„Der Melpomenische Hamlet“
( Eine Komödie in neun Szenen und einem Vorspiel)
Personenverzeichnis – Vorspiel;
Intendant
Dramaturgin
Gastregisseur
Melpomene
Schauspieler;
König
Königin
Hamlet
Horatio
Laertes
Voltimand
Marcellus, Bernardo, Francisco
Totengräber
Andere– nicht namentlich Genannte
Personenverzeichnis– Hauptstück;
Königin von Dänemark
Prinz Hamlet– Sohn der Obigen
Horatio– Edelmann und Vertrauter des Prinzen
Marcellus– ranghöchster Offizier der Garde
Bernardo– Offizier der Garde, Vertreter Marcellus
Francisco– Offizier der Garde
Landedelmann
Laertes– Edelmann– Sohn des 1. Ministers Polonius, Bruder Ophelias
Voltimand– Edelmann–einflussreicher Höfling
Osrik– Edelmann– Höfling
Reinhold– Höfling im Dienste des 1. Ministers
Amme der Königin
Fechtlehrer Hamlets
Doktor– Leibarzt des verstorbenen Königs
Edmond– sein Sohn
1.– 3. Bürger
Vorspiel
(Zwei Bühnenarbeiter tragen ungeschickt einen Sarg über die Bühne. Der Intendant kommt ihnen entgegen.)
Intendant
Kollegen, halt!
Warum wird Ophelias Sarg wieder abtransportiert?
1. Arbeiter
Hier wird doch ewig und immer umdisponiert!
2. Arbeiter
Die ganze Begräbnisszene ist vom Regisseur abgesetzt.
Intendant
Ist das eine Art –
ICH, der Intendant, erfahre alles zuletzt!
Da müht man sich ab, den Etat zu erfüllen,
zeigt zum Risiko Mut, Elan, guten Willen,
erträgt die Allüren der Belegschaft mit Fassung –
und erlebt dennoch stets eine neue Überraschung,
....
Also meinetwegen– schaffen sie diesen Krempel retour!
1. Arbeiter
Da kömmt unsere Dramaturgin aus der Kulisse hervor!
2. Arbeiter
Oh Mann – bleich wie das Gespenst von Hamlets Vater!
Dramaturgin (Den folgenden Dialog hören die Arbeiter auf dem Sarg sitzend zu.)
Nicht erst seit gestern bin ICH an diesem Theater,
Herr Intendant, im Gegensatz zu diesem Gastregisseur...
Intendant
Ich weiß, Frau Kollegin, es ist ein Malheur
mit ihm, aber wem, meine Liebe, sagen sie das....
Dramaturgin
Ich für mein Teil, verstehe schon manchen Spaß,
das heißt; wenn die Sache im Rahmen bleibt,
aber was diese Koryphäe da mit Shakespeare treibt,
das geht mir entschieden gegen den Strich!
Intendant
Und hat der Kerl auch tausend Teufel in sich;
wir müssen mit ihm durch die Premiere
Dramaturgin
Nicht bloß, Herr Intendant, dass ich mich beschwere...
Intendant
Natürlich– mein ganzes Ensemble ist gegen ihn!
Dramaturgin
Ophelia hat er so gequält, dass sie heiser geschrie`n –
ihren Text zur Premiere gerade noch flüstern kann.
Weshalb ihm der König, ein ansonsten integerer Mann –
die Probe schmiss– um dann mit erzürnter Miene
sein Exil aufzusuchen – will sagen unsre Kantine.
Ihm auf dem Fuß folgten Rosenkranz und Güldenstern,
das diplomatische Korps, nebst einigen anderen Herr`n,
der mehr oder weniger niederen Chargen.
Intendant
Ein schönes Beispiel von diesem Monarchen!
Integer?! Dass ich nicht lache! Seine Majestät;
ist ein Alkoholiker, wie er im Buche steht.
Man müsste ihn sofort vom Amt dispensieren!
Dramaturgin
Das hieß;
einen weiteren Mann zur Unzeit verlieren.
Intendant
Wieso einen weiteren..?
Ich will doch nicht hoffen...?
Dramaturgin
Nein, nein; Horatio ist Gott sei Dank eingetroffen.
Er war mit dem Auto irgendwo stecken geblieben.
Aber Polonius, Herr Intendant ist krankgeschrieben
ab heute. Ihn plagt wie gewöhnlich das Zipperlein.
Intendant
Das tränk ich dem Burschen noch einmal ein;
soll ihm wer will– seinen Vertrag erneuern
1. Arbeiter
Hast du gehört; man will den 1. Minister feuern!?
Intendant
Ja, und mit ihm auch alle anderen Drückeberger!
2. Arbeiter
Mit uns, Herr Chef, haben sie doch keinen Ärger
Intendant
Dann beenden sie schleunigst ihre unstatthafte Pause!
1. Arbeiter
Wir gehen ja schon....
2. Arbeiter
Ein Ton herrscht in diesem Hause!
Intendant
Haben sie wenigstens den Regisseur informiert?
Dramaturgin
Der hat Kenntnis genommen und mich instruiert,
die Poloniusauftritte radikal zu streichen.
Intendant
Mein Gott– und Ophelia?
Dramaturgin
Braucht keinen Text mehr– sie macht nur Zeichen.
Eine Art Pantomime im klassischen Stil!
Das arme Kind, war so niedergedrückt,
da hab ich sie vorerst nach Hause geschickt.
Intendant
Nein!!!
Totengräber (ihm nach der Regisseur)
Nein!
Da platzt mir die Jacke! Das ist mir zu viel!
Intendant
Der Totengräber?
Was hat denn den derart aufgeregt?
Dramaturgin
Gewiss seine Rolle. Die ist ja auch ad acta gelegt!
Totengräber
Mich– den Totengräber einfach auszusparen–
Wo hat die Welt schon mal so was erfahren!?
Was bleibt da noch vom Shakespearschen Geist!?
Regisseur
Sie?
Sie werden MICH lehren, was Regiekunst heißt!
Intendant
Es spricht ihnen, Herr Kollege, keiner ihr Fachwissen ab;
aber die Schlüsselszene an Ophelias Grab...?
Regisseur
War längst überfällig! All dieser emotionale
Aufputz verwässert zu sehr– das große Finale.
Kurzum; ich musste ein wichtiges Tempi erzwingen.
Totengräber
Deswegen lässt er MICH über die Klinge springen!
Intendant
Beruhigen sie sich; es gäbe da ein Äquivalent...
Dramaturgin
Polonius Rolle?
Totengräber
Wenn ich freilich den spielen könnt
Regisseur
Welch Avancement,
vom Totengräber zum zweithöchsten Manne im Staat.
Dramaturgin
Ein Kompromiss;
wozu ich in diesem Falle doch rat`!
Intendant.
Sie meinen also auch, da ginge nichts schief?
Totengräber
Schon Shakespeare sah die Minister meist pejorativ!
Regisseur
Sie überschreiten da, meine Herren; ihre Kompetenzen!
Dramaturgin
Nein, Herr Kollege, wir versuchen bloß den Konsequenzen
Ihrer äußerst divergierenden Regie–kon–zep–tio–nen...
Regisseur
Definitiv, Herr Intendant, möchte ich betonen,
unter dieser Bevormundung fühle ich mich außerstande....
Hamlet ( mit ihm Horatio und die Königin. Dann der angetrunkene König mit Gefolge)
Ich komm nicht mit der verflixten Rüstung zu Rande!
Überall kneippt es....
Horatio
Das Scheißding, mein Prinz, ist euch viel zu klein.
Königin
Da passt doch auch keiner von seiner Statur hinein!
Welcher Idiot hat dich in diesen Panzer gepresst!?
König
MORDIO! FEUER!
Mein Neffe steckt wie der Fisch in der Dose fest!
Ophelias Hand, nebst 10 000 Dukaten in bar,
dem; der unseren Erben errettet aus der Gefahr,
dass er uns vorschnell im Harnisch erbleicht!
Intendant
Mit ihrem Benehmen habe sie endlich erreicht....
Regisseur
Dass, so sie nicht schleunigst von der Bühne scheren....
König
Ausgerechnet, du Dilettant, willst uns Mores lehren....
Königin ( Zieht ihn vom Regisseur fort. Der Intendant wird von der Dramaturgin beruhigt)
Gib Ruhe, du Saufaus;
Vor Scham müsstest du erröten!
König
Gemach, holder Engel–
mein fürstlicher Ruf ist ohnedies flöten!
Königin
Weil du das Saufen nicht lassen kannst!
König
Weil uns der Stümper auf dem Kopf herum tanzt–
hab ich aus Kummer ein Schlückchen genommen.
Seht mich doch an!
War jemals ein König so herunter gekommen?!
Eine Krone aus Blech, Kleider die Falten ziehn!
Ein Schafsfell schmückt mich– anstatt Hermelin!
Totengräber
Aber Majestät, gerade dies erklärt doch die Situation;
ein Wolf im Schafspelz, der sitzt auf dem Thron!
Hamlet
Oder; ein bukolischer Hirte, der seiner Herde,
anstelle von Krieg– einen satten Frieden bescherte!
Totengräber
Ein Verfechter, der friedlichen Koexistenz–
Sozusagen in spe...
König
Mein Freund; das ist beileib‘ eine gute Idee.
ICH errette, das Reich aus der Kriegsgefahr,
bin rundum ein Guter, mein Neffe ist der Barbar!
Horatio
Selbst Shakespeare, mein Prinz, käme arg in Verlegenheit
darüber, dass er damals nicht dachte so weit.
Königin
Herr Horatio–
Immerfort Wasser auf meines Sohnes Mühlen!
Ihr solltet mehr für eure Königin fühlen!
Horatio
Mein Beleid, Madame;
ihr kommt in der Tat nicht gut weg.
Königin ( Geht in Rage mit ihren Fächer auf den Regisseur los)
Ach was–
Ich werde behandelt wie der letzte Dreck!
Schaut so, du Ehrabschneider, Dänemarks erste Lady aus!
Bin ich ein Flittchen, du Ekel! Regier ich ein Freudenhaus!
Hamlet
Gib ihm Saures, Mamachen! Wir stehen auf deiner Seite!
Horatio
Dieser Mensch, bester Prinz, ist eine einzige Pleite!
König
Ein Majestätsbeleidiger ist er – ein schrecklicher Ignorant!
Intendant
Aber Herrschaften!
Ich bitte sie, bleiben wir tolerant–
selbst eine Kontroverse kann man vernünftig führen.
Ensemble
Wir lassen uns nicht mehr von dem Kerl schikanieren!
In den Kerker mit ihm, bei Wasser und Brot!
Ach was, wir schlagen den Dilettanten gleich tot
Und den Kadaver schmeißen wir in den Sund
Intendant
Um Himmels Willen– halten sie doch ihren Mund!
Regisseur
Herr Intendant;
ich verlange dass sie sofort entschieden–
diesem rebellischen Treiben Einhalt gebieten!
(Die nun vollends aufgebrachten Schauspieler machen geschlossen Front und antworten mit Buh–Rufen, nebst ohrenbetäubendem Pfeifkonzert. Intendant und Dramaturgin(letztere mehr zum Schein) versuchen vergeblich die Gemüter zu beruhigen. Hinzu kommen Marcellus, Bernardo und Francisco. Letzterer trägt eine große Pauke umgeschnallt, die er emsig betätigt.)
Intendant
Disziplin, Herrschaften!
Majestät, bringen sie endlich ihren Hof zur Räson!
König
Bedaure, aber in diesem Fall gibt‘s keinen Pardon!
Marcellus, Bernardo, Francisco
Welch Tohuwabohu
Ist das der längst fällige Premierenkrach
Ich glaube viel eher– da bekommt wer was aufs Dach!
Kinder– die steigen gegen den Spinner auf Barrikaden!
Zur Attacke, Marcellus?
Ja – bringen wir etwas Stimmung mit in den Laden!
Intendant
Hat sich heut alles gegen mich verschworen!?
Zurück, Marcellus, haben sie den Verstand verloren!
Genug jetzt des Lärms–
oder die Strafe folgt auf dem Fuße!
Ich belege sie alle mit einer geldlichen Buße,
die sich gewaschen hat, meine Dame und meine Herrn!
Ensemble
Der geht uns ans Geld, das haben wir gar nicht gern!
Horatio
Geben wir Ruhe, Kollegen, der Chef ist jetzt so in Rage–
er streicht uns womöglich die heutige Gage.
Intendant
Entschuldigen sie, Herr Kollege,
mir ist das ausgesprochen fatal.....
Regisseur (lässt dann affektiert das Regiebuch fallen und verlässt die Bühne)
Herr Intendant,
die Folgen, die dieser unerhörte Skandal
nach sich zieht – habe sie sich selbst zuzuschreiben!
Adieu, mein Herr;
ihre Schmiere kann mir künftig gestohlen bleiben!
Intendant
Bedeutet das etwa–
ich soll auf meine Premiere verzichten!?
Regisseur
Ich hindere sie nicht, dieses selbst auszurichten!
Intendant
Sie..! Sie..!
Ich werde sie beim Bühnenvorstand verklagen..!
Regisseur
Das dürfen sie alles– meinen Anwälten sagen...!
Königin
Der haut in den Sack, das ist wirklich stark!
Horatio
Etwas ist faul nicht nur im Staate Dänemark!
Intendant
Wir sind ruiniert–
jetzt rettet uns bloß noch ein Wunder!
Totengräber
Da seht doch! Vom Schnürboden....
Dramaturgin
Schwebt der DEUS EX MACHINA herunter!
Intendant
Mein Gott –
Schauet wer das aus der Gondel steigt!
Melpomene (eine schwergewichtige, reife Schönheit)
Melpomene, ist es, die sich euch Sterblichen zeigt!
ICH, die göttliche Muse, habe eure Nöte gesehen
und werde euch hilfreich bei Seite stehen!
König
Melpomene!
Au Backe, die fehlte uns gerade noch!
Am liebsten schlüpfte ich in ein Mauseloch!
Königin
Du musst sie begrüßen –
schließlich bist der höchste an Rang!
Horatio
Ein bacchantisches Weib, bester Prinz, und Gott sei Dank;
sie hat die schrecklichen Erinnyen daheim gelassen.
König
Willkommen, du hehre Göttin!
Vor.., vor Freude wissen wir uns kaum zu fassen.
Mit deinem Erscheinen ist..., ist so zusagen uns allen,
ein Stein.. , ein schwerer...
förmlich vom Herzen gefallen.
Melpomene
Verständlich, mein Freundchen; denn ihr seid am Ende!
Euer Entrepreneur ringt nicht umsonst die Hände.
Intendant
Ach, gute Muse, das Schlusswort ist leider gesprochen–
mein Gastregisseur hat den Kontrakt gebrochen,
uns fehlt Personal und schon bald ist Premiere!
Melpomene
Ich kenne, mein Freund, eure ganze Misere.
an welcher du freilich nicht schuldlos bist.
Intendant
Ich geb es ja zu–
doch helfe, wenn uns zu helfen ist!
Ensemble
Ja, rette
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 26.03.2019
ISBN: 978-3-7487-0073-9
Alle Rechte vorbehalten