Wie habt ihr euch eigentlich Amor immer vorgestellt?
Als einen kleinen dicklichen Jungen mit ebenso winzigen Flügelchen, die ihn theoretisch gar nicht hätten tagen können? Als schönen jungen Mann, gekleidet in eine Toga? Mit Bogen und Pfeil, dessen Ende einem Herzen gleicht?
Alles Humbug, kann ich euch sagen, aber hey, was weiß denn ich. Mir hört ja so wieso keiner zu, vor allem aber kein Mensch. Ich meine: Wer will schon die Meinung einer Katze hören? Und wenn doch sind Menschen einfach zu begriffsstutzig um irgendwas zu verstehen. Nicht falsch verstehen. Ich hasse Menschen nicht, auch nicht nachdem mich meine letzten Besitzer genauso wie die vorherigen im Tierheim abgegeben haben. Ich kratze zu viel, hieß es. Aber wenn mich die Kinder nerven, dann verteidige ich mich auch ab und zu, obwohl ich mich schon sehr zurückgehalten habe, falls sich aber der kleine Peter in den Kopf setzt mich am Schwanz durch die ganze Wohnung zu ziehen, ist es auch um meine Selbstbeherrschung geschehen.
Egal, letztendlich habe ich als Katze sowieso kein Mitsprache recht, weshalb ich nun hier in meinem kleinen Käfig sitze und mir gemütlich die Pfoten reinige—sonst gibt es ja nicht viel zu tun. Mein Nachbar von nebenan jammert lautstark und auch die fiese Zicke, die unter mir haust fauch aufgeregt, weil der hübsche schwarze Kater von gegenüber ihr schöne Augen machte. So viel anders als die Menschen waren wir demnach doch nicht.
Aber zurück zum Thema Amor. Wie ich darauf komme? Naja…Ein Pfleger hier beschäftigt sich gern mit antiken Mythen und kann Stunden darüber faseln. Egal ob ihm jemand zuhört oder auch nicht—er ist kurz gesagt: seltsam. Sogar für einen Menschen
Doch eine seiner Geschichten hatte es mir angetan. Amor, der Gott der Liebe.
Er brachte Menschen zusammen, schenkte Liebe und Freude. Romantischer ging es nun wirklich nicht. Schade das es ihn nicht wirklich gab.
Ein leises Geräusch von Draußen lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Tür. Ich bemerkte durch die Stangen meines Käfigs hindurch, wie sich mehrere Schatten vor der Tür bewegten, redeten und lachten. Auch vernahm ich die Stimme von kleinen Kindern, die sich dort tummelten und darauf warteten eingelassen zu werden.
Das Fell sträubte sich mir.
Ich hasse Menschen nicht, aber ich hasse kleine Kinder.
Eilig kroch ich in die hinterste Ecke meines kleinen Reiches und versteckte mich in meinen Decken.
Die Tür ging auf und wie erwartet rannte eine kleine Horde Kinder in den Raum, vier an der Zahl. Breit lächelnd bestaunten sie die anderen Tiere. Ich hörte die Rufe nach ihren Eltern, als sie sich für ihr neues Haustier entschieden. Es freute mich und wurmte mich gleichermaßen.
Ich hasse Kinder, was aber nicht hieß, dass ich kein Zuhause wollte. Immerhin war ich noch jung, gerade mal zwei Jahre alt und obwohl ich schon zwei Familien hatte, die mich beide hierher zurück gebracht haben, war ich neuen Besitzern nicht abgeneigt. Hauptsache sie hatten keine Kinder.
Die Biester bedachten immer noch aufgeregt die Käfige, aber etwas anderes machte mich neugierig.
„Tobi, komm schon.“, hörte ich eine sanfte Frauenstimme und nur Sekunden später betrat eine junge Frau den Raum. Sie zog einen Mann im gleichen Alter hinter sich her. Er war…traurig und verheult?
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Sara.“, wisperte er, so leise, dass ich Mühe hatte ihn zu verstehen, aber meine Ohren waren gut und so hörte ich auch die kleinen Schluchzer, die er immer wieder von sich gab.
„Ah jetzt komm schon. Du hast dich dafür entschieden, sogar die ganzen Sachen gekauft und nun fehlt nur noch die Katze. Ein Tier wird dich wenigstens ein bisschen ablenken.“
„Hast recht.“
Ablenken? Ja, ja das konnte ich gut. Schmusen, spielen, streicheln lassen, zusammen diesen Kasten ansehen, indem die kleinen Menschen oder Tiere sich bewegten. Ich konnte das! Aber als ich mich an die Stangen des Käfigs setzte um die beiden auf mich aufmerksam zu machen, waren sie längst vorbei und betrachteten den schwarzen Kater auf der anderen Seite.
Anscheinend war meine Chance verspielt.
„Der sieht doch goldig aus.“, meinte die Frau begeistert und nahm den Zettel in die Hand, der vor dem Käfig des Katers befestigt war.
Natürlich fand sie ihn goldig. Glänzendes schwarzes Fell, dazu diese großen Augen, welche sie musterten und als er ein kurzes Miau ausstieß, war sie ihm verfallen.
„Oh, Tobi nimm den. Er ist so süß.“
Tobi schien gerade nicht in der Verfassung zu sein selbst Entscheidungen zu treffen und folgte widerstandslos der Aufforderung seiner Begleiterin. Was sich allerdings als Fehler entpuppte. Denn als sich der junge Mensch zum Käfig vorbeugte, um sein neues Haustier zu mustern, fauchte ihn der Kater an und versuchte ihn durch den Käfig hindurch zu kratzen.
Erschrocken wich der Mann zurück. „Er mag mich wohl nicht besonders.“
„Sehen Sie es ihm nach. Er hat nicht wirklich gute Erfahrungen gemacht und muss sich erst langsam an Sie gewöhnen.“, ertönte die Stimme eines der Pfleger. Erinnert ihr euch? Der seltsame Kerl mit der Schwäche für antike Geschichten?
Er stand nun direkt neben dem Paar.
„Auf Frauen ist er besser zu sprechen. Wenn ihre Partnerin ihn also mitnehmen will, kann er sich bei ihnen Zuhause an Sie gewöhnen.“, meinte der seltsame Pfleger mit einem strahlenden aber falschen Lächeln.
„Ist nicht meine Partnerin, sondern meine beste Freundin und sie wohnt nicht bei mir.“
„Dann brauchen sie etwas anderes.“, meinte der Pfleger trocken und wandte sich von dem Paar ab. Er kam an meine Seite, wo er sich aber bedauerlicher Weise niederkniete um die Zicke aus ihrem Haus zu holen.
„Mini ist perfekt für einen einsamen Menschen. Sie ist nicht anhänglich und benötigt auch nicht viel Aufmerksamkeit, also…“
Ich hätte am liebsten diesem Idioten die Augen ausgekratzt über so viel Feingefühl wie er ihn besaß und damit meine ich: überhaupt keinen!
Als der andere Mann plötzlich anfing zu weinen, stand seine Freundin genauso hilflos da, wie auch der Pfleger.
Menschen! Viel war von ihnen nicht zu erwarten. Gut, dann konnte ich es ja mal versuchen.
Ich erhob mich von meinem Platz an der Käfigwand und schritt gemächlich zu den Stangen, strich meine Seite daran entlang, schnurrte und sagte zu dem jungen Mann: „ Beruhige dich doch.“
Für ihn klang es natürlich wie ein simples Miau, aber ich hatte seine Aufmerksamkeit. Die Tränen versiegten und er bedachte mich sogar mit einem kleinen verheulten Lächeln.
„Und diese da?“, schniefte er.
Ein goldiger Mensch, um es mit den Worten der Freundin zu beschreiben.
„Ähm…ebenfalls ein sehr ruhiges Tier. Keine Probleme.“
„Okay, darf ich sie mal halten?“
Der Pfleger öffnete die Tür zu meinem Käfig, allerdings ohne die Zicke von seinem Arm zu nehmen, vermutlich, falls sich der junge Mann doch gegen mich entscheiden würde. Pah! Es endete in einem kleinen Zickenkrieg zwischen mir und der grauen Katze, bis der Pfleger zurücktrat.
Der junge Mann trat an seine Stelle und streckte zitternd die Hände nach mir aus. Hatte er Angst? Egal. Ich ließ mich einfach von ihm hochheben ohne groß ein Theater zu veranstalten, denn ich mochte es wie er mich vorsichtig an sich drückte und mir über das Fell kraulte. Ich schnurrte.
„Ich nehme die hier.“
***
Tobias Müller, so war der Name meines neuen Besitzers unterschrieb ein paar Zettel und nahm mich mit, wobei er die Box, die der seltsame Pfleger ihm empfahl, freundlichst ablehnte und mich einfach auf seinem Arm behielt. Wir stiegen in eine dieser komischen Blechkisten, die seine Freundin fuhr und kurze Zeit später stiegen wir auch schon aus.
Tatsächlich war es auf seinem Arm viel bequemer gewesen, als in einer dieser Kisten, in die mich meine letzte Familie immer gesteckt hat.
Wir betraten ein Haus, in dem anscheinend mehrere Menschen wohnten. Auch Kinder. Aber Tobias selbst hatte keine, wie ich erleichtert feststellte, als er mit mir zusammen in seine kleine Wohnung ging. Es war hübsch. Alles ordentlich, aber auch nicht steril. Hier herrschte Leben. Pflanzen, Deko und sehr viele Schuhe, befanden sich bereits im Flur, wie ich amüsiert feststellte. Er ging mit mir ins Wohnzimmer und setzte mich dort auf einem Kratzbaum ab. Wobei er aber nicht aufhörte mich zu streicheln. Er ging sogar soweit, dass er sich vorbeugte und seine Nase an meine stupste, was mich dazu brachte meinen Kopf an seinem Gesicht zu reiben.
„Bist du süß.“, gab er mit einem fröhlichen Glucksen von sich. Von dem verheulten, traurigen jungen Mann war in diesem Augenblick nichts mehr übrig.
Ich bin echt gut!
Seine Freundin betrat hinter uns das Zimmer und ließ sich einfach auf die ausladende Couch fallen.
„Hast du schon einen Namen für sie?“
Oh, interessant. Meine letzten Namen waren nicht wirklich der Knaller gewesen. Die Erste Familie nannte mich Flocke und die andere Fibi. Ich mochte beides nicht, weshalb es mich wirklich interessierte, wie Tobi mich nun taufen würde.
„Weiß nicht. Hast du einen Vorschlag?“
Die Frau verzog nachdenklich das Gesicht, während sie darüber nachdachte. „Wie wäre es mit Schmutzi, wegen dem dreckbraunen Fell? Hört sich süß an.“
Miststück!
Ich fauchte und erschrocken riss sie die Augen auf, während Tobi ein wenig zu Seite trat.
„Gefällt ihr anscheinend nicht.“
„Sie ist eine Katze.“, stellte die Frau unnötigerweise fest und würde es bei einer Katze nicht komisch aussehen, hätte ich am liebsten mit den Augen gerollt, aber stattdessen begnügte ich mich damit sie erneut anzufauchen.
„Und was ist mit Sunny?“, hörte ich meinen Tobi. Er sah mich fragend an, als würde er tatsächlich eine Antwort erwarten. Ich schnurrte. Er atmete erleichtert auf und kraulte mich unterm Kinn.
Mein Besitzer ist ein Heiliger, dachte ich, während mir die Augen zu fielen.
„Du hast dir da ein sehr komisches Tier ins Haus geholt, mein Freund.“
Der restliche Tag verging wie im Flug. Ich erforschte mein neues Heim. Das Schlafzimmer meines Besitzers gefiel mir am besten. Das Bett war weich und wenn er mich ließ, würd ich ganz sicher hier schlafen.
Die Freundin verabschiedete sich schnell. Und so blieb mehr Zeit für mich, um meinen neuen Besitzer kennen zu lernen. Also auf geht’s.
Ich sprang vom Bett, tapste durch die kleine Wohnung bis hin zum Wohnzimmer, wo Tobi auf der Couch saß und…heulte. Nicht schon wieder. Dabei dachte ich wirklich er hätte diese Anfälle längst hinter sich. Wohl ein Fehler.
Interessant wäre es zu erfahren, was den jungen Mann in diesen Zustand versetzte. Vielleicht konnte ich dann einen Ausweg finden.
Entschieden machte ich einen Satz auf das Sofa, kletterte über die beachtliche Anzahl an Chipstüten und Schokolade, direkt auf seinen Schoß. Sofort begann er mich zu kraulen und dabei zu schluchzen.
„Na los, Junge. Rede, was liegt dir auf dem Herzen.“
Traurig lächelte er zu mir hinunter, während ich es mir auf seinem Schoß bequem machte.
„Oh, Sunny, Süße. Mach dir keine Sorgen mir geht es gut.“
„Mach dich nicht lächerlich. Du bist ein miserabler Lügner.“
„Na gut.“, gestand er mit leicht verzogener Miene. „Mir geht es jetzt nicht gut, aber es wird bald besser, ich verspreche es.“
„Sprich, du dummer Mensch.“
„Eigentlich ist es lächerlich. Seit fast einer Woche ist es mit uns vorbei und ich heule immer noch.“
Oh, anscheinend war mein neuer Besitzer vor kurzem noch verliebt gewesen. Da musste ich natürlich etwas sensibler vorgehen.
Ich erhob mich wieder, stützte mich an seiner Brust ab, wobei ich meine Krallen leicht in seinem Pullover versenkte, während ich immer wieder meinen Kopf an seinem Kinn rieb.
„Wow. Du bist ein sehr umsichtiges Kätzchen, was dagegen, wenn ich mich ein wenig bei dir ausheule? Die Ratschläge der anderen gehen mir langsam auf den Wecker.“
Nein, kein Problem. Ich bin eine gute Zuhörerin. Mein Miau schien ihm Aufforderung genug zu sein.
„Naja, wir waren beinahe ein ganzes Jahr zusammen gewesen, bis er diesen anderen hatte unbedingt vögeln müssen. Ich hab sie erwischt und er…Er hatte nichts besseres zu tun als mir im nachhinein Hönig um den Mund zu schmieren…“
Ah, mein neuer Besitzer stand also auf Männer? Ich hatte so etwas ähnliches bereits in der Flimmerkiste mitbekommen. Es sollte ganz normal sein, aber sehr viele Menschen traten dieser Neigung immer noch ziemlich kritisch, wenn nicht sogar mit Abscheu gegenüber. Tja, mir konnte es egal sein. Mein Tobi hatte das Recht jeden zu lieben, denn er wollte. Wenn auch ich ein Plätzchen in seinem Herzen fand, würde es mich freuen.
„Lass mich raten: Es war ein Fehler. Ich bereue es. Ich liebe dich und gib uns noch eine Chance?“
„Nach dem Motto: Es war ein Fehler und er bereue es so sehr und er liebe mich immer noch. Ich sollte ihm noch eine Chance geben.“
Beindruckt stellte ich fest, dass wir uns auch der selben Wellenlänge befanden.
„Und du?“
„Natürlich stellte ich ihn sofort vor die Tür und unsere Beziehung war beendet. So etwas ist für mich unverzeihlich.“
„Braver Mensch.“
„Aber ich habe ihn dennoch sehr geliebt. Es tut einfach so verdammt weh. Ich will ihm verzeihen, kann es aber nicht und diese beiden Seiten quälen mich!“, gestand er Zähne knirschen. Woraufhin ich ihn noch etwas eifriger kuschelte um ihn wenigstens ein wenig zu trösten, denn das tränennasse Gesicht dieses jungen Mannes versetzte mir einen Stich ins Herz.
„Du bist eine richtig gute Therapeutin, für eine Katze.“, meinte er mit einem leichten Lächeln. Tobi nahm mich auf den Arm, tug mich in sein Zimmer und setzte mich auf dem Bett ab, bevor er kurz wieder verschwand.
Er hatte sich umgezogen, trug leichtere Sachen, mit denen er sich auf die weiche Matratze sinken ließ. Er klopfte neben sich. Wollte mich also bei sich haben. Dem ging ich gern nach, sprang über die Laken, legte mich allerdings nicht neben ihn, sondern stieg hinauf zu seinem Kissen und drückte mich an seinen Kopf. Bald schon hörte ich wie sich seine Atmung beruhigte und er sich entspannte, als er in den Schlaf glitt.
***
Er war Samstag als etwas oder besser gesagt jemand unseren Alltag störte.
Tobias und ich befanden uns in der Küche. Er hatte mir mein Frühstück gemacht und bereitete für sich gerade einen Kaffee zu, wie seit einer Woche jeden Morgen auch, als es plötzlich an der Tür läutete. Mein Besitzer fuhr mir noch schnell mit der freien Hand über das Fell, was ich immer sehr genoss, bevor er in den Flur verschwand. Ich ahnte natürlich nicht wie sich alles noch entwickeln würde und saß gähnend auch weiterhin auf dem Tresen, während ich den Vogel beobachtete, der vor dem Küchenfenster seine Kreise zog.
Tobis Aufschrei riss mich aus meinem verträumten Starren heraus und ich sprang von meinem Platz, um in den Flur zu tapsen. Als ich auch schon den riesigen Berg von einem Menschen erblickte, der meinen Besitzer an die nun geschlossene Tür presste. Dieser japste verzweifelt nach Luft und versuchte sich mit allen Kräften gegen dieses Monstrum zu wehren, doch es reichte nicht.
„Dachtest du wirklich das wäre es gewesen mit uns?! Hä?!“, brüllte der Klotz nun und mir wurde klar, dass ich hier den sogenannten Ex meines Besitzers vor mir hatte.
„Lass mich los.“, keuchte Tobi nur. Er wurde zunehmend blauer im Gesicht. Der Kerl schnürte ihm die Luft ab!
Tobi wehrte sich immer schwächer, das Keuchen wurde lauter und anstrengender, während der Berg ihn weiterhin anbrüllte, ihm irgendeinen Unsinn unterstellte und nicht bemerkte, dass er den anderen Mann umbrachte.
Ich konnte nicht länger mit ansehen, wie mein Tobi dort von diesem Monster eingequetscht wurde. Es gab auch Zeiten, da musste eine Katze tun, was eine Katze eben tun musste.
Ich nahm Anlauf, sprang auf die Schuhkommode und von dort auf den Kopf des riesigen Menschen. Zielsicher schlug ich ihm die Krallen ins Gesicht.
Danach ging alles extrem schnell. Ich hörte, wie mein Tobi zu Boden sackte, wie ein Sack Kartoffeln, vernahm sein schweres Atmen und das gequälte Aufstöhnen, während ich immer noch damit beschäftigt war, dem Ex meines Besitzers das Gesicht zu malträtieren. Dieser schrie wie am Spieß, versuchte verzweifelt nach mir zu greifen und mich abzuschütteln. Ich erstarrte überrascht als es ihm tatsächlich gelang mich am Nacken zu packen und von sich zu werfen.
Schmerzhaft kam ich auf dem Boden auf. Kein Muskel rührte sich und ich schaffte es nicht ich wieder aufzurichten. Eine Taubheit erfasste mich und alles vor meinem Blick verschwamm.
Ich bekam nur noch mit, wie Tobi sich keuchen aufrichtete und nach dem Telefon griff. Aus irgend einem Grund hielt es der andere Mann daraufhin für besser zu verschwinden, obwohl er vor Wut kochte.
Als ich wieder erwachte, verließ Tobi gerade mit mir auf dem Arm das Haus, rannte über den Platz bis zu seiner fahrenden Kiste. Ich war wohl nicht wirklich lange weggetreten gewesen.
Immer wieder beteuerte er, es werde alles gut werden.
Er setzte sich in seine Kiste, mich legte mein Besitzer auf den anderen freien Platz, dann fuhr er auch schon los. Nicht lange zu meinem Glück, denn langsam aber sicher wurde mir richtig Übel.
Er stieg aus, nahm mich vorsichtig hoch und trug mich zu einem Gebäude. Lautes Hundegebell, das Fauchen anderer Katzen und die Geräusche kleiner Nagetiere ertönte, sobald Tobi die Türen öffnete. Na ganz toll! Wir waren bei einem verfluchtem Tierarzt. Der ätzende Geruch nach Arznei flutete mir bereits jetzt die Sinne.
„Kann ich ihnen irgendwie helfen.“, fragte eine ältere Frau hinter dem Tresen. Ich hatte große Mühe sie nicht anzufauchen, denn würde sie endlich von der Flimmerkiste aufsehen, würde sie bemerken, dass es mir scheiße ging. Menschen! Alle seltsam, bis auf meinen Tobi!
„Sunny geht es nicht gut, bitte helfen sie ihr!“
Tatsächlich hatte die Frau den Anstand bei dem panischen Ton meines Besitzers aufzusehen und mich anzustarren. Ich musste wohl aussehen wie eine beinahe tote Katze—so fühlte ich mich ja auch—denn die Frau sprang mit großen Augen auf, meinte zu Tobi, er solle kurz warten, bevor sie durch eine Tür davon eilte.
Keine 3 Minuten später kam die Dickliche zurück, einen für menschliche Verhältnisse hübschen jungen Mann im Schlepptau. Er blieb schweratmend vor uns stehen, nahm mich gegen alle meine und Tobis Proteste auf seinen Arm und ignorierte dabei, wie ich ihm schwach die Krallen in den Arm bohrte.
„Folgen Sie mir.“
Tobi tat genau das. Es beruhigte mich, dass er uns direkt auf den Fersen war. Ich meinen Besitzer sehen konnte, ihn hören konnte.
Die dicke Frau war auch nicht weit. Der Mann, den ich als Tierarzt einstufte, führte meinen Besitzer in ein kleines Zimmer, wo er mich auf einen Tisch ablegte.
„Was ist passiert?“
Tobi reagierte nicht, bevor ich nicht einen leisen Laut von mir gab. Sofort war er da und kraulte mich sanft am Ohr.
„Mein Ex-Freund ist heut Morgen in mein Haus gestürmt und hat mich so fest an die verdammte Tür gedrückt, dass ich kaum Luft bekam. Sunny hat ihn angegriffen und er hat sie von sich geschleudert. Sie landete auf dem Boden und blieb einfach reglos liegen.“
Ich hörte mich so mutig an! Ich hatte ihm geholfen!!
„Dein Ex? Ein Mann?“, fragte der Arzt, während er zu mir trat und begann meinen Körper abzutasten. Ich fauchte.
Nicht weil er mir wehtat, sondern weil er anscheinend etwas gegen die Neigung meines Tobis hatte.
„Könnten wir meine sexuelle Neigung aus dem Spiel lassen und sie machen einfach ihre Arbeit?“, fauchte mein Besitzer den anderen Mann an. Ich war stolz, gleichzeitig bemerkte ich aber auch das interessierte Leuchten in den Augen des Arztes, was wiederum mein Interesse weckte.
Wir waren beinahe den ganzen Nachmittag in der Praxis und ich ließ die Test, die der Arzt mit mir machte ohne einen Laut über mich ergehen.
„Wenn sie Zuhause sind, soll sie sich ausruhen. Essen würde ich ihr heute nicht mehr geben.“
Sadist!
„Falls Sie nichts dagegen haben, würde ich heute Abend nach der Arbeit, gern noch ein Mal bei ihnen vorbei kommen, um sie mir anzusehen.“
Pah! Nur ein vollkommen naiver Mensch würde diesem Blick und der leichten Röte, die seine Wangen überzog Glauben schenken.
Natürlich war Tobi so naiv.
„Ich wäre Ihnen sehr dankbar.“
Zuhause legte er mich auf ein weiches Kissen, welches er auf dem Sofa ausbreitete, dann machte er sich einen Tee, stellte auch meine Wasserschale unweit der Coach ab, bevor er sich zu mir setzte und die Flimmerkiste anstellte.
Bis zum Abend saßen wir so da. Er lachte, streichelte mich, und mir wurde wie immer bewusst, dass ich so etwas in meinen letzten Familien nie erlebt hatte. Niemals war da so eine enge Bindung gewesen. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Hund, obwohl es die unverständlichsten Lebewesen auf dem gesamten Planeten waren. Es fühlte sich…gut an.
Als es an der Tür klingelten, wachte ich aus meinem leichten Schlaf auf, mit der Angst es sei wieder dieses Monster von einem Menschen. Doch es war der Arzt, Dorian. Tobi ließ ihn ein.
„Hat sie getrunken?“
„Ja.“
Zu meiner Überraschung wurde ich noch einmal von ihm untersucht und obwohl er Tobi immer wieder mit begehrlichen Blicken bedachte und ihn immer anstarrte, wenn mein Besitzer es nicht sah, schien er doch kein Versuch unternehmen zu wollen, meinem Herrchen zu imponieren. So viel also zu dem Paarungsverhalten der Menschen. Lieber starrten sie sich gegenseitig an, wenn der andere es nicht bemerkte, als etwas nützliches zu unternehmen. Ein Trottel hätte bemerkt, dass diese zwei sich zu einander hingezogen fühlten. Wieso sahen sie es nicht? Wieso zögerten sie?
Es war wohl wieder an mir, etwas zu unternehmen. Die Geschichte des Amors kam mir in diesem Moment in den Sinn und meine hinterhältige Seite entschied ab jetzt mein Handeln.
Dorian saß auf dem Sessel meinem Herrchen gegenüber. Tobi hatte ihn dazu überredet noch einen Kaffee zu trinken. Sie unterhielten sich über ein paar Zusatzfuttermittel, was auch immer das sein sollte, die mir helfen sollten wieder zu Kräften zu kommen und bemerkten nicht, wie ich von meinem Kissen sprang und zu Dorian auf den kleinen Sessel, wobei ich versehentlich seinen Arm anstieß, sodass sich das heiße Gebräu über seinen Schoss ergoss. Mit einem schmerzhaften Zischen fuhr der Mann ganz plötzlich hoch und auch mein Tobi blieb nicht auf seinem Platz, sondern reagierte schnell und eilte in die Küche um ein Tuch zu holen.
„Tut mir so leid.“, sagte er zu dem Arzt, während er mir einen finsteren Blick zu warf. „Es war ein versehen, sie…“
„Es ist schon in Ordnung. Kein Problem.“
Mit einem Lächeln nahm Dorian das dargebotene Handtuch entgegen und tupfte damit deine Hose ab, was ihm leider nicht viel brachte. Das Kleidungsstück war ruiniert und ich ein bisschen frustriert, denn irgendwie war da die Hoffnung gewesen, dass ein wenig Nähe ihnen genau den Stoß in die richtige Richtung versetzen würde.
Ich betrachtete die beiden, wie sie so voreinander standen und beinahe hilflos wirkten.
Hmm…War es vielleicht noch nicht genug Nähe? Ein Versuch war es immerhin wert!
Also schlich ich beim nächsten Anlauf zu meinem nichtsahnenden Besitzer,
wand mich um seine Beine und sah zufrieden dabei zu, wie er stolperte und direkt auf den hübschen Arzt fiel. Beide landeten im Sessel. Dass sich ihre Lippen dabei aufeinanderpressten, war ein hübscher Bonus, der mir die Sache erleichterte.
Ehrlich gesagt befürchtete ich zuerst, es wäre wieder schief gelaufen, denn Tobi löste sich vom Mund des anderen und richtete sich halb auf, wobei er beschämt den Blick abwandte, doch bei Dorian hatte diese plötzliche Nähe einen Schalter umgelegt. Er schlang die Arme um meinen Besitzer und presste Tobi an sich. Einen möglichen Protest meines Herrchens verhinderte er damit, dass er seine Lippen auf die des anderen drückte.
Keuchend lösten sie sich von einander und sahen sich an.
„Du…“, begann Tobi, stockte jedoch als die Hände Dorians über seinen Körper strichen und den Hintern meines Besitzers umfassten.
Ging der aber ran! Ich verübelte es ihm nicht. Passten die beiden doch hervorragend zu einander!
„Ich will dich.“, keuchte Dorian.
„Natürlich.“
„Was heißt den hier bitte Natürlich?“
„Ist irgendwie offensichtlich.“, gab Tobi schüchtern von sich. Ich verstand nur Bahnhof, aber der andere Mann wusste anscheinend genau wovon mein Besitzer sprach.
„Okay es ist wirklich offensichtlich. Willst du mich?“
Mein Tobi nickte sofort.
„Dann komm ich zum Punkt: Wo ist das Schlafzimmer?“
Und die Moral von der Geschicht? War das Feuer einmal entfacht, konnte man es nicht mehr so einfach löschen…und Katzen sind einfach die besten Kuppler!
Neugierig sah ich von meinem Kratzbaum aus zu, wie Dorian meinen Tobi hoch hob und aus dem Wohnzimmer trug, während sie sich wieder küssten. Kurz darauf hörte ich ihr Gestöhne aus den Schlafzimmer.
Dann würde ich heute wohl auf der Couch schlafen. (;
Am Morgen saß ich bereits auf meinem Stammplatz in der Küche. Dorian kam gähnen hereingestolpert, bedeckt nur von einer kurzen Hose, die Tobi als Boxershorts bezeichnete.
„Guten Morgen.“, begrüßte ich ihn.
„Morgen, Kleines.“, sagte er und kraulte mich unter dem Kinn.
„Dir geht’s anscheinend sehr viel besser.“ Ich schnurrte und wie erhofft, nahm er mein Futter aus dem Schrank—Tobi musste ihm verraten haben, wo es stand—und machte mir Frühstück, während er für meinen Besitzer und für sich Kaffee zubereitete.
Zufrieden schnurrend rieb ich mich an seinem Arm. Er sah glücklich aus und sein gerufener Name aus dem Schlafzimmer sagte mir auch, dass Tobi sich genauso fühlte.
„Du solltest zu ihm gehen.“, miaute ich. Er tat es, aber nicht ohne mich noch mit ein paar Streicheleinheiten zu verwöhnen.
„Danke.“, sagte er plötzlich. Ich sah ihn an und legte dabei fragend den Kopf zur Seite.
„Ich dachte immer Amor sei ein kleiner dicklicher Junge, mit ebenso winzigen Flügelchen, die ihn theoretisch gar nicht tragen dürften, oder ein schöner junger Mann, gekleidet in eine Toga, mit Bogen und Pfeil, der an der Spitze einem Herzen gleicht. Niemals dachte ich er wäre eine Katze.“
„Redest du etwa mit meiner Sunny?“, ertönte die neugierige Stimme meines Besitzers, aus dem Schlafzimmer.
„Sie ist eine richtig gute Zuhörerin!“
„Eine echte Therapeutenkatze!“
Lachend und mit zwei Tassen in der Hand, schlenderte Dorian zu meinem Herrchen zurück.
***
Das ganze war nun beinahe ein Jahr her. Dorian war vor kurzem ganz zu meinem Tobi gezogen, obwohl er auch schon vorher fast seine ganze Zeit hier verbracht hatte.
Nun saß ich auf seinem Schoß vor der Flimmerkiste und er kraulte mich hinter dem Ohr, als ich die Türklingel hörte.
Dorian setzte mich auf meinem Kissen ab und ging aufmachen.
Das plötzliche Gekicher meiner beiden Herrchen aus dem Flur ließ mich neugierig werden, als sie auch schon wieder das Wohnzimmer betraten.
Wie immer freute ich mich meinen Tobi zu sehen und hüpfte an den Rand der Couch, um ihn zu begrüßen, als auf ein Mal er eine Box vor mit abstellte.
„Na holla!“ Der hübsche rote Kater musterte mich mit seinen grünen Augen und schnurrte.
„Du hast dir wirklich den ausgesucht?“
„Sie meinten er hätte kein Problem mit anderen Katzen, außerdem passt er perfekt zu unserer Sunny!“
Und wie perfekt er passte! Dagegen hatte der schwarze Hübschling aus dem Tierheim keine Chance
Grinsend öffnete mein Tobi die Klappe, woraufhin der rote Kater—er war verdammt groß—einfach hinausspazierte, zu mir trat und seine Schnauze schnurrend an der meinen rieb. Wow.
„Ich glaub hier wird es mir gefallen.“
„Und wie.“, versicherte ich ihm.
Abends saßen wir zusammen auf der geliebten Couch. Tobi lag in den Armen seines Dorians und unser neues Familienmitglied—sie tauften ihn Mars—hatte nichts besseres zu tun als sich zu mir auf mein Lieblingskissen zu quetschen und mein Fell zu säubern—dabei war es rein, denn ich achte darauf und lasse mich von Tobi auch waschen!
Aber ich ließ ihn machen. Ich fühlte mich einfach großartig, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich hatte es erreicht: mein Glück.
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Tag der Veröffentlichung: 18.09.2016
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Es ist mein erster Versuch zu schreiben, also nachsichtig sein...bitte (;
Ich würd mich aber über ein paar Ratschläge und Kritik sehr freuen!