Cover

Bruderstreit

Remus war der Ältere und liebte es von Sparrow verprügelt zu werden, während Sparrow sich gerne von Remus die überwiegend karierten Holzfällerhemden bügeln ließ.
Eine Schwester hatten sie keine, doch dafür eine Mutter und einen Vater.
Zu ihrer Schande war Vater Bloch ein Nonjobmännchen und damit zu nichts tauglich, ausser sie mit seinem Tennisschläger zu verdreschen und er konnte noch Tennis spielen, aber nicht sehr gut zielen. Folglich bekam Remus die doppelte Dose auf die Nase. Vor Mutter Hedgar aber fürchtete sich Bloch, weil sie besser im Tennis war als er es je sein würde und deshalb rührte er sie nie an. Sie war kaum zugegen und schlief den Tag über. Nachts schlug sie Schmetterbälle in Wasserfälle und versuchte sie zu spalten. Ein wahnwitziges Vorhaben.
Auf gewisse Weise waren die Verhältnisse scheiße, doch das wagte niemand auszusprechen.
Eines morgens führten Remus und Sparrow, sie waren allein daheim, einen Streit zu zweit.
,,Sparrow, gib mir den Plüschneger!" donnerte Remus wutverrannt.
Natürlich entgegnete Sparrow nichts, er schwieg und spielte gelangweilt mit dem Plüschneger. Offenkundig ging es Sparrow nicht um die Zeit mit dem Spielzeug, dieses war nur Zeug zum Zweck. Und zu bezwecken war es Remus zu necken.
,,Ich sage es dir ein letztes eindrückliches Mal, Herr Sparrow, lass mir den Plüschneger in die Hände wachsen, oder der Tod soll dich holen, mit Pauken und Pistolen!".
Sparrow straffte Remus´ Nerven mit ziehendem Schweigen, wie die Saiten überspannter Geigen und die heraustretenden Töne waren seine Löhne.
Remus krächzte und kauzte und setzte, während Sparrow sich daran ergötzte, schließlich zu einer verbalitären Attacke an:,,Du... du bist ein Hut, ein habgieriger Hut!".
Sicher hatte es gesessen und Remus lehnte sich vermessen in ein Kissen zurück und wartete auf sein Glück.
Sofortig riss Sparrow seine Augen auf und würgte emphatisch, hatte sein leiblicher Bruder ihn wirklich dieses innigste Symbol der Schande geschimpft.
Er war entsetzt, endlich aber verriemten sich seine Züge und er fragte:
,,Hast du mich gerade wutverrannt einen Hut genannt?".
,,Gut erkannt." erwiderte Remus mit kühler Visage.
Sparrows Augen wurden zu Schlitzen und er zischte:,,Du bist antisozial, Herr Remus, ich werde dir niemals vergeben und deinen Plüschneger trage ich mit zu Grabe, wie die tausend Geheimnisse, die ich vor die habe. Dies eine Geheimnis aber, welches ich von dir weiß, werde ich, als dunkle Gabe an die Aussenwelt spenden."
,,Ich reiße es dir aus deinen blutigen Händen." Remus war augenblicklich klar, dass er seinen Bruder würde töten müssen, alles andere wäre Krötenküssen und eine Illusion wie der verwandelte Prinz. Sein Geheimnis war zu düster und sein Bruder würde es irgendwann preisgeben, also durfte er nichtmehr leben.
Es ist normal wenn Bruder und Bruder sich raufen, doch möchte man meinen, dies sei aus dem Ruder gelaufen.
Remus´ Muskeln spannten sich und er wollte gerade losstürmen und -stürzen, da hörten sie beide den Vater Bloch zur Tür eintreten, wie er fluchte und seinen Tennisschläger in den Regenschirmeimer stellte, dann zur Begrüßung bellte:,,Da! Essen fertig?!". Worauf er zum Tisch schnellte.
Remus und Sparrow wussten, dass sie warten mussten ihren Streit zu verendigen und sie schüttelten sich die Hände und flüsterten sich ins Ohr ,,Ich werde dich töten." ,,Unser nächstes Gefecht entscheidet, ob die Welt dein Geheimnis erfährt."
Darauf sahen sie sich ängstlich an, denn sie hatten vergessen das Essen zuzubereiten.
Bei dem Gedanken daran schlossen sie sich in die Arme und vergaßen ihren Streit zu zweit in einer Einheit. Es war erstaunlich. Der nächste Streit würde kommen und sie e

der Sternzähler

 23 Uhr. Ein normaler Armeeabend, Soldat Fritz sitzt aufrecht auf einem Baumstumpf vor der Kaserne, zählt dümmlich verträumt die Sterne. Seine Knie sind zusammengedrückt, seine Hände ruhen auf ihnen.
Die Laterne an der Tür der Kaserne leuchtet schwach, unter ihr liest Soldat Humbold ein Buch. Von Schiffen und Schätzen, handelt es, die,
in Riffen versteckt auf Bergung warten.
Um sie herum ist Wald, durch den das Rufen eines Kauzes hallt, das aber von beiden unbemerkt bleibt, denn ihre Sehnsucht treibt sie immer tiefer in ihre momentane Aktivität hinein.
Stolzgeladen ist Fritz mittlerweile, ohne Eile, bei der graden Zahl 400 angekommen und ein Grinsen, breit und unbewusst, zieht sich durch sein rundes Gesicht.
Ihm liegen die Weiten des Alls und die Helligkeit der Gezählten in den ehrfürchtig nach oben gerichteten Augen.
Versunken fischt Humbold nach einem Wal, der ihm die Fischersmütze stahl. Natürlich kann er ihn damit nicht davonkommen lassen.
Alles hat einen Idyllentouch, doch plötzlich platzt etwas hinein und zerbröselt den köstlichen Kuchen, an dem beide knabbern.
Kommandant Scheibenkleister stürmt durch den Wald auf sie zu, mit hochrotem Kopf und er denkt, dass er nicht recht sieht.
Immernoch sind diese Lausbuben wach und nicht in den Bettgruben. Einer schielt ins Buch, der andre zu den Sternen. Scheibenkleister denkt, er spinnt und rennt noch schneller.
,,Ihr da! Angetreten! Oder soll ich euch die Birnen kneten!´´
Sofort sind beide aus ihren Trancen gerissen und wissen, wie immer, genau was los ist. Denn Dieses ereignet sich oft, genauer gesagt jeden Abend.
Sie stellen sich stramm vor den Kommandant und er stiert sie blitzend an ,,Freunde, Scheibenkleister ist euer Meister, das müsstet ihr langsam wissen und wenn Scheibenkleister euch ins Bett schickt und danach nochmal wach erblickt könnt ihr froh sein, wenn er euch nicht ins Land der Träume schlägt.´´. ,,Jawohl, Herr Kommandant´´ Sagen beide im Chor in das Ohr des Mannes.
Eigentlich ist es nun gut, doch guter Gott, Fritz, dieser Dummkopf, kann es sich nicht verkneifen und muss unbedingt in seine Sprüchekiste greifen:,,Herr Kommandito, ich bin nicht dito mit ihrem Spruch, für mich ist noch nicht Finito.´´
Sofort explodiert der cholerische Kommandant (in Soldatenkreisen ist sein Spitzname ,,Kommandant Cholerisch´´) und brüllt in Ekstase (Rotz fliegt ihm aus der Nase):
,,Ich werde mit dir Würstchenwurmwaschlappen die Wiese wischen!´´.
Es kommt zum Kampf, Kommandant Cholerisch kreischt und flattert mit wedelnden Armen auf Fritz zu, der aber ein Messer bereit hält und es ihm in den Schädel sticht. Der Kommandant fällt auf den Boden, Fritz setzt sich auf ihn und beginnt zu zählen. Er ist sicher, diese Nacht schafft er es.
 

Schamschaum

 Mir fiel auf, dass ausnahmslos alle Menschen, mit denen ich mir die Zähne bürstete, ihre Zähne länger bürsteten als ich es tat. Dies ließ mich die Frage stellen, ob ich ein aussergewöhnlicher Kurzbürster war, oder ob meine Mitbürster das Bedürfnis hatten vor mir anzugeben.
Möglich ist allerdings auch, dass ich mich meiner Bürstmethode schämte und daher meinen Bürstgang, wenn ich ihn gleichzeitig mit anderen vollzog, auf ein Mindestmaß an Zeit reduzierte, gerade soviel, dass ich nicht abstoßend unhygienisch erschien.
Der Schaum lief mir die Mundwinkel herunter und das war peinlich. Ich hatte diesen Schaum auf den Namen -Schamschaum- getauft. Augenscheinlich war dies aber nur ein Problem, wenn ich mit anderen gemeinsam bürstete. Mit mir alleine musste ich mich des Schaums nicht schämen.
Ausserdem bemerkte ich, dass mich eine merkwürdige Form der Beklommenheit, der Unheimlichkeit umfing, wenn ich des Nachts auf der Toilette saß oder vor ihr stand, wobei ich prinzipiell das Licht ausließ.
Nach genauerer Überlegung würde ich diese Unheimlichkeit als Gefühl der Ausgeliefertheit beschreiben. Es war die Möglichkeit, dass im Dunklen jemand schweigt und jeden Moment attackieren könnte. Jedoch bereitete mir dies eine positiv aufwühlende Aufregung, sodass ich mich wie ein Actionsoldat fühlte. Manche machten ihre Witze, ich spürte die Hitze. Dies ging so weit, dass ich mir Personen in die Dunkelheit hineinimaginierte, mit starrem Blick für meinen Kick.
Durch die zeitlich nahegelegenen Feststellungen dieser zwei Aspekte kam mir der Gedanke, ich könnte sie in einer interessanten Idee vereinigen.
Ich begann also mir im Dunklen die Zähne zu putzen und dabei beschlich mich jedes Mal dieses wundersame Gefühl der Ausgeliefertheit, der zwei Augen im Rücken. Exzellenterweise verlor der Schaum in diesen Momenten jedes Recht auf die Betitelung -Schamschaum-, ja, er lief mir geradezu in Strömen aus dem Munde, in einer ekstatischen Erfüllung, hinein ins Phrenetische. Mit einer solchen Intensivierung hatte ich freilich nicht gerechnet, bei Gott.
Während dieser Bürstgänge ließ ich mich total auf die beschriebenen Empfindungen ein und meist dauerte es ungefähr eine Stunde mit der Bürste im Munde, bis ich genug hatte.
Mittlerweile ergeht es mir, wenn ich mir die Zähne mit anderen bürste genauso und die mitbürstende Person hört auch immer vor mir mit ihrem Bürstgang auf. Mein Problem ist behoben.

Jacques Brel kommt manchmal vorbei

 Fantaflaschen mit grünen Schimmelinseln wimmeln auf dem, mit verblassten, zerkratzten Kinderstickern beklebten Tisch, auf dem ich mittags die Blätter fütter. Das macht mir Spaß und irgendwas muss ich ja machen, wenn ich verrückt werden will... wie so ein Schrank verrückt wird. Und mein Platz an der Sonne ist die Mülltonne.´Ne Menge Patronen liegen rum. Nicht für die Flinte, so Dinger mit Tinte. Obwohl, wenn ich es recht überdenke, mein Füller, oder Kulli, oder womit ich mir die Ohren eben säubere, eine Art Flinte ist. Vielleicht sollte ich mir die Ohren mal mit einer echten Patrone säubern, das wäre womöglich das beste. Keine Tintenpatrone, eine für ´ne Kanone.

Jedenfalls beschieß ich Blätter arg und kann mich abends auch müde hinlegen. Wenn ich aufwache gibt´s zu einem butterlosen Brot gelbe Brühe schon in gräulicher Frühe. Und wenn der krasse Morgenkuss mein Matschappartment attackiert, ist es wirklich eine Idylle im Mülle. Paradiesisch, mit ´ner Kippe im Mund auf Madame Müllkippe sitzen, an ´ner Fanta nippen und das Gesöff auf der Toilette, zu noch ´ner Zigarette, wieder ausschwitzen. Ein bisschen mehr Ordnung oder Sauberkeit hatte ich nie und das will auch keiner, der bei Trost ist. Prost.
Es klopft an der Tür. Jacques Brel steht da, dieser französische Chansonnier, und will mir was von le bon dieu erzählen. Ich wusste garnicht, dass der jetzt bei den Zeugen Jehovas ist. Mit einem erzwungen griesgrämigen Gesicht lasse ich Jacques rein und erhoffe mir von der Singgesellschaft etwas Kraft. Meiner Meinung nach ist das Geigenspiel ganz nett, das ich zu seinen Ausführungen höre. Berührt mir die schuppige Krokodilseele, sie schmilzt aber nicht dahin, wie ich´s bei ´ner Fantaflasche mit ´nem Feuerzeug schaffe. Ich bin kein Plastik.
Jacques Elefantenmund ist so groß wie der Mond. Ein richtiger Mondmund. Geht mir am nächtlichen Himmel auf. Er hätte sich aber einen dichten Bart wachsen lassen sollen. Es kann sich keiner auf sein Gefasel konzentrieren. Mit dem verklebten Messer auf dem Tisch pule ich eine Patrone auf und trinke. Ekelhaft. Ich spucke und den Gast stört das nicht, der bringt weiter seine Parolen ohne einmal Luft zu holen. Eigentlich mag ich ihn ja, will mich der Teufel holen. Inspiriert, wenn ich davon reden kann, zumindest in Stimmung gebracht ´ne Ladung loszulassen, pack ich mir meinen Stift und drück ihn auf´s Papier. Jacques labert, ich schmiere. Wenigstens können wir uns Künstler schimpfen. Manche meinen, dass von Schallplatten zwangsläufig etwas Plattes schallen müsste, aber Jacques, der hat Tiefgang und manche haben ´ne menge Flausen im Schädel.

der Posterliebhaber

 Er war ein Uhrmacher um zwölf Uhr.
Und er nannte sich wie ihm der Zeiger stand. Schon oft hatte er seinen Namen ändern wollen in etwas nicht mehr auffindbares, doch dafür fehlte ihm die Beharrlichkeit.
Sein Leben drehte sich um die Natur, darüber las er alles. Deshalb hatte er sich ein Bärenposter auf den Bauch geklebt und ein Pferdeposter um den kahlen Kopf gewickelt.
Eines Tages klingelte die Polizei bei ihm - ob er ein Poster geklaut hätte.
,,Nein´´ sagte er, ,,aber schauen Sie mal´´, worauf er sein Shirt anhob, das Bärenposter entfernte und es ihnen reichte. Seine Wampe war sehr glitschig.
Sofort schossen sie. Sie dachten, seinem Bauch wäre ein Bär entlaufen. Beinahe wären die Patronen von der Wampe abgeschlittert, doch der Restkleber hielt sie fest. Und der Bauch brach entzwei. Das Poster rieselte zu Boden - als wäre es eine Art Herbst.
Als stünden die Uhren auf Herbst.

Zwischenraum

 Sein Glas mit Hirsegrütze fiel ihm auf den Boden. Hatte er wirklich den Zwischenraum entdeckt?
Sofort nahm seine schnelle Nase den Geruch zerborstener Hirsegrütze wahr. Doch es war ihm egal.
Er holte einen Apfel aus seiner Tasche und verfeinerte ihn mit Vanillehirse. Dann biss er triumphierend hinein.
Genüsslich verschloss er kurzzeitig die Augen. In der Zwischenzeit floh der Zwischenraum. 
Als er die Augen wieder öffnete, spritzten ihm die Tränen in alle Richtungen. Er spreizte die Finger und
schrie in den Überhimmel.
 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.10.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dr. Snuggles

Nächste Seite
Seite 1 /