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Kurzgeschichte

Ich heiße Laura und will euch heute meine Geschichte erzählen, die vor einem Jahr geschah. Es war an einem grauen, nebligen Herbsttag. Meine Eltern waren über das Wochenende zu meinen Großeltern gefahren. Ich habe das genutzt, um ein paar Freunde, die ich in unserem kleinen Dorf kennen gelernt hatte, einzuladen. Wir waren nämlich erst im Sommer hierher gezogen. Und zwar in ein altes Haus, das auf einem Hügel stand. Mir war das Haus unheimlich, aber meine Eltern meinten, es sei gemütlich.

Ich saß also zusammen mit meinen neuen Freunden im Wohnzimmer. Es wurde schon dunkel und es begann zu regnen. Der Wind heulte durch den offenen Kamin. Irgendwie unheimlich. Meine Freunde und ich versuchten uns mit einer Komödie, die im Fernsehen lief, aufzumuntern. Ich erinnere mich, dass der Typ aus Mr. Bean mitspielte, als Agent, glaube ich. Na egal, denn so lustig der Typ auch war, das Lachen verging uns bald. Denn plötzlich klingelte das Telefon. Nicht wie es sonst klingelte. Es krächzte schrill, ein Geräusch, das mich erschaudern ließ. "Das Telefon ist wohl defekt", beruhigte ich mich und die Anderen und hob ab. Es war Darla, ein schüchternes Mädchen aus meiner Klasse, das ich auch eingeladen hatte. "Ich kann heute nicht kommen", murmelte sie fast unhörbar leise. " Was ist los"? fragte ich sie. " Es geschah vor einem Jahr, vor genau einem Jahr", antwortete sie in einer rauen Stimme, als ob ihr etwas im Hals stecken geblieben sei. Sie hustete und auch mir war es, als ob ich etwas im Hals stecken hatte. "Was meinst du, Darla?" fragte ich nach, doch die Leitung war tot. Ich versuchte, auf Rückruf zu schalten, aber das Telefon reagierte nicht mehr. Nur ein Freizeichen war zu hören, ähnlich krächzend wie der Klingelton vorher. Ich sah auf meinem Arm, wie sich die Härchen aufstellten, und bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut.

Als ich den anderen erzählte, wer angerufen hatte, wurden alle ganz bleich im Gesicht. Nur Tim, ein etwas einfältiger, aber netter Junge, grinste breit: "Die spinnt doch, die Darla, einsperren sollte man die, genau wie Julia, die verrückte Kuh", sagte er. "Halt die Klappe und lass Julia in Ruhe"! fuhr Jasmin ihm über den Mund. Ich hatte genug: "Wer ist Julia und von was redet ihr da überhaupt?", platzte es aus mir raus. Jasmin erzählte mir, dass Julias Eltern vor einem Jahr ums Leben kamen. Ein tragischer Unfall, meinte die Polizei. Man fand ihre Leichen damals im Keller. Julia, die mit ihrer Freundin Darla als einzige dabei gewesen war, erzählte damals von Geistern und Stimmen. "Deswegen hat man sie ja auch ins Irrenhaus gesteckt", rief Tim dazwischen. Jasmin erzählte weiter, dass Darla, Julias beste Freundin, seit diesem Ereignis sehr stumm und verschlossen geworden sei. "Und all das geschah vor genau einem Jahr. Deswegen will sie heute nicht kommen" meinte ich abschließend.

"Nein das ist nicht der einzige Grund" sagte Jasmin. " Vielleicht schockiert dich das, was ich dir jetzt erzähle", fuhr Jasmin fort und blickte mich bedrohlich an. "Das Haus, in dem wir hier sitzen, gehörte vor einem Jahr noch Julias Familie, dem Mädchen, das heute in der Irrenanstalt sitzt". "Es geschah also hier", murmelte ich. Ich war starr vor Schreck. Wir saßen einige Minuten stumm da, als es plötzlich klopfte. Das Geräusch kam aus dem Keller. Tim stand auf und fuhr uns genervt an: "Es gibt keine Geister. Beruhigt euch mal wieder! Du hast bestimmt wieder die Katze unten eingesperrt und die will jetzt raus" Er hatte recht, dachte ich. "Ich habe sie wohl aus Versehen beim Getränke holen eingesperrt" beruhigte ich uns. Wir gingen also runter. Das Geräusch wurde lauter und es kam auch nicht aus dem Getränkekeller, sondern dem Kohlekeller. Ich erinnerte mich, dass mein Vater, bevor er wegfuhr, die Heizung im Kohlekeller einstellen wollte. Wahrscheinlich hat er dort aus Versehen meine Katze eingesperrt.

Ich fasste allen Mut zusammen und entsicherte das Vorhängeschloss des Kohlekellers. In dem Moment traf es mich wie ein Schlag. Ich hatte Tim nie von meiner Katze erzählt und er hatte sie nie gesehen. Woher wusste er so viel? Ich hatte Angst. Trotzdem drehte ich mich langsam zu meinen vermeintlichen Freunden um. Was ich sah, vergrößerte meine Angst nur noch mehr. Sie schienen sich allesamt langsam in Luft auf zu lösen. In dem Moment schwenkte auch die von mir geöffnete Tür zum Kohlekeller auf. Ich konnte nur noch schreien. Im Keller lagen meine Eltern tot auf dem Boden. Ihre Augen weit auf gerissen, als ob sie vor Schreck gestorben waren. Wen hatte ich am Freitag verabschiedet, im Glauben, dass es meine Eltern sind? Ich hatte keine Zeit zum Nachdenken! Ich rannte in Panik Richtung Treppe, doch die Tür fiel mit einem Krachen vor meiner Nase zu. Ich war eingesperrt. Es wurde dunkel um mich herum. Ich hörte Stimmen und sah Gestalten. Ich sah die furchtbare Vergangenheit dieses Hauses und spürte, wie es von mir Besitz ergriff. Ich hatte das Gefühl, verrückt zu werden. Da musste ich an Julia denken. Sie hatte vor einem Jahr das gleiche durchgemacht wie ich. Wollte ich auch kämpfen wie sie und meinen Verstand verlieren, oder sollte ich aufgeben? Ich hörte auf meine innere Stimme und ließ einfach los. Es wurde endgültig dunkel. Ich starb an diesem unheimlichen, verregneten Herbstabend.

Das ist meine Geschichte, die Geschichte von Laura. Wie kann ich euch die Geschichte erzählen, wenn ich tot bin, fragt ihr euch vielleicht? Ich bin ein Geist. Das Haus besitzt nur das, was ich war, als ich noch lebte. So wie bei den vielen anderen Opfern. Ich bin jetzt frei. Das verfluchte Haus wird es aber nie sein. Ich sehe gerade, wie ein Umzugswagen vor seiner Tür steht. Ein Mädchen steht am Eingang. Sie zieht wohl mit ihren Eltern dort ein. Sie unterhält sich mit einem anderen Mädchen. Moment, dieses Mädchen sieht aus wie... ich damals als Laura aussah.

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Tag der Veröffentlichung: 28.10.2013

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