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Just a Geek - Herr des Feuers

Just a Geek – Herr des Feuers

 

Ich schlug die Tür hinter mir zu und warf meinen Rucksack aufs Sofa. „ICH BIN WIEDER DA, MOM!“ brüllte ich durchs Haus. „GEHST DU BITTE MIT DEN HUNDEN RAUS!“ kam es genauso laut wieder. Das war keine Frage es war ein Befehl, ich kannte meine Mutter, sie war Autorin und eigentlich den ganzen Tag in ihrem Büro. Ich konnte mich nicht erinnern das sie das jemals nicht getan hatte. Ich pfiff leise und sofort stürmten meine Hunde auf mich zu. Die beiden warfen mich fast zu Boden, jetzt denkt nicht das ich klein oder schwach wäre, das war ich nun wirklich nicht, aber meine beiden Hunde waren Irische Wolfshunde und von beachtlicher Größe. „Ist ja gut.“ meinte ich beschwichtigend und streichelte sie. Fionn, der hellbraune der beiden Rüden, begann ein meiner Hand zu lecken und Dubh, der schwarze, stupste mich fordernd an. Schnell holte ich die beiden Leinen und verließ so schnell wie möglich das Haus. Zum Glück waren meine Hunde gut erzogen und wenn ich sie erstmal angeleint hatte liefen sie brav neben mir her, würden sie das nicht tun könnte ich auch nicht mit beiden gleichzeitig rausgehen. Wenn ich erstmal im Feld war würde ich den Alltagsstress vergessen können.

Im Feld ließ ich beide Hunde von der Leine. Sofort stürmten sie los und begannen zu spielen. Ich schlenderte langsam hinter ihnen her. Dabei dachte ich an die Schule, eigentlich war ich wirklich gut in der Schule, trotzdem hatte ich ziemliche Probleme. Ich will euch jetzt nicht verwirren, ich sag einfach wie es ist. Ich bin ein Genie, hyperintelligent, hochbegabt, wie auch immer ihr es nennen wollt, und genau das ist mein Problem. Ich habe in meiner Schulzeit schon drei Klassen übersprungen und bin daher in meiner Klasse der jüngste, drei Jahre jünger wie die anderen. Meine Klassenkameraden nehmen mich nicht ernst, sie mobben mich, beschimpfen mich als „Streber“ und „Nerd“. Ich habe auch keine Freunde, doch das stört mich eher weniger, ich brauche keine Freunde. In der Hinsicht komme ich genau nach meiner Mutter, auch sie hat keine Freunde.

„FIONN, DUBH!“ rief ich meine Hunde als ich umdrehte und mich wieder auf den Heimweg machte. Sofort kamen die beiden zu mir und ich gab ihnen Leckerlis. Manchmal überlegte ich meine Mutter zu fragen ob ich noch einen Hund haben konnte, die Hunde waren meine einzigsten Freunde, ihnen war es vollkommen egal das ich intelligenter wie andere Menschen waren. Meine Mutter war Bestsellerautorin, um Geld musste ich mir nie Sorgen machen. Das war eine der Sachen die ich an meinem Leben gut fand.

Ich hatte bis jetzt nicht unbedingt ein tolles Leben gehabt, als ich fünf war verstarb mein Vater. Er war Soldat gewesen und im Krieg gestorben. Das war nun schon elf Jahre her und ich konnte mich nicht daran erinnern. Als ich in die Schule kam begannen neue Probleme, durch meine Intelligenz wurde ich zum Außenseiter und das meine Mutter eine berühmte Bestsellerautorin war verschlimmerte die Sache noch. „Mach dir nichts aus den anderen, Wil, sie sind nur neidisch.“ pflegte meine Mutter zu sagen, und ich war mir sicher das sie Recht hatte. In diesem Jahr würde ich Abitur machen und dann studieren, ich war froh bald mit der Schule fertig zu sein, doch sicher würde ich auch an der Uni gemobbt werden.

 

 

Als ich wieder nach Hause kam stand meine Mutter in der Küche und kochte. Sie drehte sich zu mir um und begann ein Gespräch: „Wie war es in der Schule Wil?“ Ich lehnte mich an den Küchentisch. „Wie immer.“ Ich beobachtete meine Mutter, sie hatte lange rötliche Haare und war sehr blass, was wahrscheinlich davon kam das sie den ganzen Tag in ihrem Büro saß. Das Telefon klingelte, doch ich gab mir nicht die Mühe ins Wohnzimmer zu laufen, meine Mutter war schon beim ersten Klingeln losgelaufen. „Cheryl Cooper.“ meldete sie sich. Ich ging in den Flur und über die Treppe nach oben, bestimmt telefonierte meine Mutter mit ihrem Agenten, und das würde noch einige Zeit dauern. Ich ging in mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen, ich hatte ein großes Zimmer und auch ein eigenes Bad. Die Wände hatte ich mit Postern zugekleistert, denn wie es sich für einen Nerd gehörte war ich ein Science-Fiction Fan und sammelte alles was mit Star Trek zu tun hatte. Die Wände waren mit Postern geschmückt auf denen entweder der Bau der Raumschiffe oder die Schauspieler zu sehen waren, an der Decke hingen Modelle von Raumschiffen und in den Regalen standen DVDs und Bücher von Star Trek. Meine Mutter verzweifelte langsam an mir und meinte das ich mir nun wirklich nicht alles kaufen musste, doch ich tat es weiter und da ich genug Taschengeld bekam konnte ich mir auch so ziemlich alles leisten. Das war das positive an einer reichen und erfolgreichen Mutter. Das schlechte war eben das ich deswegen gemobbt wurde. Eigentlich war mir die Meinung von anderen egal, doch das Mobbing nahm mich doch ziemlich mit.

 

 

„WIL!“ hörte ich meine Mutter rufen, doch ich antwortete nicht. Ich hatte gerade einfach keine Lust aufzustehen. „WILLIAM!“ rief sie wenig später, ich reagierte noch immer nicht.

„WILLIAM ROBERT COOPER, DU KOMMST JETZT SOFORT RUNTER!“ ich konnte an ihrer Stimme hören wie sehr sie sich über mich aufregte. Wie ich es hasste mit meinem vollen Namen angesprochen zu werden, das war immer so förmlich. Schnell rappelte ich mich auf. „ICH KOMM JA SCHON!“ brüllte ich zurück und machte mich auf den Weg nach unten.

Meine Mutter saß am Tisch und sah mir ziemlich wütend entgegen als ich in die Küche kam. „Wie oft hab ich dir schon gesagt du sollst deinen Fernseher leiser stellen?“ fuhr sie mich an und ich zuckte leicht zusammen. Ich hasste Streit. „Ich hab den Fernseher nicht an gehabt.“ sagte ich und wendete mich meinem Essen zu. Ich wusste das meine Mutter mir glauben würde, noch nie in meinem Leben hatte ich gelogen und das wusste sie genauso gut wie ich. Schweigend aßen wir und ich war froh das sie keine Unterhaltung anfing. Sie wusste das ich in der Schule gemobbt wurde, aber nicht das es in letzter Zeit immer schlimmer wurde. Ich wollte sie nicht unnötig aufregen und war ja eh nicht mehr lange in der Schule. Ich wusste das ich danach Astrophysik studieren wollte, doch noch hatte ich keine Uni gefunden die mir gefiel. Mir war auch bewusst das ich zum Studieren vielleicht ins Ausland würde gehen müssen. Jedoch hatte ich damit sicher weniger ein Problem wie meine Mutter, ich hatte das Gefühl das es ihr sehr schwerfallen würde mich irgendwann gehen zu lassen. Schließlich würde sie dann allein sein.

 

 

„Da ist ja der Streber, na lernst du schon fürs Abi.“ hörte ich die mir wohl bekannte Stimme hinter mir. Ich wusste das es Martin war, mein Mobber, mein Feind. Ich drehte mich nicht um und ignorierte ihn einfach. Er dachte wohl das ich ohne Pausen lernte nur um gut in der Schule zu sein, doch das stimmte nicht, ich lernte kaum, das Wissen fiel mir mehr oder weniger zu. Ich dachte an die Worte meiner Mutter, sicher war Martin nur eifersüchtig auf mich. In diesem Moment dachte ich nach langer Zeit wieder an meinen Vater. Was er wohl von mir halten würde? Würde er stolz auf mich sein? Ich wusste sehr wenig über meinen Vater, nur das er Doug Robert Cooper geheißen hatte, Soldat gewesen war und bei einer Explosion ums Leben gekommen war. Außerdem meinte meine Mutter manchmal das ich meinem Vater sehr ähnlich sah. Ich hatte auch Bilder von ihm gesehen, jedoch hatte ich mich nie getraut meine Mutter nach ihm zu fragen. Ich wollte sie nicht traurig machen, wollte nicht das die Erinnerungen in ihr hochkamen.

Der Gong zum Beginn der Stunde ertönte und ich ging in die Klasse. Ich setzte mich an meinen Tisch, wie immer hatte ich diesen für mich allein, denn niemand wollte neben mir sitzen.

Unser Mathelehrer trat in den Raum, doch wie immer nahm nur ich ihn ernst und war ruhig. Nun ja, eigentlich war ich immer ruhig, mit wem von meinen Mitschülern sollte ich mich auch unterhalten?

 

 

Nach der Pause machte ich mich auf den Weg zu den Physikräumen. Ein paar andere aus meiner Klasse waren einige Meter vor mir und ich folgte ihnen in den großzügig gebauten Raum. In der Tür blieb ich abrupt stehen, ein mir vollkommen fremder Lehrer saß am Pult. Ich hörte Schritte hinter mir und ging nun in den Raum, dort setzte ich mich an meinen Tisch.

Langsam kamen auch die anderen Schüler und nach ein paar Minuten stand der Lehrer auf um die Tür zu schließen. Mir fiel sofort sein hinkender Gang auf, sein linkes Bein schien steif zu sein. Woher das wohl kam? Hinter dem Pult blieb der Mann stehen, er war vielleicht zwei Meter groß und hatte graue Haare. „Ich bin Christian Meier, euer neuer Physiklehrer.“ stellte er sich vor. Seine Stimme war tief und klang sehr streng. Man konnte ihm anmerken das er Respekt erwartete und das er wollte das seine Anweisungen IMMER ausgeführt wurden.

„Warum hinken Sie?“ rief einer meiner Klassenkameraden durch den Raum.

„Ich hatte vor elf Jahren einen Unfall.“ antwortete Herr Meier knapp. Irgendetwas ließ mich misstrauisch werden, doch ich konnte das Misstrauen einfach nicht zuordnen und beschloss es zu ignorieren.

„Was denn für ein Unfall?“ manche Leute konnten wohl nie die Klappe halten. So ein Unfall musste doch schrecklich sein, ich konnte mir gut vorstellen das der Lehrer garnicht darüber reden wollte.

„Ich war Offizier bei der Armee. Vor elf Jahren gab es eine Explosion, einen Unfall, ich war etwa zehn Meter entfernt und wurde nur schwer verletzt, der Kollege der versuchte hatte den kaputten Gastank zu reparieren kam bei der Explosion ums Leben.“ die Alarmglocken schrillten in meinem Kopf. Das konnte nur der Unfall sein bei dem mein Vater sein Leben verloren hatte, dieser Herr Meier hatte meinen Vater gekannt. Im Gegensatz zu mir konnte er sich bestimmt an ihn erinnern. Doch wollte ich überhaupt etwas von meinem Vater erfahren. Ich merkte wie mir schwarz vor den Augen wurde, diese Aufregung war gerade einfach zu viel für mich.

 

 

Als ich wieder aufwachte befand ich mich allen Anscheins nach in dem kleinen Krankenzimmer der Schule. Ich sah mich um und entdeckte Herr Meier. „Wie heißt du?“ fragte er mich. „Wil.“ antwortete ich leise. Mir war noch immer schlecht, ich konnte es kaum glauben jemanden getroffen zu haben der meinen Vater gekannt hatte. Da meine Mutter nach dem Tod meines Vaters alle Kontakte zu gemeinsamen Freunden abgebrochen hatte, hatte ich nie jemanden kennengelernt der ein Freund von meinem Vater gewesen war.

„Und wie heißt du mit vollem Namen?“ fragte der Lehrer weiter, klar wollte er meinen Namen wissen, zum einen war ich krank, zum anderen erkannte er mich bestimmt nicht.

„William … William Robert Cooper.“ sagte ich und konnte das Entsetzen in seinen Augen aufleuchten sehen, nun schien er mich erkannt zu haben, da war ich mir sicher.

„Bist du der Sohn von Doug Cooper?“ fragte er mich und ich nickte. Wie meine Eltern hatte auch ich englische Namen, als ich ein Jahr alt gewesen war, waren meine Eltern nach Deutschland ausgewandert. Meine Mutter hieß Cheryl Amica Cooper, mein Vater hatte Doug Robert Severus Cooper geheißen. Von ihm hatte ich auch meinen Zweitnamen Robert. Nun, ich will euch jetzt nicht mit den Namen von mir und meinen Eltern langweilen.

„Ich rufe jetzt deine Mutter an damit sie dich abholt und am besten auch mit dir zum Arzt fährt.“ meinte Herr Meier und ich war froh das er nicht weiter mit mir über meinen Vater redete.

 

 

Meine Mutter war den ganzen restlichen Tag sehr schweigsam. Sie schien über das Treffen mit Herrn Meier nachzudenken, denn natürlich hatte auch sie den Lehrer getroffen, schließlich hatte sie mich ja von der Schule abgeholt.

Ich saß in meinem Zimmer und sah aus dem Fenster. Fionn und Dubh saßen neben mir und musterten mich. Ich wusste nicht mehr was ich machen sollte, ich befand mich meines Erachtens nach in einer komischen Situation, ich hatte einen alten Freund meines Vaters getroffen und das wo ich kaum etwas über meinen Vater wusste. Meine Mutter hatte nie viel erzählt, sie war mit ihrer Trauer durch Verdrängung fertig geworden. Daher hatte ich auch keinen der alten Freunde meines Vaters kennengelernt, hatte immer nur meine Mutter gehabt die ich nach ihm fragen konnte. Und das hatte ich schon lange aufgegeben, da sie mir nie richtige Antworten gegeben hatte. Meine Mutter hatte sich in ihre eigenen Welten geflüchtet, hatte nur noch geschrieben, ihren Job als Krankenschwester gekündigt. Nach einiger Zeit war sie an einen Verlag gekommen, damals war ich ungefähr sieben gewesen, und schon nach kurzer Zeit war sie berühmt geworden. Ich war viel allein gewesen, doch da ich schon immer ein Einzelgänger gewesen war, hatte mich das nie groß gestört. Als ich etwa neun war hatte meine Mutter Fionn und Dubh aus dem Tierheim geholt und sie mir geschenkt. „Damit du nicht so alleine bist.“ hatte sie gesagt und schon nach kurzer Zeit waren die Hunde zu meinen besten Freunden geworden.

 

 

Am nächsten Morgen hatte ich höllische Bauchschmerzen. Eigentlich war ich mir sicher das sie psychisch bedingt waren, doch das war für mich kein Grund trotzdem in die Schule zu gehen. Meine Mutter kannte mich gut genug um zu wissen das es mir nicht gut ging und als ich in die Küche schlurfte schickte sie mich sofort wieder ins Bett. Ich ging nach oben und meine Hunde folgten mir sofort, sie spürten das es mir nicht gut ging. So schnell es ging verschwand ich wieder in meinem Zimmer und kroch zurück unter die Decke. Das Bett war noch schön warm, schließlich war ich nur zehn Minuten unten gewesen. Fionn und Dubh legten sich neben mein Bett und nach kurzer Zeit waren wir alle drei wieder eingeschlafen. Manchmal tat es gut einfach mal einen Tag im Bett zu bleiben, das wusste ich. Das soll jetzt nicht heißen das ich gerne krank bin, ich denke das ist niemand und ich hasse es. Schließlich verpasse ich dann immer Sachen in der Schule und ich habe keine Freunde die ich nach dem Stoff fragen kann der durchgenommen worden war. Es war also immer recht kompliziert an das Unterrichtsmaterial zu kommen. Doch wenn es mir schlecht ging würde es auch nichts bringen wenn ich mich in die Schule quälte.

 

 

Ich wachte auf und sah das meine Mutter neben meinem Bett stand. „Was ist?“ fragte ich leise und merkte wie ausgetrocknet mein Hals war. Meine Mutter drückte mir ein Glas Wasser in die Hand und meinte dann: „Ich geh jetzt mit den Hunden raus. Danach setze ich mich in mein Büro und schreibe. Du kannst einfach zu mir kommen oder rufen wenn du etwas brauchst.“ Da ich gerade trank nickte ich nur und sie ging wieder. Als sie nach den Hunden rief sprangen beide auf und verließen mein Zimmer. Ich stellte das nun leere Glas auf meinen Nachttisch und ließ mich wieder in die Kissen sinken.

 

 

Als ich das nächste Mal aufwachte strahlte die Mittagssonne durch das Fenster genau in mein Gesicht und ich musste ein paar Mal blinzeln bis sich meine Augen an das helle Licht gewöhnt hatten. Dann setzte ich mich auf und sah mich kurz in meinem Zimmer um. Die Hunde waren nicht da, wahrscheinlich hatte meine Mutter sie mit in ihr Büro genommen damit ich in Ruhe schlafen konnte und die Hunde mich nicht störten. Auf meinem Nachttisch stand wieder ein Glas Wasser, dazu eine Thermoskanne in der ich Tee vermutete und eine Schale mit etwas das verdächtig nach Pudding aussah. Erst jetzt merkte ich das ich Hunger hatte, schließlich hatte ich den ganzen Tag noch nichts gegessen. Ich trank das Wasser und schenkte mir eine Tasse Tee ein. Dann nahm ich die Schale und den danebenliegenden Löffel und begann zu essen. Der Pudding war schon kalt und die Haut auf ihm ließ vermuten das er schon längere Zeit auf meinem Nachttisch gestanden hatte. Meine Mutter hatte mich anscheinend nicht wecken wollen und ich war ihr sehr dankbar dafür.

 

 

„ … irgendwann müssen Sie es ihm sagen.“ hörte ich eine Männerstimme als ich aufwachte. Wem was sagen? Wer war der Mann? Meine Mutter hatte nie Besuch, nur ab und zu von ihrer Agentin, und die Stimme die ich gerade gehört hatte war sicher nicht von ihrer Agentin. „Ich kann es ihm nicht sagen …“ hörte ich nun die Stimme meiner Mutter. War mit „ihm“ ich gemeint? Wenn ja, was konnte sie mir nicht sagen. „Sie müssen, er ist sechzehn, er wird es erfahren müssen.“ hörte ich wieder die Stimme des Mannes. Ich setzte mich in meinem Bett auf und merkte das meine Bauchschmerzen nun nicht mehr so schlimm waren. Leise stand ich auf und ging in den Flur. Dort stellte ich mich vor die Tür vom Büro meiner Mutter, das direkt neben meinem Zimmer lag. „Es ist nicht gut wenn er es unvorbereitet herausfindet.“ sprach der Mann weiter. Schnell stieß ich die Tür auf und trat mit einem Schritt ins Zimmer. Dort stand Herr Meier vorm Schreibtisch meiner Mutter, beide sahen mich erschrocken an. „Wenn ich was erfahre?“ fragte ich mit fester Stimme, auf einmal fühlte ich mich nicht mehr so schlecht. Ich war neugierig, ich wollte wissen worüber die Erwachsenen redeten und auch warum Herr Meier überhaupt hier war.

„Es ist nicht so wichtig Wil.“ meinte meine Mutter sofort.

„Natürlich ist es wichtig.“ widersprach der Besucher.

„Was denn nun?“ fragte ich neugierig und sah vom einen zum anderen.

„Es hat etwas mit deinem Vater zu tun …“ begann meine Mutter zögernd und ich hatte überhaupt keine Ahnung mehr was die beiden von mir wollten. Fragend sah ich sie an.

„Was ist mit meinem Vater?“ fragte ich dann. Die beiden sahen sich an. Nach vielleicht einer Minute begann Herr Meier zu sprechen: „Du weißt ja das dein Vater beim Militär war.“ bestätigend nickte ich und wartete darauf das er fortfuhr.

„Er war nicht einfach beim Militär, er war in einer Spezialeinheit, genau wie ich.“ Wieder nickte ich, doch ich war mir sicher das mein Blick sehr fragend aussah.

„Bitte halt mich jetzt nicht für verrückt, doch jeder in dieser Spezialeinheit kann eines der Elemente, also Feuer, Erde, Wasser und Luft, kontrollieren.“ fuhr er fort. Das hörte sich schon ziemlich verrückt an, doch ich beschloss ihm zu glauben.

„Was für ein Element hatte mein Vater? Und was hat das mit mir zu tun?“ fragte ich.

„Dein Vater hatte das Element Feuer. Du wirst es auch haben, wenn ein Elternteil die Gabe hat ein Element zu beherrschen wird das Gen das dafür verantwortlich ist automatisch an das älteste Kind vererbt.“

„Warum ist mein Vater gestorben wenn er doch Feuer kontrollieren konnte, wie lerne ich das eigentlich?“ wieder hatte ich zwei Fragen auf einmal gestellt, doch Herrn Meier schien das nicht zu stören.

„Dein Vater starb bei einem Angriff. Jede Benutzung der Gabe braucht Energie, wenn man sie zu oft hintereinander einsetzt nimmt die Gabe die Lebensenergie und der Betroffene stirbt. Du musst auf eine spezielle Schule in San Francisco gehen, es wäre gut wenn du so bald wie möglich dorthin gehst. Meistens entfaltet sich die Gabe mit sechzehn.“ Ich nickte. „Wann soll ich in die Schule.“ fragte ich dann.

„Am besten in den nächsten zwei Wochen, es ist gefährlich wenn sich die Gabe unvorbereitet entfaltet.“ meinte Herr Meier. Ich sah zu meiner Mutter, sie blickte mir traurig in die Augen und mir wurde klar das ich bald Abschied von ihr nehmen musste. So hatte ich mir meine Zukunft nicht vorgestellt, doch sicher würde die Gabe Feuer zu beherrschen auch positive Seiten haben.

 

 

Zwei Wochen später waren meine Sachen gepackt und meine Mutter und ich waren auf dem Weg zum Flughafen. Ich würde das nächste Flugzeug nach San Francisco nehmen und dort von einem Mitarbeiter der Schule abgeholt werden. Ich wusste inzwischen das die Schule ein Internat war und ich daher auch dort leben würde.

Wir parkten auf einem großen Parkplatz, mit meiner Mutter hatte ich abgesprochen das sie mich nicht bis zum Flughafen begleiten würde. Also kam jetzt der Abschied. Wir stiegen aus und ich holte meine beiden Koffer aus dem Auto. Dann warf ich mir meinen Rucksack über die rechte Schulter und schloss meine Mutter in eine Umarmung. Ich merkte das sie kurz davor war zu Weinen und strich ihr mit der Hand über den Rücken. „Ich komm dich in den Ferien besuchen Mom.“ sagte ich leise und löste mich von ihr. „Ruf mich an wenn du im Internat bist.“ sagte sie und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Nun geh schon, ich will nicht das du deinen Flug verpasst.“ Sie überspielte ihre Trauer, versuchte tapfer zu sein, so war sie immer. Ich umarmte sie noch einmal kurz und machte mich dann auf den Weg zum Flughafen. Nun ging es für mich hinaus in die große weite Welt.

 

 

Am späten Abend kam ich in San Francisco an. Ich holte mir meine Koffer und verließ nach etwa einer halben Stunde den Flughafen. Mir war gesagt worden das ich vor dem Haupteingang warten sollte und das tat ich auch. Ein junger Mann, der vielleicht ein Jahr älter war wie ich kam auf mich zu. „Bist du William?“ fragte er mich und ich nickte kurz. Ich war total müde, ich hatte zwar im Flugzeug geschlafen, aber ich war niemand der schnell wach wurde. Der Fremde nahm meine Koffer und hob sie auf die Ladefläche seines Wagens. „Ich bin Leopold, aber nenn mich einfach Leo.“ stellte er sich vor und hielt mir die Tür an der Beifahrerseite auf. Dankbar ließ ich mich auf den Sitz sinken. Irgendwann wurde ich dann neugierig: „Welches Element kannst du kontrollieren?“ fragte ich ihn.

„Feuer, genau wie du.“

„Warum ist es so sicher das ich Feuer kontrollieren kann, wie mein Vater?“

„Das Element wird weitervererbt.“

„Und wenn beide Eltern die Gabe haben?“

„Das ist sehr selten.“

„Aber es kommt vor?“

„Ja, dann kann das Erste Kind beide Element kontrollieren, aber das ist sehr kompliziert.“

„Warum eigentlich nur das erste Kind?“

„Weiß ich nicht genau, sonst gäb es mehr. Aber es ist gut das es nicht so viele gibt die Elemente beherrschen können, sonst gäbe es ja irgendwann keine normalen Menschen mehr.“

Nach diesem schnellen Wortwechsel schwiegen wir beide eine Weile.

„Werde ich auch Leute kennenlernen die ein anderes Element haben?“ fragte ich nach etwa drei Minuten des Schweigens.

„Unwahrscheinlich. Das Internat ist in vier Bereiche geteilt, einer für jedes Element. Man hat nur mit Leuten zu tun die das selbe Element haben wie man selbst.“

„Warum ist das so?“

„Ich denke damit sich jeder darauf konzentrieren kann zu lernen sein Element zu beherrschen und nicht von anderen abgelenkt wird.“

 

 

Vielleicht eine Stunde später fuhren wir unter einem Torbogen hindurch und hielten auf einem Parkplatz. Leo stieg aus und ich tat es ihm gleich. Wir gingen über den dunklen Parkplatz auf ein riesiges weißes Gebäude zu, im Licht des Mondes war das Haus deutlich zu sehen und hinter vielen Fenstern brannte auch noch Licht.

„Leo.“ kam ein Ruf vom Gebäude her und mein Begleiter hob zum Gruß die Hand. „Hey Jonny. Hier ist dein neuer Mitbewohner.“ neugierig sah ich den Jungen an der nun ins Licht eines der Fenster trat. „Hi, ich bin Jonathan. Du musst William sein.“ begrüßte er mich und schlug mir, etwas unsanft, auf die Schulter. „Wil reicht.“ meinte ich nur. „Dann komm mit Wil, ich zeig dir unser Zimmer.“ erst jetzt fiel mir auf das wir schon die ganze Zeit englisch redeten, ich war mit Englisch aufgewachsen, daher war mir der Wechsel zwischen den Sprachen gar nicht aufgefallen, auch bei meinem Gespräch mit Leo war mir nicht aufgefallen das wir englisch gesprochen hatten. Ich folgte Leo und Jonathan in das Gebäude und sah mich um. Vom Baustil her sah alles alt aus, jedoch nicht heruntergekommen. Mir gefiel das Haus und ich konnte es kaum erwarten mehr zu sehen. Jonathan und Leo gingen auf eine breite Treppe zu und ich folgte ihnen. Ein paar andere waren noch auf den Fluren unterwegs, sie nickten uns zu oder grüßten auch und sie alle schauten mich neugierig an.

 

 

„Das hier ist unser Zimmer.“ sagte Jonathan und schloss eine Tür auf. Wir waren im fünften Stock und ich war total außer Atem, ich kannte es einfach nicht so viele Treppen zu laufen. Jonathan strich sich die schwarzen Haare aus der Stirn und betrachtete mich belustigt.

„Hier ist dein Bett, das dort ist dein Schrank, diese Tür hier führt zu unserem eigenen Bad.“ erklärte er mir kurz das Zimmer. Es gab nur zwei Betten in dem Zimmer und das war auch gut so. Ich fand es schon komisch genug mir mit einem Fremden das Zimmer zu teilen, mehrere Leute wären mir echt unangenehm geworden.

 

 

Am vergangenen Abend hatte ich einiges über meinen neuen Mitbewohner herausgefunden. Er war genauso alt wie ich und auch noch nicht lange im Internat. So würden wir alle Kurse gemeinsam besuchen. Außerdem kam er aus Amerika und hatte, im Gegensatz zu mir, das Glück seine Familie besuchen zu können, wenn wir einen Tag schulfrei hatten. Während ich darauf wartete ins Bad zu können rief ich bei meiner Mutter an. Zugegebenermaßen hatte ich Heimweh und vermisste sowohl meine Mom als auch die Hunde.

 

 

Etwa eine Stunde später verließen Jonathan und ich unser Zimmer. Es ging die ganzen Treppen wieder hinunter und bald waren wir wieder in der Eingangshalle. „Es gibt jetzt Frühstück. Danach haben wir eine Geschichtsstunde.“ erklärte mir Jonathan als wir durch eine große Tür in eine weitere Halle traten. Überall standen Tische und die Stimmen von vielleicht hundert Schülern waren zu hören.

„Wieviele Leute haben eigentlich das Gen?“ fragte ich neugierig und sah mich um.

„Etwa tausend. Das mag viel klingen, aber wenn man bedenkt wie viele Menschen es auf der Welt gibt ist es eigentlich wenig.“ erklärte Jonathan und steuerte auf einen Tisch zu.

„Das Gen ist relativ gleichmäßig über die Elemente verteilt, hier sind nur die mit Feuer. Insgesamt haben glaub ich dreihundert Menschen das Feuergen.“ fuhr Jonathan fort.

„Hi Jonny.“ ein Mädchen ließ sich auf den Stuhl neben ihm sinken und sah mich mit unverhohlener Neugier an.

„Das ist Wil.“ stellte mich Jonathan sofort vor ohne darauf zu warten das das Mädchen nach mir fragte.

„Hey. Ich bin Claire.“ stellte sich nun das Mädchen vor und reichte mir die Hand. Sie hatte lange schwarze Haare und leuchtend grüne Augen.

„Claire ist auch in unserem Jahrgang.“ erklärte mir Jonathan.

„Wieviele Jahrgänge gibt es?“ fragte ich sogleich.

„Fünf, man kommt mit sechzehn hierher und mit einundzwanzig verlässt man das Internat. Viele gehen danach zum Militär, andere machen die Schule fertig oder fangen an zu arbeiten. Das ist jedem selbst überlassen.“

 

 

Meine erste Schulstunde im Internat stand an und ich setzte mich neben Jonathan. Das Schuljahr hatte erst kürzlich begonnen und daher hatte ich eigentlich nur das Vorstellen von Lehrern und Schülern verpasst.

„Das ist Mr. Redfield.“ flüstere Jonathan mir zu als ein ziemlich alter Mann den Klassenraum betrat. Er ließ den Blick über uns Schüler gleiten und blieb schließlich an mir hängen. „Wer bist denn du?“ fragte Mr. Redfield und ich spürte das nun alle Augen auf mir ruhten.

„Wil.“ antwortete ich, wie immer stellte ich mich nur mit meinem Spitznamen vor.

„Und wie ist dein voller Name?“ fragte der Lehrer weiter und ich hatte das Gefühl ein Dejá vu zu haben.

„William Robert Cooper.“ antwortete ich sofort.

„Cooper, so so.“ meinte der Lehrer nur und sah mich genau an. Fragend hob ich eine Augenbraue. Was sollte die Bemerkung?

„Bist du der Sohn von Doug R. S. Cooper?“ fragte er weiter und ich nickte, außer Stande zu antworten. Woher kannte Mr. Redfield meinen Vater?

„Ich habe deinen Vater gekannt als er hier im Internat war. Ich hoffe du kommst nach ihm, er war immer ein guter Schüler.

Jetzt wollen wir aber mal mit dem Unterricht beginnen. Ich denke ihr habt alle keine Vorkenntnisse, also will ich euch mal ein wenig Grundwissen vermitteln.“ mit diesen Worten begann er seinen Unterricht. Ich musste zugeben das es sehr interessant war, er sprach über die Elemente und darüber wie das Gen vererbt wurde. Außerdem erklärte er auch die Aufgabe eines jeden der das Gen trug.

„Eure Aufgabe wird es sein die Söhne des Ares aufzuhalten. Dies sind Nachfahren des alten griechischen Kriegsgottes. Sie sind noch immer darauf aus Krieg zu führen und eure Aufgabe wird es sein den Frieden zu bewahren. Das ist auch der Grund warum viele nach dem Abschluss hier in den Militärdienst gehen. Die Söhne des Ares haben fast unendliche Kräfte und sind im Kampf fast unschlagbar. Ein normaler Mensch hätte keine Chance, aber wenn jemand weiß wie er ein Element richtig kontrolliert, kann er einen Sohn des Ares im Schach halten, wenn nicht sogar vernichten.“ Alle Schüler waren leise und hörten Mr. Redfield interessiert zu. Dieser Unterricht war vollkommen anders wie der den ich kannte, niemand störte und niemand unterbrach den Lehrer. Wir hörten alle einfach nur zu. Das faszinierte mich, noch nie hatte ich eine solch ruhige Klasse erlebt, zugegebenermaßen waren wir nur fünfzehn Schüler, doch auch fünfzehn unaufmerksame Schüler in einem Raum konnten beachtlichen Lärm machen, da sprach ich aus eigener Erfahrung.

 

 

Nach der Stunde hatten wir eine halbe Stunde Pause und ich folgte Jonathan und Claire nach draußen auf einen großen Schulhof. Dort trafen wir auf Leo und ein paar andere. Inzwischen wusste ich das Leo im Jahrgang über mir war. „Das sind Miles, Carter und Phigus.“ stellte er mir seine Begleiter vor. An uns alle gewandt sagte er: „Wir geben euch gleich in der Arena eine Vorführung, Mr. Roberts will euch zeigen wie weit ihr am Ende des ersten Jahres sein werdet.“ Soviel ich wusste war die nächste Stunde Feuerpraxis, ich vermutete das wir in diesen Stunden lernen würden mit Feuer umzugehen.

Ein Gong ertönte und alle Schüler setzten sich in Bewegung. Ich folgte Jonathan, Claire, Leo, Miles, Carter und Phigus in Richtung eines kleinen Waldes.

Wir waren nur wenige Meter in den Wald hineingegangen als wir auch schon eine große Arena erblickten.

„Wir bereiten uns dann mal vor.“ sagte Leo zum Abschied und verschwand mit seinen drei Freunden.

Jonathan, Claire und ich blieben zurück.

 

 

Zehn Minuten später saßen alle Schüler der ersten Klasse auf den Rängen und blickten zu den Schülern die sich unten versammelt hatten.

Ein Lehrer trat vor uns und sah zu uns hinauf. „Ich bin Mr. Roberts. Ich bin euer Lehrer in Flammenkunde, dieser Unterricht nimmt einen großen Teil der Stunden ein. Ansonsten habt ihr ja noch Geschichte, Englisch und Mathe. Ja von Mathe werdet ihr nicht verschont bleiben meine Damen und Herren. Zudem gibt es noch normalen Sportunterricht der eure Ausdauer und Fitness stärken soll.

Jetzt zur Flammenkunde. Im ersten Jahr werdet ihr lernen durch eure innere Energie gegen Feuer und Hitze immun zu werden. Dann könnt ihr zum Beispiel ohne Probleme durch Flammen gehen und werdet keine Verletzungen davontragen. Außerdem werdet ihr in diesem Schuljahr auch lernen kleine Flammen zu lenken. In den nächsten Jahren werdet ihr dann immer mehr lernen, genaueres werde ich euch später sagen. Nun schaut erstmal ein wenig den Zweitklässlern zu.“ mit diesen Worten trat Mr. Roberts zurück.

Eigentlich beeindruckte mich die Vorstellung der anderen wenig, sie gingen durch Flammen und veränderten etwas den Kurs und die Form von kleinen Flammen, doch ich konnte mir vorstellen das es viel Arbeit war das alles zu lernen. Ich freute mich schon sehr darauf das alles selbst zu lernen.

 

 

„Kommst du Wil?“ fragte mich Jonathan am nächsten Morgen. Ich nickte und wir verließen unser Zimmer. Dann machten wir uns auf den Weg zum Frühstück. Heute hatten wir Sport und Mathe. Mit Mathe würde ich sicher kein Problem haben, ich war schon immer gut in Mathe gewesen, doch ich war nicht unbedingt sportlich und hoffte das ich dadurch nicht allzu viele Probleme im Sportunterricht haben würde.

Vor dem Speiseraum gesellte sich wie immer Claire zu uns, von Leo und seinen Freunden war keine Spur zu sehen.

Wir setzten uns an einen kleinen Tisch, den wir auch für uns hatten. Schnell holten wir uns alle etwas zu Essen und schwiegen danach. Ich wusste nicht worüber ich mit den beiden anderen reden sollte, ich hatte noch nie in meinem Leben Freunde gehabt. Eigentlich wusste ich noch nichtmal ob Jonathan und Claire meine Freunde waren, doch ich ging einfach mal davon aus.

 

 

Ich verließ den Sportunterricht total fertig. Ich war nass geschwitzt und wollte jetzt in der Pause noch schnell duschen. Die Sportlehrerin hatte und die Hälfte der Zeit laufen lassen, ich war das nicht gewohnt und es hatte mich richtig fertig gemacht. Ich hatte nur durchgehalten da ich mich dazu gezwungen hatte. Danach hatten wir Völkerball gespielt, das war zwar weniger anstrengend, jedoch musste man immer auf die Bälle achten. Ich war mir sicher das dieses Spiel unsere Reaktionen verbessern sollte, wozu sollte es auch sonst gut sein?

 

 

„Du bist Wil oder?“ fragte mich eine Stimme und ich drehte mich um. Ich saß in Mathe nicht neben Jonathan, da er sich neben Claire gesetzt hatte. Mich störte das überhaupt nicht und das hatte ich meinem Mitbewohner auch erklärt.

Nun saß neben mir ein hagerer Junge mit hellen blonden Haaren und grauen Augen.

„Ja, warum?“ fragte ich ihn.

„Ich hab in Geschichte gehört das Mr. Redfield von deinem Vater geredet hat, da hat es mich einfach mal interessiert wer dein Vater ist.“ er meinte das ganz locker und schien kein Problem damit gehabt zu haben mich anzusprechen. Mir fiel es schwer über meinen Vater zu reden, doch ich merkte das ich um dieses Gespräch nicht herumkommen würde.

„War. Und wer bist du eigentlich?“ fragte ich zurück.

„War? Ist dein Vater tot? Ich bin Jean, freut mich dich kennenzulernen.“ erwiderte der andere.

„Ja, mein Vater ist gestorben.“ meinte ich und drehte mich weg um Jean zu signalisieren das ich das Gespräch damit für beendet hielt. Er war mir nicht sonderlich sympatisch, doch das konnte ich ja wohl schlecht sagen, also sah ich nur die Möglichkeit ihn so gut es ging zu ignorieren. Hoffentlich würde er mich nicht noch mehr Dinge über meinen Vater fragen, denn Jean schien niemand zu sein der auf die Gefühle von anderen achtete und er schien sich auch gerne zu unterhalten.

 

 

„Boa, Jean nervt.“ meinte Jonathan am nächsten Abend und knallte unsere Zimmertür hinter sich zu.

„Das hab ich dir schon gestern gesagt.“ meinte ich und hob nur kurz den Kopf. Ich lag auf meinem Bett und war in ein Buch vertieft das ich mir gerade aus der Schulbücherei geholt hatte. Darin ging es um die Söhne des Ares, ich wollte unbedingt mehr über sie erfahren.

„Ja, aber ich dachte nicht das er SO schlimm ist.“ erwiderte Jonathan und ließ sich auf sein Bett fallen.

„Was hat er denn gemacht.“ ich setzte mich auf und legte das Buch zur Seite.

„Er hat mich gerade eine HALBE Stunde in der Eingangshalle zugetextet.“ beschwerte er sich.

„Warum bist du nicht einfach gegangen?“

„Weil … ach keine Ahnung.“ meinte er nun resigniert.

„Dann ist es ja dein Problem.“ sagte ich und nahm mir wieder mein Buch. Jonathan seufzte und stand wieder auf. Er ging an seinen Schrank und warf mir kurz darauf einen Schokoriegel zu. „Danke.“ sagte ich sofort. Er zuckte nur mit den Schultern und ging zurück zu seinem Bett. Anscheinend war er genauso wenig auf ein Gespräch aus wie ich, das kam mir gelegen, denn ich wollte unbedingt weiterlesen. Das Buch war einfach zu interessant, ich hätte nie gedacht das es die alten griechischen Götter wirklich gegeben hatte.

 

 

„Wusstet ihr das …“ meinte Jean und lief hinter Jonathan, Claire und mir her.
„NEIN, VERDAMMT LASS UNS ENDLICH IN RUHE!“ nun hatte er bei Claire anscheinend eine Grenze überschritten. Sie brüllte ihn an, während sie sich umdrehte und ihm mit voller Wucht eine Ohrfeige gab.

„Merkst du eigentlich das du total nervst?“ fragte Jonathan und sah auf Jean herab, Jean war recht klein für einen Sechzehnjährigen, doch die geringe Größe machte er durch Nerven wieder wett. Jean schien von uns überhaupt nicht beeindruckt, er zuckte nur mit den Schultern und ging weg.

„Endlich.“ bemerkte Claire und schien nun viel ruhiger. Ich konnte sie verstehen, auch ich war von Jean total genervt.

„Wer auch immer mit ihm in seinem Zimmer ist, hat mein tiefstes Mitleid.“ meinte Jonathan als wir das Schulgebäude betraten und uns auf den Weg zum Unterricht machten. Wir kamen gerade von der Arena, da wir Flammenkunde gehabt hatten. Allerdings hatten wir heute noch nicht wirklich etwas gemacht, da Mr. Roberts erst mehr von uns wissen wollte. Wir hatten uns alle vorstellen müssen und er hatte immer noch tausende Fragen gehabt. Ich hatte echt keine Ahnung warum er das gemacht hatte, doch er behauptete das er seine Schüler kennen wollte bevor er sie ans Feuer ließ. Als würde er uns durch die Vorstellung kennen. Ich freute mich schon darauf wenn wir endlich damit anfangen würden etwas mit Feuer zu machen. Hoffentlich würde es nächste Stunde soweit sein, denn noch so eine langweilige Stunde würde ich nicht überstehen. Vielleicht würde ich Leo mal fragen wann sie im Jahr zuvor mit dem praktischen angefangen hatten, denn ich schätzte Mr. Roberts als solch einen Lehrer ein der jedes Jahr das selbe mit seinen Schülern machte und nie Veränderungen im Lehrplan vornahm.

 

 

„Die Abschirmung gegen Feuer kommt durch eure Vorstellungskraft. Stellt euch etwas vor das euch schützt und denkt fest daran. Mit der Zeit werdet ihr nicht mehr so stark daran denken müssen und irgendwann werdet ihr euch von ganz allein abschirmen ohne euch darauf konzentrieren zu müssen.“ erklärte Mr. Roberts beim nächsten Mal Flammenkunde.

„Wie merken wir das wir geschützt sind?“ fragte Jean nachdem der Lehrer ihn dran genommen hatte.

„Ihr werdet dann weder Hitze noch Kälte spüren, also keine Temperaturen und ich versichere euch das ihr das merken werdet.“ antwortete der Lehrer, doch so ganz konnte ich seinen Worten keinen Glauben schenken.

„Jetzt werdet ihr eure ersten Versuche darin machen und mal sehen wer ein Naturtalent ist. Tretet bitte vor die Hocker hier und wartet noch kurz.“ gab Mr. Roberts uns eine erste Anweisung. Ich sah mich in der Arena um, alle traten hinter die Hocker. Auf jedem der Hocker stand eine große Kerze und schnell suchte auch ich mir einen Hocker.

„Überlegt euch eine Person, ein Tier oder einen Gegenstand von dem ihr euch beschützt fühlt und denkt fest daran.“ sagte der Lehrer nun und ließ seinen Blick über mich und die anderen gleiten. Ich überlegte an was ich denken sollte. Vielleicht an meinen Vater, doch ich konnte kein richtiges Bild von ihm in meinen Gedanken heraufbeschwören. Allgemein fand ich es komisch bei der Übung hier einen Menschen zu nehmen. Mein nächster Gedanke galt meinen Hunden, ja das würde passen. Die beiden gaben mir immer das Gefühl von Sicherheit und ich wusste das sie mich mit ihrem Leben beschützen würden. Ich schwor in meinen Gedanken ein Bild von Fionn und Dubh herauf und dachte fest an die beiden.

„Jetzt denkt fest an den Gegenstand, Menschen oder was auch immer ihr ausgewählt habt und haltet die Hand in die Kerze.“ wies Mr. Roberts uns mit vollkommen ruhiger Stimme an. Ich hörte unterdrückte Schreie, anscheinend hatte das Abschirmen bei den meisten nicht funktioniert. Vorsichtig hielt ich meine Hand über die Kerze und senkte sie langsam nach unten bis die Flamme von unten an meiner Hand leckte.

Ich spürte nichts, keine Hitze, noch nichtmal eine leichte Wärme. Wie konnte es sein das es bei mir beim ersten Mal funktionierte? War ich einfach ein Naturtalent, wie sich Mr. Roberts ausdrücken würde. Der Lehrer stand auch schon vor mir, stellte ich gerade fest und rief der ganzen Klasse zu sie sollten mal zu mir kommen. Na toll, ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen.

 

 

„Na du Naturtalent.“ meinte Claire als wir die Arena verließen und sie zu mir kam. Böse sah ich sie an, Mr. Roberts hatte darauf bestanden das ich allen zeigte das mir das Feuer nichts anhaben konnte, das hatte meine Laune total sinken lassen. Ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen, doch wenn ich dann auch noch etwas zeigen musste war es für mich noch schlimmer. Natürlich hatte ich die Anweisungen des Lehrers befolgt, doch jetzt hatte ich einfach keine Lust mehr darüber zu reden.

„Ich glaub es ist ihm peinlich.“ meinte Jonathan und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. Claire lachte, doch als sie mich dann ansah wurde sie sofort ernst. Wahrscheinlich sah ich ziemlich wütend aus, so fühlte ich mich auf jeden Fall.

Ich war wütend auf Mr. Roberts, wütend auf meine Fähigkeiten, wütend darauf das ich keine Übung zum Abschirmen brauchte und wütend darauf das es mir nicht einfach egal sein konnte im Mittelpunkt zu stehen.

Zusammen mit Jonathan und Claire ging ich zurück zum Schulgebäude. Die beiden ließen mich in Ruhe und wir liefen schweigend nebeneinander her.

 

 

Am nächsten Tag saß ich daneben als Jonathan mit Leo übte. Wir waren in der Arena und es war schon später Nachmittag. Jonathan wollte das Abschirmen üben und ich war mitgekommen um ihm zuzuschauen. Leo gab meinem Mitbewohner ein paar Tipps und trat dann selbst vor die Kerze. Kurz bevor er in die Flamme fasste schien es als würde ich eine Aura umgeben. Flimmernde Luft in der Farbe von Flammen umgab ihn.

„Was ist das für eine … Aura?“ fragte ich sofort.

„Das ist sozusagen das Schutzschild gegen Feuer.“ erklärte mir Leo, er schien sofort zu wissen was ich meinte.

Jonathan trat wieder vor den Hocker und schien sich zu konzentrieren. Kurz flimmerte auch um ihn eine Aura, doch sie verschwand fast sofort wieder. Als er in die Flamme fasste zuckte er sofort zurück.

„Versuch dich mehr zu konzentrieren.“ meinte Leo ruhig.

„Mach ich ja.“ erwiderte Jonathan mit zusammengebissenen Zähnen, er schien sich sehr zu konzentrieren.

„Willst du nicht mal?“ wendete er sich dann an mich. Ich zuckte mit den Schultern, stand auf und ging zu den beiden. Ich konzentrierte mich kurz und legte dann meine Hand etwa einen Millimeter über die Kerze. Von der Flamme spürte ich rein garnichts.

„Wie machst du das?“ fragte Jonathan, er schien leicht genervt, wahrscheinlich nervte es ihn das er es einfach nicht hinbekam. Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich wieder.

„Bei mir hat es ein halbes Jahr gedauert bis ich den Dreh raus hatte. Aber wenn man es einmal herausgefunden hat ist es ganz leicht.“ versuchte Leo meinen Mitbewohner zu motivieren.

 

 

„So, ihr werdet heute weiter an der Abschirmung üben, mal sehen wie es heute klappt.“ meinte Mr. Roberts und wieder traten wir alle vor die Hocker. Ich schirmte mich ab und hielt dann die Hand in die Kerze, ich war so konzentriert das ich nicht merkte wie der Lehrer zu mir trat. Ich bemerkte Mr. Roberts erst als er etwas sagte: „Komm mal mit Wil, du wirst jetzt mit mehr als einer Kerze üben.“ ich folgte ihm ohne ein Wort zu sagen. Zusammen gingen wir an den Rand der Arena. Dort waren einige Fackeln. Mr. Roberts nahm eine und zündete sie an. „Schirm dich ab und leg beide Hände um die Flammen.“ wies er mich an und hielt die Fackel so das ich nur die Hände ausstrecken musste um sie zu berühren. Ich spürte die Hitze die von der Fackel ausging und konzentrierte mich kurz um mich abzuschirmen. Die Hitze verschwand und ich legte beide Hände um die Fackel. Die Flammen leckten an meinen Händen, doch sie konnten dem flimmernden Schutzschild nichts anhaben. Fasziniert sah ich auf meine Hände, an ihnen und an meinem restlichen Körper war diese Aura die ich schon bei Leo gesehen hatte. Nach einiger Zeit nahm ich die Hände von der Fackel und brach die Abschirmung ab. Mr. Roberts steckte die noch immer brennende Fackel in eine Halterung und ging dann wieder zu den anderen. Ich setzte mich kurz auf den Boden, nun wusste ich was damit gemeint gewesen war das die Kräfte die wir hatten uns die Energie entzogen. Mein Hals war trocken und ich hatte Hunger, allgemein fühlte ich mich etwas müde. Dabei hatte ich meine Gabe doch nur kurz eingesetzt, ich hoffte das ich sie bald würde länger einsetzen können.

Ich sah zu den anderen, sie standen alle hinter den Höckern und versuchten in die Flamme der Kerze zu fassen. Bei einigen sah ich kurz das Flimmern einer Aura. Diese Aura war manchmal nur eine Sekunde da, manchmal schon etwas länger, doch niemand schien es zu schaffen in das Feuer zu fassen ohne das der Schutzschild wieder in sich zusammenfiel. Mr. Roberts ging an der Reihe der Schüler entlang und schien ihnen Tipps zu geben.

Ich sah zurück zu der Fackel und dachte nach. Ob ich irgendwann mit Hilfe des Schutzschildes durch Feuer würde gehen können? Der Gedanke gefiel mir auf jeden Fall.

 

 

Die Herbstferien standen an und ich war der Meinung das der erste Teil des Schuljahres fiel zu schnell vergangen war. Ich mochte die Schule und verstand mich super mit Jonathan und Claire, zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich freunde. Doch ich freute mich auch darauf endlich meine Mutter wieder zusehen und so beeilte ich mich meine Koffer zu packen als der letzte Schultag zuende war. Leo hatte angeboten mich zum Flughafen zu bringen und ich hatte dieses Angebot dankend angenommen, schon am nächsten Tag würde ich wieder zuhause in Deutschland sein.

 

 

„WIL!!!“ hörte ich eine Stimme hinter mir als ich am Meeting Point ankam. Ich drehte mich um und schon umarmte mich meine Mutter.
„Ich hab dich vermisst, Wil.“ meinte sie und ließ mich los.

„Ich dich auch Mom.“ erwiderte ich und nahm meine Koffer. Wir machten uns auf den Weg aus dem Flughafen und ins Parkhaus.

„Wie ist die Schule?“ fragte meine Mutter mich als wir ins Auto stiegen.

„Gut.“ antwortete ich einfach nur.

„Hast du Freunde gefunden?“ mir war schon klar gewesen das sie diese Frage stellen würde, sie war immer der Meinung gewesen ich sollte mehr mit anderen Leuten unternehmen, obwohl sie ja immer genauso wie ich zuhause gewesen war. Doch sie war felsenfest davon überzeugt gewesen das das etwas ganz anderes war.

„Ja.“ antwortete ich.

„Erzähl!“ forderte sie mich sogleich auf.

„Jonathan, er ist bei mir im Zimmer und Claire. Sie sind beide mit mir in einem Jahrgang, also in einer Klasse.“ antwortete ich ihr ruhig. Ich sah ihr lächeln, sie schien sehr glücklich darüber zu sein das ich Anschluss gefunden hatte.

 

 

Wir hatten die restliche Autofahrt nicht mehr geredet. Das hatte ich schon immer an meiner Mutter gemocht, sie ließ mich in Ruhe und unterhielt sich nicht die ganze Zeit mit mir.

Die Koffer ließ ich fürs Erste im Auto, ich wollte erstmal meine Hunde sehen. Meine Mutter schloss die Haustür auf und sofort sprangen mir Fionn und Dubh entgegen. Sie bellten und sprangen aufgeregt um mich herum. Ich streichelte sie und war glücklich die beiden endlich wiederzusehen. Erst jetzt wurde mir bewusst wie sehr ich sie vermisst hatte. Sie waren in den letzten Jahren immerhin meine einzigsten und besten Freunde gewesen. Ich beschloss erstmal mit ihnen ins Feld zu gehen. Schnell rannte ich ins Haus, sagte meiner Mom Bescheid und holte dann die Leinen. Aufgeregt liefen mir die Hunde hinterher und ich hatte meine Mühe die Leinen an den Halsbändern zu befestigen.

Schließlich hatte ich beide an den Leinen und machte mich auf den Weg in Richtung Feld. Endlich war ich wieder mit den Hunden unterwegs, auch die täglichen Spaziergänge hatte ich sehr vermisst. Die Hunde waren etwa zehn Meter vor mir und begannen zu spielen, ich ließ meinen Blick über die Felder und Wiesen gleiten und freute mich wieder Zuhause zu sein. Bevor meine Zeit im Internat begann war ich nie lange von Zuhause weggeblieben und es war noch immer sehr ungewohnt. Ich hatte mein ganzes Leben hier in der Umgebung verbracht, doch die nächsten fünf Jahre würde ich hauptsächlich in San Francisco sein. Natürlich freute ich mich schon sehr auf die fünf Jahre, ich würde viel geben und ich musste zugeben das ich das Gen für nichts auf der Welt eintauschen würde. Es war schon verdammt cool so mit Feuer umgehen zu können.

 

 

Die Zeit verging mal wieder viel zu schnell. Die zwei Wochen Ferien waren zuende und am Abend würde mein Flug zurück nach San Francisco gehen. Ich verließ Deutschland mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie man so schön sagte. Einerseits war ich traurig meine Mom und meine Hunde wieder zu verlassen, andererseits freute ich mich auf den Unterricht und darauf Jonathan und Claire wiederzusehen.

Meine Mutter würde mich zum Flughafen fahren und ich war gerade dabei mich wieder von den Hunden zu verabschieden. Das nächste Mal würde ich an Weihnachten nach Deutschland kommen und ich freute mich schon darauf.

Zusammen mit meiner Mutter brachte ich die Koffer ins Auto und stieg dann auf der Beifahrerseite ein. Die Fahrt zum Flughafen dauerte etwa eine halbe Stunde und meine Mutter und ich verbrachten sie schweigend. Wir hatten vereinbart das sie mich vorm Flughafen nur rauslassen würde, ich kannte mich im Flughafen aus und wusste wo ich hingehen musste.

„Bis Weihnachten Mom.“ verabschiedete mich und beugte mich zu meiner Mutter rüber um sie kurz zu umarmen. Sie umarmte mich kurz und gab mir dann einen Kuss auf die Wange.

„Pass auf dich auf Wil.“ meinte sie und ich konnte die Tränen in ihren Augen sehen.

„Nicht weinen Mom, mir passiert schon nichts.“ meinte ich und stieg dann aus. Schnell holte ich meine Koffer aus dem Auto und winkte meiner Mutter ein letztes Mal zu bevor ich mich auf den Weg in den Flughafen machte.

 

 

„Hey Wil, hier bin ich.“ hörte ich die Stimme von Leo als ich den Flughafen von San Francisco verließ. „Hi Leo.“ begrüßte ich ihn und lud meine Koffer in das Auto.

„Wir müssen uns ein wenig beeilen, der Schulsprecher will unbedingt eine Rede halten.“ informierte er mich als wir beide im Auto saßen.

„Es gibt einen Schulsprecher.“ fragte ich. Das mit dem Schulsprecher war neu für mich.

„Ja, jeder in der fünften Klasse kann zum Schulsprecher gewählt werden.“ meinte Leo und fuhr los.

Wir verbrachten die Fahrt schweigend und das war mir nur recht, ich war von dem langen Flug total müde und freute mich schon auf mein Bett im Internat.

 

 

„Wir sind da. Du kannst jetzt aufwachen.“ meinte Leo und schüttelte mich. Ich kam wieder zu mir und mir wurde bewusst das ich im Auto eingeschlafen war. Ich sah das Jonathan hinter Leo stand, anscheinend konnte er sich vor Lachen kaum halten.
„So müde?“ fragte er mich. Ich zuckte zur Antwort nur mit den Schultern und stieg dann aus. Zusammen mit Leo und Jonathan ging ich auf das Internat zu.

Dort angekommen gingen wir in den Speiseraum. Hier waren alle Schüler versammelt und sahen zu dem kleinen Podium am Ende des Raumes. Dort stand ein Schüler den ich vielleicht ein oder zweimal gesehen hatte.

„Willkommen zurück. Ich hoffe ihr hattet schöne Ferien. Für die Zeit bis zu den Winterferien wird es eine Änderung geben und vielleicht wird sie ein paar von euch interessieren. Den Lehrern ist es gelungen zehn Phoenixe zu kaufen und wer will kann helfen sich um sie zu kümmern. Bei Interesse könnt ihr euch einfach bei Mr. Roberts melden.

Ich wünsche euch wieder eine schöne Zeit im Internat.“ Mit diesen Worten stieg er vom Pudium und alle begannen zu reden. „Ist das nicht total cool?“ fragte Claire als sie auf uns zukam. Jonathan und ich zuckten nur mit den Schultern, mich persönlich interessierten die Phoenixe nicht besonders und Jonathan schien es genauso zu gehen. „Ihr seid aber gesprächig heute.“ stellte Claire fest als wir den Speiseraum verließen.

Wir machten uns auf den Weg zu den Schlafräumen und irgendwann verabschiedete sich Claire von uns. Jonathan und ich gingen weiter, wie so oft kam mir der Weg bis zu unserem Zimmer ewig lang vor.

Doch schließlich kamen wir endlich an und ich schloss die Tür auf. Meine Koffer hatte irgendwer ins Zimmer gebracht und ich machte mich daran meine Sachen schnell zurück in den Schrank zu stopfen bevor ich mich auf mein Bett fallen ließ, ich war todmüde und wollte einfach nur noch schlafen. Ich hörte wie Jonathan durch Zimmer lief, kurz darauf ging er ebenfalls ins Bett und machte das Licht aus.

Endlich konnte ich schlafen.

 

 

Am nächsten Tag saß ich mit Jonathan im Gemeinschaftsraum. Vor den Herbstferien war alles spannender gewesen als dieser Raum und wir waren nie hier gewesen, doch jetzt kannten wir alles hier in der Schule und hatten uns hierhin zurückgezogen. Wir saßen uns an einem der Tische gegenüber und spielten 3D-Schach, auch genannt Star-Trek-Schach. Zwar war dieses Spiel etwas komplizierter als echtes Schach und man musste sich auch mehr konzentrieren, doch mir machte es riesigen Spaß. In Star Trek spielten viele diese Schachversion, daher auch der Name Star-Trek-Schach, und dadurch war ich erst zu dem Spiel gekommen. Ich hatte es länger nicht mehr gespielt, meine Mutter hatte irgendwann keine Lust mehr gehabt, was vielleicht daran lag das ich wirklich immer gewonnen hatte. Auch Jonathan war gerade dabei zu gewinnen und schien zu überlegen was er für einen Zug machen sollte. Ich beobachtete ihn und dachte nach. Er stand im Schachmatt und ich hatte zwei Möglichkeiten ihn zu besiegen, er würde also so oder so nach diesem Zug verlieren.

Nun zog er seinen einen Turm und ich schlug sofort seinen König.

„Schachmatt!“ meinte ich mit einem Grinsen und ließ mich in den Sessel zurücksinken.

„Revanche.“ forderte mein Freund sofort und sah mich herausfordernd an. Ich zuckte mit den Schultern und begann die Figuren wieder richtig aufzustellen. Ich hatte nichts gegen eine Revanche, ich mochte das Spiel.

 

 

Es war Halloween und uns war angekündigt worden das es am Abend im Speiseraum eine Feier geben sollte.

Zusammen mit Jonathan ging ich über die Treppen nach unten. Die Fackeln an den Wänden in der Eingangshalle brannten und warfen flackernde Schatten an die Wände.

Im Speiseraum herrschte ein reges Treiben, in der Mitte des Raumes war ein riesiges Lagerfeuer und dort schienen sich die meisten der Schüler versammelt zu haben. Staunend schaute ich zu wie einige Schüler mitten in den Flammen standen und diese zu Spiralen und Drachen formten. Die Spiralen tanzten um die besagten Schüler herum und die Drachen bäumten sich im Feuer auf und ließen den ganzen Speiseraum in flimmerndem Licht erstrahlen. Ich sah das die Phoenixe auf einer Stange saßen und ab und an mit den Flügeln schlugen. Ich musste zugeben das sie wirklich sehr imposante Tiere waren, trotzdem hatte ich kein sonderliches Interesse an ihnen. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen um über die Köpfe der Menge hinwegsehen zu können und suchte mit den Augen den Raum nach Claire ab.

Doch ich konnte sie nicht finden und wenig später verlagerte ich mein Gewicht wieder auf die gesamten Füße. Neben mir schien auch Jonathan nach Claire zu suchen. Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, konzentriert kniff er die Augen zusammen und sah sich um. Wenig später drehte er sich zu mir um: „Hast du eine Ahnung wo Claire sein könnte?“ Ich schüttelte den Kopf um ihm zu signalisieren das ich keine Antwort auf seine Frage hatte.

„JONATHAN, WIL!“ ich wirbelte herum als ich meinen Namen hörte und sah Claire.

„Hey Claire, wo warst du?“ fragte Jonathan sie.

„Hab noch bei den Phoenixen saubergemacht.“ erklärte Claire.

„Sind sie nicht toll?“ fuhr sie dann fort und sah uns begeistert an. Jonathan und ich zuckten mir den Schultern und Claire verdrehte die Augen. Sie murmelte etwas was ich nicht verstand, schließlich wurde es im Speiseraum immer voller und lauter und man musste schon last schreien um ein Gespräch zu führen.

Zusammen mit meinen beiden Freunden machte ich mich auf den Weg zu einem der Tische die noch leer waren und setzte mich. Jonathan und Claire begannen sich zu unterhalten, doch ich hörte ihnen nicht zu. Ich starrte zum Feuer und sah den Schülern zu die dort mir dem Feuer spielten, ein anderer Ausdruck fiel mir nicht ein. Schnell stand ich auf und ging zum Lagerfeuer. Als ich näher kam nahm die Hitze immer mehr zu und ich hüllte mich in meinen Schutzschild. Sofort nahm ich die Hitze nicht mehr wahr. Die meisten Schüler am Feuer kannte ich nicht, doch ich vermutete das sie zu den Älteren auf der Schule gehörten.

„Hey Wil.“ hörte ich jemanden hinter mir sagen und ich drehte mich um. Dort stand Leo und grinste mich an.

„Dein Schutzschild wird ja immer besser.“ meinte er dann und ich sah das auch er seinen aktiviert hatte. Er hatte Recht, inzwischen musste ich mich kaum noch anstrengen um das Schutzschild zu aktivieren und die Lehrer redeten in meinem Fall von einem großen Talent. Doch ich wollte kein Talent sein, ich wollte nichts besonderes sein, ich wollte normal sein. Jedenfalls so normal wie man mit dem Feuergen sein konnte. Wenn ich schon diese besondere Gabe haben musste wollte ich wenigstens so wie alle anderen sein die sie hatten. Warum musste ich mal wieder besser sein als die anderen? Schon mein ganzes Leben ging das so das ich in der Klasse immer der beste war und langsam hatte ich es satt. Doch wahrscheinlich konnte ich sowieso nichts dagegen tun.

Leo sah mich unverwandt an und ich gab ihm mit einer kurzen Geste zu verstehen das ich mit ihm reden wollte.

Ich drehte mich um und verließ den Speiseraum, Leo folgte mir.

„Warum muss ich immer in allem der Beste sein?“ fragte ich ihn in der Eingangshalle und achtete nicht darauf das er kaum etwas von mir wusste.

„Immer?“ fragte er und schien sichtlich verwirrt.

„Das ist schon mein ganzes Leben so, ich hab in der Schule sogar Klassen übersprungen weil mir immer alles leicht gefallen ist.“ erklärte ich schnell.

„Warum regst du dich darüber auf?“ die Frage von Leo brachte mich zum Nachdenken und ich runzelte die Stirn. Warum regte ich mich eigentlich auf? Wenn ich ehrlich war wusste ich es nicht.

„Nimm es doch einfach so hin.“ empfahl mir Leo und ich zuckte mit den Schultern. Er hatte Recht, ich sollte es einfach so hinnehmen. Ich konnte es sowieso nicht ändern, da konnte ich mir auch das ganze Nachdenken und den Stress den ich mir damit selber machte sparen.

Wir wollten uns gerade umdrehen und wieder in die Halle gehen als eine Sirene losging. So hörte es sich auf jeden Fall an und Leo und ich erstarrten. Was war das? Fragend sah ich den Älteren an, doch auch er sah ziemlich ratlos aus und ich schloss daraus das er genauso wenig wusste wie ich.

Eine Gruppe von Schülern kam aus dem Speiseraum, ich schätzte das sie vielleicht in der vierten oder fünften Klasse waren.

„Geht in eure Zimmer, wir werden angegriffen. Und kommt ja nicht auf die Idee das Gebäude zu verlassen.“ meinte einer von ihnen und blieb kurz stehen. Die anderen rannten weiter und auch die Lehrer verließen nun das Gebäude. Der Schüler der mich und Leo angesprochen hatte schien darauf zu achten das niemand unbefugt das Gebäude verließ. Anscheinend durften jetzt nur die Ältesten raus und Kämpfen. Mich störte das nicht, ich hielt kämpfen für sinnlos und hoffte es nie in meinem Leben machen zu müssen. Vielleicht lag das daran das mein Vater im Krieg gefallen war, oder ich war einfach nicht der Typ der gegen andere kämpfte.

Ich wartete auf Jonathan und lief mit ihm zu unserem Zimmer. Dort gingen wir beide sofort ans Fenster und sahen raus.

Es war viel Feuer zu sehen das durch die Luft flog. Neben den Schülern und Lehrern gab es noch Fremde, sie trugen Rüstungen die den alten griechischen sehr ähnlich sahen. Diese Fremden trugen Schwerter und versuchten durch das Feuer an die Verteidiger heranzukommen. Das Zimmer von mir und Jonathan war so gelegen das wir die Eingangstür gut im Blick hatten und ab und zu gingen welche von den Verteidigern rein, wahrscheinlich um wieder zu Kräften zu kommen. Eigentlich hatte ich gedacht das das Schulgelände geschützt war, wie hatten dann die Söhne des Ares hierherkommen können? Andererseits waren sie Krieger und wussten sicher wie sie Verteidigungen durchbrechen konnten.

 

 

Am nächsten Morgen wurde ich von den Sonnenstrahlen wach die durchs Fenster hereinfielen. Schnell stand ich auf und trat ans Fenster. Alles sah ziemlich verwüstet aus, doch niemand kämpfte mehr. Ich wusste nicht mehr wann ich am vergangenen Abend ins Bett gegangen war, doch ich hatte einige Zeit dem Kampf zugesehen.

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. „Herein.“ sagte ich und die Tür ging auf. Leo trat ins Zimmer und sah erst mich und dann Jonathan an. Auch mein Mitbewohner war inzwischen wach geworden.

„Die Söhne des Ares konnten besiegt werden.“ informierte uns Leo.

„Wie konnte es überhaupt zu dem Angriff kommen?“ fragte Jonathan und sprach damit auch meine Gedanken aus.

„An Halloween sind die Söhne des Ares besonders stark. Warum genau weiß ich nicht. Mir wurde nur gesagt das das mit dem alten keltischen Fest Samhain zu tun hat.“ erklärte Leo und half uns damit auch nicht viel weiter. Vielleicht würden wir irgendwann im Unterricht mehr erfahren.

„Ist irgendwer verletzt?“ fragte Jonathan weiter und Leo schüttelte den Kopf:
„Nein, wir hatten ziemliches Glück. Zur Zeit werden alle Grenzen abgegangen und wieder gesichert.“ erklärte er und ich fragte mich woher er das alles wusste.

„Woher weist du das?“ fragte ich ihn.

„Ich hab nachgefragt und einer der Fünftklässler hat mir das alles gesagt.“ meinte Leo gelassen und ließ sich auf mein Bett sinken. Ich setzte mich neben ihn und sah ihn, in der Erwartung das er noch mehr erzählen würde, an. Doch Leo sagte nichts mehr. Nach kurzer Zeit stand er auf und verließ das Zimme wieder.

Ich ließ mich wieder auf mein Bett fallen und sah an die Decke. Heute war Sonntag und daher hatten wir keine Schule, ich konnte also getrost nochmal ein wenig schlafen.

 

 

Am nächsten Tag war natürlich wieder Schule und ich machte mich schnell fertig um in den Speiseraum zu kommen. Vielleicht wurde ja noch etwas wegen dem Angriff gesagt.

Zusammen mit Jonathan lief ich die Treppen nach unten, inzwischen machten mir die vielen Treppen nicht mehr so viel aus.

Wir kamen im Speiseraum an und ich sah mich um. Es war alles wie immer, kein Tumult, kein anderes Verhalten bei Schülern und Lehrern.

Ich holte mir etwas zu essen und suchte dann einen freien Tisch. Wenig später kamen auch Jonathan und Claire zu mir.

„Es ist alles wie immer.“ stellte Jonathan fest und sah durch den Raum. Ich biss von meinem Brot ab und nickte zur Bestätigung.

„Ich dachte eher das mehr los sein wird und alle über den Kampf reden werden, aber bis jetzt hab ich noch kein Gespräch mitbekommen in dem darüber geredet wurde.“ meinte Claire und biss nun ebenfalls von ihrem Brot ab. Wir aßen schweigend und ich dachte über das nach was Claire gesagt hatte. Es verwunderte mich wie schnell alles wieder zur Normalität zurückkehrte und niemand mehr über den Kampf redete. Oder war solch ein Kampf normal für die Lehrer und älteren Schüler? Aber warum verhielten sich dann auch die Erstklässler normal? Nahmen sie durch das Verhalten der anderen an das es nichts besonderes gewesen war und redeten deshalb nicht darüber? Diese Möglichkeit hielt ich für die Wahrscheinlichste und beschloss von nun an auch nicht mehr von dem Kampf zu reden und damit dem Beispiel der anderen zu folgen.

 

 

„Wil, du sollst ins Büro vom Schulleiter.“ Leo kam auf mich zu und wirkte ziemlich aufgekratzt.

„Warum?“ fragte ich, ich hatte nichts falsch gemacht und konnte mir nicht vorstellen warum ich zum Schulleiter sollte.

„Keine Ahnung, ich bring dich hin.“ war das einzige was ich als Antwort bekam. Ich folgte Leo durch die Flure und bald waren wir in einem Teil der Schule in dem ich mich nicht auskannte, ich war sicher beim Erkunden der Schule schon mal hier gewesen, doch ich hatte trotzdem keine Orientierung.

„Hier ist es.“ meinte Leo und ich klopfte an die große Holztür. „Herein.“ kam sofort die Antwort und ich öffnete vorsichtig die Tür. Ich trat in den Raum und sah mich um. Ein Mann, der vielleicht vierzig Jahre alt war, saß an einem großen Schreibtisch und lächelte mich an.

„Hallo William.“ begrüßte er mich. Da ich seinen Namen nicht wusste sagte ich einfach: „Guten Tag.“ und blickte ihn erwartungsvoll an. Warum hatte ich hierherkommen sollen?

„Ich bin Dr. Henry Forest, der Schulleiter hier. Du fragst dich sicher warum ich dich herbestellt habe, ich wollte dich einfach mal kennenlernen. Ich habe gehört das du dich im Unterricht sehr gut anstellst, du scheinst nach deinem Vater zu kommen.“ stellte er sich vor.

„Sie kannten meinen Vater?“ fragte ich offen heraus.

„Ja, wir waren in einer Klasse und gute Freunde.“ erzählte er mir und ich sah ihn neugierig an. Würde er mir jetzt mehr von meinem Vater erzählen?

„Dein Vater war genau wie du immer der Beste in allem, auch er konnte schon nach kurzer Zeit sein Schutzschild ohne Probleme verwenden, genau wie du. Es ist interessant das er das anscheinend an dich vererbt hat.“ sagte der Schulleiter und blickte zu mir.

„Naja, es ist nicht immer toll wenn man der Beste ist.“ erwiderte ich.

„Wirst du denn von anderen gemobbt?“ fragte mein Gegenüber mich und sah auf einmal ziemlich besorgt aus.

Ich schüttelte den Kopf: „Nein.“

Erleichtert sah der Schulleiter mich an: „Dann ist doch gut. Du musst einfach hinnehmen das du Dinge leichter lernst als andere, es bringt dir nichts wenn du immer darauf herumreitest und wie die anderen sein willst.“ gab der Schulleiter mir als Rat und sah mich mit einem Lächeln an. Ich nickte, das hatte ich mir auch schon gedacht, doch es war etwas anderes wenn jemand anderes es als Rat aussprach. Als Rat war es viel überzeugender.

 

 

Zusammen mit Jonathan ging ich zur Arena.
„Und der Schulleiter kannte wirklich deinen Vater?“ fragte er mich zum wiederholten Mal. Ich hatte ihm von meinem Vater erzählt, davon das er im Krieg gefallen war und davon das der Schulleiter ein Freund meines Vaters gewesen war.

„Wie oft soll ich es dir noch sagen? Ja.“ gab ich schon etwas genervt zurück und wir schwiegen kurze Zeit.

Als wir die Arena erreichten fragte Jonathan: „Hilfst du mir?“ Mit einem Nicken erklärte ich mich einverstanden und wir gingen zusammen zu einem der Hocker.

Ich beobachtete Jonathan als er die Hände über die Kerze hielt und sich zu konzentrieren schien. Nach vielleicht einer Minuten konnte ich den Schutzschild sehen der sich um Jonathan aufbaute. Kurz flackerte der Schutz, doch er blieb bestehen. Jonathan senkte seine Hände in die Flamme und sah mich triumphierend an als er merkte das es klappte.

„Siehst du, jetzt kannst du es auch.“ meinte ich mit einem Zwinkern und Jonathan grinste.

„Ja, aber ich denke nicht so gut wie du.“ erwiderte er.

„Das wird schon noch.“ meinte ich schulterzuckend und er hob seine Hände kurz bevor er seinen Schutzschild beendete.

 

 

„Ist das Ihr Ernst?“ fragte Jonathan Mr. Roberts und sah ihn recht schockiert an.

„Ihr schafft das schon Jungs.“ erwiderte der Lehrer gelassen und begann das Feuer anzuzünden.
„Fahrt euer Schutzschild hoch und setzt dann einfach einen Fuß in die Flammen. Es wird euch schon nichts passieren.“ gab er uns die Anweisung im Unterricht zwei Wochen nachdem Jonathan das erste Mal seinen Schutzschild stabil aktiviert gehabt hatte. Die anderen Schüler waren noch nicht so weit, und daher sollten Jonathan und ich schon weitermachen.

Wir warteten bis die Flammen etwa dreißig Zentimeter hoch waren, dann aktivierte ich meinen Schutzschild und setzte einen Fuß in die Flammen. Ich sah wie die Flammen sich an meinem Fuß entlang schlängelten und flackerten wenn ich mich bewegte, doch ich spürte von der Hitze nichts und die Flammen konnten mir nichts anhaben. Mein Schutzschild war stabil und ich spürte das es auch noch eine Weile so bleiben würde. Mir war aufgefallen das ich es merkte wenn mein Schutzschild drohte in sich zusammenzufallen. Vorsichtig setzte ich auch den zweiten Fuß in die Flammen und stand nun in der Mitte des kleinen Lagerfeuers. Jonathan sah mich ehrfürchtig an und ich schenkte ihm ein kleines Lächeln. Dann konzentrierte ich mich wieder ganz auf das Feuer unter mir.

Nach vielleicht fünf Minuten spürte ich das mein Schutzschild schwächer wurde und trat schnell aus den Flammen. Dann ließ ich das Schutzschild in sich zusammenbrechen.

Mr. Roberts kam auf mich zugeeilt und rief:

„Das war toll Wil, du hast wirklich ein Talent. Nun bist du dran Jonathan.“ er sah erst stolz zu mir und dann erwartungsvoll zu Jonathan. Ich spürte wie mein Kumpel unruhig wurde und lächelte ihn beruhigend an. Nach einer halben Minuten aktivierte er seinen Schutzschild und setzte einen Fuß in die Flammen. Da ich selbst meinen Schutzschild nicht aktiviert hatte spürte ich die Hitze des Feuers auf meiner Haut, doch sie störte mich nicht. Jonathan starrte konzentriert ins Feuer und trat nach etwa einer Minute wieder neben mich. Nur Sekunden später brach sein Schutzschild in sich zusammen. „Ich sagte ja das ich nicht so gut bin wie du.“ meinte Jonathan mit einem leichten Lächeln, er schien darüber nicht betrübt zu sein. Ich lächelte zurück: „Das wird sich sicher noch ändern.“

 

 

„Wie macht ihr das eigentlich mit den Schilden.“ Jean lief neben Jonathan und mir her und nervte und schon seit einer gefühlten Ewigkeit mit dieser Frage. Jonathan sah mich an und verdrehte genervt die Augen, dann wandte er sich an Jean: „Wir sind einfach gut.“

„Aber wie macht ihr das?“ fragte Jean erneut, er konnte einfach nicht lockerlassen.

„Das musst du selbst lernen und jetzt hör auf zu nerven!“ fuhr ich ihn an und bemerkte das sich mein Ton ziemlich aggressiv anhörte, doch das störte mich nicht. Ich war mehr als nur genervt von Jean, der merkte anscheinend nicht wie nervig er war und ich war, wie so oft, kurz davor ihm eine zu scheuern. Doch ich konnte mich zurückhalten und war auch froh darüber. Ich wollte keinen Ruf als Schläger hier auf der Schule haben.

„Hey.“ hörte ich die Stimme von Claire hinter mit und drehte mich lächelnd um. Aus den Augenwinkeln sah ich das Jean das Weite suchte, er hatte anscheinend ziemlich Schiss vor Claire, was Jonathan und mich zum lachen brachte. Claire sah uns kurz fragend an, doch als sie realisierte das Jean sich aus dem Staub machte fing auch sie an zu lachen. Wir konnten kaum aufhören und steigerten uns gegenseitig immer mehr ins Lachen hinein.

Irgendwann hatte ich Bauchschmerzen vor Lachen, ich schaffte es mich zusammenzureißen und mit dem Lachen aufzuhören. Auch Jonathan und Claire hatte sich inzwischen wieder gefangen. Ich grinste die beiden an und war froh endlich in meinem Leben Freunde gefunden zu haben. Ich konnte mir wirklich keine besseren als die beiden vorstellen. Ich fragte mich wie ich früher ohne die beiden ausgekommen war, wie ich überhaupt ohne Freunde ausgekommen war. Jetzt wo ich wusste wie es war Freunde zu haben konnte ich es mir nicht mehr vorstellen keine zu haben.

 

 

Bald würden Weihnachtsferien sein und es kam mir vor als wären die letzten Ferien erst vor ein paar Tagen gewesen, die Zeit verging hier im Internat wirklich verdammt schnell.

Heute war eine weitere Stunde und Jonathan und ich hatten ein größeres Feuer bekommen in das wir uns stellen sollten. Das Feuer war so groß das wir uns bequem beide reinstellen konnten und die Flammen schlugen an manchen Stellen fast einen Meter hoch. Doch das störte Jonathan und mich nicht, wir hatten beide unseren Schutzschild aktiviert und standen in den Flammen.

„Über Weihnachten fliegst du wieder nach Deutschland oder?“ fragte mich Jonathan und ich nickte.

„Du verbringst die Ferien auch bei deiner Familie, oder?“ fragte ich, obwohl ich die Antwort schon lägst wusste. Jonathan hatte sich vor den Herbstferien schon sehr darauf gefreut wieder nach Hause zu kommen und ich war mir sicher das er nicht auf das Weihnachten bei seiner Familie verzichten würde. Also war das „Ja.“ als Antwort absolut vorherzusehen gewesen.

„Mein kleiner Bruder ist total neidisch auf mich, er ist nur ein Jahr jünger und würde alles dafür geben die Gabe zu haben.“ erzählte Jonathan und sofort empfand ich Mitleid für seinen Bruder. Ich hatte die Gabe total zu schätzen gelernt und konnte mir nicht mehr vorstellen wie es war ohne sie zu leben. In den letzten Monaten hatte sich so viel geändert, mein ganzes Leben war anders geworden, doch beklagen wollte ich mich darüber nicht. Es gefiel mir.

 

 

 

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 28.05.2014

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