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Rom – ewige Stadt

Rom – ewige Stadt (April 2013)

Nein, nein – Kumpel Erwin und ich, wir sind nicht nach Rom, der Ewigen Stadt gereist, um den Heiligen Vater das Händchen zu küssen, bzw. den Ring, den er am Finger trägt. Unser, der eigentliche, der so hoch gefeierte, der deutsche Papst, ist ja zurückgetreten. Bösartige Menschen und Verleumder behaupten, er habe soviel Bockmist verzapft, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als sich selbst den Abschied zu geben.

Jetzt ist dieser Neue da, einer aus dem Orden der Jesuiten – der sich nach Franz von Assi, dem Gründer des Franziskaner-Ordens, Franziskus nennt. Weil – so der Neueinsteiger; er wie vormals Franz‘l– auch für die Armen da sein möchte. Das ist jetzt kein böswilliger Unterschleif von mir, aber nicht wenige von Franzel's damaligen Zeitgenossen hielten ihn für ein bisschen plem, plem.

Ganz von ungefähr kam das nicht; war er doch ein Eiferer, der meinte, den Stein der Weisen, an einem Kettchen am Halse zu tragen. Sinnbildlich, denn natürlich trug dieser Mann Gottes keinen Schmuck und ging auch sonst sehr schlicht gekleidet. Einmal, so wird uns berichtet, war er sogar ganz ohne. Für wohltätige Zwecke nahm Fränzchen Waren und Geld aus dem Geschäft seiner Eltern. Dies führte zu Streit mit seinem Vater, der schließlich vor dem Richterstuhl einen Prozess gegen seinen Sohn führte. In dieser Gerichtsverhandlung, die im Frühjahr 1207 öffentlich auf dem Domplatz stattfand, entkleidete sich Franziskus vollständig, verzichtete mit dieser Geste auf sein Erbe und sagte sich von seinem Vater los. Danach begann Franziskus, außerhalb der Stadtmauern als Einsiedler zu leben. Er ging um Essen bettelnd von Haus zu Haus. Ausgehend vom Evangelium kleidete sich Franziskus von nun an in eine einfache Kutte, die mit einem Strick gehalten wurde, lehnte den Besitz und sogar den Kontakt mit Geld strikt ab und ging nach Möglichkeit barfuß. Franziskus verstand sich selbst als Büßer. Als solcher ermahnte er seine Mitmenschen, Gott zu lieben und für ihre Sünden Buße zu tun. Viele Legenden sind über dem später heilig Gesprochenen im Umlauf. Eine, die ich besonders hübsch finde, erzählt von seiner spirituellen Liebe zur heiligen Klara, die 1212 den Frauenorden der "Clarissinnen" gründete. Niederträchtige Menschen bezweifelten die Reinheit dieser Liebe, deshalb soll Franz an einem Wintertag Klara vorgeschlagen haben, sich eine Weile nicht mehr zu treffen. Auf Klaras Frage, wann sie sich denn wiedersehen würden, antwortete er: »Wenn die Rosen wieder blühen«. Und als sie sich umsahen, Siehe! da blühten an den Dornensträuchern ringsum plötzlich mitten im Winter die Rosen. Klara pflückte einige Blüten und legte sie Franz in die Hand. Und von daher waren sie keinen Tag mehr getrennt.

Woraus Erwin und ich schlossen, dass vom neuen Papst vielleicht auch einiges zu erwarten sei.

Aber wie schon gesagt, des neuen Papstes wegen hielten wir uns nicht in Rom auf. Wir hatten in Österreich eine alte Freundin von mir aufgesucht und waren dann zu einem Trip nach Italien aufgebrochen, hatten uns ein bisschen in Venedig herumgetrieben und waren von einem (deutschstämmigen) Fernkraftfahrer eingeladen worden ihn nach Rom zu begleiten. Gerald, so sein Name, hatten wir in einer Kneipe kennengelernt und es gab sogar einen Grund sein freundliches Angebot nicht auszuschlagen.

 

Die Frau unseres Freundes und Gartennachbars Wilhelm heist mit Geburtsnamen Andres und ist eine Nichte oder Großnichte des in den 1950er und 1960er Jahren sehr bekannten Schriftstellers Paul Andres. Dieser war nun nach seinem Tode 1970 auf dem „Campo santo teutonico (Deutscher Friedhof im Vatikan)“ beigesetzt worden. Klara hatte uns unverbindlich gebeten, sollten Erwin und ich mal nach Rom kommen, hätte sie gern ein Foto oder Video von der Grabstätte ihres Onkels. Das war uns wieder eingefallen und da wir Klara sehr zu Dank verpflichtet sind, kam uns Geralds Vorschlag gerade recht. Während der Fahrt surften wir im Web nach diesem Friedhof und erfuhren auch eine Menge andere Dinge.

So, dass es in Rom von Taschendieben wimmle und es ginge sogar soweit, dass Handtaschen von unten aufgeschlitzt würden, oft auch von Kindern, die genau darauf trainiert seien. Bloß gut, dass Erwin und ich anstelle Handtasche einen Brustbeutel tragen.

Dann war noch angeführt; Niemals am Montag eine Museumstour zu planen, da an diesen Tag alle öffentlichen Museen geschlossen seien. Im August wäre ein Rombesuch ungünstig. Da machten die Römer gern Urlaub am Meer und viele Geschäfte und Sehenswürdigkeiten blieben geschlossen.

Wir hatten nicht die Absicht Museen zu besuchen und es war nicht August, sondern April, wenige Tage vor Ostern. Was wir wollten; diesen Friedhof aufsuchen, ein Foto oder ein Stück Film vom Grab machen, dann Abfahrt zu Freunden in der Gascogne, denen wir einen Gegenbesuch versprochen hatten. (Wer sich in der Geografie nicht gut auskennt; die Gascogne ist ein Landstrich in Frankreich. Der jugendliche Held aus Dumas Roman "Die drei Musketiere" d'Artagnan war ein Kind der Gascogne.)

Über den Friedhof fanden wir mehrere,sehr ausführliche Berichte, sogar Klaras Onkel war angeführt. Der Besuch des deutschen Friedhofs ist nur zwischen 7 und 12 Uhr möglich. Mittwochs und Samstag hält der Papst sehr oft Audienzen und Messen auf dem Petersplatz ab. Zu diesen Ereignissen ist das Gelände weiträumig abgesperrt und man hat keine Chance an den Friedhof heranzukommen.

Sonst; die ellenlange Schlange zum Petersdom rechts liegen lassend, geht man schnurstracks hinter die linken Kolonnaden (außerhalb des Petersplatzes). Dort bewachen sommers-wie winters zwei Schweitzer Gardisten das Gittertor “Arco delle campane”, durch das normalerweise Mitarbeiter in den Vatikan gelangen. Wer hier, auf Deutsch, mit einem freundlichen “Guten Tag ich möchte den deutschen Friedhof besuchen” vorspricht, dem steht normalerweise der Weg zum Campo Santo Teutonico offen.

Das schien alles recht einfach zu sein und in Rom angekommen stiegen wir in dem Motel wie unser Fahrer ab. Er musste schon am nächsten Morgen weiter, so wurde es nur ein kleiner Umtrunk.

 

In der Nacht hatte ich einen seltsamen Traum. Ich ging mit Erwin durch eine enge, schmutzige und übelriechende Gasse. Aus den Fenstern schauten vollbusige alte und junge Frauen, die sich fast schreiend unterhielten. Wäsche hing auf Leinen, die über die Gasse gespannt waren. An die Hauswände gedrückt in größeren Abständen Kinder im Vorschulalter, die zur Sichel geformte Messer in den Händen hielten. Schnell wie Wiesel huschten einige vor und hinter uns über die Straßenseite und der Abstand zu uns wurde immer geringer. Die Kinder blickten ausnahmslos böse und bei manchen, die ihren Mund öffnetensah man Reißzähne blinken. Dann huschte mir eins dieser Wesen durch die Füße, ein Schmerz durchfuhr mich und ich wachte auf.

Nein, nichts war passiert und wie ich mich überzeugen konnten, war noch alles vorhanden und unbeschädigt.

In der Mini-Küche rumorte schon Gerald, der sich kurz nach sechs Uhr von uns verabschiedete. Ich  weiß, es klingt bescheuert, aber wir waren ob der schnellen Trennung doch irgendwie traurig. Später gegen acht Uhr machten wir uns zum Friedhof auf. Alles ging wie am Schnürchen; wir fanden das Grab, machten ein Minivideo und zur Sicherheit noch ein paar Fotos.

Dann ging alles so schnell und war so verwirrend, dass ich mich an Einzelheiten nicht mehr erinnern kann. Hatten wir uns verlaufen, waren wir auf ein für Besucher verbotenes Gelände vorgedrungen – ich weiß es nicht.

Jedenfalls versperrten uns drei ältere Priester mit ausgebreiteten Händen, aber freundlich lächelnd das Weitergehen. Sie schnatterten in der Landessprache und wir verstanden, wie die Sachsen sagen; „Bahnhof“. Dass wir sie begleiten sollten, ward uns aber aus den Gesten deutlich, also folgten wir ihnen.

Wir kamen an ein großes, wahrscheinlich sehr altes Gebäude, gingen ein paar Stufen hinauf an die bestimmt drei Meter hölzerne, kunstvoll mit Ziereisen beschlagene Tür. Der Raum, in dem wir eintraten lag fast im Halbdunkel, aber klar zu erkennen war eine Art Langbank, worauf vier Männer unterschiedlichen Alters saßen und uns angrinsten. Dort bedeutete man uns neben den Männern Platz zu nehmen. Alles immer noch in dem italienischen Geschnatter. Wir saßen kaum, da kamen zwei andere Priester, vermutlich von höheren Rang, wie wir meinten, anhand ihrer Kleidung ersehen zu können. Die schritten vor uns ein paar Mal auf und ab, musterten jeden Einzelnen kurz und machten sich dann mit zufriedenen Gesichtsausdruck davon. Noch immer war weder Erwin noch mir klar geworden, was man mit uns vorhatte.

Nach etwa fünf Minuten ging dann aber die Post so richtig ab! Mehrere junge Priester (vielleicht auch Novizen oder Ähnliches, stellten einfache Emaille-Waschschüsseln vor uns hin. Aus zwei größeren, ebenfalls emaillierten Kannen, wurden die Becken mit Wasser gefüllt. Unsere vier Begleiter hatten angefangen sich ihres Schuhwerkes samt Strümpfen zu entledigen. Erwin stieß mich vergnüglich mit dem Ellbogen an und zog Schuh und Strümpfe aus. Ich hatte es ihm kaum nach getan, als die Novizen, die Becken an uns heranrückten und wir, wieder dem Beispiel der Anderen folgend, die Füße in das lauwarme Wasser tauchten.

Vor jeden von uns kniete nun so ein junger Schwarzrock und begann mit Bürste und Seife sehr geschäftig uns die Füße zu waschen. Möglicherweise, aber das konnte ich aus der Entfernung nicht genau erkennen, wurden den Anderen sogar die Fußnägel beschnitten.

Dann wurden meine Füße abgetrocknet und wir bekamen neue Socken, die sie uns, wie man es kleinen Kindern tut, über die Füße zogen. Erwin und mir war inzwischen klar geworden, dass dies alles nur der Auftakt zu einer vorbereiteten Show war. Erwin, der ein Shirt mit einem aufgedrucktem Bild seiner Tochter trug, wurde gebeten, eine graue, ziemlich zerschlissene, aber sauber Jacke überzuziehen. Natürlich in der Landessprache, aber Erwin, ist ja kein Dummer und kapierte, was sie von ihm wollten und dass es um anderes ging, als um das hübsche Gesicht seiner Tochter, deren Patenonkel ich bin.

Dann führte man uns in einen angrenzenden, größeren Raum. Dort setzen wir uns auf eine Art Podest, das unten eine breite und hohe Stufe hatte. Erwin mit seinem Eins-fünfundachtzig konnte bequem seine Füße darauf stellen. Meine und die der anderen baumelten, nun wieder fürbass in der Luft.

Ich will, was kommt kurz machen. Da ich annehme, dass Sie nicht dämlich sind, wird ihnen klargeworden sein, was dann folgte. Richtig, Presse, Fernsehen, Kabelausleger; alles in allem aber nur ein paar Leute, was mich schon verwunderte. 

Dann kam ER! 

Ganz in Weiß, aber natürlich ohne den von Roy Black so gefühlvoll besungenen Blumenstrauß.

Einer vom Gefolge trug ein goldglänzendes Becken, sein Nebenmann einen ca. 30 cm hohen ebenfalls goldglänzenden Krug. Der Heilige Vater lächelte honigsüß in Richtung Presse, wechselte ein paarmal die Positur und wendete sich dann dem Ersten unserer Gruppe zu. Unter dessen Füße platzierte einer der Helfer das Becken, ein anderer Reichte dem Stellvertreter Gottes auf Erden den Krug. Der musste sich nur ein wenig bücken, um ein bisschen Wasser über die Füße seines Opfers zu gießen. Er rubbelte sie ein bisschen,dann eine leichte Drehung in Richtung Kamera, ein Lächeln und ein Küsschen auf Füßchen.

Nicht lang aufgehalten; hopple, hopp – dann war schon der nächste arme Sünder Mode.

Als der Unfehlbare bei Nummer drei iwar, wurden den Vorgängern die Füße getrocknet, aber Schuh und Strümpfe bleiben noch außen vor.

Dann war ich an der Reihe und ich muss sagen viel Gewese hat der Unfehlbare nicht bei mir gemacht. Ob er mir das Füßchen küsste, war weder zu spüren, noch von oben zu sehen. Ein leichter Duft kam aber von unten auf, wie von Rosen. Erwin behauptete später es wäre der Duft reifer Pfirsiche, mit einem Pfiff Bergamotte gewesen. Einig waren wir aber in der Hauptsache; der Papst hätte sehr gut gerochen. Im Fernsehen und auch in der Presse ist aber über unsere Begegnung nicht das Geringste erschienen.

Da war bloß zu lesen und zu sehen wie der Heilige Vater –ein paar Tage später – am Karfreitag Strafgefangenen die Füße wusch und anschließend ab-schmatze.

Da konnte unsere zusammengelesene Truppe natürlich nicht mithalten. Später fiel bei Erwin und mir der Groschen; Wir waren nur Versuchskaninchen für den Heiligen Vater bei einem Probelauf gewesen.

Dem ist inzwischen das Füße-Waschen so richtig zum Hobby geworden, was Erwin und ich aber für leicht übertrieben halten. Unser Herr Jesus jedenfalls, dem der Stellvertreter Gottes nacheifert, hat diese Prozedur nur beim letzten gemeinsamen Abendmahl seinen Jüngern angedeihen lassen.

Sündern, Zöllnern und sonstigen Tagedieben die Füße zu waschen ist unserem Heiland wohl nie in den Sinn gekommen. Da fragt man sich nun doch; ob der Heilige Vater, trotz seiner Unfehlbarkeit, das mit der Fußwaschung vollkommen missverstanden, bzw. überhaupt nicht kapiert hat.

Erwähnen möchte ich noch, dass wir für unsere Dienstleistung jeder ein blankes 5-Eurostück in die Hand gedrückt bekamen. Die langten gerade um die an einem Steh-Bistro später bestellten zwei „Caffè macchiato“ bezahlen zu können.

 

 

 

 

Hintergrundmaterial;

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_von_Assisi

https://de.wikipedia.org/wiki/Campo_Santo_Teutonico

https://herzanhirn.de/campo-santo-teutonico-im-vatikan/

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.02.2019

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