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Auftakt

 

Was ist das für eine Beule, die ich da habe? Und da noch eine und noch eine. Es sieht aus, als hätte ich die Beulenpest. Hab ich Flöhe, die Krätze, oder sonst irgendwas?

 

Wie ein reifer Pickel, haben alle Beulen einen Mittelpunkt. Jawoll, das sind Einstiche!

Aber woher? Ich nehme doch keine Drogen…

 

Nein, es werden Stiche eines Insektes sein. Was sonst…

 

Vielleicht bin ich allergisch.

 

Das ist ja ein Morgen heute…

 

Es tut weh, aber es juckt nicht.

 

Ich fühle mich ganz eigenartig. Was hat mein heutiges Gefühl mit Gestern zu tun?

Gestern war ich doch bloß bei diesem Selbstverteidigungskurs. Und ich habe ein Stück Holz zerschlagen. Damit wollte die Leiterin uns wohl das Selbstvertrauen stärken, oder uns testen, ob wir uns trauen laut zu schreien und Kraft anzuwenden.

Die Leiterin ist wahrscheinlich lesbisch. Ist sie in mich verliebt?

Von Männern hält sie jedenfalls nicht sehr viel.

 

Wir hatten doch eine Adressliste… Irgendwo habe ich die hingetan…

Ach ja, da liegt sie!

Im Suchen und Finden bin ich gut! Außer, ich finde einen besonders guten Platz, an dem ich etwas verstecke. Das dauert dann lange, bis ich es finde, weil ich das Versteck jedes Mal vergesse. Ich schaue an den ungewöhnlichsten Orten. Wenn ich es dann wieder finde, bin ich ganz stolz. Die Erinnerung, einen besonderen Ort für einen Gegenstand ausgewählt zu haben, ist mir beim Suchen gegenwärtig. Manchmal auch die Hintergedanken, die ich beim Verstecken hatte!

Als Kind habe ich einen Zettel, mit Wahrheiten über meine Familie, unterm Fußbodenbelag versteckt. Das war für später dort arbeitende Handwerker gedacht.

Wohnen tu ich dort nun schon lang nicht mehr. Mir ist es peinlich und ich würde lieber in das Haus fahren und den Zettel vernichten.

 

Ich rufe jetzt die Leiterin des Selbstverteidigungskurses an!

 

Ich: „Hallo Anja, bist Du es?“ 

Anja: „ Wer ist denn da?“ 

Ich; „Ich bin’s, Marie, von Deinem Kurs gestern!“

Anja: „Ach so ja. Guten Morgen.“

Ich: „Sag mal, könntest Du für die Gruppe nicht noch mal so einen Kurs machen? Mir hat es so gut gefallen!“

Anja: „Könnte ich schon, aber ich kenne das: Erst wollen alle weitermachen und dann zerläuft das im Sande und keiner meldet sich mehr. Ihr müsst Euch selber drum kümmern und alles organisieren.“

Ich. „Nie hätte ich gedacht, dass ich Holz zerschlagen kann!“

Anja: „Hast Du aber gemacht!“

Ich: „Ja, erstaunlich!“

Anja: „Und hat auch nicht wehgetan, wie Du erst dachtest, oder?“

Ich: „Überhaupt nicht! Da hat mir manches andere schon mehr wehgetan!“

Anja: „Zum Beispiel?“

Ich: „Da möchte ich jetzt nicht weiter drauf eingehen.“

Anja: „Na gut. Es gibt halt einiges im Leben, was wehtun kann!“

Ich: „Ich habe übrigens etwas von gestern, was wehtut!“

Anja: „Ja?“

Ich: „Etwas wie Insektenstiche! Kann aber auch vom Holz kommen, das vielleicht gesplittert ist!“

Anja: „Aha.“

Ich: „Ich fühle mich heute so eigenartig.“

Anja: „Wieso?“

Ich:„Diese Entspannungsübung, die Du mit uns gemacht hast, am Ende des Seminars, kann, man davon nicht autistisch werden?“

Anja: „Ach was!“

Ich: "Ich bin dabei eingeschlafen! Was, wenn ich nicht mehr aufgewacht wäre?“

 

„…“

 

Anja: „Marie?“

Ich: „Ja?“

Anja: „Dir hat der Kurs doch gefallen, oder?“

Ich: „Ja, sehr gut!“

Anja:„Und Du kannst Dich auch noch an die Geschichte erinnern, die Du in New York erlebt hast, die wir nachgespielt haben?“

Ich: „Klar!“

Anja: „Marie, Du solltest vorbei kommen! Ich möchte nicht am Telefon weiterreden!“

Ich: „Ja ist gut. Das mache ich!“

 

 

Ich habe aufgelegt und muss mich erstmal anziehen.

Sie steht auf mich, ganz klar. Sie ist eine selbstbewusste Frau. Für ihren Körper hat sie einen Waffenschein, das hat sie uns erzählt.

Auch nach dem Kurs, habe ich gegen die keine Chance!

Wir kennen uns kaum und sie will, dass ich zu ihr nach Hause komme!

Wie gesagt: Die steht auf mich.

Was sage ich jetzt Emil, wohin ich gehe?

Wenn er von der Schule kommt, findet er einen Zettel, auf dem steht: „Bin bei einer neuen Freundin!“

So eine tolle Frau zur Freundin… Das wäre doch was!

Er wird bestimmt enttäuscht sein, dass ich weg bin!

Erst habe ich das ganze Wochenende beim Seminar verbracht und bin schon wieder weg.

Na, soll er sich einen runterholen.

 

Ich ziehe mir was Schwarzes an, wie immer !

Ich habe doch diese neuen Klamotten, die ich angezogen habe, als ich zu Heinz gegangen bin!

Da hat die eine von der Ausbildung mich gesehen und gemeint, sie habe mich nicht gerufen, weil sie den schönen Eindruck nicht unterbrechen wollte!

Das ist das Richtige!

Sehr ungewöhnlich, aber gut.

Ein Pantalon, darüber eine durchsichtige schwarze Hose und ein ebenfalls durchsichtiges Oberteil, mit einem Bustier drunter.

So rausgeputzt erwartet sie mich bestimmt nicht, weil ich sonst immer so unauffällig aussehe!

 

Ich lasse die Haare offen. Das mache ich so selten. Dabei habe ich schöne Haare. Meistens trage ich einen Dutt. Wie es sich für eine Tänzerin gehört.

Mein neues Haarwaschmittel macht die Haare ganz hell und glänzend.

 

So aussehend gehe ich die Straße runter. Ich fühle mich nicht ganz wohl, weil ich so auffällig bin und aus der Masse raussteche .Es ist aber so, dass ich weiß, dass ich gut aussehe.

Wenn meine Ausbildung vorbei ist und ich Künstlerin bin, werde ich immer so rumlaufen.

 

Anja wohnt in der Nähe des Maschsees. Ich erinnere mich noch von gestern, als die Kursteilnehmer bei ihr zu Besuch waren.

 

Grade komme ich an meiner alten Schule vorbei. So wie ich aussehe erkennt mich bestimmt Keiner. Ich habe erst vor kurzem mein Abitur geschmissen. Ich will nicht studieren, sondern Tänzerin werden. Ich werde Unterricht geben und auftreten!

Meine Erleichterung, nachdem ich die Schule schmiss, war enorm.

 

 

Jetzt bin ich bei Anja angekommen. Sie findet das Haus spießig, mit den Blumen im Vorgarten und dem Zaun. Ich finde es gemütlich. Also mir gefällt es.

 

„Willkommen in meinem Schrebergarten!“ witzelt Anja und lässt mich rein. Ich sage, dass es mir gefiele. Sie winkt ab und bittet mich in die Küche.

Im Vorbeigehen werfe ich einen Blick in Ihr Wohnzimmer.

Es ist ihr einziges Zimmer. Sie hat ein Schlafsofa.

An den Wänden hängend und überall auf dem Boden verteilt, sind Kartons in Schuhkartongröße. Ich wundere mich, aber sage nichts.

 

Es sieht aus, wie lauter Teile einer Puppenstube. Irgendwas befindet sich innen drin, aber das kann ich nicht richtig erkennen.

Gestern war das noch nicht hier.

 

„Möchtest Du einen Ingwertee?“ fragt mich Anja. „Kenne ich nicht.“ sage ich. „Ich habe hier frischen Ingwer, den schneide ich in Würfel und mit Honig und heißem Wasser, lasse ich ihn zehn Minuten ziehen. Das weckt die Lebensgeister.“

 

„Ich hätte lieber einen Kaffee…“ sage ich. „Gut. Wie trinkst Du ihn? Milch und Zucker?“ fragt sie mich.

„Nur Milch bitte! Zucker nehme ich nur, wenn der Kaffee mir nicht schmeckt!“ antworte ich.

Sie sagt: „Ok. Achtest Du auf Deine Figur? Musst Du wohl als Tänzerin…“ „Nein, nein. Ich esse Unmengen. Ich bin gar nicht satt zu kriegen. Das liegt an dem hohen Verbrauch durch das Training! Meine Lehrerin ist auch nicht so dünn!“ werfe ich ein.

„Was soll das denn heißen? Du hast doch eine traumhafte Figur!“ sagt Anja erstaunt.

„Danke! Du bist aber auch ganz schön durchtrainiert!“ sage ich lachend.

 

„Ja, das mache ich aber nur nebenbei. Eigentlich will ich Kunst studieren!“ sagt Anja.

„Ich habe mein Abitur grad geschmissen!“ gestehe ich.

„Ich gehe zur Abendschule.“ sagt Anja.

„Und willst dann an die Kunsthochschule?“ frage ich.

Lächelnd sagt sie: „Genau!“ 

„Ehrlich gesagt, war das auch mal ein Traum von mir! Ich habe mich aber für nicht gut genug gehalten! Jetzt werde ich halt Tänzerin!“

„Und bestimmt eine Gute!“

„Mal sehen!“ Winke ich ab.

„Ich brühe den Kaffee frisch auf! Ich habe nämlich keine Kaffeemaschine.“ sagt Anja und hantiert mit dem Kaffee.

„Ja, ist gut! Kannst Du mir mal ein Bild von Dir zeigen?“ frage ich.

„Ich mache Objekte! Schaukästen besser gesagt.“ erklärt sie.

„Aha! Das, was im Wohnzimmer steht?“ frage ich.

„Ja, kannst gucken, wenn Du willst!“ sagt sie und zeigt mit dem Finger in Richtung des Zimmers.

 

Jetzt gehe ich ins Wohnzimmer. Alles steht voll. Ich weiß gar nicht wie ich mich bewegen soll. Ich stoße mit dem Fuß gegen die Kästen und entschuldige mich. Ich bin verwirrt. So etwas habe ich noch nie gesehen. Alles ist so filigran. Eigentlich ähneln sich die Kästen alle!

Sie beinhalten Gebilde aus Pappe und alle möglichen Materialien. So etwas Lächerliches habe ich noch nie gesehen! Anja scheint so eine starke Frau zu sein, gibt Kampfsportunterricht und Selbstverteidigungskurse für Frauen und dann so was… Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!

Eine solche Frau setzt sich hin und baut kleine Puppenstuben zusammen…

Ich muss hier raus, ich kann das nicht länger ertragen!

Was ist, wenn ich mich selbst auch so falsch einschätze und so lächerlich bin?

Zum ersten Mal, seit ich mein Abitur geschmissen habe, bekomme ich Angst. Was, wenn das ein Fehler war? Ich hätte Psychologie studieren können! Mein Lehrer, der stellvertretende Schulleiter, war der Meinung ich solle Geschichte studieren. Von Geschichte habe ich bloß keinen blassen Schimmer!

Es trifft mich ein tiefer Schmerz und ich bereue…

 

Schwer getroffen setze ich mich zurück in die Küche.

Ich kralle mich an meiner Tasse fest.

Ich trinke einen Schluck.

Die warme Flüssigkeit rinnt meine Kehle runter.

Langsam fasse ich mich wieder.

 

„Der Kaffee schmeckt köstlich!“ sage ich mit einiger Anstrengung.

 

„Gefallen Dir meine Objekte nicht?“ fragt sie und schaut mich ängstlich an.

„Doch, doch! Ganz toll!“

„Was ist mit Dir? Geht’ s Dir nicht gut?“ Anja ist besorgt.

„Schon den ganzen Tag geht es mir eigenartig. Ich weiß nur nicht warum!“ wundere ich mich.

 

Anja schwappt der Ingwertee über und plötzlich, als ich sie ansehe, merke ich, dass sie zittert.

Ich schau sie an, mit ihren braunen Locken und frage mich, warum ich hergekommen bin…

 

„Anja, Wolltest Du nicht mit mir reden?“

„Ja schon, aber…“

 

Ich sehe, dass ihr das reden schwer fällt. Ich weiß nicht, was los ist und werde langsam schlecht gelaunt.

 

Sie spricht nicht weiter und eine Weile trinken wir schweigend unsere Getränke.

 

„Du hast eine schöne Wohnung!“ sage ich schließlich. „Ich würde auch gerne ausziehen!“

„Ja, „ erwidert Anja! „ Du hast ja gestern erzählt, Du wohnest bei Deiner Mutter.“

 

„Ja, mit meinem Freund zusammen.“

 

Ich erzähle ihr, wie Emil, den ich von jemandem, der auch in unserem Haus wohnt, kenne, sich bei uns vorgestellt hat .Wir hatten einen Mitbewohner gesucht.

 

Er zog dann in unser ehemaliges Wohnzimmer ein.

Ich erzähle ihr, dass er nur einzog um mich zu kriegen.

 

Wir reden eine Weile darüber. Ich sage, dass ich mir bei Emil nicht sicher sei und lange brauchte, um mich richtig für ihn zu entscheiden.

Auch sage ich, dass ich mich schon dreimal von ihm getrennt habe.

„Was macht Dich denn so unsicher?“ fragt sie mich. Ich weiß keine Antwort.

 

Ich: „Ich möchte gerne ausziehen, weil meine Mutter mir auf die Nerven geht.“

Anja: „Erzähl gleich weiter! Ich möchte Dir nur einen Wein anbieten. Möchtest Du?“

Ich: „Ja, gerne! Gute Idee!“

Anja:„Das ist ein guter! Ich habe den von einem Freund, der ihn von Freunden aus Frankreich hat.“

Ich: „Rot, oder weiß?“

Anja: „Ich habe beides! Welchen möchtest Du?“

Ich:„Weiß bitte, der greift die Muskeln nicht so an!“

Anja: „Aha, das war mir neu!“

Ich: „Habe ich mal gehört. Weiß nicht, ob es stimmt. Genau, wie die Geschichte, dass Joghurt nicht so gesund ist, wenn „Joghurt mild“ in der Zutatenangabe steht. Das ist dann aus Joghurtpulver hergestellt.“

Anja: „Das habe ich auch mal gehört. Aber nun erzähl weiter. Warum geht Dir Deine Mutter auf die Nerven?“

Ich: „Wenn ich mich mit ihr unterhalte, ist sie immer fast am einschlafen.“

Anja: „Was, warum das denn?“

Ich: „Ja, im Ernst! Sie fängt immer an zu gähnen. Als ich sie drauf ansprach, sagte sie, sie entspanne sich halt bei mir und das hieße nicht, dass ich ihr langweilig wäre.“

Anja: „Aha!“

Ich: „Der Hintergrund ist der, dass das aus meiner Kindheit kommt.“

Anja: „Wie das?“

Ich:„Ach, das war so: Bevor sie ihr Abitur nachgemacht hat und Psychologie studiert hat, also richtig losgelegt hat, ist sie meistens im Bett gewesen.“

Anja: „Im Bett?“

Ich: „Ja, im Bett. Entweder mit Liebhabern, oder mit mir.“

Anja: „Wie, mit Dir?“

Ich: „Wenn ich nach Hause kam lag sie im Bett und ich habe mich dazu gelegt.“

Anja: „Na so was. Hast Du mal mit ihr darüber gesprochen?“

Ich: „Ich habe ihr zu verstehen gegeben, dass mich ihr gähnen nervt, aber sonst nix. Sie hat ja schließlich einen eigenen Kopf zum Nachdenken!“

Anja: „Das stimmt!“

Ich: „Sie hat ja im Rahmen ihres Studiums eine Analyse machen müssen, aber ich glaube sie hat da nur über ihren Stiefvater gesprochen und nicht über ihre Versäumnisse meinen Bruder und mich betreffend.“

Anja: „Meinst Du?“

Ich: „Ja.“

Anja:„Ist ja krass.“

Ich: „Meine Kindheit war nicht so einfach!“

Anja: „Das merke ich schon!“

 

In unserem weiteren Gespräch, bei dem Anja mir sehr konzentriert zuhört und Zwischenfragen stellt, erzähle ich ihr noch mehr. Ich erzähle ihr, wie ich von einem alten Mann aus unserer Straße angefasst wurde und dann zu meiner Mutter ins Bett ging.

 

„Der Mann hatte mir den Finger in die Scheide gesteckt und mir so sehr wehgetan. Ich

habe danach in meiner Mutters Bett gelegen und mir vorgenommen, da nie wieder hinzugehen! Ich habe, wie zum Schutz, die Hand auf mein Geschlecht gelegt und hatte Angst, sie würde es merken!“ sage ich.

„Hast Du ihr kein Wort erzählt?“ fragt Anja.

Ich antworte: „Nein.“

 

Ich bin ganz kalt, während ich das erzähle.

Ich schaue Anja an und sage: „ Geweint habe ich deswegen noch nie! Als meine Mutter davon erfuhr, hat sie geweint und mich gefragt, warum ich es ihr nicht früher erzählt habe.

Sie ist dann auch nur zur Polizei gegangen und hat mich nicht zu einem Psychologen gebracht. Sie hat wohl befürchtet, ich würde auch von ihrer Faulheit erzählen. Das wollte sie nicht wahrhaben.“

 

Jetzt reicht es mir gleich! Anja wird rot!!! Was hat die denn bloß?

Wenn ich mich nicht irre, sind das Schweißperlen auf ihrer Stirn.

„Was ist mit Dir?“ frage ich.

„Nicht jetzt.“ sagt sie.

 

Na gut dann nicht. Denke ich und nehme einen Schluck des köstlichen Weines.

 

 

 

„Möchtest Du Rauchen?“ Fragt mich Anja.

Ich sag: „Ja!“

 

Zwar habe ich aufgehört zu rauchen, aber jetzt möchte ich.

 

Ich werde ganz aufgeregt und freue mich auf das Rauchen.

 

„Das ist heute ein komischer Tag!“ sage ich. Und weiter: „Ich weiß gar nicht, warum ich so ein Vertrauen zu Dir habe!

Über diese Dinge habe ich noch nie gesprochen.“

 

Sie lächelt gequält und schon wieder wundere ich mich über sie.

Sagen tut sie aber: “ Ich bin sehr froh, dass Du Vertrauen zu mir hast!“

 

Jetzt ist mir alles egal und ich will nur noch rauchen.

 

Nachdem sie die Schachtel geholt hat, mir eine anbietet und mir Feuer gibt, atme ich den Rauch ein und habe dieses typische Gefühl im Hals, was man hat, wenn man länger nicht geraucht hat. Es ist, wie eine Entjungferung. Nicht unten, sondern oben.

 

 

Das Anzünden der Zigarette und der erste Zug sind noch verbunden mit einem schlechten Gewissen, aber während ich rauche und trinke, fühle ich mich glücklich.

 

Wir prosten uns zu und ich muss lachen, warum weiß ich nicht.

Anja macht das Küchenfenster auf und die warme Sommerluft dringt ein.

 

Anja schaut auf den Tisch und fängt ganz leise an zu erzählen: „Meine Mutter hat mich mit sechzehn bekommen. Schwanger war sie von einem wesentlich älteren Mann.

Es hat ihr gar nicht gefallen mit ihm zu schlafen und es blieb eine einmalige Sache.

Als meine Oma von der Schwangerschaft erfuhr hat sie meine Mutter vom Tisch springen lassen und heiß baden, aber es hat alles nichts genutzt. Ich war hartnäckig und wollte auf die Welt!

Sie ist bis heute nicht in der Lage mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Ich bemühe mich, ihr zu gefallen, aber sie interessiert es nicht.“

„Du bemühst Dich ihr zu gefallen?“ frage ich nach.

Sie antwortet: „Ja, ja! Ich rede und rede, über lauter interessante Dinge und sie hört mir nicht mal richtig zu, geschweige denn, nimmt aktiv am Gespräch teil.“

 

Ich sehe, wie Anja das Gesagte berührt.

Ein Zucken des Kinns, feuchte Augen und schließlich läuft eine Träne über ihr Gesicht. Ich sehe, ich habe sie ganz falsch eingeschätzt: Sie ist gar nicht so eine harte und starke Frau, wie ich dachte.

Mich berührt das, was ich da miterlebe, aber weinen kann ich schon lange nicht mehr.

 

Ich

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 15.02.2014
ISBN: 978-3-7309-8419-2

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Thomas, meinen geliebten Ehemann!

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