckend leer und alle meine Freunde waren verabschiedet.

Marcel hatte ich zum Dank für seine Hilfe und Unterstützung eines der signierten Barcelona Trikots gekauft – er war nämlich ein begeisterter Fan und da ich ohne ihn nie zu diesem Job gekommen wäre, war mir der Preis relativ egal gewesen. Er war den Tränen nahe und bestand darauf, dass ich ebenfalls darauf in einer anderen Farbe unterschreiben sollte.

 

 

Ehe ich mich versah, war es dann auch schon Sonntagabend und Larissa versprach mir, mich am nächsten Morgen gemeinsam mit Finn zum Hotel zu bringen und dort zu verabschieden.

Etwas wehmütig legte ich mir für den nächsten Tag eine weinrote Röhrenjeans und Schal mit schwarzem T-Shirt, Kapuzenpullover und meiner Lederjacke heraus und stellte alles fertig in den Flur. Frühstücken würde ich in einer 24h-Bar und konnte somit morgen einfach nur die Tür hinter mir zuziehen und gehen.

 

 

Meine letzte Nacht in meiner eigenen Wohnung!

Ich dachte noch einmal an all die Dinge, die hier passiert waren. Das Glück, was ich hatte, als ich hierhin gekommen war. An Larissa und Finn. Und Ramon!

Es war wie ein Abschluss in meinem Leben.

Genau wie damals, als ich in dem Park in Paris beschlossen hatte, mein Glück in Spanien zu suchen.

Ich hatte es gefunden und mehr erreicht als ich es je gehofft hatte.

Hoffentlich würde es in meinem neuen Lebensabschnitt genauso gut verlaufen – zwar nicht perfekt, aber trotzdem im Großen und Ganzen gut.

Und hoffentlich würde ich auch niemals vergessen, wie schnell man alles verlieren kann und wieder ganz unten im Dreck liegt!

Kapitel 30

Einige Minuten vor halb 6 standen wir schließlich vor Taylors Hotel, der auch schon neben seinem Auto stand und wartete. Da es der Camaro war, konnte Larissa nicht widerstehen und brachte mich sogar die letzten Meter, um ihn neugierig betrachten zu können.

Mike trug einen schwarzen Anzug zu einer weinroten Krawatte und einem weißen Hemd und grinste, als er mich fertig gemustert hatte.

„Schöne Jacke. Und du hast dich sogar auf meine Krawatte abgestimmt. Willst wohl einen guten Eindruck an deinem ersten Tag machen.“.

„Ich würde eher sagen, dass der Mann sich immer auf die Kleidung der Frau abstimmt.“

Er grinste nur kurz und sein Blick wanderte weiter zu Larissa, die immer noch neugierig neben mir stand und sein Auto musterte.

„Und? Gefällt dir, was du siehst?“

Überrascht sah sie zu ihm auf und wollte zu einer empörten Antwort starten, da schoss plötzlich Finn an ihr vorbei, der vorher noch mit den Hotelsträuchern beschäftigt gewesen war und jetzt Taylor entdeckt hatte. Und er liebte es, fremde Menschen kennen zu lernen!

Wild mit seinem Schwanz wedelnd, hüpfte er neben dem Überraschten auf und ab und versuchte sich eine Streicheleinheit zu erbetteln, die er erstaunlicherweise auch bekam.

Taylor kniete sich neben ihm nieder und die zwei schmusten miteinander, als wären sie alte Freunde. Zerknirscht beobachtete Larissa das Schauspiel, während ich mir das Lachen verkneifen musste.

„Erst kommen Sie mit so einem schlechten Anmachspruch und dann findet mein Hund sie auch noch toll - Ich mag sie nicht!“

„Mach dir mal keine Gedanken, Schätzchen. Alle Hunde lieben mich. Und das eben war kein Anmachspruch, sondern eine neutral gestellte Frage.“

Grinsend baute er sich wieder zu seiner vollen Größe auf und musterte Larissa unverhohlen.

„Würdest du jetzt bitte aufhören, meine beste Freundin anzubaggern?“

Nun ruhte sein Blick wieder auf mir.

„Warum? Eifersüchtig?“

 

Mit einem Augenzwinkern nahm er mir meinen Koffer ab und hob ihn in den Kofferraum des Wagens.

„Nein, ich will dich nur davor bewahren, dass du dir gleich einen Tritt in deine Eier einfängst. Das ist nämlich ihre Reaktion auf dumme Anmachen. Als Kellnerin ist man so etwas gewohnt. Und ich will deine schlechte Laune danach nicht ausbaden müssen.“

„Das würde sie sich nicht trauen. Immerhin würde ich dich deswegen nur noch mehr leiden lassen.“

Er tauchte grinsend wieder neben dem Auto auf.

„Das werden Sie nicht tun! Und für diese Drohung finde ich, sollten sie mir ihren Wagen für eine kleine Spritztour leihen.“

Überrascht zog er eine Augenbraue nach oben und ich prustete los vor Lachen. Sie konnte manchmal so wunderschön dreist sein.

„Ach…Sollte ich das? Ich fürchte nur, daraus wird heute nichts, weil wir zwei sonst unseren Flieger verpassen.“

„In Ordnung.. Aber ich werde Sie noch einmal daran erinnern!“

Mit drohendem Finger machte Larissa Finn wieder an seine Leine und grinste Taylor noch einmal zuckersüß an.

„Dann denk dir auch gleichzeitig einen schlagfertigen Grund aus, warum ich dir überhaupt mein Auto geben sollte. Mir würden da ja ein paar einfallen.“

Sein Grinsen wurde anzüglicher und Larissa dadurch fuchsteufelswild, sodass ich sie nur mit Mühe von meinem Chef fernhalten konnte.

Schließlich hatte ich so doch noch dazu überreden können, nach Hause zu gehen und zu schlafen, und setzte mich seufzend in das wunderschöne Auto.

 

Taylor hatte das Schauspiel grinsend beobachtet und startete nun zufrieden den Motor.

„Musste das gerade echt sein? Sie hasst dich jetzt wie die Pest, das ist dir doch bewusst oder?“

„Ich wollte nur mal sehen, wie sie reagiert. Aber dass es so lustig werden würde, hatte ich echt nicht erwartet. Hat mir sozusagen den Morgen gerettet.“

„Schön für dich. Aber du wirst das doch jetzt nicht jedes Mal tun, wenn ihr euch begegnet, oder?“

Sein Lachen, war mir Antwort genug und ich rutschte etwas tiefer in den bequemen Sitz.

Das würde noch etwas werden mit den zweien.

 

Wir schwiegen, bis wir in der Luft waren und Taylor sein Handy – das gleiche, wie ich auch ab jetzt hatte, nur in schwarz - herausholte.

„So und nun zum geschäftlichen. Wie du ja schon weißt, fliegen wir heute nach London. Hotel ist schon gebucht. Dort habe ich ein Meeting mit einem wichtigen Kunden und du hast erst einmal Zeit, dich mit meiner Sekretärin dort zu unterhalten. Du musst eng mit ihnen zusammen arbeiten und wahrscheinlich ziemlich oft mit ihnen telefonieren. Ab nächste Woche, werden sie die Kunden an dich weiter leiten, die einen Termin mit mir ausmachen wollen. Aber achte darauf, dass wir nicht zu viel herum fliegen müssen. Lass dir einfach das Konzept erklären, nach dem bisher die Termine gemacht wurden, dann müsstest du das schon schaffen. Nebenbei bekommst du des Öfteren Dateien zugeschickt, die du übersetzen musst. Dabei steht auch immer, an wen du die Datei dann später weiterleiten sollst. Dann übernimmst du ab jetzt die Organisation von Hotels, Flug, Autos und all diesen Sachen. Patricia wird dir auch dazu einige Tipps geben können. Wir bleiben für eine Woche in London – Ihr dürftet also genügend Zeit zum Reden haben und soweit ich mich erinnern kann, konntet ihr das früher auch schon sehr gut.“

Lachend stimmte ich ihm zu. Ich mochte die selbstbewusste Inderin. Sie sagte, ähnlich wie Marie, direkt ihre Meinung und machte ununterbrochen Witze, wenn der Chef nicht in der Nähe war.

 

„Und was soll ich jetzt während dem Flug machen?“

Mike hatte das gleiche Tablet, wie ich nun besaß, aus seiner Tasche gezaubert und zwischen uns auf den Tisch gelegt – wir waren mal wieder in der 1. Klasse unterwegs – doch er machte keinerlei Anstalten mir Aufträge zu erteilen. Auf meine Frage hin, zog er nur eine Augenbraue hoch, da er anscheinend konzentriert etwas am Lesen war, doch nach einigen Minuten antwortete er mir schließlich.

„Wenn du nichts bekommen hast, was du tun musst, kannst du den Flug genießen.“

„Hm.“

Wie langweilig. Ich hatte mich doch auf Stress pur eingestellt.

 

Wieder wanderte seine Braue nach oben und er riss sich nach kurzer Zeit von dem Bildschirm los.

„Sag bloß, dir ist langweilig?“

Ich grinste ihn unschuldig an und zuckte mit den Schultern. Lachend legte er das Tablet nieder und wandte sich mir jetzt endgültig zu.

„Das hat jetzt wirklich noch niemand zu mir gesagt.“

„Es ist ja auch nur so, weil heute mein erster Tag ist und ich wesentlich mehr erwartet hatte.“

Wieder lachte er rau und musterte mich nachdenklich.

„Ich schick dir mal einige Kontakte. Sieh sie dir alle gut an und lies dir die Infos durch. Es macht einen guten Eindruck auf Kunden, wenn die neue Sekretärin sie bereits erkennt. Ich habe bei einigen auch Infos beigefügt, die wichtig sind. Zum Beispiel ob sie verheiratet sind, weswegen sie Kunden sind, ob sie Kinder haben, welche Dinge sie besonders mögen und was man besser verschweigen sollte. Viele haben nämlich auch Abneigungen gegenüber anderen Firmen, die eventuell Konkurrenten sind. Wenn du das alles weißt, wird es dir wesentlich leichter fallen, mit ihnen zu verhandeln. Und glaub mir, das musst du, sobald sie deine Nummer haben und wissen, dass du direkt an der Quelle sitzt.“

„Ich soll jetzt also deine Kontaktdaten auswendig lernen?“

„Nur die von den wichtigen Kunden. Also den großen Firmenchefs oder den Privatinvestoren. Eigentlich würde es reichen, wenn du das erst machst, wenn du sie kennen gelernt hast, aber bevor du Langweile bekommst.“

Seufzend synchronisierte ich unsere Tablets miteinander und er schickte mir an die 200 Kontakte.

 

Warum hatte ich auch nicht meine Klappe halten können?!

Doch trotzdem synchronisierte ich außerdem noch seinen Kalender mit meinem und blickte Sekunden später auf den vollsten Terminplan den ich seit langem gesehen hatte.

„Wow.“

Spöttisch grinsend zog Mike erneut eine Augenbraue hoch und widmete sich dann wieder seinen Unterlagen.

 

Mit einem Seitenblick aus dem Fenster stöpselte ich mir dann schließlich meine Kopfhörer in die Ohren und begann mit meiner äußerst langweiligen Lektüre.

Aber da Taylor meistens sogar Bilder von ihnen beigefügt hatte, erkannte ich einige wieder und beschäftigte mich besonders mit ihnen. Als wir zwei Stunden später gelandet waren, konnte ich zufrieden sein. Ich hatte mir vieles erstaunlich gut merken können.

 

Wir wurden von einem Mann namens Ivan abgeholt, der aussah wie ein Schrank und einen starken russischen Akzent hatte. Er war einer der Programmierer und anscheinend ein Frauenheld, so offensichtlich wie er mit mir flirtete. Er nahm mir sogar meinen Koffer ab, was von Taylor mit einem spöttischen Grinsen kommentiert wurde.

 

Auf der Fahrt saßen sie beide vorne in dem Porsche Panamera und diskutierten über irgendwelche Programmierfehler, während ich mir die Stadt ansah. Viel zu schnell waren wir jedoch schon wieder in der Tiefgarage der Firma untergetaucht und ich musste aus dem bequemen Sitz aussteigen. Doch sogar dabei half mir Ivan galant. Im Aufzug verabschiedete er sich dann relativ weit unten mit einem Handkuss und verschwand dann dreckig grinsend.

„Dir ist schon klar, dass er jetzt jedem erzählen wird, er würde die persönliche Sekretärin des Chefs bald rumkriegen?“

„Ja und? Solange er nicht zu aufdringlich wird. Ich mag es nun einmal Komplimente zu bekommen.“

Lachend stimmte er zu.

„So wie jede Frau. Das weiß er und er setzt es auch oft genug ein.“

„Du machst es doch genauso.“

Ich blinzelte von der Seite zu ihm auf.

„Ja. Aber mir steht dabei wenigstens nicht offen im Gesicht geschrieben, dass ich die Frauen nur ficken will.“

Vorwurfsvoll sah er mich an, da hatten wir auch schon das oberste Stockwerk erreicht und er rauschte erneut los.

 

Dank meinen regelmäßigen Joggingtouren konnte ich dieses Mal jedoch wesentlich besser mithalten und betrat direkt hinter ihm sein Büro.

„Patricia, ich denke du erinnerst dich noch an Stella. Sie ist meine neue persönliche Sekretärin. Weise sie in den Job ein und gib ihr was zu arbeiten. Und ich will nicht gestört werden, bis Mr. Giggs kommt.“

Dann knallte er seine Tür zu und hinterließ uns verdutzt dreinblickend.

„Wow. Da hat aber jemand verdammt schlechte Laune. Was ist denn passiert?“

Verwirrt zuckte ich die Schultern.

„Eigentlich war er gut drauf heute. Erst seitdem Ivan uns abgeholt hat und ständig mit mir geflirtet hat ist er so.“

Lachend kam sie hinter ihrem Schreibtisch hervor, der ebenfalls neuerdings aus Glas war, und umarmte mich.

„Ich würde sagen, da ist jemand eifersüchtig.“

Das konnte ich zwar nicht wirklich glauben, doch es würde wenigstens seine Stimmungsschwankungen erklären.

 

Ich schnappte mir einen Stuhl aus einem anderen Büro und setzte mich neben Patricia an den großen Tisch, die mir einen dicken Ordner gab in dem alles drin stand.

„Dein Vorgänger war nämlich so verplant, dass er das immer wieder nachfragen musste und irgendwann hab ich ihn gezwungen es sich aufzuschreiben. Und da er auf Zettelwirtschaft stand, hab ich es auch nur so..“

„Ich habe bis jetzt noch überhaupt nichts Positives über ihn gehört.“, stellte ich lachend fest.

„Ja. Da gibt es auch nicht viel, außer dass er gut mit den Kunden zurechtkam und gut übersetzen konnte. Irgendwann war Mike allerdings so genervt von ihm, dass er ihn gefeuert hat. Und niemand war böse darüber. Marie und ich haben ihm sowieso immer wieder vorgehalten, dass du wesentlich besser warst.“

„Das heißt ich verdanke euch sozusagen meine Wiedereinstellung?“

„Vielleicht ein bisschen.“

Lachend umarmte sie mich erneut.

„Ich mag dich nun einmal und bin froh nicht mehr mit diesem Chaot diskutieren zu müssen.“

Kapitel 31

Da der Ordner leider nur aus handgeschriebenen Blättern bestand, verband ich mein Tablet nach der Mittagspause mit dem Scanner und scannte alle 200 Seiten ein.

Jede einzeln - Vorderseite und Rückseite.

Eine sehr ermüdende Arbeit, die auch noch 4 Stunden andauerte, da der Scanner so verdammt langsam war.

 

Ich war gerade fertig geworden, als Mike auch schon ins Büro geschneit kam. Er war den ganzen Nachmittag unterwegs gewesen und seine Laune hatte sich nur unwesentlich gebessert.

Er knallte Patricia drei dicke Ordner auf den Schreibtisch, dass ich schon Angst hatte, die Glasplatte würde zerbrechen. Den Obersten nahm er jedoch wieder weg und winkte mich in sein Büro.

Schnell kam ich ihm hinterher und wurde auf das Sofa dirigiert, das genau wie in Spanien in der Ecke vor der Glasfront stand.

„Du nimmst Patricia da nur Platz weg im Moment. Hier der Ordner enthält Berichte und Bewertungen über ein neues Programm von uns. Übersetz das auf Spanisch und Französisch. Und merk dir auch, was drin steht. Dann brauche ich einen Termin mit Jack und einen mit Mr. Simon. Verleg dafür das Meeting von morgen früh auf übermorgen. Und dann geh runter in die Softwareabteilung und hol die Sachen für mich dort ab. In einer halben Stunde fahren wir los ins Hotel. Bis dahin muss das alles erledigt sein. Nur der Ordner hat Zeit bis morgen Abend.“

Damit rauschte er wieder davon und hinterließ mich mit tausend Fragezeichen im Kopf.

Es war wirklich genauso wie früher.

 

Ich fischte mein Handy hervor, befragte dieses nach Jack und Mr. Simon und erhielt sogar von beiden eine Nummer. Auch das Meeting mit dem Vorstand war im Kalender eingetragen.

Ein Glück, dass ich es hatte. Sonst wäre ich total aufgeschmissen gewesen!

Ich rief zuerst Jack an, der sich als Mikes Sicherheitschef herausstellte und sehr nett war. Mein nächstes Gespräch mit Mr. Simon, einem unzufriedenen Kunden, verlief allerdings nicht so reibungslos und es bedarf mich einiger Überredenskunst, dass er sich überhaupt mit Taylor traf. Erst als ich ihn nach seinem Hund gefragt hatte, schien er sich über die Schwärmerei ein wenig beruhigt zu haben und versicherte mir dann, dass er am nächsten Tag entgegen seiner ursprünglichen Meinung doch erscheinen würde. Dann wollte er mir auch ein Bild von seiner Bernhardiner Hündin mitbringen.

Ich war gerade dabei mit ihm über Hunde zu reden - er hatte bei diesem Thema so gute Laune bekommen, dass er richtig gesprächig wurde - als Taylor wieder zurück kam und mir verwundert zuhörte.

Als ich 5 Minuten später auflegte, sah er mich nur fragend an und ich grinste zuckersüß zurück.

„Ich habe dir gerade den Arsch gerettet. Du solltest mir echt dankbar sein.“

„Weil du während der Arbeit über Hunde redest?“

Lachend stand ich auf und packte meine Sachen zusammen.

„Nein. Weil ich Mr. Simon nicht nur zu einem Treffen mit dir überredet habe, sondern ihn auch davon überzeugt habe, dass es nur kontraproduktiv für seine eigene Firma wäre, wenn er dich verklagen würde.“

Stöhnend schüttelte Mike den Kopf.

„Als ob er auch nur einen Pfennig gewonnen hätte, wenn er vor Gericht gegangen wäre.“

„Du wirst es nicht herausfinden müssen, wenn du morgen etwas freundlicher bist. Das gäbe auch nur schlechte Presse. Denn er fühlte sich sehr hintergangen von dir.“

„Nur weil seine Sekretärin unfähig ist…“

Er brummte weiter vor sich hin und tippte ungeduldig auf seinen Computer ein.

„Ein Glück, dass deine so gut sind, nicht wahr?“

Grinsend stand ich vor ihm und sah ihn erwartungsvoll an, doch er ignorierte mich einfach, obwohl sein Mundwinkel kurz gezuckt hatte.

„Naja. Ich werde dann mal deine ‚Sachen‘ aus der Softwareabteilung holen. Es wäre ja auch zu viel, wenn du mir verraten würdest, was das ist. Aber so habe ich immerhin eine Überraschung auf die ich mich freuen kann.“

Ich drehte mich um und verließ sein Büro, wobei ich ihn leise lachen hörte.

 

Im Aufzug angekommen, bemerkte ich allerdings, dass ich gar nicht wusste, wo diese Abteilung war in dem 12stöckigen Gebäude. Also drückte ich einfach alle Knöpfe und beschloss dort auszusteigen, wo es am ehesten nach Softwareabteilung aussah. Als ich jedoch im Erdgeschoss angekommen war, musste ich frustriert hinnehmen, dass ich wohl doch jemanden fragen musste.

Ich ging zu dem bulligen Sicherheitsbeamten und fragte ihn verlegen grinsend nach dem Weg, den er mir überfreundlich erklärte.

Es war der vierte Stock, in dem Ivan am Morgen ausgestiegen war. Es war ein Großraumbüro mit etlichen Monitoren und Computern, genau wie die Hälfte aller Etagen in diesem Gebäude. Etwas verloren stand ich nun da und suchte ein bekanntes Gesicht, als mir Ivan auch schon entgegen kam.

„Stella. Kommst du mich etwa besuchen? Das freut mich aber!“

Er gab mir einen Kuss auf die Wange und überrumpelte mich damit so sehr, dass ich erst einmal überlegen musste, warum ich überhaupt hier war. Doch als ich ihm dann von meinem Auftrag erzählte, wusste er zum Glück Bescheid und sammelte mit mir gemeinsam die Monatsberichte der einzelnen Programmierer ein.

Und obwohl ich nicht viel von Vorurteilen hielt, die meisten von ihnen sahen wirklich so aus, als würden sie den ganzen Tag nicht rausgehen und ein viertel wohnte sicherlich auch noch bei seiner Mama.

 

Ivan wollte sich auch noch länger mit mir unterhalten, doch ich musste mich beeilen und schaffte es erst vor dem Aufzug ihn endlich abzuwimmeln. Doch ich kam noch pünktlich nach oben, wo Mike gerade seinen PC ausmachte.

„Glück gehabt. In zwei Minuten hätte ich meine erste Gelegenheit gehabt dich anzumeckern.“

Gut gelaunt stand er auf und grinste mich frech an.

„Wenn du es unbedingt drauf anlegen würdest, hättest du schon jetzt einen Grund gefunden.“

Ich schnappte mir meine Tasche und den Ordner und folgte ihm zufrieden aus seinem Büro. Wir verabschiedeten uns von Patricia und betraten den leeren Flur.

„Wie kommt es eigentlich, dass du heute so früh Schluss machst? Normalerweise machst du doch immer Überstunden.“

„Die kann ich aber auch im Hotel bei einer Flasche Bier machen. Und außerdem habe ich Hunger, du etwa nicht?“

Ich stimmte ihm zu und überlegte mir auf dem restlichen Weg, was ich denn essen wollte.

 

Wir hingen beide unseren Gedanken nach und leise lief im Hintergrund irgendein Lied, während wir im Regen durch die überfüllten Straßen Londons fuhren. Da fiel mir erst einmal auf, dass es draußen wesentlich kälter sein musste als in Spanien und schloss fröstelnd den Reisverschluss meiner Lederjacke.

„Hier herrscht ein ganz anderes Klima als in Barcelona, nicht wahr?“

Seine Stimme war herrlich dunkel und er hörte sich sehr erschöpft an. Doch auch ich bemerkte, dass ich ziemlich müde war.

„Ja. Ziemlich grau und kalt. Ich hatte mal kurz überlegt nach London zu ziehen, anstatt Barcelona. Aber es war zu teuer und außerdem mag ich es lieber schön warm.“

„Es war wahrscheinlich auch besser so.“

Dann schwiegen wir wieder, bis ich unser Hotel entdeckte, was genau das gleiche war, wie das letzte Mal.

„Gehst du immer in die gleichen Hotels?“

„Wenn es geht, ja. Es gefällt mir hier und das Essen ist gut. Außerdem ist der Besitzer ein Kunde meiner Firma.“

 

Er parkte den Porsche vor dem Eingang und ich stieg aus. Musterte das Hotel jedoch noch einmal genau. Es kamen viele Erinnerungen hoch, wenn ich mir alles so ansah.

„Wir haben dieses Mal doch aber getrennte Zimmer oder?“

Es war mir so herausgerutscht und Taylor lachte erst einmal ausgelassen bevor er sich vor mich stellte und mir in die Augen sah.

„Wäre es denn so schlimm? Aber ab nächste Woche suchst du ja die Zimmer aus und wenn wir uns dann noch mal eins teilen, sehe ich das als Aufforderung an.“

Er übergab den Autoschlüssel einem Angestellten und winkte mir ihm zu  folgen.

Dieser Mann war echt ein Alptraum.

 

Wir hatten zum Glück getrennte Zimmer und meines war wunderschön modern eingerichtet. Ich hatte ein großes, flauschiges Bett, einen kleinen Schreibtisch in der Ecke gegenüber, einen riesigen Flachbildfernseher an der Wand und ein großes Bad.

Zum Glück war der Weg bis zum Hotel überdacht gewesen, sodass ich jetzt wenigstens nicht klatsch nass war, denn es schüttete draußen in Strömen. Aber so vermisste ich wenigstens nicht den fehlenden Balkon.

Fröstelnd zog ich mir meine Mütze vom Kopf. Ich hatte mich in 5 Minuten mit Taylor zum Essen im Hotelrestaurant verabredet  und wog ab, ob ich es vorher noch schaffte, meinen Koffer auszupacken oder nicht. Denn irgendwie  fühlte ich mich heimischer, wenn meine Sachen im Schrank lagen und nicht im Koffer, den ich dann auch unter mein Bett schieben konnte.

 

Ich räumte gerade das letzte Teil ein, da klopfte es auch schon an meiner Tür.

Schnell schnappte ich mir mein Handy und die Zimmerkarte und öffnete Mike. Er hatte sich, im Gegensatz zu mir, umgezogen und trug nun eine dunkle, enge Jeans, die etwas tiefer um die Hüften saß, zu einem grauen Kapuzenpullover. Sogar normale Sneaker.

„Wow. So legere heute?“

„Bist du doch auch und ich brauche keinen Anzug, um essen zu gehen.“

„Ich hätte jetzt getippt, dass du aber wenigstens das Hemd anlässt.“

Lachend ging er den Flur entlang und musterte dabei die Bilder an der Wand.

„Es tut auch mal ganz gut in normaler Kleidung herum zu laufen.“

Das konnte ich nur nachvollziehen, wo ich jede Sekunde in einem feinen Kostüm hasste.

„Warum hast du denn dann so oft einen Anzug an?“

Er blickte mich von der Seite an.

„Es macht nun einmal einen besseren Eindruck auf Kunden oder Geschäftspartner und außerdem vermittelt man damit auch wesentlich mehr Autorität.“

Dass er diese zusätzliche Autorität gar nicht nötig hatte, wo doch jede seine Bewegungen förmlich von Macht strotzte, verschwieg ich ihm.

 

Mit einem weiteren Blick auf meine Lederjacke fing er an zu grinsen.

„Sag bloß dir ist immer noch kalt.“

Ich zog eine Schnute und sah ihn pikiert an.

„Ja und?! Ich bin nun einmal ein ganz anderes Klima gewöhnt. Da steht mir doch wohl etwas Zeit zur Umstellung zu, oder meinst du nicht?“

Entschuldigend hob er die Hände, lachte aber trotzdem weiter.

„Selbst in Spanien ist es jetzt nicht so warm.“

Missmutig zuckte ich die Schultern.

„Da war mir ja auch schon kalt. Und jetzt kommt hier noch dieses graue Wetter dazu… Da muss ich mich halt etwas dicker anziehen.“

Das ließ er, bis auf sein Lachen, unkommentiert.

 

Wir hatten auch endlich das Restaurant erreicht, was sich im Erdgeschoss im äußersten Flügel befand und aus kleinen Tischen bestand, die in ein schön warmes Licht getaucht waren. Es sah richtig romantisch aus, auch wenn mir das, mit einem Blick auf meinen Begleiter, etwas unpassend vorkam. Denn auf jedem Tisch stand eine Vase mit einer einzelnen Rose und daneben eine rote Kerze.

Wir bekamen einen Platz am Rand, schön abseits der anderen Gäste, und die romantische Stimmung drängte sich mir immer mehr ins Bewusstsein, sodass ich am liebsten die verdammte Kerze ausgepustet und die Rose weggeschmissen hätte. Doch Mike schien sich richtig wohl zu fühlen, denn er streckte gerade genüsslich seine Glieder und sah sich neugierig um.

Das würde noch ein lustiges Essen werden.

 

Anscheinend hatte er meinen Missmut bemerkt, denn er sah mich gerade fragen an, doch ich winkte einfach ab und vertiefte mich in die Karte mit den vielen leckeren Gerichten, zwischen denen ich mich gar nicht entscheiden konnte.

„Willst du mir zufällig erzählen, was du in den zwei Jahren getrieben hast, wo wir uns aus den Augen verloren haben?“

Abschätzend musterte ich ihn, doch die Rose zwischen uns veranlasste mich dazu, ein Gespräch zu vermeiden, damit diese verdammte romantische Stimmung sich nicht noch verdeutlichte und es sich später auf einmal anfühlte wie ein Date.

„Wenn ich es mir recht überlege, nein.“

Ich grinste ihn zuckersüß an und versteckte mich dann erneut hinter der Karte, bis der Kellner kam.

 

Zu meinen Nudeln hatte ich mir ein Glas Weißwein bestellt, damit ich nicht mehr so angespannt war und Taylor noch etwas auffiel. Deswegen saß ich auch eine leckere Portion Nudeln später selig grinsend am Tisch und verfluchte, dass ich Wein nicht gut vertrug, obwohl er doch so lecker war.

 

„Wollen wir nicht wieder hochgehen? Ich muss immerhin noch etwas arbeiten und du ja auch.“

Taylor stimmte zu und wir verließen gemeinsam schweigend den Saal.

Im Aufzug lehnte ich mich an die Wand neben ihn und bemerkte, wie er immer wieder zu mir runter sah, doch wir sagten beide nichts. Erst als  ich vor meinem Zimmer stand, spielte ich nervös mit meiner Zimmerkarte.

„So. Ich werde mich dann mal an die Arbeit machen.“

Er nickte und ich hatte gerade meine Tür geöffnet als er leise noch etwas hinzufügte.

„Überarbeite dich nicht wieder.“

Dann drehte er sich um und verschwand in seiner Tür, bevor ich noch etwas entgegnen konnte.

Kapitel 32

Kapitel 32

 

 

Ich schloss ebenfalls meine Tür und ließ mich daran herab gleiten.

Dann zückte ich mein Handy und rief erst einmal Larissa an. Ich erzählte ihr von meinem Tag und auch von der komischen Stimmung am Abend, doch sie meinte ich sollte es einfach ignorieren.

Als ich danach auch Ramon anrief,  riet er mir das gleiche.

Ihn interessierten aber eher die beruflichen Dinge als Larissa, die mich vor Allem über Ivan ausgefragt hatte.

„Wann kommst du mich noch mal besuchen, Großer?“

Traurig lag ich auf meinem Bett und musterte die Decke, während ich mit meinem besten Freund telefonierte.

„Ich weiß es nicht. Ich muss mich im Moment um die Firma kümmern. Aber du hast doch auch viel zu tun und kannst dir nicht direkt Urlaub nehmen.“

„Ja. Ich weiß ja noch nicht einmal ob ich überhaupt irgendwann Urlaub bekomme. Aber wenn, dann komme ich dich auf jeden Fall besuchen.“

„Dir steht auf jeden Fall etwas Urlaub zu! Und den solltest du auch nutzen!“

„Ja…gib mir ein paar Wochen Zeit, dann werde ich mich schon wesentlich mehr nach Urlaub sehnen als direkt an meinem ersten Tag.“

 

Wir telefonierten noch eine Weile, bis ich mich dann mit etwas Kaffee dem Ordner widmete und bis Mitternacht übersetzte. Dann war ich jedoch so müde, dass ich lieber schlafen ging und mir den Rest für morgen aufhob.

 

 

Dass ich kein eigenes Büro hatte war störend, denn so musste ich mir entweder den Schreibtisch mit Patricia teilen, wodurch wir beide zu wenig Platz hatten. Oder aber ich ging in Taylors Büro und setzte mich auf seine Couch, wo ich bei Kundenbesuchen aber immer wieder weggehen musste und seine schlechte Laune direkt abbekam. Auch riss er mich immer wieder mit kleinen Aufgaben aus meiner Arbeit, die er sonst wahrscheinlich selbst erledigt hätte.

 

„Steht in diesem riesigen Gebäude nicht irgendwo ein kleines Büro frei, wo ich arbeiten kann?“

Ich war gerade dabei Ordner in seine Schränke zu verteilen, die sich vorher auf seinem Schreibtisch gestapelt hatten und hatte die Nase gestrichen voll für Mike die Laufarbeit zu erledigen.

„Bist du dir etwa zu fein dafür, Ordner einzuräumen und willst der Arbeit dadurch entgehen?“

Er sah mich drohend an und seine schlechte Laune sprühte regelrecht Funken.

„Nein! Das ist nicht das Problem. Ich habe nur den Eindruck, dass du viel lieber dein Büro für dich alleine hättest. Und dann müsste ich auch nicht immer wieder umziehen, wenn du ein Meeting hast. Außerdem macht es doch einen komischen Eindruck, wenn der Chef sich sein Büro mit einer Sekretärin teilt.“

„Ich habe aber gerade keine Zeit, dir etwas anderes zu suchen! Ich muss nämlich ARBEITEN und das solltest du vielleicht auch besser tun, anstatt dich zu beschweren.“

Damit war das Thema für ihn abgehakt und er widmete sich wieder seinen Unterlagen.

„Ich kann mich ja auch selbst darum kümmern.“

„Hast du den Ordner schon fertig?“

„Nein, aber..“

„Dann hör auf zu jammern und arbeite!“

Er hatte noch nicht einmal aufgesehen und ich wusste, dass er komplett ausrasten würde, wenn ich jetzt erneut etwas erwidern würde. Also fügte ich mich meinem Schicksal und übersetzte, kochend vor Wut, weiter die Berichte.

Zwischendurch musste ich Mr. Giggs noch im Foyer abholen, Berichte abheften, Ordner einräumen, Ordner suchen, Berichte abheften, kopieren und Kaffee kochen – kein Wunder also, dass ich erst kurz nach Feierabend mit meiner Arbeit fertig war.

 

„Du warst heute zu langsam!“

Ich stand ungeduldig vor dem Drucker, während Taylor sich hinter mir aufgebaut hatte und die Stirn vor Zorn verzogen hatte.

„Ich musste ja auch zwischendurch immer wieder Dinge für dich erledigen, sodass ich ständig aus meiner Arbeit rausgerissen wurde!“

„Du bist meine Sekretärin, das gehört zu deinem Job!“

„Es gehört nicht zu meinem Job, dir ständig den Schreibtisch aufzuräumen. Das kann man einen Praktikanten machen lassen, aber nicht ständig seine Sekretärin.“

„Natürlich! Du bist dafür da, dass ich mich nicht mit unwichtigen Dingen herum schlagen muss, sondern mich auf das Wesentliche konzentrieren kann!“

„Dann musst du mir aber mehr Zeit zum Übersetzen geben, wenn ich zwischendurch noch so viel anderes machen soll.“

„Nein. Du musst dich einfach mehr beeilen! Denn so hast du dir ein eigenes Büro überhaupt nicht verdient!“

Wütend drehte ich mich um.

„Das könnte ich tun. Aber du erwartest eine GUTE Übersetzung von mir und dafür benötigt man nun einmal etwas mehr Zeit und Konzentration!“

„Eine GUTE Sekretärin könnte eine GUTE Übersetzung auch schreiben, wenn sie zwischendurch ihren anderen Aufgaben nachkommen muss!“

„Weißt du was? Ich kann gar nicht so schlecht sein, wie du gerade behauptest! Denn sonst hättest du mich nie so angebettelt, dass ich zurück in deine Firma komme!“

 „Ich habe nie-“

„Oh doch. Und jetzt gib mir noch eine Minute, dann hast du deine Ordner! Zieh es meinetwegen vom Gehalt ab, was weiß ich. Aber hör auf mich so fertig zu machen! Das lasse ich mir nämlich nicht mehr gefallen!“

 

Ich nahm die zwei Stapel aus dem Drucker, die er inzwischen ausgespuckt hatte und verließ das Zimmer um sie abzuheften und gleichzeitig Taylors Reaktion aus dem Weg zu gehen. Ich kochte innerlich, weil er wieder anfing seine Launen an mir auszulassen und mich als schlecht und stinkfaul darstellte. Früher hatte ich es über mich ergehen lassen, weil ich sonst auf der Straße gelandet wäre. Doch jetzt hatte sich einiges geändert und ich musste dies nicht mehr befürchten.

 

Ich beruhigte mich erst, bevor ich Taylor erneut unter die Augen trat und ihm meine Arbeit überreichte. Dann drehte ich mich wortlos um und ging zum Fahrstuhl voraus.

Ich musste unbedingt nach einem anderen Weg suchen, wie ich zum Hotel kam, ohne ständig von meinem Chef mitgenommen werden zu müssen!

 

 

An diesem Abend hatte ich ausnahmsweise nichts zu tun und widmete ihn so meiner Fitness. Denn das Hotel besaß ein großes Schwimmbecken im Keller mit einem kleinen Fitnessraum daneben.

Zum Glück hatte ich meinen Bikini nicht auch entsorgt und entspannte mich nach einem kurzen Abendessen – was ich heute alleine zu mir genommen hatte– zuerst einmal im  Whirlpool.

Meine Gedanken kreisten im warmen Wasser ständig um meinen neuen Job. Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, ihn anzunehmen. Denn schon jetzt fing mein Boss an, mich zu stressen, seine Launen an mir auszulassen und mich fertig zu machen. Und ich hatte die Befürchtung, dass es irgendwann wieder so enden würde, wie beim letzten Mal. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass ich nicht mehr mit ihm schlafen würde.

 

Je mehr ich über seine Worte vom Abend nachdachte, umso wütender wurde ich, sodass ich anfing schnell meine Bahnen durch das Becken zu ziehen und somit meinen gesamten Zorn in Energie umwandelte. Ich hatte gerade 20 Minuten geschafft und schwamm schon wesentlich langsamer, als ich Taylor plötzlich am Beckenrand entdeckte.

 

„Was willst du denn hier?“

Auch wenn es offensichtlich war, da er nur mit einem Hotelbademantel bekleidet dort stand. Ich hoffte einfach, dass er es sich noch einmal anders überlegen würde und mir das Becken überließ.

„Du bist hier nicht die einzige, die sich fit hält.“

Grinsend hängte er sein Handtuch direkt neben meines und stieg gemütlich aus den Hotelpantoffeln – ich hatte sie ebenfalls benutzt, nur sahen sie bei mir lächerlich groß aus, genau wie der riesige Bademantel.

„Das könntest du aber doch auch in dem Fitnessraum tun.“

Ich hatte das Ende des Beckens erreicht, wo er gerade seinen Bademantel auszog und mir seinen durchtrainierten Körper präsentierte, der nur noch mit schwarzen Badeshorts bekleidet war.

„Was ist, Stella? Schämst du dich etwa, mit mir im gleichen Raum zu sein, wenn du nur einen Bikini anhast? Das brauchst du nicht, bei deinem Körper. Vor Allem, weil ich dich schon mit wesentlich weniger Stoff am Leib gesehen habe – oder eher gar keinem.“

Er grinste mich anzüglich an und, zusammen mit seiner Anspielung, trieb mich das so auf die Palme, dass ich wütend aus dem Becken kletterte.

„Hier! Gaff meinet wegen so viel, wie du willst! Ich schäme mich nicht für meinen Körper! Und was das andere angeht – du wirst mich nie wieder so sehen. Also erfreu dich an deiner Erinnerung und lass mich damit in Frieden! Du bist mein Boss – nicht mehr und nicht weniger - und eine andere Beziehung werde ich auch niemals zu dir aufbauen.“

Ich griff mir meinen Bademantel und die Pantoffeln und stürmte wütend aus dem Raum.

 

Dass er von dieser Nacht angefangen hatte, machte mich unendlich wütend. Ich hatte in Spanien kein Problem damit, wenn ein One-Night-Stand am nächsten Abend irgendwelche Anspielungen machte. Ich ignorierte sie stets, da das alles nichts für mich bedeutete. Doch Taylor hatte sein Recht darauf verspielt, als ich indirekt deswegen gefeuert wurde. Er sollte es gefälligst vergessen und mich nur als seine Angestellte sehen! Und zwar als eine Gute!

Als ich mein Zimmer erreichte und die Tür hinter mir schloss, hatte ich meinen Entschluss gefasst.

 

Wenn Taylor dachte, er würde mich kennen, dann hatte er sich gewaltig getäuscht!

Ich würde ihm beweisen, dass ich gut in meinem Job bin! Und auch, dass ich mich in der Zwischenzeit geändert hatte.  Und ich würde dafür sorgen, dass er sich wünschte mich niemals gefeuert oder beschimpft zu haben!

Denn in Spanien hatte ich gelernt, wie  man Männern den Kopf verdreht. Damals tat ich es, um mehr Trinkgeld zu bekommen. Und jetzt würde ich es tun, damit Taylor mich zu schätzen lernte!

 

Larissa würde sicherlich zufrieden mit meinem Plan sein – vor Allem, da sie diejenige war, die mir vor zwei Jahren dabei mit Tipps und Tricks stets zur Seite gestanden hatte und es selbst in Perfektion jede Nacht ausübte.

Und Ramon hatte mich ja schon einmal dazu aufgefordert, Taylor so milder zu stimmen.

Kapitel 33

Am nächsten Tag stand ich extra etwas früher auf. Nach einer eiskalten Dusche föhnte ich mir meine lange braune Mähne schön wellig und machte mir keinen Zopf, wie ich es sonst immer tat. Ebenso schminkte ich mich heute dezent. Dann zog ich mir sexy Unterwäsche an – nicht dass ich sie irgendwem zeigen wollte, allerdings stärkte sie einfach mein Selbstbewusstsein und das würde ich heute brauchen. Darüber eine dunkelgraue Röhrenjeans und eine weinrote Bluse, die am Rücken gerafft war und somit meinen flachen Bauch und meine Brüste betonte. Den oberen Knopf ließ ich auf, sodass ich zwar noch keinen allzu tiefen Ausschnitt hatte, jedoch auch nicht zugeknöpft wirkte.

Dann schlüpfte ich noch in schwarze High Heels mit 10 cm Absatz, legte etwas Parfüm auf und schnappte mir meine schwarze Handtasche, in die alles was ich brauchte herein passte.

Schließlich zog ich mir noch meine geliebte Lederjacke über und verließ gut gelaunt das Hotel. Ich stöpselte mir noch meine Kopfhörer in die Ohren und machte mich auf den Weg zum nächsten Café. Zum Glück hatte es schon seit gestern Nachmittag nicht mehr geregnet, sodass ich mir weder direkt meine schönen Schuhe noch die Frisur versaute.

Ich genoss einfach die gute Laune, die die Musik verbreitete und sang in der Warteschlange sogar leise mit. Es war ‚I like how it feels‘ von Enrique Iglesias und es fühlte sich tatsächlich gut an! Die Kleidung gab mir das Selbstbewusstsein, mit dem ich immer gekellnert hatte und ich würde mir nach Feierabend eine kleine Shoppingtour gönnen, was meine Laune noch etwas mehr anhob.

 

10 Minuten später hatte ich ein belegtes Brötchen gegessen und stand nun mit zwei Kaffeebechern vor Mikes Zimmertür. Er öffnete mir schon in schwarzem Anzug, weißem Hemd und blauer Krawatte und hob überrascht die Augenbrauen, als er mein Outfit bemerkte.

Doch ich unterband seinen Kommentar, indem ich ihm seinen Kaffee entgegen hielt, für den wir sonst immer extra anhalten mussten, und direkt begann ihn über seine heutigen Termine aufzuklären, die noch für ihn anstanden.

 

„Alles okay mit dir?“

Er musterte mich ein weiteres Mal, jedoch etwas kritischer als zuvor.

„Klar, was sollte denn sein?“

„Erstens, du hast mir noch nie morgens meinen Kaffee geholt. Und zweitens, hast du mich auch noch nie an meine Termine erinnert.“

„Es ist doch immer so umständlich, mit dem Auto einen Parkplatz zu finden und dadurch dauert die Fahrt zur Firma ja nur noch länger. Deswegen dachte ich mir, weil es zu Fuß wesentlich schneller geht, dass ich dir den Kaffee einfach schon vorher hole. Und wegen dem anderen, ich dachte es würde nicht schaden, wenn ich dir morgens noch einmal alles sage. Dann kannst du dich schon einmal darauf vorbereiten, falls du etwas vergessen hattest oder du vorher noch irgendetwas klären musst. Oder soll ich das besser lassen?“

Seine rechte Augenbraue hob sich erneut und er schüttelte perplex den Kopf.

„Nein. Ist gut so.“

„Gut. Dann können wir ja jetzt los fahren oder ist noch irgendetwas?“

Ich schenkte ihm ein breites Lächeln, was ihn noch etwas mehr zu verwirren schien. Doch dann riss er sich endlich zusammen und verschwand wieder im Zimmer, was er kurze Zeit später mit den zwei Ordnern und einer Aktentasche wieder verließ. Natürlich nahm ich ihm die Ordner sofort ab – das gehörte sich ja schließlich für eine gute Sekretärin – und ging vor um schon einmal den Fahrstuhlknopf zu drücken.

Und dank eines Spiegels im Flur, konnte ich auch erkennen, dass mein Chef mir auf dem Weg die ganze Zeit auf den Hintern glotzte – der Fisch hatte angebissen.

 

 

Als wir die  Firma erreichten, verflog seine Verwunderung schlagartig, als Patricia ihn aufgeregt am Aufzug abfing, da sein erster Termin viel zu früh gekommen war und schlecht gelaunt in seinem Büro wartete.

„Wie kommt es, dass er schon da drinnen ist? Konnten Sie ihn nicht irgendwo anders warten lassen? Ich muss vorher noch kurz mit einem der Programmierer etwas klären und kann jetzt noch nicht da rein!“

„Es tut mir ja Leid, aber Mr. Huber war so schlecht gelaunt, dass ich schon Angst hatte, er würde alles abblasen. Und ständig hat das Telefon geklingelt und ich musste noch so viel erledigen, da hat er sich einfach dort rein gesetzt.“

„Das ist noch lange kein Grund, Ihre Arbeit als ‚Türsteher‘ zu vernachlässigen und mir ebenfalls den Tag zu versauen!“

 

Ich sah Patricia an, dass sie der Verzweiflung nahe war. Ich kannte Huber nämlich und wusste, wie unfreundlich und aufbrausend er sein konnte. Und nun war ihr Chef kurz davor sie wegen der gleichen Sache – für die sie überhaupt nichts konnte – genauso fertig zu machen, wie Huber es sicherlich schon getan hatte.

 

„Wie wäre es denn, wenn du zu dem Programmierer gehst und alles klärst, während ich versuche Mr. Huber etwas zu besänftigen?“

„Du musst noch genug tun heute. Es ist ein dicker Ordner mit der Post gekommen, den du bis morgen Abend übersetzen musst. Um Huber kümmert sich Patricia! Die ist immerhin meine Sekretärin.“

„Das bin ich auch. Und es gehört doch zu meinen Pflichten als persönliche Sekretärin, mich um deine Termine zu kümmern und somit ebenso um die Kunden.“

Genervt zuckte er die Schultern und trat zurück in den Aufzug.

„Macht doch was ihr wollt. Hauptsache euren Job! Sorg dafür, dass er gute Laune hat, wenn ich zurückkomme. Und vergiss den Ordner nicht!“

 

Damit verschwand er wieder im Aufzug und Patricia sah mich dankend an.

„Ich weiß gar nicht, was ich ohne dich machen sollte. Taylor hätte mich noch zerfetzt und dann gefeuert! -  Aber vielleicht lag es ja auch an deinem Outfit. Das ist der Hammer!“

Grinsend zuckte ich mit den Schultern und begab mich dann zu dem wartenden Anwalt. Er hatte wirklich schlechte Laune, doch ich kochte ihm Kaffee, redete über seine Familie und flirtete etwas mit dem über 50-jährigen. Als Taylor schließlich eine viertel Stunde später das Büro betrat, lehnte ich entspannt an seinem Schreibtisch und lachte mit Huber über irgendeinen schlechten Witz.

Freundlich zog ich mich zurück, doch eine hochgezogene Augenbraue seitens meines Chefs zeigte mir an, dass ich meine Arbeit gut gemacht hatte. Jetzt fehlte nur noch der Ordner…

 

 

Die Zeit rannte nur so davon und ehe ich mich versah stand auch schon Taylor vor mir, weil er Feierabend machen wollte. Er hatte mich den ganzen Tag in der Firma herum geschickt, mich Kaffee kochen lassen, Akten sortieren und so viele Kleinigkeiten, dass ich kaum etwas übersetzt hatte. Dennoch hatte ich mich nicht beschwert und alles gut gelaunt erledigt. Nur den Ordner würde ich heute wohl oder übel mitnehmen müssen.

 

„Du warst gut heute.“

Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, während ich alles zusammenpackte und wir gemeinsam das Büro verließen.

„Und übrigens - hübsche Klamotten.“

Grinsend lehnte ich mich neben ihn an die Aufzugswand.

„Dankeschön. Kannst du mich gleich vielleicht in der Innenstadt heraus lassen und den Ordner mit ins Hotel nehmen? Ich will noch etwas shoppen gehen, bevor die Läden schließen.“

„Kommt drauf an, was für Klamotten du dir kaufen willst.“

Er grinste mich schelmisch von oben herab an.

„Ich besitze kaum Klamotten für so schlechtes Wetter. Und deine Entschädigung habe ich auch kaum angerührt. Da werde ich mir heute mal etwas Schönes gönnen.“

„So etwas, wie du gerade an hast?“

Ich lachte, und verstaute den Ordner im Kofferraum des Autos, was wir inzwischen erreicht hatten.

„Vielleicht. Kommt drauf an, was ich so finde. Oder findest du, dass ich mir etwas Schickeres kaufen muss?“

„So ist gut. Huber schien es heute Morgen ja nicht gestört zu haben. Ganz im Gegenteil. Auch wenn ich nicht weiß, ob es so gut ist, dass du meine Geschäftspartner alle um den Finger wickelst.“

„Dann kannst du mich nicht mehr so leicht feuern, oder wie?“

Frech grinste ich ihn an und verschränkte die Arme vor der Brust, wodurch er lachen musste.

„Momentan hätte ich sowieso überhaupt keinen Grund dazu. Außer dass du meine Programmierer viel zu sehr von der Arbeit abhältst, wenn du sie auf ihrer Etage besuchst.“

Grinsend zuckte ich mit den Schultern.

„Ich habe nur das gemacht, was du mir gesagt hast.“

 

Taylor ließ mich am Anfang der Oxford Street heraus und versprach, mich wieder abzuholen, da es viel zu weit bis zum Hotel war. Sein Auto wollte er mir aber unter keinen Umständen überlassen.

Doch die nächsten vier Stunden war mir das egal, denn ich schwebte in einer Wolke aus Endorphinen, weil ich mir so viele schöne Klamotten kaufen konnte.

Neben mehreren Tops, einer schwarzen und einer dunkelblauen Röhrenjeans hatte ich mir auch noch Sneaker mit verstecktem 10 cm Keilabsatz in blau-weiß gekauft. Zudem noch halbhohe Stiefel mit 8 cm Absatz in grau und ein Paar Ankleboots mit Keilabsatz in schwarz. Dann  noch einen Schlauchschal aus dicker, weinroter Wolle, zwei schön dicke Strumpfhosen, einen schwarzen Minirock und ein rotes Kleid, welches perfekt war fürs Büro – nicht zu freizügig oder aufreizend aber trotzdem verdammt sexy. Zum Abschluss hatte ich mir noch bei Victoria’s Secret richtig heiße Unterwäsche gegönnt und genoss Taylors Blick richtig, als er die Tüte unter den vielen anderen entdeckte. Doch er verkniff sich jeglichen Kommentar und fuhr mich stumm zum Hotel.

 

 

Den Rest der Woche konnte ich nun alles anziehen und erntete immer wieder bewundernde Blicke von Patricia, den Programmierern, Taylor und seinen Geschäftspartnern. Und ich genoss es in vollen Zügen.

Das Kleid schien Taylor jedoch am besten zu gefallen, da er mich so oft wie noch nie in sein Büro rief und ich ständig etwas aus seinen Schränken heraus suchen musste, wobei er mich stets zufrieden grinsend musterte. Lediglich als er mich dann abends zum Essen ausführen wollte lehnte ich ab – ich musste es ja nicht unbedingt herausfordern.

 

Doch die Anstrengung schien sich zu lohnen. Mike eröffnete mir nämlich, dass ich in Paris mein eigenes Büro bekommen würde und er sich auch um welche in London und Barcelona kümmern würde. Außerdem machte er mich immer seltener für Dinge verantwortlich, für die ich nichts konnte.

Kapitel 34

Seitdem waren wieder ein paar Wochen vergangen, in denen ich mich kein einziges Mal mit Taylor in die Haare bekommen hatte – zumindest nicht privat. Dass er während der Arbeit mal sauer wurde, kam zwar immer noch vor, doch das ließ sich wahrscheinlich nicht vermeiden.

Außerdem schwebte ich im siebten Himmel, da wir endlich wieder nach Spanien zurück flogen.

Denn Barcelona war und blieb einfach meine Traumstadt! Selbst im Winter.

Und zu meiner Überraschung lag die Stadt erstaunlich ruhig unter einer dicken Schneeschicht, während das Zentrum mit allerlei Weihnachtsschmuck und Lichtern schon aus der Luft herausstach.

Es waren noch 2 Wochen bis Weihnachten, jedoch überkam mich bei dem Gedanken daran nur Traurigkeit. Schließlich würde ich die Festtage zum dritten Mal hintereinander alleine verbringen. Und dieses Mal sogar noch nicht mal in meiner eigenen Wohnung, sondern in einem anonymen Hotelzimmer, komplett allein. Denn Jacky wollte ihre Familie besuchen und selbst Taylor hatte sich freigenommen, um mit seinen Angehörigen zu feiern. Ramon hatte mir zwar angeboten, dass ich ihn besuchen könnte – doch dafür fehlte mir das Geld und auch die Zeit.

 

Es war der 2. Advent und ich war so wenig in Weihnachtsstimmung, dass ich fast als Grinch hätte gelten können. Ich vergrub mich in Arbeit, arbeitete teilweise sogar länger als Taylor und traute mich kein einziges Mal in die wunderschöne Innenstadt, da ich dort sicher nur angefangen hätte zu weinen.

Niemand sollte so Weihnachten – das Fest der Liebe und der Familie – feiern müssen, wie ich. Selbst als Obdachlose, hatte ich schönere Festtage gehabt.

Das einzige, was ich also tun konnte, war die Tage bis dahin so viel zu arbeiten, dass ich keine Zeit hatte, über meine Situation nachzudenken. Und an Weihnachten selbst, wollte ich mir so dermaßen die Kante geben, dass ich den ganzen Tag am Besten vergaß.

 

Am 23.12. Morgen war meine Stimmung dann allerdings so dermaßen dahin, dass Sarah mich sogar einmal zur Seite nahm und fragte, ob alles in Ordnung sei, anstatt mich, wie schon die letzten zwei Wochen, nur kritisch zu mustern.

Doch ich wimmelte sie ab und versteckte mich in meinem Büro, wo ich gerade so den Drang unterdrücken konnte abzuschließen und heulend zusammenzubrechen.

 

Mein Leben war beschissen!!!

 

Ich kochte mir einen besonders starken Kaffee und versuchte mich, auf meine Arbeit zu konzentrieren. Doch ich fürchtete, dass ich heute kaum etwas Vernünftiges gearbeitet bekommen würde. Genauso, wie die Zeit einfach nicht umgehen wollte. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich Mittag machen konnte und mich zu einem benachbarten Asiaten verzog. Er war der einzige, der keinen Weihnachtsschmuck in seinem winzigen Laden hatte und das war momentan mein Hauptkriterium, was meine Essenswahl anging.

Lustlos stocherte ich in meinen gebratenen Nudeln herum und mir standen die Tränen schon in den Augen, als plötzlich mein Handy klingelte und ein rasender Taylor mich begrüßte.

„Wo zur Hölle bist du, wenn ich dich mal brauche?!“

„Ich bin essen, wir haben Mittagspause, falls es dir noch nicht aufgefallen ist…“

Resigniert legte ich meinen Kopf auf den kleinen Tisch und machte mich auf die Standpauke gefasst, die jetzt kommen würde. Wahrscheinlich hatte ich irgendetwas vergessen oder meine Übersetzung war so schlecht, wie ich befürchtet hatte.

„Mittagspause fällt heute aus. Buch uns sofort einen Flug nach Paris und komm zurück in die Firma!“

 „Aber..“

„Nichts, aber!! Wir fahren jetzt sofort ins Hotel und dann an den Flughafen! Und dort hoffe ich für dich, dass wir im nächsten Flieger nach Paris sitzen! Und denk ans Hotel!!“

Das Tuten der Leitung ertönte und hinterließ mich noch verwirrter, als ich schon vorher war.

Was zur Hölle wollte Taylor jetzt noch in Paris?! Er hatte sich doch die nächsten drei Tage freigenommen um seine Familie in Madrid zu besuchen?

 

Doch das tat jetzt erst einmal nichts zur Sache. Denn wenn ich meinen Job behalten wollte, musste ich einen Flug buchen!

Ich warf mein kaum angerührtes Mittagessen in den Müll und sprach , schon bevor ich das Restaurant verlassen hatte, mit der Frau vom Flughafen am Telefon. Zu meinem Glück, hatte sie mir einmal ihre Durchwahlnummer gegeben, damit sie sich um unsere Flüge kümmern konnte und im Gegenzug dazu, brachte ich ihr immer mal wieder etwas von ihrer Lieblingsschokolade oder Blumen mit. Und bei den Überredungskünsten, die ich heute aufwenden musste, damit sie uns noch zwei Plätze im Flieger verschaffte, der in 2 Stunden abheben wollte, war ich ihr wahrscheinlich beides schuldig!

 

Doch ich schaffte es, alles zu regeln, noch bevor ich mein Büro erreichte, wo Taylor schon ungeduldig auf mich wartete. Und seine Laune war beängstigend!

Er lehnte an meinem Tisch, schrie jemanden an seinem Telefon auf Französisch an und fluchte dabei so viel, wie ich es noch nie von ihm gehört hatte. Und so ging es auf dem Ganzen Weg zum Hotel weiter. Er trug seine beste Mörderlaune zur Schau, fuhr zu schnell und zu riskant und machte inzwischen einen anderen Gesprächspartner am Telefon zur Schnecke.

Soweit ich es verstehen konnte, hatte irgendjemand gewaltig Mist gebaut, sodass der Firma eine große Klage drohte und der Kunde nur noch mit Taylor persönlich verhandeln wollte. Jedoch traute ich mich auch nicht nachzufragen, als er endlich auflegte.

 

 

Er stürmte durch das Foyer, wo die Leute eine beeindruckte Schneise um ihn bildeten und ich Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Zu meiner Überraschung schwieg er jedoch auf dem gesamten Weg zu unseren Zimmern und auch anschließend zum Flughafen. Dass er dabei allerdings noch bedrohlicher wirkte, half mir auch nicht weiter und ich hatte einfach nur Angst meinen Job zu verlieren, wenn wir diesen Flieger verpassten. Und dass es knapp werden würde, war uns beiden viel zu bewusst.

 

Der Schalter mit der Gepäckabgabe schloss direkt hinter uns und als ich dann die endlos lange Schlange vor der Sicherheitskontrolle sah, war ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ich spürte Taylors Blick auf mir und seinen anschließenden Blick auf die Uhr, doch ich traute mich nicht, ihn anzusehen.

Wir würden den Flieger verpassen, wenn es so weiter gehen würde!

Ich rief erneut meine Kontaktfrau an und erklärte ihr, unter Taylors Mörderblick mein Problem. Doch sie konnte auch nichts beschleunigen, außer die Stewardessen zu bitten, für uns das Gate noch 5 Minuten länger geöffnet zu lassen.

 

„Und du denkst, dass die 5 Minuten reichen?“

Taylors Stimme war erschreckend ruhig und sein Blick eiskalt, nachdem ich ihm davon berichtet hatte, sodass ich nur hilflos und resignierend mit den Schultern zucken konnte.

 

Zentimeterweise kamen wir in der Schlange vorwärts und uns blieben inzwischen nur noch 15 Minuten für eine Strecke, die mindestens 20 Minuten lang war. Und dabei hatten wir immer noch ein paar Leute vor uns in der Schlange.

 

„Das hier bringt doch nichts! Wir werden diesen Flieger nicht mehr erreichen!“

Taylor drehte sich um und wollte schon aus der Schlange heraus treten,  doch ich hielt ihn an seiner Hand zurück.

„Nicht. Bitte. Gib mir noch eine Chance. Wir werden das irgendwie schon schaffen…“

Hoffnungslos sah ich ihn an, doch er packte mich grob bei den Schultern und schüttelte mich.

„Wie denn?! Wach doch mal aus deiner Traumwelt auf! Der Flieger ist in der Luft, bevor wir überhaupt das Gate erreicht haben. Und damit habe ich die ganze Scheiße am Arsch, die dieser Idiot in Paris verbockt hat!“

„Bitte Mike…Bitte…Einfach nur, weil Weihnachten ist.“

Mir standen schon die Tränen in den Augen und ich konnte nicht mehr. Wenn er jetzt ging, bestand für mich überhaupt keine Hoffnung mehr.

 

Er sah mir noch einmal tief in die Augen und richtete sich dann kopfschüttelnd wieder zu seiner vollen Größe auf.

„Ich weiß ja nicht, wie du dir das vorstellst. Wir bräuchten schon ein Wunder, um diesen Flieger noch zu erreichen! Aber bitte. Tu, was du nicht lassen kannst.“

Er reihte sich wieder hinter mich ein und ich hatte Mühe, ihm nicht um den Hals zu fallen, aus lauter Dankbarkeit. Denn Grund zur Freude hatte ich immer noch nicht. Erst musste noch dieses beschissene Wunder passieren.

 

Nachdenklich blickte ich mich in der großen Halle umher, als in mir eine Idee reifte, die zwar lächerlich war - doch es war meine einzige.

Ich kramte mir einen Lippenstift aus meiner Tüte, legte ihn auf und frischte mein Makeup auf. Dann öffnete ich meine Bluse um zwei Knöpfe, zog sie aus der Hose und knotete sie mir unten so zusammen, dass ein kleiner Spalt meines Bauches zu sehen war.  Meine Jacke drückte ich Taylor in die Hand, der anscheinend nicht glauben wollte, was ich vorhatte - es aber wahrscheinlich auch für genauso unrealistisch hielt, dass es funktionieren würde. Aber wenigstens schwieg er.

 

Endlich konnte ich mein Handgepäck den Prüfern überreichen, die ich breit anlächelte, während ich darauf wartete, dass ich es endlich wieder an mich nehmen konnte. Als es soweit war, wuschelte ich mir noch einmal durch meine Haare und stolzierte, immer noch mit der Hand in meinen Haaren und mit wackelnder Hüfte auf einen jungen Mann vom Flughafenpersonal zu. Er lehnte an einem dieser kleinen Wagen, die das Personal innerhalb des Gebäudes benutzte um schneller die weiten Strecken hinter sich zu bringen. Ich schätzte ihn auf Anfang 20, mit seinen schwarzen zerzausten Haaren, der dicken Brille und braunen Haut. Und sein breites Grinsen, als er endlich mit seiner Musterung meines Körpers fertig war, verschaffte mir etwas Hoffnung.

 

Ich lehnte mich neben ihn gegen das Auto und erklärte ihm, mein Problem mit dem Flieger. Und dass ich sicherlich meinen Job verlieren würde, ohne seine Hilfe.

Sein Blick huschte dabei immer wieder unsicher hinter mich und ich hoffte, dass dort Taylor stand und ihn davon überzeugte, dass ich wirklich ohne ihn verloren war.

 

Zu meiner endlosen Freude versicherte er mir dann aber endlich, dass wir den Flieger mit seiner Hilfe noch erreichen könnten. Ich umarmte ihn einfach spontan und während ich meinen Körper an seinen presste, flüsterte ich ihm leise ins Ohr, dass es sich für ihn auch lohnen würde.

Sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter und er forderte uns geschäftig auf, einzusteigen.

Ich saß mit Taylor auf der Rückbank, während der Junge gegen wahrscheinlich viele Regeln verstieß, nur um mir meinen Job zu retten. Und dass er dies so gewissenhaft machte, zauberte mir ein kleines Lächeln auf den Mund. Dabei bemerkte ich Taylor, der sich ebenfalls ein Lachen verkniff. Dieser Junge war wirklich das beste Weihnachtsgeschenk, was ich bekommen konnte.

 

Wir erreichten unser Gate, wo schon alle eingestiegen waren und eine nervöse Stewardess nur noch auf unsere Ankunft zu warten schien, so erleichtert wie sie blickte, als sie uns entdeckte.

Taylor bedankte sich mit einem Handschlag bei dem Jungen und ging schon einmal voraus, als ich meinen persönlichen Engel erneut umarmte.

„Danke, dass du mir geholfen hast! Vielen vielen Dank!“

Er schlug meine Lobpreisungen einfach unter den Tisch und zog mich plötzlich an sich.

„Das hier war es mir wert.“

Und damit küsste er mich.

 

Vollkommen perplex ließ ich es geschehen, während er mich noch näher an seinen Körper zog und ich schließlich aus Reflex meine Arme um seinen Nacken schlang.

Und wie er küssen konnte! Seine Zunge neckte und reizte mich so gekonnt, bis ich vollkommen vergaß, dass ich ihn überhaupt nicht kannte.

 

Erst das Tönen einer Durchsage brachte ihn dazu, sich von mir zu lösen und einfach so, mit einem breiten Grinsen wieder auf seinen Wagen zu springen und wegzufahren. Ich glaubte sogar, dass er mir ein „Hat mich gefreut“ zuraunte, als er an mir vorbeifuhr.

 

Verwirrt konnte ich darüber nur den Kopf schütteln und mich endlich der wartenden Stewardess zuwenden, die inzwischen ebenfalls grinste. Wahrscheinlich passierte so etwas selbst in Spanien nicht jeden Tag. Hinter ihr erwartete mich Taylor, eine Augenbraue skeptisch hochgezogen und die Hände in die Seiten gestemmt.

„Du hast manchmal sehr unkonventionelle Methoden… Und ich weiß noch nicht so wirklich was ich davon halten soll. Aber es hat tatsächlich geklappt.“

Ich grinste ihn verlegen an und ging neben ihn durch die Gangway.

„So war das auch nicht geplant gewesen…“

Er lachte rau und legte einen Arm um mich.

„So wie du auf den Armen zugegangen bist, hatte ich schon erwartet, dass du mich stehen lässt und dich bis zum nächsten Flug mit ihm vergnügst.“

„Ach quatsch, du Idiot.“

Lachend stieß ich ihm in die Seite und schüttelte erneut verwirrt den Kopf.

Was hatte ich mir nur dabei gedacht?!

 

„Was ist los Stella? Konnte er etwa so gut küssen, dass du immer noch nicht klar denken kannst?“

Er lachte mich von der Seite an und ich konnte nicht anders, als mein Gesicht peinlich berührt in meinen Händen zu vergraben.

„Ich weiß wirklich nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Aber ich hatte so eine Angst, dass wir den Flieger verpassen… Oh Gott, ist das peinlich!“

„Peinlich würde ich das jetzt nicht nennen.“

Er machte eine Pause, in der er mir den Sitzplatz am Fenster überließ und es sich dann neben mir gemütlich machte.

„Sondern?“

Er musterte meinen Körper ausführlich und grinste danach wieder.

„Sagen wir mal so. Ich hätte dir so etwas nicht zugetraut. Und es ist kein Wunder, dass er so reagiert hat. Ich kenne keinen Mann, der dir in diesem Augenblick hätte widerstehen können.“

„Übertreib nicht.“

Trocken streckte ich ihm die Zunge raus und stöpselte mir demonstrativ meine Kopfhörer in die Ohren. Ich sah, dass er noch etwas erwidern wollte, sodass ich kurzerhand einfach die Augen schloss und meine Musik so laut aufdrehte, dass er sie wahrscheinlich auch hören konnte, während das Flugzeug langsam losrollte.

 

Mit einem langen seufzen lehnte ich mich entspannt in meinen Sitz zurück und mit einem Mal, war der gesamte Stress der letzten Stunde von mir abgefallen.

Ich hatte es geschafft und anscheinend irgendwie damit sogar Taylor beeindruckt. Er würde mich also nicht feuern. Und was auch immer dort in Paris vorgefallen war, darum musste ich mich nicht mehr kümmern.

Kapitel 35

Taylor schien sich noch den ganzen Flug über meine Aktion zu amüsieren, doch sobald wir von der Gepäckabgabe kamen, wurde er wieder vollkommen ernst und schien seine gesammelte Wut für den Mann zu sammeln, der uns abholen würde.

 

Ich erkannte ihn als einen der Programmierer. Er war eigentlich ein großgewachsener, schlaksiger Mann mit kurzgeschorenen Haaren. Doch als er seinen Chef erblickte, schien er um einige Zentimeter zu schrumpfen.

 

„Bonjour, Monsieur Taylor und Madame Anderson. Ich hoffe Sie hatten einen angenehmen Flug.“

„Hören Sie auf herum zu schleimen! Wartet Monsieur Zola in meinem Büro auf mich?“

„J-Ja…Er ist sehr wütend aber Marie sagte, sie würde sich um ihn kümmern, bis Sie ankommen.“

„Das hoffe ich auch für Sie! Und jetzt nehmen Sie Stella ihren Koffer ab und beeilen Sie sich.“

Ich wollte protestieren, jedoch warf Taylor auch mir einen Mörderblick zu, sodass ich dem armen Kerl lieber meinen Koffer in die Hand drückte und wir gemeinsam unserem Chef hinterherliefen.

 

In der Firma angekommen, verschwand Taylor in seinem Büro, wo ein magerer Mann im Anzug wartete, der mindestens genauso sauer aussah. Marie begrüßte mich seufzend und sah immer wieder vorsichtig zu der geschlossenen Bürotür.

„Der arme Monsieur Taylor. Und vor Allem der arme Kerl, der den ganzen Mist hier verbockt hat. Ich bezweifle, dass er morgen noch einen Job haben wird. Wahrscheinlich wird er heute Nachmittag noch gefeuert.“

„Was ist denn überhaupt passiert?“

„Monsieur Zola ist der Besitzer einer größeren Spielefirma und sein neues Produkt sollte morgen früh in allen Läden in Paris erscheinen. Dafür hat er einen Teil seinen Programms von uns machen lassen und die Deadline war heute Mittag.“

„Und sie wurde nicht eingehalten?“

„Nein. Etwas fehlt noch und der zuständige Programmierer ist heute Mittag in Urlaub gefahren. Er schien es vergessen zu haben oder was weiß ich. Auf jeden Fall sitzt er im Moment in einem kleinen Alpendorf und hat in der Nähe keinen Computer, mit dem er das fertig machen könnte. Seine ganzen Kollegen sitzen inzwischen unten und versuchen sich daran, aber für diesen Bereich ist keiner von ihnen richtig spezialisiert, sodass sie wesentlich länger brauchen. Und jetzt kann Monsieur Zola die Firma auf mehrere Millionen Euro verklagen, weil die Veröffentlichung seines Produkts wahrscheinlich verschoben werden muss und ihm somit eine Menge Gewinn durch die Lappen geht."

Zerknirscht schüttelte ich den Kopf und dachte an den armen Mann, der jetzt in den Alpen saß und nur noch darauf warten konnte, gefeuert zu werden. Sein Weihnachten war sicherlich noch beschissener als meines.

Da konnte ich wirklich froh sein.

 

 

 

Zwei Stunden später war ich mit allen meinen restlichen Aufgaben fertig und konnte theoretisch Feierabend machen. Taylor hatte mich auch nicht mehr gerufen, sodass ich mich fragte, warum ich überhaupt nach Paris mitkommen sollen. Aber mir sollte es Recht sein. So würde ich morgen noch etwas Beschäftigung haben, wenn wir dann erst zurückflogen.

Ich fuhr gerade meinen Computer, als Taylor mich in sein Büro rief. Auf der Etage war es erstaunlich ruhig, sodass ich annahm, dass die meisten schon Feierabend gemacht hatten. Auch Maries Platz war unbesetzt, aber sie hatte ja auch einen Mann und zwei kleine Kinder zu Hause sitzen.

Taylor saß mit verkniffener Miene hinter seinem Schreibtisch und tippte unentwegt auf seinen Computer ein, ohne mich zuerst zu beachten. Er war zudem wieder alleine, sodass ich es mir einfach ihm gegenüber gemütlich machte, bis er sich seufzend mir zuwendete.

„Tut mir Leid für den Stress heute so kurz vor Weihnachten, aber ich fürchte du musst noch ein paar Überstunden einlegen.“

„Kein Problem. Nur wenn es noch viel länger dauert, muss ich kurz ins Hotel, unsere Zimmerkarten abholen, bevor die Rezeption schließt.“

Er brummte verdrießlich und streckte mir dann plötzlich einen Autoschlüssel entgegen. Es war sein Audi. Erschrocken musste ich erst einmal schlucken, bevor ich meine Sprache wiederfand.

„Du gibst mir dein teuerstes Auto? Bist du dir sicher?! Kann ich nicht mit einem anderen fahren? Ich meine…ein teures Auto reicht doch für ein Leben.“

Er lachte und forderte mich erneut auf, die Schlüssel zu nehmen.

„Ich hab kein anderes im Moment hier. Und außerdem ist er versichert. Auch wenn ich dich trotzdem bitte, ihn möglichst heil wieder zurück zu bringen.“

Widerwillig nahm ich ihn entgegen und sah Taylor noch einmal kritisch an.

„Kannst du nicht vielleicht..?“

„Nein. Ich kann hier so schnell nicht weg. Lass dir einfach Zeit beim Fahren.“

„Aber..“

Lachend stand er auf und schob mich ungeduldig zu seiner Tür.

„Ich vertrau dir, dass du ihn nicht zu Schrott fährst. Und selbst wenn – es ist nur ein Auto! Also jetzt mach, dass du hier wegkommst, bevor ich es mir anders überlege. Du liebst dieses Auto doch eigentlich! Jetzt hast du auch mal die Chance, es zu fahren.“

Immer noch zweifelnd machte ich mich auf den Weg. Ein wirklich gutes Gefühl hatte ich dabei nicht, aber als ich den Wagen dann in der Tiefgarage entdeckte, kam endlich auch etwas Vorfreude auf.

Taylor hatte schließlich Recht gehabt – ich liebte dieses Auto. Und das Gefühl, das mich durchfuhr, als ich den Motor startete, war das Beste, was ich seit langem hatte. Ich ließ einmal kurz den Motor aufheulen, nur um den Sound zu genießen, bevor ich langsam aus der Tiefgarage rollte und mich in den Pariser Feierabendverkehr einfädelte.

 

Eine halbe Stunde später drückte ich Taylor seinen Schlüssel und die Zimmerkarte mit einem seligen Grinsen in die Hand und ließ mich seufzend auf seinen Sessel fallen.

„Ich nehme mal an, dass alles geklappt hat und du die Fahrt genossen hast?“

Lachend musterte er mich und lehnte sich ebenfalls zurück.

„Dieses Auto ist ein Traum!“

Ich musste erneut seufzen, bei dem Gedanken, an die Kraft und das Gefühl, in den Sitz gedrückt zu werden, wenn man beschleunigte.

„Das stimmt. Und selbst fahren macht noch mehr Spaß, als nur daneben sitzen.“

Ich stimmte ihm verträumt zu  - immer noch mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

Belustigt musterte Taylor mich und schüttelte schließlich lachend den Kopf.

„Ich glaube ich habe noch nie eine Frau kennen gelernt, die so sehr auf schnelle Autos steht, wie du. Aber ich fürchte ich muss dich trotzdem von deiner Schwärmerei abhalten. Du hast noch einiges zu tun heute Abend.“

Ich stimmte ihm zu und ließ mich mit Arbeit überhäufen, für die ich sicherlich noch ein paar Stunden brauchte. Da ich dabei allerdings auch immer wieder Taylors Hilfe benötigte, setzte ich mich kurzerhand auf die Couch in seinem Büro. Kunden würden schließlich nicht mehr kommen.

Um 8 Uhr traten schließlich zwei Mitarbeiter aus der Entwicklungsabteilung ins Büro, um zu verkünden, dass sie endlich fertig waren. Sie sahen ziemlich gestresst aus, doch als Taylor noch einem Telefonat verkündete, dass Monsieur Zola sich mit einem saftigen Preisnachlass zufrieden geben würde und sie nicht mehr um ihren Job bangen mussten, hatten sie ein mindestens genauso breites Grinsen im Gesicht wie ich, nach meiner Fahrt zum Hotel.

 

„Gut. Dann fehlen nur noch die paar Formulare von dir und wir können auch Feierabend machen.“

Mike lehnte sich seufzend auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Ich hörte, wie sein Computer sich ebenfalls in den Feierabend verabschiedete und musste resigniert feststellen, dass ich wahrscheinlich inzwischen die einzige in der gesamten Firma war, die noch arbeiten musste. Aber immerhin hatte die Frage, warum ich mitkommen sollte, sich nun auch erübrigt.

Also beeilte ich mich mit dem tippen, während Mike es sich auf dem Sofa mir gegenüber gemütlich machte, sich die Krawatte auszog und die obersten zwei Knöpfe seines Hemds öffnete. Er nahm fast das gesamte Sofa mit seiner Gestalt in Anspruch und krempelte sich gemächlich die Hemdärmel hoch, während ich wie gebannt dem Spiel seiner Muskeln dabei zusah. Sein Hemd spannte etwas an den Schultern und in seinem Ausschnitt blitzte die sonnengebräunte Haut schelmisch hervor.

 

„Schon fertig?“

Verwirrt blickte ich ihm ins Gesicht und brauchte einige Sekunden um endlich zu verstehen, was er gemeint hatte.

„Nein, tut mir Leid. Ich brauche noch etwas.“

Er schnaubte resignierend und streckte seinen Körper noch etwas mehr, was erneut meine Aufmerksamkeit auf ihn zog.

„Achso. Ich dachte nur, weil du aufgehört hattest zu tippen… Worüber hast du denn dann nachgedacht?“

Ertappt sah ich ihm wieder ins Gesicht, wo er mir mit einem neugierigen Blick begegnete.

„Nichts wichtiges. Ich habe mich nur gefragt, ob du noch vorhast dich hier noch komplett auszuziehen.“

Herausfordernd grinste ich ihn an, was er mit einem rauen Lachen kommentierte.

„Nein, eigentlich nicht. Ich will dich ja nicht von der Arbeit ablenken. Aber wenn du willst, können wir das später nachholen.“

Ich lachte ebenfalls und atmete innerlich auf, dass er nicht mitbekommen hatte, dass er mich auch so schon von der Arbeit abgelenkt hatte. Doch ich konzentrierte mich lieber auf das Formular, was ich gerade ausfüllte und konnte schließlich um 10 Uhr alles abschicken und herunterfahren.

„Fertig?“

Mike sah mich hoffnungsvoll an und fuhr sich zufrieden durch die Haare, als ich endlich nickte.

Er hatte mir die ganze Zeit gegenübergesessen und mich beobachtet, obwohl ich ihn zweimal darauf hingewiesen hatte, dass ich dadurch auch nicht schneller wurde, sondern eher langsamer. Denn sowohl seine Muskeln, als auch der Blick aus seinen tiefbraunen Augen, zogen immer wieder meine Aufmerksamkeit auf sich. Und dass er mich dann immer fragte, ob ich fertig sei, war dazu auch noch unendlich nervig gewesen.

 

Doch endlich konnten wir unser Zeug packen und Mike fuhr uns in Rekordzeit ins Hotel. Er schien einen genauso großen Hunger zu haben, wie ich, weswegen wir uns auch zum Essen im Hotelrestaurant verabredeten. Dieses Mal hatten wir Zimmer auf unterschiedlichen Etagen, die ich auch nur mit Mühe bekommen hatte. Anscheinend schienen viele Leute Weihnachten in Paris verbringen zu wollen, wie mir die Hotelangestellte erzählt hatte, sodass jedes Jahr fast alle Hotels der Stadt ausgebucht waren.

 

Das Zimmer, was ich hatte, war zwar kleiner und einfacher als sonst, aber mir reichte es vollkommen. Ich nahm schnell eine heiße Dusche und schaffte es schon eine viertel Stunde später in einem weinroten T-Shirt-Kleid im Hotelrestaurant zu erscheinen. Mike saß bereits an einem der kleinen Tische und stand sogar galant auf, um mir den Stuhl zurecht zu rücken. Er hatte sich ebenfalls umgezogen und trug schwarze, enge Jeans zu einem einfachen grauen T-Shirt, was ihm wie angegossen passte.

„Tut mir Leid, wartest du schon lange auf mich? Aber ich musste erst noch duschen und mich umziehen.“

Er setzte sich mir gegenüber und schüttelte grinsend den Kopf.

„Nein, ich war auch noch duschen. Aber mach dir keinen Stress, den hatte ich heute schon genug. Du siehst übrigens wunderbar aus.“

Seine Augen glänzten wie flüssige Schokolade und er lächelte mich im Kerzenlicht so charmant an, dass ich mir verlegen die Haare zurückstrich und mich schnell hinter der Karte versteckte.

„Ich habe schon mal einen Rotwein für uns ausgesucht, ich hoffe das war in Ordnung.“

„Ja klar, ich hab sowieso keine Ahnung von Wein.“

„Du bist so oft in Frankreich, da solltest du das vielleicht mal ändern. Vor Allem wo doch auch Spanien ein paar tolle Weinsorten hat!“

Nachdenklich schüttelte ich den Kopf und zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß nicht. Wein ist ziemlich teuer und ich weiß ihn nicht so sehr zu schätzen, dass ich es vor mir rechtfertigen könnte, eine Flasche für mich zu kaufen. Und außerdem trinke ich alleine sowieso nur selten Alkohol.“

„Und warum trinkst du dann jetzt Wein?“

„Naja…der Wein passt irgendwie zu dir und wenn ich ihn mit dir trinke, dann auch immer nur nach einem besonders stressigen Tag, um endlich mal entspannen zu können.“

Er wartete, bis der Kellner den Wein ausgeschenkt und unsere Bestellung aufgenommen hatte, bevor wir miteinander anstießen.

„Sonst willst du ja auch nie mit mir essen gehen.“

Auffordernd grinste er mich an, was ich ebenfalls erwiderte.

„Du bist ja auch mein Chef und ich sehe dich schon so den ganzen Tag lang. Da muss ich das ja auch nicht jeden Abend tun, sondern manchmal brauch ich auch eine Auszeit von meinem Job.“

„Und warum kannst du dann nach einem besonders stressigen Tag meine Anwesenheit besser ertragen? Müsste es nicht normalerweise andersherum sein?“

Lachend nahm ich einen weiteren Schluck und machte es mir erst einmal im Stuhl bequem bevor ich schließlich mit den Achseln zuckte.

„Vielleicht kann ich nach solchen Tagen einfach nicht mehr die Energie aufwenden, mich gegen das Essen mit dir zu wehren.“

 

Sein Grinsen wurde breiter und seine Augen bohrten sich in meinen.

„Wenn das so ist, werde ich heute einfach mal mein Glück  herausfordern und dich auf dieses Essen einladen. Und nach so einem stressigen Tag wirst du mir diesen Wunsch doch hoffentlich gewähren.“

Unsicher biss ich mir auf die Lippen, während ich seinem Blick weiterhin standhielt.

„Warum willst du mich denn so unbedingt zum Essen einladen?“

„Du hast mir heute eine Menge Geld gerettet, da ich sonst diesen Flieger nicht bekommen und mich Monsieur Zola verklagt hätte. Da werde ich mich doch wohl wenigstens mit einem kleinen Essen revanchieren dürfen.“

Sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter und er zog herausfordernd eine Augenbraue hoch, während er mir sein Glas entgegenhielt.

Ich musterte ihn kritisch, doch je länger ich das tat, umso mehr gingen mir die Argumente gegen seine Einladung aus. Es war immerhin nur ein Essen. Nicht mehr.

„Na gut. Immerhin ist morgen Weihnachten.“

Mit einem Lachen, was mir durch Mark und Bein ging, stieß er erneut an und deutete dann auf mein Weinglas.

„Wenn du willst kann ich dich auch heute Abend noch in die tiefen Geheimnisse des Weines einweihen.“

Lachend schüttelte ich den Kopf.

„Du solltest dein Glück heute Abend nicht zu sehr herausfordern!“

Daraufhin trank er nur grinsend einen Schluck, während seine funkelnden Augen mich vergnügt musterten.

Kapitel 36

Das Essen verlief wunderbar und ich fühlte mich richtig wohl, im Warmen zu sitzen und Wein zu trinken, während draußen der eiskalte Wind um die Ecken brauste. Zudem lernte ich eine neue Seite an Mike kennen. Denn er war auf einmal wesentlich entspannter und lockerer im Umgang, gab nicht immer nur kurze antworten und ich entdeckte einen ziemlich ironischen Humor an ihm, mit dem er mich ständig  zum Lachen brachte.

Und als das Restaurant um Mitternacht schloss, zogen wir kurzerhand um in die Hotelbar. Dort erzählte ich ihm dann, was alles in den zwei Jahren, in denen wir uns nicht mehr gesehen hatten, passiert war. Im Gegenzug dazu, erfuhr ich auch einiges über ihn. Zum Beispiel, dass er zwei jüngere Geschwister hatte – eine Schwester und einen Bruder, die beide noch studierten - sein Vater war Bänker und seine Mutter Maklerin.

Bei jedem neuen Glas Wein, was er zudem bestellte, erzählte er mir auch, zu welchem Essen diese Sorte passte, worauf man beim Kauf achten musste und er versuchte mir auch beizubringen, wie man professionell einen Wein probiert. Da ich dieses Gehabe allerdings total lächerlich fand, gab er es schließlich auf und begnügte sich damit, wenn ich seine Beschreibungen über den Geschmack wenigstens ein bisschen nachvollziehen konnte.

Als dann irgendwann auch der Barkeeper Feierabend machen wollte, war ich zwar betrunken und hundemüde, aber vollkommen glücklich und entspannt.  Als ich Mike dann auf dem Weg zum Aufzug fragte, warum er auf einmal so anders wäre zuckte er nur lachend mit den Schultern.

„So bin ich immer, wenn ich mal nicht an die Arbeit denken muss. Also jedes Jahr an Weihnachten und wenn ich am Wochenende feiern gehe.“

„Machst du sonst keinen Urlaub?“

Überrascht versuchte ich ihn anzusehen, was sich als schwierig herausstellte, da er einen Arm um meine Taille gelegt hatte und ich dadurch meinen Kopf so weit in den Nacken legen musste, dass ich stolperte. Doch sofort umfing mich ein zweiter Arm und ich wurde gegen Mikes muskulösen Oberkörper gedrückt, bis ich meine Beine wieder sortiert hatte, während er mich herzhaft auslachte.

„Du verträgst ja wirklich keinen Wein. Aber nein, so wirklich Urlaub habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Ich nehme mir höchstens Mal einen Tag frei, wegen Familienangelegenheiten und Feiern oder wenn ich krank bin.“

„Du bist ein wahrer Workaholic.“

Lachend boxte ich ihm in die Seite und versuchte seinen Händen auszuweichen, die mich auskitzelten. Doch erst als der Aufzug kam, erlöste er mich. Er lehnte sich an die Wand an und zog mich kurzerhand an sich, wo ich meine Nase grinsend in seinem T-Shirt vergrub.

„Du bist aber doch diejenige, die die letzten Wochen haufenweise Überstunden gemacht hat.“

Ich brummelte nur erschöpft in den Stoff, worauf hin er die Arme um mich schloss und  mich somit noch näher zog. Er lehnte sein Gesicht gegen meinen Kopf und sein Atem strich gleichmäßig über mein Ohr, während ich meine Arme um seine Mitte schlang.

„Man könnte fast meinen du freust dich gar nicht auf Weihnachten.“

Er sprach ganz leise und seine Umarmung wurde etwas fester, als ich nur stumm den Kopf schüttelte. Ein Läuten kündete an, dass wir meine Etage erreicht hatten, doch ich blieb einfach stehen und atmete weiter den herrlich männlichen Duft ein, der Mike umgab.

„Du musst hier aussteigen.“

Ich nickte erneut, doch keiner von uns bewegte sich, bis sich die Türen erneut schlossen und wir weiter nach oben fuhren.

Aber es war mir egal. Ich fühlte mich in dieser Umarmung zum ersten Mal seit sehr langer Zeit noch einmal geborgen und nicht so alleine.

Erneut ertönte ein Läuten, als wir Mikes Etage erreicht hatten, doch wir blieben immer noch stehen. Es war lediglich ein brummeln, was ich schließlich heraus bekam.

„Ich muss wieder runter fahren, zu meinem Zimmer…“

Mike nickte und nach einiger Zeit löste er schließlich einen Arm von mir um auf den Knopf zu drücken, der uns wieder herunter schickte. Doch viel zu schnell waren wir auch dort wieder angekommen – was jedoch keiner von uns zwei zum Anlass nahm, sich zu bewegen, bis sich die Türen erneut schlossen.

„Ich will noch nicht gehen… Können wir nicht einfach noch eine Weile so stehen bleiben?“

Ein tiefes Brummen ertönte in Mikes Brust, was ich einfach als Zustimmung deutete und meine Nase noch etwas tiefer in den Stoff drückte. Ich fühlte mich so unendlich wohl in diesem Moment, dass ich am liebsten die ganze Nacht in dieser Position verharrt hätte. Doch plötzlich setzte sich der Aufzug erneut in Bewegung und fuhr langsam wieder herunter ins Erdgeschoss. Ich hörte nur, wie jemand ebenfalls einstieg und Mike erneut einen Arm von mir löste, um einen Knopf zu drücken. Viel zu schnell waren wir in diesem Stock auch schon angekommen, wo er mich langsam von sich und aus dem Aufzug schob.

Ich erkannte, dass es meine Etage war, in der wir ausgestiegen waren, doch als Mike wieder einen Arm um meine Taille schob, lehnte ich mich einfach an seine Seite und schloss die Augen, während er mich zu meinem Zimmer leitete. Dort zog er mich wieder an sich, während seine Hand in meiner Tasche nach der Zimmerkarte suchte und schließlich die Tür öffnete.

Unsicher, was jetzt passieren würde, sah ich ihn an, doch er strich nur müde grinsend über meine Wange, hob mich auf seine Arme und legte mich erst auf meinem Bett wieder ab. Ich hatte meine Arme um seinen Nacken gelegt und war von seinen Augen gefangen, während er sich über mich beugte und scheinbar nach irgendwelchen Zeichen meinerseits suchte, was jetzt passieren sollte. Doch mir war es egal.

Ich hatte diesen Abend genossen. Und diese neue Seite an Mike, wenn er nicht gerade der unnahbare Chef oder der Playboy war, hatte mich so fasziniert – wenn er ging, war es wahrscheinlich besser, aber wenn er blieb würde ich auch keine Sekunde darüber nachdenken, mich ihm zu verwehren.

Ich war dieser Seite an ihm verfallen, was zwar auch an dem Wein liegen konnte, aber so gut wie es sich anfühlte, konnte ich mich sogar damit abfinden. Also schloss ich einfach die Augen und wartete, wie er sich entschied.

 

Seine Nase strich langsam an meiner entlang und fuhr ihren Weg über Wange fort, bis er mir schließlich einen langen Kuss darauf gab.

„Es war ein wirklich schöner Abend heute mit dir.“

Ich nickte lächelnd und sah ihm wieder in seine vor Verlangen funkelnden Augen.

„Wir sollten das vielleicht noch einmal wiederholen… Allerdings ohne, dass du zum Schluss betrunken bist.“

Er grinste mich frech an, was ich mit einem leichten Schlag gegen seine Schulter quittierte.

„So betrunken bin ich nicht. Es geht inzwischen wieder.“

„Das ist gut.“

Ich biss mir unbewusst auf meine Unterlippe, was seinen Blick jedoch sofort darauf lenkte und in mir ein wohliges Kribbeln auslöste. Langsam senkten sich seine Lippen auf meine und verharrten dort so zärtlich, wie ich es noch nie bei ihm erlebt hatte. Seine freie Hand hatte er in meinen Haaren vergraben, während er sich mit der anderen abstütze.

„Das sieht ziemlich unbequem aus, wie du hier stehst…willst du nicht…“

Er küsste mich erneut. Wieder ohne Zunge, sondern ein einfacher Kuss, der mir trotzdem alle Sinne zu rauben schien.

„Besser nicht. Wenn ich erst einmal in deinem Bett bin, werde ich so schnell nicht wieder dort raus kommen. Und das wäre nicht der richtige Abschluss für diesen Abend.“

Überrascht über diese Einstellung bei ihm, brauchte ich zwei lange Küsse, bis ich antworten konnte.

„Das stimmt vielleicht. Und wenn wir diesen Abend wiederholen, was wäre denn dann der richtige Abschluss dafür?“

„Ich weiß es nicht… Aber du solltest jetzt wohl besser schlafen.“

Er küsste mich ein letztes Mal und strich mir noch einmal sanft lächelnd über die Wange, bevor er sich wieder aufrichtete und mich grinsend in meinem Zimmer alleine ließ.

Verwirrt und gleichzeitig auch immer noch hingerissen über sein Verhalten, ging ich noch einmal die vergangene Stunden durch. Es war wirklich ein toller Abend gewesen. Und fast wünschte ich, dass wir ihn wirklich noch einmal wiederholen könnten. Doch ich glaubte nicht daran. Zu groß war der Unterschied in seinem Verhalten gewesen. Aber wenigstens ein einziges Mal  diese sanfte und entspannte Art von Mike zu erleben, war schon mehr, als ich jemals zu hoffen gewagt hatte. Schließlich hatte es niemals auch nur ansatzweise einen Hinweis darauf gegeben, dass eine solche Seite überhaupt bei ihm existierte.

Kapitel 37

Als ich am nächsten Morgen von meinem Handy geweckt wurde, fühlte ich mich wie gerädert. Ich hatte zwar keinen Kater, aber ich war so übermüdet und erfroren, dass ich mich nur mit Mühe aus dem Bett hieven konnte. Ich war in der Nacht anscheinend über meinen Grübeleien eingeschlafen, da ich immer noch meine Klamotten und sogar die Schuhe trug. Selbst das Licht hatte ich anscheinend nicht ausgeschaltet.

Halb blind tapste ich ins Bad, wo ich die Dusche so heiß aufdrehte, bis sich schon nach kurzer Zeit meine Haut rot färbte. Doch immerhin wurde mir warm. Nach einer dreiviertel Stunde war ich dann schließlich fertig mit allem und betrat wieder mein Schlafzimmer. Doch als ich einen Blick nach draußen warf, sank mir mein Herz in die Hose.

Der Sturm den ich gestern Abend im Restaurant gehört hatte, war wohl über Nacht zu einem heftigen Schneesturm übergegangen und draußen erstreckte sich die Welt unter einer noch dickeren Schneeschicht, als vorher. Es lag sicherlich schon über ein halber Meter und während der Wind sich gelegt hatte, rieselte es auch weiterhin große Flocken vom Himmel.

Ganz Paris schien unter diesem dicken Vorhang eingeschlafen zu sein. Denn überall auf den Straßen, die ich von meinem Fenster aus erblicken konnte, war keine Menschenseele unterwegs. Nichts war zu sehen von dem alltäglichen Verkehrschaos – da die Räumfahrzeuge ihrer Aufgabe anscheinend nur sehr schlecht nachkamen. Aber auch Passanten waren kaum unterwegs, und wenn sich doch jemand auf die glatten Wege getraut hatte, so war er dick eingepackt und eierte eher, als dass er ging.

Hoffnungslos griff ich nach meinem Handy, nur um die schlechte Vorahnung, die mich ergriffen hatte, bestätigt zu bekommen. Am Pariser Flughafen waren sämtliche Flüge für unbestimmte Zeit gestrichen worden.

Wir steckten also in Paris fest.

 

Resignierend zog ich mir eine Jeans und den dicksten Pulli an, den ich dabei hatte, und machte mich auf den Weg zum Frühstücksbuffet. Jetzt hatte sich die Frage auch erledigt, ob wir den gestrigen Abend noch einmal wiederholen sollten. Denn wenn ich Mike gleich sagen musste, dass er über die Feiertage in Paris feststeckte, würde die gute Stimmung zwischen uns sicher sofort verschwunden sein. Was ja auch irgendwie verständlich war.

Ich war einer der ersten im Saal und konnte Mike noch nirgendwo entdecken, sodass ich mir erst einmal einen großen Kaffee und etwas zu essen holte. Ich setzte mich an einen Tisch direkt neben dem Fenster und sah dem friedlichen Schneetreiben draußen zu.  Es war wirklich das perfekte Weihnachtswetter – außer man saß in der falschen Stadt fest oder hatte niemanden, mit dem man feiern konnte.

Ich war gerade bei meiner zweiten Tasse Kaffee angelangt, als Mike mit unbewegter Miene  den Raum betrat. Er trug die schwarze Jeans von gestern und dazu einen dünnen weinroten Pullover, bei dem er die Ärmel lässig hochgekrempelt hatte. Ich beobachtete jede seiner Bewegungen, wie er zielstrebig auf mich zu kam und sich ohne irgendwelche Worte an den Tisch setzte.

Spätestens daran merkte ich, dass er innerlich kochte. Er ahnte sicherlich schon, was ich ihm noch sagen musste und mich nur noch nicht traute es laut auszusprechen. Die Bedienung kam und schenkte ihm seinen geliebten Kaffee ein, den er allerdings nicht anrührte. Er sah stumm nach draußen und schien seine Wut bändigen zu wollen, doch ich wusste, dass er das nicht schaffen würde. Aber ich ließ ihm die Zeit und sah ebenfalls den großen dicken Flocken zu, wie sie sich langsam auf der Erde auftürmten.

„Sag mir, dass ich nicht Recht habe.“

Überrascht sah ich Mike an und begegnete seinem lodernden Blick, der mich dazu drängen wollte, ihm eine gute Nachricht zu überbringen, doch das konnte ich nicht.

„Tut mir Leid. Es wurden alle Flüge heute gestrichen und sie wissen noch nicht, wann der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden kann, da noch mehr Schnee gemeldet wurde.“

Er fluchte ungehalten und raufte sich die Haare, wodurch sie wieder herrlich zerzaust aussahen. Doch selbst das konnte mich nicht wirklich aufmuntern. Ich wartete gebannt auf Mikes weitere Reaktion und war umso überraschter, als er plötzlich aufstand.

„Ich brauche erst mal etwas zu essen. Soll ich dir was mitbringen?“

„Nein, ich hab schon gegessen. Danke.“

Verwundert sah ich zu ihm auf, wie er mich kritisch musterte und dann schulterzuckend zum Buffet verschwand. Als er von dort wieder kam, häufte sich auf seinem Teller das Essen und er hatte eine Zeitung unterm Arm klemmen.

Jedoch vollkommen verwirrt war ich erst, als mir eines der Croissants auf meinen Teller legte mit einer Packung Marmelade dabei.

„Mike, ich wollte doch gar nichts mehr?“

Er war schon hinter seiner Zeitung verschwunden, ließ sie jedoch kurz sinken um mich erneut kritisch zu mustern.

„Ein Croissant geht immer. Du magst die doch, oder? Und außerdem hast du in der letzten Zeit kaum was gegessen…“

„Woher.. Aber ich hab doch keinen Hunger mehr.“

Verwirrt sah ich ihn an. Woher wusste er überhaupt, dass ich in letzter Zeit immer weniger gegessen hatte?

„Wir frühstücken jeden Morgen mehr oder weniger miteinander. Da fällt mir so etwas auf, vor Allem wenn du dabei immer dünner wirst…  Und so ein kleines Croissant passt doch sicher noch.“

Damit versteckte er sich endgültig hinter seiner Zeitung und ließ mich so überrumpelt  zurück, dass ich aus lauter Verwirrtheit tatsächlich nach dem Croissant griff und mir eine extra dicke Schicht Marmelade darauf schmierte.

Da sollte einer doch mal die Männer verstehen!

 

Nach dem Frühstück verabschiedete Mike sich kurz, um alle möglichen Wege zu testen, wie wir nach Barcelona kommen konnten. Doch selbst seine Beziehungen halfen uns nicht weiter. Und an der Hotel Rezeption eröffnete sich mir ein neues Problem. Ich hatte immerhin die Zimmer nur für eine Nacht gebucht und sonst war das Hotel komplett voll.

Ratlos kehrte ich zu Mike zurück, nachdem ich dieselbe Absage auch in allen Hotels bekommen hatte, die mir einfielen. Ich schüttete mir meine vierte Tasse Kaffee ein, doch selbst danach sah ich keine Lösung für das riesen Problem, was wir momentan hatten. Wir mussten bis 12 Uhr unsere Zimmer räumen und fanden keine anderen, geschweige denn dass wir zurück nach Barcelona kamen.

„Und was machen wir jetzt?“

Deprimiert starrte ich in meine leere Tasse und fragte, ob ich mir noch eine fünfte gönnen sollte, doch Mike schien dies zu ahnen und nahm sie mir kurzerhand weg.

„Auf jeden Fall hörst du jetzt auf, dich mit Kaffee zu betrinken, sonst wirst du gleich zu einem echten Nervenbündel.“

„Ja aber Kaffee macht glücklich. Und das ist es, was ich im Moment brauche!“

„Ach quatsch. Auch wenn diese Weihnachten nicht so verlaufen, wie sie geplant waren, musst du sie ja nicht traurig irgendwo verbringen.“

„Sondern?“

Genervt sah ich ihn an. Er hatte doch keine Ahnung, was in mir vorging. Er hatte ja immerhin noch eine Familie, mit der er theoretisch feiern könnte.

„Ganz einfach. Da wir zwei hier festsitzen und ich mich weigere, Weihnachten alleine zu verbringen, wirst du mir Gesellschaft leisten.“

„Ich bin nicht in Weihnachtsstimmung und ein Notstopfen bin ich erst Recht nicht gerne!“

„Du bist kein Notstopfen. Aber da wir wegen dir kein Hotelzimmer mehr haben, wirst du trotzdem mit mir feiern müssen!“

Er grinste mich frech an, wodurch ich fast an die Decke ging.

„Wegen mir haben wir keine Zimmer mehr?!“

„Hey, hey. Bleib mal ganz ruhig. Das war kein Angriff an dich, sondern einfach nur ein Grund, warum du dich nicht dagegen wehren darfst, mit mir zu feiern. Und außerdem, wo willst du sonst hin? Alle Hotels sind voll, wie du mir gesagt hast.“

„Und da kannst du etwas dran ändern? Oder wo willst du bitte schlafen?“

„Natürlich kann ich da nichts mehr dran ändern. Aber es gibt ja auch noch andere Arten von Unterkünften.“

Skeptisch sah ich ihn an, doch er grinste nur geheimnisvoll und stand auf.

„Du packst jetzt dein Zeug zusammen und ziehst dich dick an, dann treffen wir uns in einer Stunde im Foyer und checken aus.“

„Und dann?!“

 Lachend zog er mich von meinem Stuhl hoch und strich mir grinsend mit seinem Daumen über die Wange, wodurch meine Haut aufgeregt unter seiner Berührung zu kribbeln begann.

„Vertrau mir einfach und lass dich überraschen, okay?“

Vollkommen niedergestreckt von seinen Augen und seinen Berührungen konnte ich nur stumm nicken, bevor er mir eine Hand auf den Rücken legte und mich sanft zu den Aufzügen schob.

Was auch immer er plante – es war sicherlich besser als Weihnachten so zu verbringen, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte. Also packte ich schnell meine Sachen zusammen und verbrachte die restliche Zeit damit, Ramon anzurufen und ihm von meiner Situation und vor Allem vom letzten Abend zu berichten. Er war offensichtlich ziemlich froh, dass sich meine Pläne für die Feiertage geändert hatten und schaffte es sogar irgendwie, mich in Weihnachtslaune zu bringen. Obwohl  ich immer noch etwas skeptisch war, was Mike geplant hatte.

Als ich schließlich im Foyer ankam, wartete er schon auf mich und übernahm sogar alle Formalitäten, die ich sonst regelte. Danach nahm er mir meinen Koffer ab und führte mich raus in das eisige Schneetreiben, wo ich mich schnell in seinen schon vorgeheizten Audi verkroch.

„Verrätst du mir jetzt, was du vorhast?“

„Nein. Das wirst du noch früh genug merken. Wir fahren jetzt erst einmal Autos tauschen. Weil mit dem hier, werden wir unser Ziel wahrscheinlich niemals erreichen.“

Kapitel 38

Der Pariser Straßendienst hatte sich sicherlich viel Mühe gegeben, aber trotzdem waren die Straßen überall schneebedeckt und es ging noch langsamer als sonst vorwärts – obwohl kaum jemand sich mit dem Auto nach draußen traute.

Mikes Audi schnurrte zufrieden über die Straßen und ich war erstaunt, wie gut er sich sogar bei diesem Schneetreiben fahren ließ. Nach einiger Zeit bogen wir schließlich in eine Tiefgarage ab, bei der man klingeln musste, damit das Tor sich öffnet. Doch nachdem Mike seinen Namen genannt hatte, glitt das Gitter lautlos nach oben und wir fuhren unter das Backsteinhochhaus.

Nachdem er geparkt hatte, stiegen wir beide aus und er führte mich zu einem Aufzug, wo er zielstrebig auf einen Knopf drückte und sich dann grinsend mir zuwendete.

„Wir müssen nur die Autos tauschen, dann geht’s auch schon weiter.“

„Und wer gibt dir einfach so sein Auto, bei diesem Schneechaos?“

Skeptisch versuchte ich, etwas aus ihm heraus zu bekommen, doch wieder grinste er nur. Die Aufzugtüren glitten auf und wir betraten einen breiten, sauberen Flur. Mike legte  einen Arm um meine Schultern und führte mich den Flur entlang bis zur letzten Tür.

„Meine Großeltern.“

Mit einem breiten Grinsen klopfte er an der Tür und noch bevor ich diesen Schock verdaut hatte, öffnete uns eine kleine ältere Frau, in einen edlen Hosenanzug gekleidet und die grauen Haare in einer perfekt sitzenden Dauerwelle auf dem Kopf.

„Mike! Wie schön, dass du uns besuchen kommst! Und auch noch in Begleitung!“

Er löste sich von mir, um die dünne Frau in eine herzliche Umarmung zu ziehen, bei der er sich sogar einen Kuss auf die Wange geben ließ.

„Nana, darf ich vorstellen. Das hier ist Stella.“

„Es freut mich sehr dich kennen zu lernen, Liebes. Und frohe Weihnachten!“

Sie zog mich in eine feste Umarmung und drückte mir ebenfalls einen  Kuss auf die Wange, bevor sie mich an die Hand nahm und mich in die Wohnung führte. Sie war groß und erstaunlich modern, für so eine alte Frau. Doch ich kam nicht recht dazu, sie zu bewundern, da ich zielstrebig ins Wohnzimmer geführt wurde, wo ihr Ehemann auf dem Sofa saß und Zeitung las.

„Guck mal, Jean. Mike ist in Begleitung hier! Das ist Stella.“

Jean stand sofort lächelnd auf und umarmte mich ebenfalls, während ich völlig überrumpelt alles mit machen ließ und plötzlich auf dem Sofa neben Mike landete.

Sein Großvater hatte die grauen Haare ordentlich zur Seite gekämmt und war im Gegensatz zu seiner Frau eher rundlicher. Doch dass sie beide herzensgute Menschen waren, merkte ich spätestens daran, wie Mike mit ihnen umging. Denn auch in ihrer Gegenwart war er so, wie am Abend zuvor und ließ sich von seiner Großmutter sogar vorschreiben, weniger zu arbeiten und mehr zu essen. Dabei hätte ich ihn so eingeschätzt, dass er bei solchen Bemutterungsversuchen sofort ausrastet.

Doch er saß zufrieden neben mir und trank einen Kaffee, während ich ihm einen Tee zu verdanken hatte – er hatte natürlich sagen müssen, dass ich schon zu viel am Morgen getrunken hatte. Aber Gloria, seine Großmutter, ließ sich nicht mehr davon abbringen und ehe ich mich versah, standen auch noch selbst gebackene Kekse vor uns auf dem Tisch.

„Jetzt müsst ihr uns aber auch erzählen, wie ihr zwei euch kennen gelernt habt! Ich muss ja sagen, ich bin etwas enttäuscht, dass du uns nicht erzählt hast, dass du eine Freundin hast, Mike!“

Tadelnd blickte Gloria ihren Enkel an, während ich mich vor Schreck an meinem Keks verschluckte. Grinsend klopfte Mike mir erst einmal ausführlich auf den Rücken, bevor er antwortete.

„Stella ist auch nicht meine Freundin, Nana.“

„Ja, was weiß ich, wie ihr das heute nennt. Aber du weißt was ich meine.“

Unwirsch schüttelte sie den Kopf und bedachte ihn erneut mit einem Blick, bei dem jeder andere wahrscheinlich alle seine Sünden sofort gestanden hätte. Doch Mike blieb immer noch ruhig, während ich kurz vor einer Panikattacke stand. Auf so ein großes Missverständnis war ich nicht vorbereitet gewesen.

„Wir sind wirklich nicht zusammen. Stella ist meine Sekretärin.“

„Das ist doch egal, ob sie für dich arbeitet oder nicht. Wirklich Liebes, das ist kein Grund. Jean war mein Gärtner, als wir uns kennen gelernt haben. Wir meinten anfangs auch, es geheim halten zu müssen. Aber im Endeffekt wussten doch die meisten über uns Bescheid und hatten nichts dagegen.“

Beruhigend lächelte sie mir zu und strich ihrem Mann dabei sanft über das Bein, während er ebenfalls zufrieden lächelte. Doch ich konnte nur Mike verwirrt ansehen, der allerdings ein Lachen unterdrücken musste.

„Ähm…. Es tut mir Leid, aber wir sind wirklich nicht zusammen.“

Entschuldigend zuckte ich die Schultern und sah noch einmal hilfesuchend zu Mike, der auf einmal noch breiter grinste.

„Wirklich nicht? Aber Mike hatte doch eben einen Arm um dich gelegt und immerhin verbringt ihr Weihnachten zusammen.“

„Ich hatte doch gesagt, dass alle Flüge nach Spanien gestrichen sind. Und da ich Stella nicht alleine lassen wollte, wo ich sie doch gestern erst dazu genötigt hatte hier hin zu fliegen, verbringen wir die Feiertage jetzt gemeinsam. Außerdem sind scheinbar alle Hotels in Paris ausgebucht.“

Immer noch skeptisch musterte Gloria uns. Sie schien es wirklich nicht glauben zu können, wobei ich mich fragte, warum sie von der Idee so überzeugt war.

„Aber sie ist auch nicht eine deiner Liebschaften und du erzählst uns das alles nur, damit ich nichts dagegen sage? Also nichts gegen dich Liebes, aber ich kann dieser Lebensart meines Enkels überhaupt nichts abgewinnen. Geschweige denn, dass ich sie auf irgendeine Art unterstützen will.“

Darauf musste selbst ich lachen, während Mike ihr ebenfalls versicherte, dass ich auch keine seiner Betthäschen sei. Woraufhin seine Großmutter sich immer noch skeptisch auf dem Sofa zurück lehnte und uns eingehend musterte.

„Hm... Dann will ich euch mal glauben. Allerdings muss ich dir sagen Mike, du wärst ein ganz schöner Trottel, wenn du dir Stella nicht angelst. Setz deinen Charme mal bei der richtigen Frau ein.“

Er lachte und legte einen Arm um mich, mit dem er mich an sich zog.

„Ich verbringe immerhin Weihnachten alleine mit ihr. Und es gibt wohl keine bessere Gelegenheit, um sich eine schöne Frau zu angeln, wie am Fest der Liebe.“

Verlegen boxte ich ihm in die Seite und setzte mich wieder normal hin, während ich ihm ein leises „Trottel“ zu brummte. Solche Witze schienen mir irgendwie vor seiner Großmutter unangebracht. Vor Allem, wenn sie sowieso schon dachte, dass wir ein Paar wären.

Doch trotz allem, war das Thema damit beendet und um kurz nach eins, waren wir mit Jean auf dem Weg in die Tiefgarage, wo wir unser Gepäck in sein Auto umluden. Er fuhr einen schwarzen Audi Q5 mit Allrad Antrieb, der neben dem flachen R8 fast aussah, wie ein Panzer. Aber als ich erst einmal den Beifahrersitz erklommen hatte, gefiel mir der Wagen schon wesentlich besser. Die Sitze waren nämlich nicht nur unendlich bequem, man hatte auch noch wesentlich mehr Platz und auch die Scheiben waren viel größer.

Nachdem wir uns schließlich verabschiedet hatten und Gloria uns noch zwei Schachteln Kekse, ein Glas selbstgemachte Weihnachtsmarmelade und Pralinen mitgegeben hatte, fuhren wir wieder auf die verschneiten Straßen von Paris.

„Du hättest mir ruhig früher sagen können, dass wir zu deinen Großeltern fahren würden.“

Zerknirscht warf ich ihm einen bösen Blick zu, bei dem Gedanken an das peinliche Missverständnis.

„Aber dann hättest du dich nur geweigert mit hoch zu kommen. Und außerdem haben sie sich doch gefreut, dich kennenzulernen.“

„Ja schon, aber es war mir trotzdem irgendwie peinlich, als deine Oma so felsenfest davon überzeugt war, das wir ein Paar sind. Und ich an ihrer Stelle hätte es genauso gedacht. Weil warum sonst solltest du ihnen deine Sekretärin vorstellen.“

Er warf mir ein verschmitztes Grinsen zu.

„Warum war dir das peinlich? Obwohl ich es auch äußerst interessant fand, als du sagtest, es täte dir Leid, dass wir nicht zusammen sind.“

Geschockt blickte ich ihn an und ging in Gedanken noch einmal unser Gespräch durch.

„Ich habe nicht…. Oh… Ja okay, aber das war nicht so gemeint! Ich… Verdammt ich war einfach nervös. Aber der Witz, dass du mich an Weihnachten  auch noch rumkriegen wolltest, hätte wirklich nicht sein müssen!“

Lachend bog er erneut von der Hauptstraße ab und parkte auf einem großen Parkplatz vor einem Supermarkt. Fröstelnd vergrub ich mein Gesicht in meinem Schal, als ich ausstieg und so schnell es der Schnee zuließ, in den warmen Eingang flüchtete. Dort holte Mike mich dann auch wieder ein und legte seine Hände plötzlich grinsend auf meine Hüfte.

„Wer sagt denn, dass das ein Witz war?“

Perplex sah ich ihm in die Augen, während er näher trat und mich sanft mit seinen Daumen streichelte.

„Ich habe dir gestern Nacht doch gesagt, dass ich den Abend gerne wiederholen will. Und dafür gibt es ja wirklich keine bessere Gelegenheit, als die Weihnachtsfeiertage, bei denen wir zwei in Frankreich festsitzen.“

Überrumpelt biss ich mir auf die Unterlippe und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Ich weiß ja nicht…“

Doch er erstickte meinen Protest, indem er mir langsam mit dem Daumen über die Lippen strich und somit jeden klaren Gedanken aus meinem Gehirn fegte. Seine Finger vergruben sich in meinen Haaren, während die andere Hand meinen Körper sanft gegen seinen zog. Vollkommen in seiner Gewalt, schloss ich verzückt die Augen und ließ mich von ihm in einen leidenschaftlichen Kuss ziehen. Und während er sich am Abend davor noch zurück gehalten hatte, neckte seine Zunge mich jetzt umso geschickter und ließ mich leise aufstöhnen.

Nur widerwillig löste er sich von mir und drückte mir, nach einem Blick in meine Augen, noch einmal grinsend einen Kuss auf die Lippen.

„Ich denke diese Entscheidung wurde gerade gefällt. Und jetzt lass uns einkaufen gehen. Wir brauchen immerhin noch etwas zu Essen für die nächsten Tage.“

Besitzergreifend legte er einen Arm um meine Schultern und nahm ihn während unseres gesamten Einkaufs nicht mehr dort weg. Aber ich musste zugeben, dass es sich wirklich toll anfühlte, so mit ihm durch den Supermarkt zu laufen und all die eifersüchtigen Blicke der anwesenden Frauen zu genießen.

Kapitel 39

Wir verließen Paris über eine der Autobahnen, die dank des Schneetreibens wie leergefegt waren. Ich wusste nicht, wohin wir fuhren und Mike weigerte sich so beharrlich, mir auch nur irgendetwas zu sagen, dass wir schon seit einer halben Stunde schweigend über immer kleiner werdende Straßen fuhren. Wir waren irgendwo mitten in Frankreich – vollkommen abgeschnitten von jeglicher Zivilisation, wie es mir zeitweise vorkam. Die Landschaft bestand nur aus einsamen Wäldern und weiten Feldern.

Ich lehnte meinen Kopf an die Scheibe und sah zu, wie die ruhige Welt an mir vorbeizog. Selbst das Radio lief nur ganz leise und so langsam fiel der gesamte Stress der letzten Wochen von mir ab. Meine Gedanken kreisten ziellos umher und ich war gerade am überlegen, ob ich es jemals schaffen würde, einen Hund zu halten, als Mike plötzlich in einen Feldweg abbog, der von einem großen eisernen Tor abgesperrt wurde. Mit einem breiten Grinsen stieg er aus und werkelte im Scheinwerferlicht an dessen Schloss herum, bis er es langsam durch die inzwischen ziemlich hohen Schneemassen aufschob.

Mit seinem R8 wären wir hier wirklich niemals durchgekommen, doch der Geländewagen glitt langsam über den knirschenden Schnee auf ein riesiges ummauertes Grundstück. Überall standen vereinzelte Bäume und ein von Schneebergen gesäumter Weg führte direkt auf ein kleines Steinhaus zu. Es hatte zwei Stockwerke, knallblaue Fensterläden und einen kleinen Wintergarten zur Rückseite hin und sah einfach urgemütlich aus. Mike fuhr zur Seite des Gebäudes, wo sich eine kleine Garage befand, die er per Fernbedienung öffnete und dann langsam hineinglitt.

„Willkommen in unserer neuen Unterkunft für die nächsten Tage. Ich hoffe sie gefällt dir.“

Beeindruckt von der wunderschönen Atmosphäre konnte ich nur grinsend nicken, während ich mich aus dem warmen Auto schob und sofort die Jacke enger um mich zog. Auch wenn das Garagentor das schlimmste abhielt, so war es dennoch bitter kalt in dem Haus. Sofort war Mike jedoch zur Stelle und legte zufrieden einen Arm um mich.

„Ich zeig dir zuerst einmal das Haus. Unser Gepäck können wir auch später noch holen.“

Damit schob er mich auf eine Tür zu und durch den Hausflur in das angrenzende Wohnzimmer, wo ich mich sofort heimisch fühlte. Der Raum war das Herzstück des Hauses, links davon befand sich eine offene Küche, die durch einen Tresen abgetrennt war und gerade aus gelangte man über wenige Stufen in den Wintergarten. Auf der rechten Seite des Raumes war ein großer Steinkamin mit Glasscheibe in die Wand eingelassen, wovor eine große Eck-couch stand, deren andere Seite zu einem Fernseher an der Wand neben dem Durchgang zum Wintergarten zeigte. Alles war mit Holz verkleidet und die Möbel besaßen so dicke Polster, dass man wahrscheinlich gar nicht mehr von ihnen aufstehen wollte.

„Wow. Das Haus ist der Hammer!!“

Hingerissen ließ ich mich in die weichen Kissen der Couch fallen, während ich die Gemälde an den Wänden um mich herum betrachtete.

„Deine Großeltern haben wirklich einen tollen Einrichtungsgeschmack. Ich kann allerdings nicht verstehen, warum sie selbst nicht hier Weihnachten verbringen! Das muss doch unheimlich romantisch sein, den Abend vor dem Kamin zu verbringen…“

„Sie verbringen kaum Zeit hier, wenn Winter ist. Ich glaube, dann ist es ihnen zu langweilig, weil sie sich sonst immer um den Garten kümmern können. Aber im Moment kommt es mir auch ziemlich gelegen.“

Spöttisch grinste ich ihm die Zunge heraus, war jedoch viel zu faul für etwas anderes. Ich kuschelte mich lieber noch etwas tiefer in meine Winterjacke, doch Mike zog mich schon wieder hoch.

„Na komm. Ich zeig dir noch schnell das Obergeschoss, dann feuer ich den Kamin an.“

Damit hatte er meine volle Begeisterung und ich ließ mich bereitwillig die schmale Holztreppe im Flur hinaufführen. In diesem Stockwerk befand sich ein Bad, mit honigfarbenen Fließen, einer großen Dusche und Badewanne, die an der Wand mit künstlichen Salzkristallen verziert war. Und auch das Schlafzimmer war so gemütlich eingerichtet, dass ich am liebsten mehrere Wochen hier verbracht hätte und nicht nur ein paar Tage. Es bestand aus einem massiven hölzernen Bett, mit einigen Verzierungen, einem passenden Kleiderschrank und einer kleinen gepolsterten Bank unterhalb des Fensters, was in Richtung Garten zeigte.

„Ich liebe dieses Haus schon jetzt! Und das, obwohl es hier verdammt kalt ist.“

Lachend trat ich an das Fenster und begutachtete den Garten unter mir, wo sich unter den Schneemassen deutlich abzeichnete, wie viel Arbeit darin steckte. Im Sommer musste es hier wirklich wundervoll sein, doch im Winter fand ich es auch ziemlich perfekt.

Mike trat von hinten an mich heran und schlang seine Arme um mich.

„Freut mich, dass es dir so gut gefällt. Willst du inzwischen alles rein räumen, während ich dafür sorge, dass dir endlich wieder warm wird?“

Stumm nickte ich und er lehnte seinen Kopf seitlich an meinen, während wir eine Weile einfach nur so dastanden und das Schneetreiben beobachteten.

 

Eine Stunde später knisterte ein ordentliches Feuer im Kamin, das Gepäck und alle Einkäufe waren verstaut und ich lag in eine Decke gewickelt auf dem Sofa und blickte in die Flammen. Mike war zum Telefonieren in den Wintergarten gegangen und ich hatte mir einen heißen Tee gemacht, der mich inzwischen auch innerlich aufgewärmt hatte. Kurzum – mir ging es einfach nur perfekt und ich hatte keinerlei Absichten, meine Position in den nächsten Tagen oder vielleicht auch Monaten zu verändern. Es war einfach alles perfekt in diesem Moment.

Als Mike wieder zurückkam, war er sichtlich entspannt und grinste zufrieden vor sich hin.

„Tut mir Leid, ich habe gerade mit meiner Familie gesprochen. Wenn ich schon nicht bei ihnen sein kann, musste ich mich ja wenigstens mal ausführlich bei ihnen melden.“

Ich nickte langsam und musste unwillkürlich an meine Situation denken – ich musste niemandem Bescheid geben, denn niemandem würde auffallen, dass ich nicht zuhause war.

Mike schien meinen drohenden Stimmungsumschwung zu ahnen, denn er hockte sich vor mein Gesicht und strich langsam mein Kinn entlang.

„Hey.. Hör auf so traurig zu gucken. Was ist denn in letzter Zeit mit dir los?“

Ich versuchte ihn abzuwimmeln und mich wegzudrehen, denn ich spürte bereits wie mir die Tränen in die Augen schossen. Doch er ließ es nicht zu, sondern legte sich wortlos neben mich und schlang die Arme um mich. Überwältigt von der Nähe, war es dann schließlich um meine Selbstbeherrschung geschehen und die Tränen kullerten ungehalten über meine Wangen, während ich mein Gesicht schluchzend in seinem Pullover vergrub. Beruhigend strichen mir seine Hände über den Rücken und er verstärkte seine Umarmung noch etwas, bis ich es schließlich schaffte wieder einen Ton herauszubringen.

„Tut mir Leid… Das habe ich an Weihnachten immer…“

„Warum denn? Du magst doch Schnee, da wirst du Weihnachten doch erst Recht lieben….“

„Ja das ist ja mein Problem!“

Ein Schluchzer entwich mir und ich brauchte wieder etwas, bis ich weiter reden konnte.

„Ich liebe Weihnachten! Es ist toll! Allerdings nicht mehr, wenn seine eigene Familie einen nicht mehr haben will und man alleine ist.“

„Aber du bist doch gar nicht alleine. Du hast doch Freunde und..“

„Die sind aber an Weihnachten alle bei ihren Familien! Na klar, Larissa und Ramon haben mich beide eingeladen mitzukommen. Aber dann komme ich mir doch nur noch ungewollter und überflüssiger vor.“

„Hey, Kleines. Das musst du doch gar nicht. Eine Familie muss doch nicht nur aus Verwandten bestehen – da gehören auch Freunde dazu. Und dass dich niemand haben will, stimmt schon mal überhaupt nicht! Das ist doch alles kein Grund sein Weihnachtsfest alleine zu verbringen, geschweige denn schon Wochen vorher so traurig zu sein.“

„Ja klar, das sagt sich immer so leicht. Du weißt doch gar nicht, wie das ist! Du hast doch immerhin deine Familie, die sich freut wenn du kommst und traurig ist, wenn du es nicht schaffst!“

„Aber du weißt selbst, dass eine Familie nicht immer nur aus solchen Momenten besteht. Dafür gibt es dann immer noch die Freunde – die du auf jeden Fall hast! Du musst nur aufhören, dir einzureden, dass du alleine bist.“

„Aber das bin ich doch..“

„Nein. Du hast deine Freunde! Das ist das wichtigste. Und außerdem bin ich auch immer noch da, und ein zweites Mal lasse ich dich auch auf keinen Fall so schnell gehen. Diesen Fehler mache ich nicht noch einmal.“

Er drückte mir einen Kuss auf meine Haare und reichte mir von irgendwo her ein Taschentuch, mit dem ich mein Gesicht wieder in eine einigermaßen akzeptable Form bringen konnte.

„Dass du aber jetzt hier bist ist auch nur durch einen dummen Zufall passiert und ich wette du wärst jetzt auch lieber bei deiner Familie.“

„Natürlich würde ich sie gerne sehen, aber Weihnachten mit dir zu verbringen würde ich jetzt nicht als weniger gute Alternative betiteln. Warum hast du denn vorher überhaupt nichts gesagt?“

„Ich wollte nicht als Sozialprogamm gelten, nach dem Motto, dass man mir helfen muss weil ich armes Ding alleine ja kein schönes Weihnachten habe.“

Er lachte und strich mir eine Strähne hinter mein Ohr.

„Wenn ich dich aber frage, wie es dir geht, dann bin ich nicht auf der Suche nach möglichen Kandidaten für eine gute Tat. Und ich will auch keine Floskeln hören, damit ich beruhigt bin und mir keine Sorgen mache. Ich frage dich, damit ich die Wahrheit erfahre. Ich will wissen, wie es dir wirklich geht. Und natürlich will ich dir helfen, wenn es dir schlecht geht. Aber genauso will ich mich auch freuen, wenn es dir gut geht. Aber du musst mich dir auch helfen lassen.“

Ich zuckte unzufrieden mit den Schultern und blickte resigniert an die Zimmerdecke, worauf er meinen Kopf wieder zu sich drehte.

„Also machen wir einen Deal? Du sagst mir ab jetzt immer die Wahrheit, wie es dir geht. Dafür darfst du dir dann auch etwas aussuchen, was ich dafür mache.“

Ich lachte kurz ironisch auf und schüttelte den Kopf.

„Das ist doch lächerlich, du musst das nicht tun Mike!“

„Ich meine das Ernst, Stella. Ich will dass du ehrlich zu mir bist und wenn du dafür einen Anreiz brauchst, dann werde ich auch etwas dafür tun. Also?“

Ich setzte mich auf und er kam mir sofort hinterher, ließ nicht zu dass ich mich weiter zurückzog. Also seufzte ich irgendwann resignierend.

„Okay, meinetwegen. Ich gebe mir Mühe. Aber dafür musst du auch öfter so sein wie gestern Abend.“

Tief in mir drin wusste ich, dass das keine gute Idee war. Doch allein die Vorstellung, diese andere Seite von Mike öfter sehen zu können, war es mir wert.

„Ich kann nicht garantieren, dass ich es schaffe immer so sein, aber öfter klingt fair. Also abgemacht!“

Wir gaben uns symbolisch die Hände, woraufhin er plötzlich grinste und seinen Mund feste auf meinen drückte.

„Das hier ist viel besser.“

Er vergrub seine Finger in meinem Haar und küsste mich so drängend, dass mein ganzer Kopf plötzlich wie leer gefegt war.

Auf was hatte ich mich da bloß eingelassen!!

 

Kapitel 40

Mike drängte mich zurück, bis ich flach auf dem Sofa lag und er auf mir. Seine Hand stützte sich neben meinem Körper ab, während die andere weiter in meinen Haaren lag und mich daran hinderte, mich seinem Kuss zu entziehen. Nicht dass ich das gewollt hätte.

Jede Faser meines Körpers brannte lichterloh und es schien, als wüsste er ganz genau, was er machen musste um mir den Verstand zu rauben. Ganz langsam ließ er unseren Kuss ausklingen und sah mich aus glühenden Augen an.

„Ich könnte mich glatt daran gewöhnen, unsere Abmachungen so zu beschließen.“

Lachend zwickte ich ihm in die Seite, woraufhin er mich immer wieder mit kurzen Küssen bedachte und damit langsam seinen Weg meinen Hals entlang zog. Seine Hand löste sich aus meinen Haaren und glitt mir wunderbar bestimmt die Seite herunter, was mir ein leises Stöhnen entlockte.

„Du bringst mich noch irgendwann um den Verstand, Kleines…“

Zufrieden grinste ich, bevor sein sinnlicher Mund sich erneut auf meinen legte und seine Zunge fachkundig meinen Mund erkundigte. Doch erneut unterbrach er den Kuss nach einer Weile und fuhr sich fahrig durch die Haare, während sein Blick mich nahezu verschlang.

„Wollen wir vielleicht hoch gehen?“

Alles in mir zog sich zusammen, als diese Frage mein Gehirn erreichte und ich wusste, Mike entging nichts an meiner geschockten Reaktion.

Fuck. Soweit hatte ich bei dem Ganzen noch nicht gedacht. Ich meine, natürlich wollte ich mit! Wie hätte ich jetzt widerstehen können? Doch ich erinnerte mich ebenso noch an meinen Beschluss, nie wieder mit Mike im Bett zu landen. Und dabei hatte ich mir immerhin etwas gedacht!

Mike wartete weiter geduldig meine Reaktion ab, doch ich fühlte mich plötzlich unwohl in dieser Position und schob mich aufwendig unter ihm hervor, damit ich mich setzen konnte. Als hätte er Angst, dass ich weglaufen könnte, nahm er jedoch sofort meine Hand und rutschte neben mich.

„Hey, ist schon okay wenn nicht. Tut mir leid, Kleines. Aber geh nicht weg.“

Er zog mich noch ein Stück näher und sah mir entschuldigend in die Augen. Mit angezogenen Knien saß ich neben ihm und strich mich vor Verwirrung die Haare nach hinten.

„Nein, ich mein ich könnte zwar sowieso nicht hier weg aber ich will auch nicht. Ich weiß auch nicht.. Es ist irgendwie..“

Ich seufzte entnervt und erwiderte seinen Blick.

„Ich habe mir geschworen, nie wieder mit dir zu schlafen. Und das nicht nur einmal – als du mich gefeuert hast, als wir uns wiedergesehen haben, als du mich eingestellt hast… Aber jetzt.. Ich weiß einfach nicht.“

„Ich werde dich nicht nochmal deswegen feuern, immerhin kenne ich dich jetzt schon besser. Und außerdem schlafe ich mit niemandem mehr aus meiner Firma, wie ich dir bereits gesagt habe.“

„Außer mit mir, wenn wir es jetzt tun..“

Er stockte und nickte langsam.

„Ja.. Aber bei dir ist es irgendwie anders..“

Meine Gedanken rasten, wie er das gemeint haben könnte. Doch ich zwang mich innerlich zur Ruhe. Es ging hier gerade um etwas ganz anderes, als um das, was mein Kopf gerade anfangen wollte mir einzureden.

„Aber glaubst du es ist so eine gute Idee, dass wir beide unsere Vorsätze über den Haufen werfen? Ich meine, du schläfst mit so vielen Frauen. Da sollte ich mich ja nicht unbedingt erneut mit einreihen und du solltest dir vielleicht einfach einen anderen Ersatz suchen, für mich…“

Er strich mir meine Wange entlang, immer noch meine Hand haltend.

„Du würdest mir sowieso jetzt nicht glauben, wenn ich sage, dass du anders bist, nicht wahr?“

Ich lachte laut auf und stimmte ihm zu, worauf er mit den Achseln zuckte.

„Okay… vielleicht sollten wir uns dann jetzt lieber um unser Abendessen kümmern. Es wird ja schon fast dunkel und unser Festmahl muss noch vorbereitet werden.“

Grinsend zog er mich hoch und küsste mich noch einmal kurz auf den Mund.

„Aber du weißt, ich will dich, Kleines. Und da wird sich so schnell nichts dran ändern. Auch nicht, wenn Weihnachten vorbei ist.“

Ich nickte schüchtern und er küsste mich erneut, bevor er meine Hand nahm und mich in die Küche zog.

 

Wir hatten uns für heute Abend Baguette und Ofenkäse, mit ein paar Früchten und Salat organisiert. Es war nichts außergewöhnliches, ich hatte mich allerdings trotzdem darauf gefreut. Nur jetzt konnte ich es nicht.

Abwesend lehnte ich an dem Küchentresen und sah Mike dabei zu, wie er fluchend in den vielen Schränken die Utensilien zusammensuchte, die wir brauchen würden.

„Schätzchen, könntest du vielleicht mal dein süßes Hinterteil von hier wegbewegen, ich glaube ich muss mal an den Schrank hinter dir.“

Vergnügt grinsend baute er sich vor mir auf, doch ich sah ihn nur abwartend an, ohne mich von der Stelle zu bewegen.

„Aber ich stehe gerade so gut.“

„So tust du das?“

Er drängte sich gegen mich und seine Hände legten sich bestimmt auf meine Hüfte, wo er seine Daumen unter meinen Pullover schob und langsam über meine Hüftknochen strich. Verzückt ließ ich es geschehen und ließ mich ganz von seinem gierigen Blick verschlingen, wobei sich unsere Nasen fast berührten.

„Verflucht noch mal.“

Sich durch die Haare raufend, zog er sich von mir zurück und lehnte sich kopfschüttelnd an den gegenüberliegenden Küchentresen.

„Du kannst mir wohl überhaupt nicht widerstehen.“

Zufrieden grinsend ließ ich meinen Blick über seinen Körper wandern und bemerkte anerkennend, dass ich ihn überhaupt nicht kalt zu lassen schien.

„Du mir dafür aber anscheinend viel zu sehr.“

Er hatte sein Grinsen wiedergefunden und musterte meinen Körper nun ebenfalls ausführlich. Allein das ließ mein Herz jedoch schon aufgeregt schlagen, sodass ich innerlich fast lachen musste. Von wegen ich konnte ihm widerstehen.

Langsam überbrückte ich die zwei Meter zwischen uns und fuhr langsam mit meiner Hand seinen Oberkörper herunter. Mike schloss einfach die Augen, was mich ermutigte, meine Erkundung unter seinem Pullover fortzuführen. Sein Atem ging stoßweise und seine Finger krallten sich in die Küchenplatte hinter sich.

„Stella..“

Allein wie er drohend meinen Namen nannte, ließ meine Nerven aufgeregt summen. Mit beiden Händen auf seinem wunderbaren Sixpack liegend, reckte ich mich an seinem viel zu großen Körper hoch und küsste ihn zum Ersten Mal von mir aus. Sofort reagierte er, indem er seine Arme um mich schlang und mich komplett gegen seinen Körper drückte.

Ganz langsam ließ ich meine Finger seinen Bauch herunter gleiten, wobei ich ein wenig meine Fingernägel benutzte. Stöhnend vergrub er seine Hand in meinen Haaren, während die andere langsam meinen Rücken herunter strich und schließlich bestimmt auf meinem Hintern landete.

„Du weißt viel zu gut, was du tun musst, um mich verrückt nach dir zu machen.“

Frustriert packte er mich mit beiden Händen am Hintern und ehe ich mich versah, wurde ich hochgehoben und gegen die nächste Wand gepresst. Ich schlang meine Beine um seine Hüfte und stöhnte nun ebenfalls auf, als seine Hände sich zielstrebig unter meinen Pullover schoben.

„Mike..“

Sein Kuss unterbrach mich und verwickelte mich in einen wunderbar sinnlichen Kampf, bis ich mich keuchend löste und er sich stattdessen meinem Hals widmete.

„Bring mich hoch.“

Meine Stimme war nur ein leises Flüstern gewesen, doch ein Stocken in seinen Küssen verriet mir, dass er mich nur zu gut verstanden hatte. Langsam hob er seinen Kopf und sah mich prüfend an.

„Bist du dir sicher, Kleines?“

„Ja bin ich.“

Er fixierte mich eine Weile bevor er mich erneut Küsste und währenddessen langsam seinen Weg in das obere Stockwerk suchte.

Scheiß auf die Vorsätze, dich ich mal hatte. Das hier war das Beste, was ich in diesem Moment tun konnte. Und selbst wenn ich mir irgendwann an diesem Traum von Mann die Finger verbrennen würde – erneut – das war es mir Wert.

 

Kapitel 41

Im Schlafzimmer angekommen, legte er sich vorsichtig mit mir auf das Bett, wobei mich sofort ein frösteln überkam. Hier oben war es überhaupt nicht mehr so warm, wie unten vor dem warmen Ofen. Doch Mike reagierte sofort und verfrachtete uns beide unter die dicke Decke. Außerdem sorgte er mit seinen Händen dafür, dass mir plötzlich viel zu heiß wurde.

Meine Beine hatte ich um seine Hüfte geschlungen und meine Hände in seinen wunderbaren Haaren vergraben, während wir uns stürmisch küssten. Seine Finger waren wieder unter meinem Pullover und liebkosten sanft meine Brüste. Schwer atmend löste er sich von mir und setzte sich so weit auf, um mir den störenden Stoff vom Körper zu reißen. Die Gänsehaut, die meinen Oberkörper daraufhin überzog, liebkoste er mit sanften Küssen und seinen rauen Händen und ehe ich mich versah hatte er sich seinen Pullover ebenfalls über den Kopf gerissen.

„So ungeduldig?“

Grinsend sah ich den Haufen Klamotten an, der sich weit entfernt in einer Zimmerecke türmte.

„Tut mir Leid, aber du machst mich einfach verrückt. Und das schon viel zu lange.“

Verzückt fuhr ich ihm langsam die wunderbar definierte Rückenmuskulatur hinab und schob langsam meine Finger in seine Hose, wo ich mich in seinem Hintern festkrallte als er mich sanft in den Hals biss. Ein heiseres Stöhnen entfuhr uns beiden und ich reckte ihm meine Brüste entgegen, als sein Mund tiefer wanderte.

In Sekundenschnelle war mein BH geöffnet und segelte sofort zu den übrigen Kleidungsstücken, wonach Mike meine empfindlichen Brüste mit der Zunge und seinen wunderbaren Lippen verwöhnte. Sanft biss er mich erneut, worauf ich etwas lauter stöhnen musste und mich vor Lust in seinen Rücken krallte. Womöglich würde ich Spuren hinterlassen, doch das war mir gerade herzlich egal. Und auch Mike schien es nicht zu stören, da er mich gekonnt weiter reizte und nebenbei langsam meine Hose herunter schob.

Für das letzte Stück setze er sich auf und begutachtete schließlich zufrieden meinen fast nackten Körper unter sich. Früher hätte mich dieser gierige Blick wahrscheinlich verlegen gemacht, doch ich hatte mich seit unserem letzten Mal verändert. Ich setzte mich ebenfalls auf und fuhr genüsslich die Konturen seiner Vorderseite entlang, bis ich schließlich an seinem Reisverschluss ankam und ihn quälend langsam öffnete.

Stürmisch zog Mike meinen Kopf zu sich herüber und küsste mich stöhnend, während ich ihm zuerst unschuldig über die Beule seiner Boxershorts strich und seinen Schwanz dann vollkommen umfasste und langsam rieb.

„Meinst du nicht, du solltest das hier ausziehen?“

Frech grinste ich ihn von unten an, worauf er sofort ansprang und sich ungeduldig die Hose samt Boxershorts herunter riss. Und schließlich stand er vollkommen nackt vor mir, mit einem so gierigen Blick, dass ich wohl besser schreiend weglaufen müsste. Doch ich lehnte mich viel lieber genüsslich zurück und stütze meinen Kopf seitlich auf, um ihn besser beobachten zu können wie er zurück ins Bett kam.

Er war wie ein Raubtier, was seine Beute begutachtete. Keinen Zentimeter ließ er aus, während er mir über meinen Hintern und die Seite strich und sich dabei langsam hinter mich legte. Von dort umfassten seine rauen Hände meine Brüste und reizten meine Brustwarzen so sehr, dass ich fast gar nicht mehr mitbekam, wie er mir mein Höschen ebenfalls herunter strich. Dann drehte er mich wieder auf den Rücken und schob quälend langsam seine Finger in mich hinein, sodass ich allein dadurch schon fast kam.

Doch er schien es zu ahnen und hielt meine zuckenden Hüften leicht grinsend fest.

„Noch nicht, Kleines.“

Er küsste mich und sogleich stießen erneut seine Finger in mich hinein, was mich noch lauter stöhnen ließ. Ich brannte regelrecht für diesen Mann und war kurz davor zu kommen. Doch er ließ es erneut nicht zu, was ich damit quittierte, indem ich sein Glied umfasste und mit quälend langsamen Bewegungen liebkoste. Nun war er es, der immer lauter in unseren wilden Kuss stöhnte.

„Stella…“

Allein wie er meinen Namen sagte und nebenbei in meine Brustwarze kniff, war schon fast zu viel für mich. Ich wollte ihn. Und zwar jetzt!

Ungeduldig zog ich seinen Körper näher und dieses Mal schien er sich nicht mehr wehren zu wollen, denn seine Hände griffen zielstrebig neben meinen Kopf, wo er – wann auch immer – ein Kondom gelagert hatte. Jedoch ließ er sich erneut viel zu viel Zeit damit und beobachtete mich dabei grinsend.

„Mike, ich will dich!“

Ich setzte mich auf und verwickelte unsere Zungen in das wunderbare Spiel, das mir so sehr die Sinne vernebelte. Ganz langsam drückte er mich wieder in die Kissen und seine Hände strichen noch einmal meine Brüste entlang zu meinen Hüften. Dort packte er mich bestimmt und drang mit einem einzigen Stoß in mich hinein.

Vollkommen überwältigt von seiner Größe stockte mir der Atem und ich stöhnte laut auf.

„Hab ich dir wehgetan, Kleines?“

Besorgt musterte er mich und strich mir die Haare aus dem Gesicht, doch ich schüttelte nur schief grinsend den Kopf.

„Nein, darauf war ich nur irgendwie nicht vorbereitet.“

Seine Augen funkelten und er küsste mich erneut, bevor er langsam anfing seine Hüften zu bewegen und sanft aber bestimmt in mich stieß.

„Willst du es also lieber etwas langsamer haben, damit du dich wieder daran gewöhnen kannst.“

Arrogant hob er seine Augenbraue, worauf ich ihn am Hintern packte und feste gegen mich zog, was uns beiden ein Stöhnen entlockte.

„Arschloch.“ Murmelte ich noch gegen seine Lippen, da stieß er endlich fester zu. Sein Rhythmus wurde immer schneller und seine Hände reizten weiter meine Brüste, sodass ich immer weiter meinem Höhepunkt entgegen kam.

Er wusste ganz genau, was er da tat. Daran bestand kein Zweifel.

Unser Stöhnen wurde immer lauter und ich krallte mich voller Lust erneut in seinen Rücken, bog mich ihm vollkommen entgegen. Es war wie eine Sucht. Ich wollte immer mehr, er sollte nie mehr aufhören. Und schließlich kam ich in einem heftigen Orgasmus, der meine Welt für einen kurzen Moment vollkommen auseinander nahm. Kurz darauf ergoss sich Mike stöhnend und schwer atmend in mir und vergrub mich unter seiner Muskelmasse.

Unsere Herzen rasten gegen die nackte Haut und eine Weile taten wir überhaupt nichts, außer unseren Atem zu beruhigen und eng ineinander verschlungen dort zu liegen. Schließlich zog Mike sich langsam aus mir zurück und verschwand aus meinen Armen, um sich des Kondoms zu entledigen. Doch genauso schnell war er auch wieder zurück, legte sich neben mich und zog mich halb auf sich, während er die Decke über uns beiden ausbreitete.

Immer noch vollkommen neben der Spur, kuschelte ich mich zufrieden auf seine Brust und genoss seine Haut an meiner. Ich konnte sein Herz immer noch aufgeregt schlagen hören und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Was ist?“

Halb verschlafen, brummte er die Frage in meine Haare und zog mich noch ein Stück näher, wenn das überhaupt ging.

„Ich höre nur deinem Herz zu..“

Meine Stimme hörte sich genauso rau an, wie seine.

„Das muss sich erstmal davon erholen, dass ich fast einen Herzinfarkt hatte.“

Kichernd hob ich meinen Kopf halb um ihn anzusehen, wie er mit geschlossenen Augen und zufriedenem Grinsen in den Kissen lag.

„War das etwa zu anstrengend für dein Alter?“

„Nicht frech werden, junge Dame.“

Er gab mir einen leichten Klaps auf den Po, streichelte aber sofort danach sanft über die Stelle. Da ich immer noch zu erschöpft war, gab ich mich damit zufrieden und begann langsam, seine Brust mit meinen Fingern entlang zu streichen.

 

So lagen wir eine Weile beieinander, immer noch vollkommen nackt und zufrieden, und warteten darauf, dass wieder etwas Energie in uns zurückkam.

„Ich glaube ich könnte noch ewig so hier liegen bleiben.“

Mike stimmte mir zu, während er weiter mit sanften Fingern meine Körperkonturen nachfuhr. Er lehnte seitlich neben mir, während ich auf dem Rücken lag und meinerseits an seinen widerspenstigen Haaren herum spielte.

Sein Grinsen wurde breiter, als er mir lange in die Augen sah und mich dann sanft küsste.

„Als du neulich in meinem Büro warst, um den Job anzunehmen, hast du gesagt du hättest dich verändert, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Ich muss ja sagen, ich habe es dir damals überhaupt nicht geglaubt. Doch spätestens jetzt hast du mich vollends überzeugt.“

Lachend küsste ich ihn ebenfalls und zuckte dann mit den Schultern.

„Ich bin nicht mehr das Mädchen, was du so leicht einschüchtern kannst und was sich alles gefallen lässt.“

„Das stimmt. Aber das ist auch gut so. Und diese neue Seite von dir, die du mir eben offenbart hast.. Ich bin schon gespannt, was ich noch alles an dir entdecke.“

Versaut grinste er mich an und forderte mich zu einem weiteren sinnlichen Zungenkuss auf. War ja klar, dass noch ein Kommentar dazu kommen musste, dass ich nicht mehr so zurückhaltend bin, wie beim letzten Mal.

Bevor ich jedoch etwas entgegnen konnte, fing mein Magen laut an zu schimpfen und erinnerte mich daran, dass wir ja eigentlich kochen wollten.

„Oha. Da hat wohl jemand Hunger.“

Lachend strich er mir über den Bauch und verteilte hinterher sanfte Küsse darauf.

„Dann wollen wir doch mal dafür sorgen, dass du etwas zu Essen bekommst, bevor du mir hier noch verhungerst.“

 

Kapitel 42

 

In aller Ruhe zogen wir uns an, wobei Mike es nicht unterlassen konnte zu meckern, dass er mich jetzt lieber nackt im Bett hätte. Doch ich bedauerte ihn nur übertrieben ironisch, da er genauso viel Hunger zu haben schien wie ich. Das war wahrscheinlich der einzige Grund, warum wir dann auch herunter gingen und erneut anfingen, unser Essen vorzubereiten.

Doch zuallererst hatte ich das Radio angemacht und nach einem Sender gesucht, auf dem Weihnachtsmusik kam. Schließlich musste ich noch eine Menge Weihnachtsstimmung nachholen, während ich fröhlich summend Tomaten, Äpfel, Gurke, Weintrauben, Nüsse, Mandarinen und eine kleine Salami in kleinen Schälchen anrichtete. Im Supermarkt war das Meiste ausverkauft gewesen, sodass wir uns aus den Resten etwas zaubern mussten. Doch Ofenkäse und Baguette hatten wir zum Glück bekommen.

Mike trat von hinten an mich heran und hielt mir ein bauchiges Glas mit Weißwein unter  die Nase. Wir prosteten uns zu  und ich nahm einen herrlich süß schmeckenden Schluck.

„Hmm.. Der ist toll!“

Er grinste zufrieden und schob seine freie Hand sanft um meine Taille.

„Der Käse ist gleich fertig und der Tisch ist auch gedeckt. Fehlt nur noch das, was du hier gezaubert hast.“

Er küsste mich kurz und lugte dann hinter mich, um sich etwas davon zu klauen. Gespielt empört schlug ich ihm auf die Finger, doch er schob sich die Weintraube frech grinsend in den Mund.

„Hat deine Mama dir nicht beigebracht, dass man vor dem Essen nicht nascht?“

„Doch. Bin wohl ein ungezogener Junge.“

Er musste selbst lachen über diesen Spruch und ich schüttelte nur nachdenklich den Kopf, während ich einen weiteren Schluck Wein trank.

„Was ist Kleines?“

Er überbrückte die letzten Zentimeter zwischen unseren Körpern, sodass ich meinen Kopf weit in den Nacken legen musste um ihn ansehen zu können.

„Ich bin auch ziemlich überrascht, wie sehr du dich in den letzten Jahren geändert hast. Was hast du eigentlich in der Zeit getrieben?“

Nachdenklich verzog er den Mund, wurde dann jedoch von dem piepsenden Backofen unterbrochen.

„Wie wäre es, wenn wir es uns nach dem Essen gemütlich machen und dann weiter reden?“

„Okay, solange das nicht heißt, dass ich während dem Essen schweigen muss.“

 

Wir setzten uns mit unserem Menu an den Tisch und fingen gemütlich an zu Essen, wobei Mike fast da doppelte von meinen Portionen aß. Doch am Ende war ich so satt, dass ich mich nur noch mit meinem Wein auf das Sofa legen wollte. Zu meiner Überraschung bot Mike mir dies sogar freiwillig an und räumte alles auf. Lediglich mit der Flasche Wein und den übrig gebliebenen Schälchen kam er anschließend zu mir herüber und platzierte alles auf dem kleinen Couchtisch.

„Ich dachte mir, falls du nochmal Hunger bekommst. Dann müssen wir diese Mal nicht extra aufstehen.“

Lachend boxte ich ihm in den Bauch, ließ aber dennoch zu, dass er sich neben mich legte und mich erneut halb auf sich zog. Zum Glück war das Sofa ungewöhnlich breit, wenn man die Kissen der Rückenlehne beiseite schob. Wir konnten ohne Probleme nebeneinander darauf liegen und hatten sogar immer noch auf beiden Seiten etwas Platz.

Mikes Hände fuhren wieder meine Seite entlang und wir hingen kurze Zeit unseren eigenen Gedanken nach, bis ich mich darauf nicht mehr konzentrieren konnte. Denn jedes Mal wenn seine Finger auf nackte Haut trafen, war ich viel zu abgelenkt um mir merken zu können, worüber ich gerade nachgedacht hatte. Genauso wie ich immer unruhiger wurde, da er meinen Pullover durch die ständige Bewegung schon sehr weit hochgeschoben hatte und fast nur noch über meine Haut oder meinen Hintern strich.

Er machte eine kurze Pause um sich etwas Wein zu gönnen und fuhr dann mit seiner Beschäftigung fort, während er scheinbar der Musik zuhörte. Doch mein Blick musste ihm aufgefallen sein, denn er hob fragend die Augenbraue und wandte seinen Kopf noch etwas mehr herunter um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken.

„Was ist, Kleines?“

Ich war mir immer noch nicht sicher, ob er es absichtlich machte oder tatsächlich nicht merkte, weswegen ich unschuldig abwehrte und mich ebenfalls kurz aufrichtete, um nach meinem Wein zu greifen. Dass ich dabei fast komplett über ihm hockte, machte meine Situation allerdings auch nicht besser, da mir nun noch mehr Bilder in den Kopf schossen. Vorsichtig setzte ich das Glas wieder ab, worauf hin Mikes Hand von meinem Hintern herunter zu meinen Beinen glitt und seine Finger meiner Mitte noch etwas näher kamen.

„Wenn du nicht bald aus dieser Position wechselst, kann ich nicht garantieren, was dann passiert.“

Seine Augen funkelten vor Lust, doch ich stützte mich nur mit meinen Händen neben seinem Kopf ab, sodass sich unsere Körper nicht mehr berührten, ich jedoch vollends über ihm war.

„So besser?“

Seine andere Hand gesellte sich dazu und beide strichen mich bestimmt die Seite entlang, wobei mein Pullover noch etwas weiter hochrutschte und seine Finger mich an der empfindlichen Haut direkt unter meinen Brüsten streichelten. Unsere Blicke verfingen sich ineinander und ich musste mich zurück halten, ihn nicht sofort zu küssen und ihm die Kleider vom Leib zu reißen.

„Wirst du etwa wieder frech?“

Er grinste mich wölfisch an und schob zur Bestätigung seine Daumen Millimeterweise unter meinen BH, um sein Streicheln direkt an meinem Brustansatz fortzuführen.

„Nein. Aber du hast ja eben auch nur zufällig meinen Pullover hochgeschoben und mich ganz unschuldig gestreichelt.“

Ich erwiderte sein Grinsen und biss mir leicht auf die Unterlippe. Sofort hatte ich damit seine ganze Aufmerksamkeit, sodass er eine Hand wieder hervorzog und mit seinem Daumen meinen Mund nachfuhr.

„Vielleicht nicht ganz. Aber am Anfang schon. Und ich denke es hat dir auch gefallen.“

„Natürlich. Jede Frau wird gerne verwöhnt.“

Verspielt schnappte ich nach seinem Finger und hielt ihn grinsend mit den Zähnen fest, woraufhin sein Blick noch eine Spur dunkler wurde. Doch er schien abwarten zu wollen, sodass wir uns nur weiter in die lustverhangenen Augen sahen. Er wollte ganz eindeutig, dass ich ihn dieses Mal verwöhne und nicht andersherum. Doch diesen Gefallen würde ich ihm nicht tun. Jedenfalls nicht so, wie er es sich dachte.

Seinen Finger immer noch im Mund, fuhr ich einmal leicht mit meiner Zunge die Kuppe entlang und entlockte ihm damit ein kehliges Stöhnen, bevor ich ihn wieder freigab.

„Verflucht. Du bringst mich noch um meinen Verstand.“

Bestimmt zog er mich herunter und küsste mich so gierig, dass ich mich widerstandslos auf ihn herunter ziehen ließ. Die Beule in seiner Hose war so verdammt groß, dass ich vollkommen überrascht war. Anscheinend war er tatsächlich kurz davor, sich nicht mehr zurückhalten zu können. Fordernd presste er mein Becken gegen sich und bewegte gleichzeitig einmal kurz seine Hüfte. Gierig stöhnte ich und wurde sogleich herumgeworfen, sodass er halb auf mir lag. Ungeduldig zog er mir meinen Pullover über den Kopf und knöpfte mir die Hose auf, nur um seine Finger direkt folgen und tief in mich eindringen zu lassen.

„Verdammt ich will dich. Und zwar jetzt.“

Er zog seine Finger wieder zurück, setzte sich auf und riss mir fast meine Jeans herunter.

„Ich hab doch gesagt, du hättest nicht so viel anziehen sollen.“

Sofort war er wieder über mir und küsste mich gierig, wobei er mit seiner freien Hand fahrig an meinem Slip zog. Völlig in Ekstase zog ich ihm nun ebenfalls seinen Pullover über den Kopf und fuhr anschließend genüsslich seine Bauchmuskeln entlang, bis ich bei der Beule an seiner Hose ankam.

„Magst du es etwa nicht, Geschenke auszupacken?“

Mein Atem ging nur noch stoßweise, doch er hatte mich verstanden und hielt tatsächlich kurz inne um seinen Blick über meinen nackten Körper wandern zu lassen.

„Oh doch. Und ich hätte das Ganze noch wesentlich ausgiebiger gemacht, wenn du mich nicht so geil gemacht hättest.“

Ich lachte und reckte meinen Körper bewusst, während ich dabei zusah, wie er sich ebenfalls komplett auszog. An ihm gab es wahrscheinlich kein einziges Gramm Fett. Alles schien aus wunderbar harten Muskeln unter weicher Haut zu bestehen, was mich viel zu leicht schwach werden ließ.

Mike kniete über mir und zog sich das Kondom über, doch anstatt endlich mit mir zu schlafen, fing er plötzlich an meine Brüste zu massieren und an ihnen zu knabbern.

„Das bekommst du zurück.“

Stöhnend reckte ich mich ihm entgegen, doch er wich mir erneut aus und drang stattdessen mit seinen wissenden Fingern in mich ein. Verzückt stöhnte ich lauter und krallte mich in seine Haare.

„Mike…“

Ich schaffte es kaum zu sprechen, doch ich merkte, wie nah ich meinem Höhepunkt kam und ihn kaum noch unterdrücken konnte.

Er richtete sich auf und küsste mich gierig auf den Mund. Dann stieß er feste in mich hinein und verschaffte mir einen weiteren verzehrenden Orgasmus. Er folgte nicht viel später, sodass ich verstand, warum er mich erst noch anders verwöhnt hatte.

 

Ich schien ihn tatsächlich verrückter zu machen, als ich jemals gedacht hatte.

Kapitel 43

Den Rest des Abends verbrachten wir auf dem Sofa. Ich trug lediglich seinen Pullover und hatte meine Beine vollends mit seinen verknotet, während mein Kopf auf seinem nackten Oberkörper lag. Mike hatte einen Arm um mich gelegt und spielte mit seiner freien Hand in meinen Haaren.

„Mike?“

Ein tiefes Brummen kam als Antwort und ich drehte meinen Kopf leicht, um ihn ansehen zu können.

„Wann war dein letzter Urlaub?“

Er verzog einen Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen und zuckte mit den Schultern.

„Ist schon länger her. Ich nehme mir meistens nur frei um meine Familie mal zu besuchen, weil die sich sonst beschweren.“

Ich kicherte und boxte ihn leicht auf die Brust.

„Dein Ernst? Du sitzt auf einem Haufen Geld und gibst es nicht fürs Reisen aus, weil du immer arbeitest?“

„Ich reise doch schon während der Arbeit ständig umher. Da brauch ich mir nicht extra frei nehmen dafür. Und außerdem bin ich der Boss, da geht das auch nicht so einfach.“

 „Soll heißen du hast Angst, dass die Welt untergeht, sobald du die Kontrolle abgibst.“

Er zwickte mich leicht und wuschelte mir durch die Haare.

„Nein das soll es nicht. Ich hab einfach nur nicht das Bedürfnis nach Urlaub.“

„Also bist du doch nur ein ganz normaler Workaholic? Wie beruhigend.“

Lachend versuchte ich seinen Händen auszuweichen, bis er sich schließlich damit zufrieden gab mich zu küssen.

„Dir tun die freien Tage auch nicht gut, so frech wie du dadurch wirst.“

„Ich bin immer so. Außer natürlich auf der Arbeit.“

„Hmm..Also noch so ein Punkt wo du dich geändert hast?“

„Ganz genau. Aber wo wir gerade wieder beim Thema sind, jetzt erzähl mal. Was hast du in der ganzen Zeit gemacht?“

Er seufzte und zog mich wieder enger an sich heran, sodass ich meinen Kopf auf seine Brust legte und seinem Herz lauschte.

„Du meinst seitdem ich dich in Paris alleingelassen hab...“

Ich nickte langsam, sah ihn jedoch nicht an sondern schloss meine Augen.

„Naja… ich war sauer und hab mich benutzt gefühlt. Und das hab ich mit Alkohol und Frauen kompensiert...“

Alles in mir zog sich zusammen, doch gleichzeitig hätte ich mich ohrfeigen können. So etwas war doch vollkommen klar gewesen. Nicht nur weil er schon vorher so zurückhaltend gewesen war, als ich ihn das erste Mal darauf angesprochen hatte. Auch sonst – Mike war einfach ein Playboy. Auch wenn ich es immer wieder aus meinem Kopf verdrängte, es war klar dass er andere Frauen hatte.

„Ich weiß… das war jetzt nicht das Beste, was ich in diesem Moment erzählen konnte. Aber so war es leider und ich will lieber ehrlich zu dir sein.“

„Na klar..“, war das einzige, was ich heraus bekam. Er hatte zwar Recht, aber trotzdem wollte ich sowas nicht direkt aus seinem Mund gesagt bekommen. Es schmerzte viel zu sehr, auch wenn es das gar nicht sollte. Auch wenn es gar keinen Sinn machte.

„Ich hab es auch nur ein paar Monate getan... Bis ich mich gefangen hatte…“

Er machte eine Pause, um sich einen Schluck Wein zu genehmigen, nahm mich jedoch sofort wieder in den Arm und zog mich fest an sich.

„Anschließend hab ich mich mit Arbeit überhäuft und sämtliche Energie in die Firma gelegt. Mit den ganzen offiziellen Terminen hab ich aufgehört – also die ganzen Galas und Feiern, wo es nur darum ging mit seinem Geld zu prahlen und wo die ganzen Frauen nur hinter meinem Geld her waren. Naja…“

Er rutschte etwas herum, um sich bequemer hinzulegen, bevor er weiter redete.

„Irgendwann hab ich dann eine Frau kennen gelernt..“

Ein riesiger Stich durchfuhr mich und ich presste meine Lippen aufeinander, weil ich nicht glauben konnte was jetzt kam.

„Luisa. Sie hat mich umgehauen – und ich hatte seit langem nochmal eine echte Beziehung.“

Überrascht sah ich ihn an und er verzog seinen Mund, als er meinen Blick bemerkte.

„Ich dachte, dadurch wäre ich vor der Enttäuschung geschützt, dass mich jemand nur wegen meinem Geld will. Und es schien auch wirklich perfekt. Sie ist mit mir zwischen den drei Städten gependelt und war auch nicht so auf den ganzen Öffentlichkeitsrummel versessen. Bis sie dann irgendwann immer mehr wollte – also immer teurere Geschenke. Erst nur Klamotten, dann Schmuck, dann ein Auto. Und irgendwann waren die ganzen Hotels ihr zu wenig, sondern sie wollte überall eine Wohnung haben.“

Mein Blick war weiterhin auf sein Gesicht gehaftet, welches mit jedem Wort härter wurde. Bis er schließlich resignierend mit den Schultern zuckte.

„Naja. Ich hab es wenigstens früh genug bemerkt und ich schätze, verdient hatte ich es auch.“

Er lachte selbstironisch und zwinkerte mir zu.

„Das war es dann auch mit unangenehmen Berichten aus meiner Vergangenheit. Seitdem hab ich weniger One-Night-Stands als vorher, wie dir wahrscheinlich schon aufgefallen ist. Und ich konzentriere mich mehr auf die Arbeit, da ich darin wesentlich erfolgreicher bin als bei Frauen.“

„Wie lange war eure Beziehung denn?“

„15 Monate.“

Beeindruckt zog ich die Augenbrauen hoch.

„Verdammt lange, dafür dass du mir ständig erzählt hast, du wärst kein Typ für Monogamie.“

Er lachte und zuckte erneut mit den Schultern.

„Ich schätze mal, das gehört zu den Dingen, in denen ich mich in den letzten 2 Jahren geändert habe. Auch wenn ich nicht sehr erfolgreich darin bin.“

„Und was gehört noch dazu?“

Sein Blick war an die Decke gerichtet und er kaute nachdenklich auf seiner Lippe herum.

„Schätze mal, dass ich keiner Frau seitdem ein Geschenk gemacht habe.“

Ungewollt musste ich darüber lachen, was ihn ebenfalls grinsen ließ.

„Ansonsten habe ich wahrscheinlich nur gelernt, den Leuten zuerst eine Chance zu geben etwas aus ihrer Sicht zu erklären, anstatt mich ausschließlich auf meinen ersten Eindruck zu verlassen.“

Nun war es an mir, meinen Mund sarkastisch zu verziehen. Doch er schob mir sofort die Finger unter mein Kinn und küsste mich langsam.

„Jetzt haben wir aber genug geredet.“

Ich sah ihm in die Augen und grinste leicht, wobei ich ein Gähnen unterdrücken musste. Lachend schüttelte er den Kopf und entwirrte unsere Beine, um sich aufzusetzen.

„Na komm, ich bring dich ins Bett.“

Er hob mich auf seine Arme und trug mich hoch ins Schlafzimmer, als würde ich nichts wiegen. Dort legte er mich sanft auf dem Bett ab und warf mir ein T-Shirt von sich zu. Schnell tauschte ich es gegen den Pullover und kuschelte mich unter die Decke, während Mike überall das Licht löschte. Nur noch in Boxershorts kam er schließlich ins Bett und zog mich mit einem Arm fest an sich, während ich den anderen als Kissen missbrauchte und mein Rücken feste an seinen Bauch gepresst wurde.

Eine Weile lagen wir schweigend so  und ich lauschte seinem Atem, der mich leicht im Nacken kitzelte. Draußen konnte man schemenhaft den Schnee fallen sehen und alles schien wunderbar friedlich und perfekt. Nur meine Gedanken konnten sich nicht so schnell beruhigen.

„Warst du sehr enttäuscht von mir?“

Zuerst reagierte er gar nicht und ich dachte schon, dass er darauf gar nicht antworten wollte. Doch irgendwann seufzte er leicht und nickte.

„Ich habe mich benutzt gefühlt und betrogen. Weil ich nie von dir erwartet hätte, dass du mich ausnutzen würdest oder nur wegen meinem  Geld bei mir bleibst.“

„Aber ich meine... du hast mich von der Straße geholt. Da wäre das doch eine ganz normale Reaktion gewesen.“

„Ja klar. Anfangs wollte ich ja auch nur diese geschäftliche Beziehung und für den Job ist es natürlich klar, dass es da nur um Geld geht. Aber alles andere trenne ich klar davon. Und als ich dachte du arbeitest weniger, nur weil ich mit dir geschlafen habe – das hat es durcheinander geworfen.“

„Und jetzt? Wird durch das hier auch alles durcheinander geworfen?“

„Nein. Ich schätze mal wir haben uns beiden schon genug bewiesen, dass wir miteinander arbeiten können, selbst wenn wir tierisch sauer aufeinander sind. Und ich weiß, dass du dein Privatleben genauso von der Arbeit trennen kannst, wie ich. Also was kann schon schiefgehen… Noch einmal feuern werde ich dich sicherlich nicht.“

Ich drehte mich zu ihm um und grinste ihn frech an.

„Ach nein? Hm, das ist natürlich sehr gut zu wissen.“

Lachend begrub er mich unter sich und drückte meine Handgelenke auf die Matratze, als er wieder vollkommen ernst wurde.

„Ich vertrau dir, Kleines.“

„Das kannst du auch. Versprochen.“

Und dabei war ich mir vollkommen sicher. Ich könnte ihn niemals nur wegen seinem Geld oder Bekanntheit mögen – wo es doch eher ein Grund für mich war, mich von ihm fernzuhalten. Und bei meiner Arbeit nachlassen, nur weil wir mal was miteinander gehabt hatten – diesen Fehler würde ich niemals begehen. Schließlich hatte ich schon einmal gemerkt, was für Folgen das hätte. Und ich hatte bereits auf der Autofahrt mit mir ausgemacht, dass ich in den nächsten Tagen besonders viel und professionell arbeiten würde. Einfach nur um sicher zu gehen.

Und außerdem war es ja auch nur dieses eine Mal. Danach würde ich mich privat von ihm fernhalten. Kein Flirten mehr, kein Kuss, kein Sex. Nur noch unsere rein geschäftliche Beziehung.

Mike‘s Kuss riss mich aus meinen Gedanken und ich schlang wohlig meine Beine um seine Hüfte.

Über die Zukunft konnte ich noch genug nachdenken! Jetzt würde ich erst einmal die Feiertage mit Mike vollends genießen. Bis zur letzten Sekunde und auf jede mögliche Weise, die ich kannte oder zu der Mike mich überreden konnte.

Kapitel 44

Am nächsten Morgen überraschte mich Mike mit einem ausgiebigen Frühstück im Bett, wonach er mich zu seinem Lieblingsnachtisch ernannte. Und auch den Rest des Tages verbrachten wir kuschelnd überall in dem wunderschönen Haus. Mike hatte mir angedroht, jedes Mal mit mir zu schlafen, wenn ich mehr als sein T-Shirt anzog – wobei ich nicht glaubte, dass es überhaupt noch öfter ginge, als wir es so schon taten. Doch mir war es egal, denn zwischendurch kuschelten wir immer wieder ausgiebig und redeten dabei, sodass ich mir nicht irgendwie komisch vorkam.

Selbst am nächsten Tag hatten wir anscheinend noch nicht genug von der Nähe des Anderen und die Gesprächsthemen gingen uns ebenfalls nicht aus. Mike zeigte sich von seiner neuen Seite, die ich noch kaum von ihm kannte und die er seiner Meinung nach nur hatte, wenn er vollkommen entspannt war und nicht an die Arbeit dachte. Und dieser Seite von ihm war ich innerhalb weniger Stunden noch mehr verfallen, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Auf der Arbeit war er immer etwas ernster, ungeduldiger und mehr als ein dunkles Grinsen bekam er selten raus. Doch nun war er plötzlich vollkommen geduldig, redete fast doppelt so viel wie sonst, guckte nicht mehr so ernst und machte fast ununterbrochen irgendwelche Witze, Bemerkungen oder erzählte Geschichten, womit er mich zum Lachen brachte.

Ich wusste, dass es nicht gut war, wie sehr mir diese Art an ihm gefiel.

Denn wenn ich mir vorstellte, dass er mit dieser Luisa genauso gewesen war, zog sich alles in mir vor Eifersucht zusammen. Allein wenn ich mir diese Frau vorstellte merkte ich, dass ich sie ohne Einschränkung nicht leiden konnte – selbst wenn ich sie überhaupt nicht kannte. Und auch der Gedanke, dass das alles am nächsten Tag vorbei sein sollte quälte mich.

Wir würden morgens früh mit dem Auto wieder nach Paris fahren und erst am Abend weiter nach Barcelona fliegen. Das Schneechaos hatte sich immerhin gelegt und das Chaos am Flughafen wäre bis dann auch vorbei.

Das schwierigste für mich würde allerdings sein, Mike nicht mehr durch seine tollen Haare streichen zu können. Nicht mehr unter seinen Küssen und wissenden Händen zu zerfließen. Nie wieder. Und vor allem würde ich ab jetzt wieder schweigend zusehen müssen, wenn er sich mit anderen Frauen traf. Ab morgen war ich wieder nur seine Sekretärin und nicht mehr die Frau, von der er seine Finger kaum lassen konnte und der er jeden Wunsch von den Augen ablas.

Ich verdrängte jedoch gekonnt diesen Gedanken und auch Mike sprach kaum über die nächsten Tage, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Wir genossen einfach die Zeit und insgeheim hoffte ich, dass es ihm genauso gefallen hatte wie mir. Auch wenn es in ihm wahrscheinlich nicht ähnliche Gefühle hervorgerufen hatte.

Doch über Gefühle wollte ich erst recht nicht nachdenken. Noch nicht einmal, wenn wir diesen unwirklichen Traum verlassen hatten. Ich wusste nicht, was in mir war. Aber herausfinden wollte ich es auch überhaupt nicht.

Er war mein Chef. Das klärte alles.

 

Als der nächste Morgen schließlich gekommen war, räumte ich unsere Sachen wieder ins Auto und Mike machte alles im Haus fertig. Ich hatte meine Kopfhörer auf und extra fröhliche Musik angestellt. In erster Linie, damit ich wach wurde – immerhin waren es 6 Uhr – und sie hatte den schönen Nebeneffekt, dass ich meine schlechte Laune besser kaschieren konnte. Denn ich wollte nicht weg. Am liebsten wäre ich noch ein paar Wochen oder Monate einfach hier geblieben.

Muffelig kuschelte ich mich noch etwas tiefer in meinen Schal und knallte die Autotüren zu, als mich zwei starke Arme von hinten umfingen. Mit dem Mund zupfte Mike mir einen Kopfhörer aus dem Ohr und küsste mich anschließend darauf.

„Und alles startklar?“

Ich nickte nur und drehte mich schief grinsend zu ihm um, wobei er mir den zweiten Stöpsel aus dem Ohr zog. Er erwiderte mein Grinsen und drückte mich sanft gegen die Motorhaube. Eine Hand hatte er immer noch um meine Mitte geschlungen, die zweite durchfuhr meine Haare und zog meinen Kopf nach hinten, sodass ich schließlich vollkommen flach zwischen ihn und das Auto gepresst war und ihn von unten ansah.

„Ich schätze mal dann müssen wir jetzt fahren..“

Er blickte mich eine Weile stumm an, bevor er mich schließlich küsste. Und zwar so verlangend und leidenschaftlich, dass ich vollkommen vergaß wo ich war und ihn am Liebsten nur noch in ein Bett gezerrt und dort angekettet hätte. Ich schlang jedoch einfach nur meine Arme um seinen Nacken und genoss die verzehrenden Blitze die seine Berührungen durch meinen Körper schießen ließen. Seine Zunge neckte mich so gekonnt und seine Hände waren überall. Doch dann irgendwann ließ er unseren Kuss langsam ausklingen.

Schwer atmend sahen wir uns tief in die Augen, bis er einen Schritt nach hinten tat und wir uns voneinander lösten. Seine Hand fuhr dabei meinen Arm herunter und unsere Finger verhakten sich für ein paar Sekunden ineinander, während er zu seinem mysteriösen Grinsen wiedergefunden hatte und in Richtung Fahrertür ging.

Ich verfolgte unsere Finger, wie sie kurz der wachsenden Spannung standhielten und dann schließlich auseinander fielen, als Mike zu weit weg war. Ich biss mir auf die Lippen und wandte mich ebenfalls um, konnte jedoch aus den Augenwinkeln noch sehen wie Mike sich fahrig durch die Haare strich und mich noch einmal ansah, bevor er schließlich einstieg.

 

Ab jetzt war alles wieder wie zuvor…

Als hätte es diese 3 Tage niemals gegeben …

 

Impressum

Texte: Das Cover gehört nicht mir - die Personen in dem Buch dafür schon ;)
Tag der Veröffentlichung: 26.07.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /