Glossary
Die Clans
Ashyál
– „Die Heiligen“
Großer Clan mächtiger – und ausschließlich männlicher – Magier.
Clangebiet: Norden
Clanführer: Matjász
Endjah
– „Die Weisen“
Mächtiger Clan von durchschnittlicher Größe. Nimmt Frauen ebenso wie Männer auf.
Clangebiet: Osten
Clanführerin: Carinya
Rehfta
– „Die Kampflustigen“
Sehr alter, traditionsreicher Clan. Bekannt für seine mächtigen, weiblichen Magierinnen und dafür, die jüngste Kyleg-Meistermagierin aller Zeiten zu besitzen.
Clangebiet: Süden
Clanführerin: Noemi
Ulyas
– „Die Verborgenen“
Kleiner, aber einflussreicher Clan. Hauptsächlich männliche Magier, weibliche werden jedoch auch ausgebildet.
Clangebiet: Westen
Clanführer: Aaron
Alltag
Schüler
– Zukünftige/r Magier/in
Meistermagier
– Meistermagier haben eine Prüfung bestanden, die bestätigt, dass sie ihr Spezialgebiet meisterlich beherrschen. Magier, die diese Prüfung bestanden haben, dürfen Schüler ausbilden
Kyleg
– Die Kunst des Kampfes mit Magie
Illusionist
– (Meister-)Magier, der so genannte Schattenwesen erschaffen und kontrollieren kann. Viele sind auch bekannt dafür, Abbilder von anderen Wesen erschaffen zu können
Schattenwesen
– Erschaffen von Illusionisten, werden oft für das Training von Kyleg Magiern verwendet. Bestehen aus Erde und Wasser
Manyahr
– Jährliches Treffen der vier vorherrschenden Clans des Gebietes Hayth
Hayth
– Land unbekannter Größe, bevölkert von vielen Clans. Vier Hauptclans teilen sich das Territorium.
Kapitel 1
„Herr, ich muss mich dringend mit Euch unterhalten.“
Matjász hob den Blick von den Dokumenten auf seinem Schreibtisch zu der herbeieilenden Gestalt seines Stellvertreters in magischen Angelegenheiten. „Sprich schnell, Alystor, ich habe nicht viel Zeit. In wenigen Stunden muss ich zur östlichen Grenze unseres Clangebietes reisen, es hat dort wieder Aufstände gegeben.“ Der bullige Magier neigte seinen Kopf. „Glaubt mir Herr, ich würde Euch nicht in dieser kritischen Situation belangen, wäre es nicht von höchster Dringlichkeit. Einer der Schüler tanzt aus der Reihe.“
Ungläubig hob Matjász eine ergraute Augenbraue. „Wie bitte? Du findest, dass dies eine überaus wichtige Angelegenheit ist? Unterrichte seinen Ausbilder davon und überlasse den Rest ihm.“ Beinahe ein wenig verzweifelt presste Alystor die Hand gegen seine Stirn. „Herr, es geht nicht um irgendeinen Schüler. Es ist wieder einmal Elijas, und ich habe mich bereits mit seinem Ausbilder unterhalten. Kjános ist ebenso ratlos, wie ich es bin.“
Mit einem Rascheln legte Matjász die Papiere auf den massiven Tisch aus Kirschholz und erhob sich von seinem thronartigen Ohrensessel. „Was hat der Bursche nun wieder angestellt?“ Elijas war bekannt dafür, sich gegen jegliche Form von Autorität zu widersetzen. Diese wäre nicht allzu tragisch gewesen – besäße nicht Elijas alleine die Macht, den Ashyál-Clan nach Matjász Ableben zu übernehmen. Verlegen fuhr Alystor sich durch das kurz geschorene Haar und seufzte angestrengt. „Man hat ihn mit einem Mädchen aus dem Dorf erwischt. Ich weiß nicht, wie dieser verfluchte Kerl es immer wieder schafft, sich vom Anwesen und anschließend wieder hinein zu schleichen, und das sogar mit Begleitung.“
Der Führer des Ashyál Clans lächelte nachsichtig. „Du meine Güte, so lasst ihn doch. Er ist jung und übermütig, und noch dazu in einem Alter, wo man Grenzen gerne austestet. Das ist doch kein Verbrechen.“ Matjász Berater räusperte sich unbehaglich. „Das ist nicht unsere Hauptsorge. Was uns eher beunruhigt, ist dass alle seine Begleitungen Blessuren davongetragen haben oder gravierende Gedächtnislücken aufwiesen. Als wir ihn darauf angesprochen haben, meinte er, es sei kein Verbrechen, schließlich wären es ja nur Frauen gewesen.“ Kurz zögerte er.
„Es besteht kein Zweifel, dass er seine Fähigkeiten dazu eingesetzt hat, sich unwillige Frauen zu Eigen zu machen. Und, bei aller Freundschaft, so etwas können wir ihm nicht durchgehen lassen.“ Ein deutlich vernehmbares Hüsteln erklang von einem anwesenden Meistermagier. Er hatte sich bisher im Hintergrund aufgehalten, wodurch Alystor ihn beinahe nicht wahrgenommen hätte, doch nun trat er in das Licht, welches durch die Fensterfront in den Raum einfiel. „Wenn ich meine Meinung zu diesem Fall äußern dürfte, Herr?“ Matjász nickte knapp, woraufhin der junge Illusionist sich vernehmlich räusperte. „Ich finde, Ihr solltet sein Tun ignorieren. Das treffendste Argument wurde von dem Jungen selbst erbracht: Es waren nur Frauen. Vielleicht haben sie nur so getan, als würden sie sich an nichts erinnern.“ „Und die blauen Flecke und Quetschungen haben sie sich auch selber zugefügt?“, warf Alystor zutiefst sarkastisch ein, doch der Meistermagier hob nur eine Augenbraue. „Frauen mögen zwar nicht die Hellsten sein, doch sie sind gerissene Biester. Es würde mich nicht wundern...“ „Entweder du erläuterst uns deinen Standpunkt mit belegbaren Argumenten, oder du schweigst, Iljas.“ Der junge Illusionist schluckte schwer. „Verzeiht, Herr. Ich finde dennoch, dass Ihr sein Verhalten tolerieren solltet. Das ist nun einmal unsere Kultur, und es wird Zeit, dass die Frauen wieder auf ihren rechtmäßigen Platz verwiesen werden – den im Schatten ihrer Männer.“ Alystor lachte leise, aber mit durchdringendem Spott. „Oh, bitte. Glaubst du wirklich, dass sie sich noch viel länger dermaßen unterdrücken lassen werden? Die einzige Möglichkeit sie ruhig zu halten, war, ihnen immer mehr Rechte zuzugestehen. Was denkst du, wer die ganzen Aufstände auslöst?“
Er schüttelte ernst den Kopf. „Wenn wir den Einwohnerinnen unseres Landes diese Rechte wieder nehmen, gibt es einen Bürgerkrieg. Magier gegen Menschen. Sogar die Männer unterstützen sie bereits.“
„Alystor hat Recht. Wir müssen etwas gegen Elijas‘ Verhalten unternehmen.“ Iljas‘ Augen funkelten bei diesen Worten des Clanoberhauptes wütend. „Wollt Ihr Euch wirklich von einem Haufen Weiber in Eurer Macht beschneiden lassen, Herr?“ Matjász sah ruhig, aber ermahnend auf ihn herab. „Würdest du diese Worte in Beisein des Rehfta Clans wiederholen?“
Der Jüngere zuckte heftig zusammen und senkte den Blick. „Ich nehme an, das bedeutet, dass du es nicht tun wirst. Zieh‘ dich jetzt zurück, Iljas, und überdenke deine Einstellung ein wenig.“ Offensichtlich kochend vor Wut, aber kleinlaut wegen der Rüge, die er sich eingefangen hatte, verließ der Meistermagier den Raum.
„Er ist ein Hitzkopf“, meinte Alystor missbilligend, was Matjász mit einem leisen Seufzen quittierte. „Wie wahr. Aber er ist noch jung, voller Kampfeslust und Energie. Die Weisheit durch Erfahrung wird sein Temperament zähmen.“ Er wandte den Blick von der schweren Eichentür, die gerade hinter Iljas ins Schloss gefallen war zu seinem Berater. „Was schlägst du zur Lösung unseres Problems vor?“ Ratlos schüttelte der Meistermagier den Kopf. „Ich weiß nicht, was uns in dieser Situation helfen könnte, mein Herr. Ich weiß nur, dass Elijas sich in den Griff bekommen muss, bevor die anderen Clans zur jährlichen Versammlung eintreffen.“ Matjász schmunzelte ein wenig bei dem Gedanken daran. „Das ist wahr.
Noemis Meistermagierinnen würden ihn zum Morgenmahl verspeisen.“ Der Berater des Clanführers konnte sein Lachen nur äußerst schwer unterdrücken. „Wahre Worte.“
Kapitel 2
Ein wohl platzierter Schlag, und die Gestalt aus Wasser und Erde löste sich in einer kleinen Nebelwolke auf. Die junge Frau wirbelte herum, die Arme schützend vor ihr Gesicht gehoben, blockte einen auf ihre Kehle gezielten Hieb geschickt ab und beförderte auch diesen Angreifer ins Nirwana. „Verschwindet, ihr dämlichen-“, ein weiterer Tritt- „verfluchten-“, sie zog ein kleines Messer aus ihrem Stiefel und schlitzte der Schattengestalt die Kehle auf, woraufhin diese genau wie ihre Vorgänger verschwand – „- Schatten!“
Ihr Brustkorb hob und senkte sich unter schweren Atemzügen, als sie nach dem letzten tödlichen Angriff in der Bewegung verharrte. Schweiß tropfte an ihren Schläfen hinab und färbte ihr hellbraunes Haar dunkel. Die Stille währte einige Sekunden, dann war ein lautes Fluchen zu hören. „Verdammt noch einmal, Raziya! Die Dinger zu erschaffen ist Arbeit. Kannst du nicht wenigstens einmal so tun, als wären sie ebenbürtige Feinde?“ Ein Grinsen breitete sich auf den klassisch schönen Zügen der Kämpferin aus. „Ich habe dich gewarnt, Ilona. Du hast darauf bestanden die Phantome zu erschaffen.“
Leise vor sich hin schimpfend näherte die Meistermagierin der Illusion sich der Stätte der Verwüstung, die durch Raziyas Training entstanden war, gefolgt von Marija und Kathryn. Letztere stieß kritisch gegen einen Baum, der von einem konzentrierten Energiestoß glatt geteilt geworden war. „Ist es wirklich nötig, dass du jedes Mal den Trainingsplatz abholzt? Du weißt doch, dass es harte Arbeit ist, die Bäume neu wachsen zu lassen!“ Raziyas Grinsen hielt an. „Ach, Kathryn. Du weißt doch, dass ich, wenn ich etwas mache, es gründlich tue.“
Ein freches Zwinkern. „Außerdem sollen die Lebensmagierinnen auch etwas zu tun haben.“ Geschickt fing sie ein Handtuch auf, das Marija ihr zuwarf, und fuhr damit über ihr Gesicht, ehe sie es sich um den Nacken legte. „Das war äußerst beeindruckend, Raziya. Ich sehe, du hast dich seit deiner Prüfung noch gesteigert.“ Alle vier Magierinnen fuhren herum, als die weiche Stimme Noemis hinter ihnen ertönte. Die ungewöhnlich groß gewachsene Frau lächelte zufrieden, doch in ihren Augen blitzte kalter Stahl auf. „Sei gegrüßt, Noemi!“ Eine nach der anderen wiederholte den traditionellen Gruß des Rehfta – Clans, berührten mit den Fingerspitzen zuerst ihre Stirn, dann die Stelle über ihrem Herzen, um die Hand dann zur Faust zu ballen und sie an ihre Lippen zu führen.
Ernst wiederholte die Clanführerin die Jahrtausende alte Geste. „Ilona, auch von deiner Arbeit bin ich äußerst angetan. Deine Schattenwesen werden von Tag zu Tag widerstandsfähiger. Nur weiter so.“ Die Meister- Illusionistin nahm das Lob mit einem dankenden Kopfnicken entgegen. „So, meine Damen, genug der Förmlichkeiten. Wer hat Lust, mich dieses Jahr zum Manyahr zu begleiten?“ Die Magierinnen lachten leise. Noemi mochte zwar ihre Clanführerin und somit eine Respektsperson sein, der alle dem Rehfta – Clan angehörigen Personen absoluten Respekt zollten, doch sie sah sich lieber in der Rolle der Freundin und Vertrauensperson. „Raziya, könntest du dich dafür erwärmen?“ Die Kyleg-Meisterin hatte es bereits kommen sehen. Mit einem angestrengten Seufzen nickte sie. „Wenn es denn sein muss.“
Ihre Clanführerin hob skeptisch ihre Augenbrauen. „So viel Begeisterung? Das ist ja geradezu unheimlich. Du weißt, dass ich dich nicht zwinge, mitzukommen. Sag, was stört dich so an dem Gedanken, mich dorthin zu begleiten?“ Die zierliche junge Frau zuckte mit den Schultern und ging dazu über, einige Dehnungsübungen auszuführen, um dem ansonsten unvermeidlichen Muskelkater am nächsten Tag entgegen zu wirken. „An der Versammlung stört mich nichts. Mir gefällt bloß der Gedanke daran, wo sie stattfindet, nicht.“ Einheitliches, genervtes Stöhnen von allen Seiten. „Das kann man ihr nicht verdenken, Noemi“, warf Marija ein.
Ihre Stimme war unverkennbar durch den Hauch von Akzent, den sie noch immer inne hatte, obwohl sie hier praktisch aufgewachsen war. Die Lebensmagierin stammte aus dem Norden, doch als ihre Eltern das Talent ihrer Tochter entdeckt hatten, war sie in das südliche Gebiet des Rehfta – Clans gebracht worden. Im Norden wurden Frauen als Magierinnen nicht anerkannt. „Allerdings nicht. Matjász‘ Clansleute haben etwas an sich, das einen nach zwei Minuten mit ihnen im selben Raum wünschen lässt, man wäre in der Lage, andere per Gedanken zu töten.“ Ein verächtliches Schnauben bestätigte Kathryns Aussage. „Außerdem besagen die Gerüchte, dass sein Nachfolger ein wahrer Schatz sein soll. Macht angeblich vor keiner Frau halt.“ Das kalte Funkeln in Noemis Augen bestärkte Raziya in der Annahme, dass die Geschichten wahr waren. „Und, verzeih‘ mir, aber ich bin nicht gewillt mich rund um die Uhr gegen einen Jungspund verteidigen zu müssen, weil seine Hormone ihn plagen.“
Ilonas Mundwinkel zuckten, während Kathryn und Marija sich mit einem Hüsteln abwandten, um den Trainingsplatz wieder zumindest annähernd in seinen ursprünglichen Zustand zurück zu versetzen. „Du hast mein vollstes Verständnis“, meinte Noemi ernst und seufzte dann leise. „Gut. Ich will ehrlich zu euch sein: Ich habe bereits bekannt gegeben, wer mich begleiten wird.“ Empörte Blicke trafen sie von vier verschiedenen Augenpaaren, so dass die Meistermagierin abwehrend die Hände hob.
„Du meine Güte, beruhigt euch. So tragisch ist das nun auch wieder nicht.“ „Nicht so tragisch? Noemi, ich habe es ernst gemeint, ich will nicht in den Norden reisen! Sie sind so unglaublich altmodisch mit ihren dummen Konventionen und...und... allem einfach! 99,9 Prozent der Männer dort sind Chauvinisten! Willst du mir das wirklich antun?“ Als ihr Gegenüber nichts erwiderte, fluchte Raziya lautstark. „Ich schwöre dir, nach zwei Stunden sitze ich bereits in einer Zelle.“ Nun schmunzelte die hoch gewachsene Frau doch. „Keine Sorge, wir genießen diplomatische Immunität. Um das klar zu stellen: Raziya, du wirst mich begleiten. Ebenso Marija, Kathryn, Ilona“, - ein entsetztes Ächzen – „Aylin, Danyela und Mirjam.“ Die Kyleg-Meistermagierin runzelte die Stirn. „Noemi, ich kann davon nur abraten. Aylin und Mirjam sind noch Schülerinnen, sie wären den Übergriffen von Ashyál-Schülern hilflos ausgeliefert.“
Die Dunkelhaarige überdachte den Einwand kurz und tat ihn dann mit einem Kopfschütteln ab. „Sie sind stark genug.“ Ilona räusperte sich unbehaglich.“Als Mirjams Ausbilderin bitte ich dich, sie hier zu lassen. Es wird nicht gut gehen, wenn wir sie mitnehmen. Sie ist noch äußerst unkontrolliert-“
„Dann werdet ihr eben ein Auge auf sie haben müssen“. Offensichtlich war die Diskussion aus Noemis Sicht beendet, denn sie wandte sich um und kehrte mit energischen Schritten zu dem flachen Gebäude zurück, das als Hauptquartier und Trainingsort für die Kyleg-Magierinnen diente. „Ich weiß nicht, wie es euch geht, Schwestern, aber das macht mich misstrauisch“, ließ Marija verlauten, als die Clanführerin außer Hörweite war. „Allerdings. Sie würde niemals eine unserer Schülerinnen fahrlässig in Gefahr bringen.“ Kathryn bestätigte Raziyas Aussage mit einem knappen Nicken. „Was auch immer es ist – man sollte Aylin und Mirjam warnen, bevor wir in den Norden reisen. Irgendetwas wird hier gespielt, und ich fürchte, die zwei sind der Einsatz.“
Tag der Veröffentlichung: 31.12.2010
Alle Rechte vorbehalten